Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Annahmeverzug, Kaufpreis, Bescheid, Eingruppierung, Sittenwidrigkeit, Vertragsschluss, Rechtsverfolgungskosten, Software, Streitwert, Schaden, Anspruch, Kosten des Rechtsstreits, juristische Person, Anspruch auf Feststellung
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Annahmeverzug, Kaufpreis, Bescheid, Eingruppierung, Sittenwidrigkeit, Vertragsschluss, Rechtsverfolgungskosten, Software, Streitwert, Schaden, Anspruch, Kosten des Rechtsstreits, juristische Person, Anspruch auf Feststellung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59907
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 40.328,13 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.12.2020 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 mit der FahrzeugIdentifizierungsnummer ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu
1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.706,94 € freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 4 %, die Beklagte 96 %.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 42.022,11 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um deliktische Ansprüche nach einem Pkw-Kauf.
2
Die Klagepartei erwarb am 01.06.2017 einen von der Beklagten hergestellten Audi A6 3.0 TDI, Abgasnorm EU6 (200 kW, 272 PS), mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis in Höhe von 47.686,10 € brutto mit einem Kilometerstand von 21.627 km von einer Privatperson.
3
In dem Fahrzeug ist ein sogenannter SCR-Katalysator verbaut. Der SCR-Katalysator wird mit AdBlue, einer künstlichen Harnstofflösung, betrieben, um die Stickoxidemissionen des Fahrzeugs zu reduzieren. Bei vollständigem Verbrauch des AdBlue - Vorrates ist ein Starten des Fahrzeugmotors nicht mehr möglich. Ferner verwendete das Fahrzeug eine Dosierstrategie, durch die der SCR-Katalysator zur Abgasnachbehandlung bei Erreichen einer AdBlueRestreichweite von 2.400 km die Dosierung von AdBlue und dynamischer Fahrweise einschränkte, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vermindert wurde. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hatte mit Bescheid vom 04.06.2018 die Entfernung der beschriebenen Funktionsweise durch entsprechendes, freigabepflichtiges Software-Update angeordnet. Durch ein Software-Update, das durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) bereits zum 12.11.2018 die Freigabebestätigung erhalten hatte, wurde die Funktionsweise deaktiviert. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit dem Update versehen worden.
4
In dem Fahrzeug ist ein sog. „Thermofenster“ integriert.
5
Mit Anwaltsschriftsatz vom 28.09.2020 (Anlage K4) hat die Klagepartei die Beklagte unter Fristsetzung bis 12.10.2020 aufgefordert, unter anderem den Kaufpreis abzüglich Nutzungsersatz Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zu bezahlen. Zudem forderte die Klagepartei die Zahlung von Zinsen auf den Kaufpreis in Höhe von 4% ab Kaufzeitpunkt.
6
Am 16.04.2021 betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 64.580 km.
7
Die Klagepartei ist der Auffassung, das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Abschaltvorrichtung, die dazu führe, dass das Kraftfahrzeug einen wesentlich höheren NOxAusstoß aufweise, als die Typengenehmigung des KBA ausweise. Die nach der einschlägigen Abgasnorm Euro 6 vorgegebenen NOx-Grenzwerte würden nur auf dem Prüfstand eingehalten werden. Im tatsächlichen Fahrbetrieb würden die Stickoxidwerte deutlich höher ausfallen und die zulässigen Grenzwerte überschreiten. Zudem komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der „Aufheizstrategie“ zum Einsatz. Unter anderem am Lenkwinkeleinschlag des Lenkrads erkenne die Software den Testbetrieb auf dem Prüfstand. Im realen Straßenbetrieb würde diese Funktion hingegen abgeschaltet werden. In dem Fahrzeug komme ferner eine temperaturgesteuerte Abschaltvorrichtung in Form des „Thermofensters“ zum Einsatz. Die Klagepartei habe den streitgegenständlichen Pkw in der Fehlvorstellung erworben, dass es sich um ein ordnungsgemäß genehmigtes und verkehrsfähiges Fahrzeug handle. Hätte der Kläger von der Manipulation, dem Umstand, dass die erlaubten Grenzwerte für Stickoxid außerhalb des Prüfstands nicht eingehalten würden sowie von der drohenden Betriebsuntersagung gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Das vorsätzliche Handeln der Organe der Beklagten müsse sich diese zurechnen lassen. Die Beklagte treffe eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, welche Personen das Inverkehrbringen der mit der Manipulationssoftware ausgerüsteten Fahrzeuge veranlasst habe. Die Klagepartei sieht den Schaden unter anderem in dem ungewollten Vertragsschluss. Zudem habe das Fahrzeug einen überdurchschnittlichen Wertverlust erlitten. Die Klagepartei begründet einen Anspruch unter anderem aus §§ 826 BGB i.V.m. § 831, 31 BGB analog bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
8
Die Klagepartei beantragte zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 42.022,11 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 mit der FahrzeugIdentifizierungsnummer ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu
1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.178,40 € freizustellen.
9
Die Beklagte beantragte
10
Die Beklagte bestreitet eine deliktische Haftung auf allen Ebenen. Die Beklagte ist der Auffassung der Vortrag der Klagepartei sei pauschal und unsubstantiiert. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht von der bei den EA189-Motoren bekannt gewordenen Umschaltlogik betroffen. Das Thermofenster stelle nach Auffassung der Beklagten keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Die Beklagte habe die Klagepartei nicht sittenwidrig getäuscht. Das für Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs angebotene Software-Update betreffe lediglich die Arbeitsweise des SCR-Katalysators, wenn der Harnstoff (AdBlue) nur noch für eine voraussichtliche Restreichweite von 2.400 km ausreiche. Es handle sich nicht um eine Software, die zwischen Fahrbetrieb und Prüfstand unterscheide. Die Klagepartei habe sich bewusst für ein leistungsstarkes Fahrzeug entschieden, es werde daher bestritten, dass Umweltaspekte beim Kauf eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Im Übrigen sei dem Kläger kein Schaden entstanden.
11
Bezüglich des übrigen Vortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat mündlich zur Sache verhandelt am 16.04.2021 und dabei den Kläger informatorisch zum Sachverhalt angehört. Bezüglich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.04.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
12
Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet.
13
Die Klage ist zulässig.
14
Die Klage ist den dem tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
15
Zwischen den Parteien bestehen keine vertraglichen Beziehungen, sodass als Anspruchsgrundlagen ausschließlich deliktische Normen in Betracht kommen.
16
Der Klagepartei steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung des aufgewandten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB zu. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus der obsiegenden Klagesumme in Höhe einer 1,3-Gebühr.
17
Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, dass der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen und damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaut und dieser sodann in Verkehr gebracht wird, war sittenwidrig. Durch diese Entscheidung ist der Klagepartei kausal ein Schaden entstanden, nämlich der Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug. Die Beklagte hatte auch im Zeitpunkt ihrer Entscheidung Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens für den Eintritt des Schadens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände.
18
Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB sind erfüllt.
19
Die Entscheidung der Beklagten, dass ein - mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehener Motor - in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut und dieses mit der erschlichenen Typengenehmigung in Verkehr gebracht wird, stellt eine sittenwidrige Handlung dar.
20
Unstreitig liegt für das Fahrzeug ein amtlicher und bestandskräftiger Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes vor, welcher dem Gericht im übrigen bekannt ist. Es handelt sich um einen Rückruf für Fahrzeuge der Variante 4G und der Motorenkennzeichnung „CRT“, von dem auch das streitgegenständliche Fahrzeug mit der Leistung von 200 KW und der Schadstoffklasse Euro 6 betroffen ist. Der Rückruf bezieht sich explizit auf die Entfernung von unzulässigen Abschalteinrichtungen aus dem Emissionskontrollsystem. Das KBA ordnete mit dem genannten Bescheid die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge an, was von der Beklagten in der Klageerwiderung auch eingeräumt wurde. Das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist damit mit Tatbestandswirkung festgestellt.
21
Das Kraftfahrbundesamt hat gerichtsbekannt mit Tatbestandswirkung festgestellt, dass in den SCR-Katalysator der in Rede stehenden Fahrzeuge nach Aktivierung des Aufforderungssystems nicht über die gesamte Restreichweite des Fahrzeugs gleich viel Reagens eingedüst wird (bezogen auf vergleichbare Betriebsbedingungen vor Erreichen der Restreichweite). Dies soll der Sicherstellung der geforderten Reagens-Restreichweite von 2.400 km dienen. Dabei erfolgt die Zurücknahme der Reagenseindüsung ausschließlich im Onlinebetrieb ab einem durchschnittlichen Reagens-Langzeitverbrauch von mehr als 1,3 I/1.000 km. Der Korrekturfaktor liegt bei 0,95.
22
Nach Auffassung des KBA ergibt sich aus der Vorschrift zwar nicht klar, ob das Reagens unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem „mittleren“ Betriebsprofil 2.400 km ausreichen muss. Jedoch verbietet die Verordnung (EG) Nr. 71512007 explizit das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bzw. gestattet sie nur unter in Artikel 5 bestimmten Bedingungen, welche hier allesamt nicht zutreffen. Somit sei festzustellen, dass durch die gewählte Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert werde.
23
Obwohl das KBA auch darauf hinweist, dass technisch nachvollziehbar die Abschaltung des Emissionskontrollsystems im weit geringeren Umfang stattfinde als im Fall des VW Touareg, gebietet nach Ansicht des KBA Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die formale Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung. Das Gericht sieht in der beschriebenen Wirkungsweise auch aufgrund eigener Überzeugung eine unzulässige Abschalteinrichtung. Eine „Abschalteinrichtung“ ist gem. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 definiert als jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Bei Erreichen einer Restreichweite von 2.400 km, was anhand des Füllstands des Reagensbehälters errechnet wird, wird die Zufuhr des Reagens bei der Abgasnachbehandlung gedrosselt. Es findet danach eine konstruktive Ermittlung von Parametern (Füllstand) statt, die durch Veränderung der Reagensmenge die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringert.
24
Die vermeintlich geringe Auswirkung auf den Emissionsausstoß berührt das tatbestandliche Vorliegen einer Abschalteinrichtung im Sinne der Vorschrift nicht. Dem Wortlaut der zitierten europarechtlichen Regulierungsvorschrift ist keine Geringfügigkeitsgrenze zu entnehmen. Dies würde auch dem Sinn und Zweck als auch dem Regelungskontext widersprechen. Die Vorschriften zielen vornehmlich auf die Einhaltung des Umweltschutzes und die Bevölkerungsgesundheit ab.
25
Das Gericht geht mit dem OLG Karlsruhe (BeckRS 2019, 18710; BeckRS 2019, 18702) zudem davon aus, dass der beklagte Automobilhersteller für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes im Sinne der gegenständlichen Verordnung darlegungs- und beweisbelastet ist. Dies begründet sich aus der gesetzlichen Systematik, wonach Abschalteinrichtungen zunächst per se als unzulässig angesehen werden, Art. 5 Abs. 2 S. 1 EG (VO). Die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung ist Teil einer gesetzlichen Vermutung, die ihrerseits die bekannten Folgen auf die Verteilung der Beweislast zeitigt. Die Beklagte ist schon ihrer Darlegungslast hierfür nicht nachgekommen. Ein Ausnahmetatbestand, der die unstreitige Einflussnahme auf das Emissionskontrollsystem rechtfertigen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
26
Nach alledem kommt es auf den übrigen Vortrag der Klagepartei zum Vorliegen weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen bereits nicht an, da zumindest in der beschriebenen Reagens-Reduzierung eine solche Abschalteinrichtung zu sehen ist, welche für sich genommen bereits ausreicht, einen Anspruch der Klagepartei auf Rückabwicklung des Kaufvertrages auszulösen.
27
Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Dieselmotoren unter Verwendung einer Motorsteuerungssoftware, durch die Emissionswerte im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb beeinflusst werden und damit das Emissionsverhalten des Motors auf dem Prüfstand im Normzyklus anders gesteuert wird als im regulären Fahrbetrieb, erfüllt bei einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der jeweiligen Käufer derartiger Fahrzeuge im Sinne von § 826 BGB.
28
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Verhalten sittenwidrig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BGH NJW 2014, 1098).
29
Das Verhalten der Beklagten ist deshalb als sittenwidrig anzusehen, da als Beweggrund für das Inverkehrbringen der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motorsteuerung nur eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung in Betracht kommt, außerdem die Beklagte die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden erschlichen hat, ohne dass die materiellen Voraussetzungen dafür vorlagen und zudem den Käufern eines mit einer derart erschlichenen EG-Typengenehmigung versehenen Fahrzeugs die Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs droht und das Fahrzeug insoweit auch bemakelt ist. Bei Würdigung dieser Umstände ist das Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu werten.
30
Die maßgebliche Schädigungshandlung der Beklagten liegt im Inverkehrbringen des Dieselmotors mit der gesetzeswidrigen Motorsteuerung. Dabei setzte sich die Beklagte gezielt über die einschlägigen Rechtsvorschriften hinweg. Anders als gezielt ist der Einbau der geschilderten Motorsteuerung auch nicht denkbar, da bereits nach der Begründung des KBA die Funktionsweise ausschließlich im Onlinebetrieb anspringt.
31
Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Ein anderer Grund ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ersichtlich, wenn die Funktion bewusst so programmiert wurde, dass sie ausschließlich im Onlinebetrieb erfolgt. Die Beklagte trägt hierzu auch keinen anderen konkreten Grund vor. Es ist für das Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb nicht in wahlweise die Anzeige im Cockpit „AdBlue nachfüllen“ anzeigt, wenn das Reagens die Restreichweite nicht mehr sichern kann, oder aber ein größerer AdBlue-Tank verbaut wird, der die gleichmäßige Eindüsung von Reagens sicherstellen kann. Dass vorliegend offensichtlich keine Umschaltlogik verbaut ist, wie sie den Entscheidungen zum Motorenaggregat EA189 zugrunde lag, ändert nach der Überzeugung des Gerichts daher nichts an der hier vertretenen Rechtsauffassung. Denn da auf dem Prüfstand die Situation, dass die Reagens-Restreichweite sichergestellt werden müsste, gar nicht eintreten kann, war eine entsprechende Programmierung auch nicht erforderlich. Die Gesinnung hinter der verbauten Technologie entspricht dennoch derjenigen einer Umschaltlogik, da im Ergebnis ausschließlich im Fahrbetrieb die Eindüsung von Reagens reduziert wird, dies entweder aus Kostenersparnisgründen oder um die „Benutzerfreundlichkeit“ zu erhöhen und sich dadurch einen Marktvorteil zu verschaffen, aber jedenfalls zulasten der Umwelt.
32
Zwar ist Gewinnstreben als Motiv des Handelns eines Wirtschaftsunternehmens an sich nicht verwerflich; im Gegenteil ist es der in einer Marktwirtschaft anerkannte Zweck eines Unternehmens, wirtschaftliche Gewinne zu erzielen und zu mehren. Allerdings führen die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer hohen Zahl von Fahrzeugen verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens sowie die in Kauf genommenen drohenden erheblichen Folgen für die Käufer in Form der Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Beklagten im Sinne des § 826 BGB. Vorliegend hat sich die Beklagte in diesem Gewinnstreben nicht nur gezielt über zwingende Rechtsvorschriften hinweggesetzt und damit deren dem Schutz der Allgemeinheit vor Luftverschmutzung und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen dienenden Zweck missachtet. Vielmehr hat sie zugleich dadurch die Interessen einer großen Zahl an Käufern derartiger Fahrzeuge und damit auch der Klagepartei verletzt. Der zum Einsatz gebrachte Dieselmotor wurde in Großserie produziert und in hohen Stückzahlen verkauft. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten bewirkt, dass eine unübersehbare Vielzahl an Kunden, die um die Hintergründe der Motorsteuerung weder wussten noch wissen konnten, weil diese erst später bekannt wurden, Fahrzeuge erhielten, die wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung den einschlägigen Zulassungsvorschriften nicht entsprachen und die erforderliche Typgenehmigung und Eingruppierung in die entsprechende Schadstoffnorm nur erhalten hatten, weil die Beklagte die Funktionsweise der Motorsteuerung im Genehmigungsverfahren nicht offengelegt hatte. Die Käufer trugen damit das Risiko, dass den mit diesem Motor ausgestatteten Fahrzeugen die Typgenehmigung entzogen werden könnte. Diese Möglichkeit war nicht fernliegend und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Grad ihres Risikos nicht abschätzbar. Dies ergibt sich aus der Anordnung seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes zur Entwicklung von Nachrüstungsmaßnahmen für die betroffenen Fahrzeuge durch die Beklagte, damit die betroffenen Fahrzeuge letztlich die behördliche Freigabe erhielten und damit einen Entzug der Typgenehmigung verhinderten. Diese Entwicklung war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages jedoch nicht absehbar, insbesondere deshalb, weil die infolge der Einstufung der Abschalteinrichtung als unzulässig durch das Kraftfahrt-Bundesamt erforderlich gewordenen Nachrüstungsmaßnahmen durch die Beklagte erst - aufwändig - entwickelt werden mussten. Den Käufern eines betroffenen Fahrzeugs drohte damit zunächst ein Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs.
33
Darüber hinaus hat sich die Beklagte über die Interessen einer Vielzahl von KraftfahrzeugVerkäufern hinweggesetzt, denen die Motorsteuerung der Dieselmotoren zunächst ebenso wenig bekannt war und bekannt sein konnte wie den Käufern. Die Verkäufer, unter denen vor allem eigene Vertragshändler der Beklagten waren, hafteten den Käufern gegenüber verschuldensunabhängig aus kaufrechtlicher Gewährleistung, weil die Ausstattung eines Fahrzeugs mit der rechtswidrigen Motorsteuerung eine Abweichung von der üblicherweise zu erwartenden Beschaffenheit eines Fahrzeugs ist und damit einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begründet. Die Beklagte hat so eine Vielzahl von gutgläubigen Verkäufern, insbesondere solche, mit denen sie selbst langfristig vertraglich verbunden ist, verschuldensunabhängigen Gewährleistungsrechten der Käufer ausgesetzt.
34
Dem Schadensersatzanspruch der Klagepartei aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB steht nicht entgegen, dass die rechtlichen Regelungen für die Typgenehmigung, insbesondere die Verordnung (EG) 715/2007, nicht primär dem Individualschutz dienen, sondern Belangen der Allgemeinheit. Der relevante Schutzzweckzusammenhang zwischen der deliktischen Handlung der Beklagten und dem eingetretenen Vermögensschaden ist gegeben.
35
Zum einen sind die Vorschriften über die Übereinstimmungserklärung zumindest insoweit individualschützend, als sie den Schutz des Interesses des einzelnen Käufers eines Pkws daran bezwecken, ein ohne Weiteres zulassungsfähiges und auch ohne weiteres Zutun dauerhaft zulassungsfähiges Fahrzeug zu erhalten. Die Überstimmungserklärung stellt insoweit eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte.
36
Zum anderen beruht die Annahme einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch die Beklagte nicht primär und ausschließlich auf einem Verstoß gegen diese Rechtsnormen, sondern, wie vorstehend dargestellt, auf einer Gesamtwürdigung einer Vielzahl von Umständen. Ein zentraler die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten begründender Gesichtspunkt ist dabei die geschilderte Verletzung von Interessen der Käufer. Das sittenwidrige Verhalten der Beklagten berührt damit auch die Rechtssphäre der Klagepartei.
37
Der Klagepartei ist durch den Abschluss des Kaufvertrags des streitgegenständlichen Fahrzeugs auch ein Schaden entstanden.
38
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also hier die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit der oben beschriebenen Software, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
39
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klagepartei hier, infolge des der Beklagten zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte die Beklagte offengelegt, dass das in Verkehr gebrachte Fahrzeug mit der oben beschriebenen Software ausgestattet ist, hätte die Klagepartei davon abgesehen, dieses Fahrzeug zu erwerben. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend ist. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht des Gerichts waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Zudem werden von der Vorschrift des § 826 BGB, die Auffangcharakter hat, ohnehin alle vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Beeinträchtigungen umfasst (BeckOGK/Spindler, 1.8.2019, BGB § 826 Rn. 19).
40
Der Umstand, dass sich das Risiko eines Entzugs der Typgenehmigung in der Folge nicht verwirklichte, weil es der Beklagten gelang, eine solche Maßnahme der zuständigen Behörden durch die Entwicklung - insoweit streitig - geeigneter Nachrüstungsmaßnahmen zu verhindern, steht der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Denn für den Eintritt eines Schadens kommt es auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses und damit hier auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Der Schaden ist auch nicht nachträglich entfallen. Denn der Schaden liegt, dies ist die Konsequenz der Abweichung von einer strengen Anwendung der Differenzhypothese, nicht in einem Minderwert oder einer konkreten Funktionsbeeinträchtigung des Fahrzeugs, sondern im Abschluss des Vertrages als solchem. Die Bindung an den Vertrag, deren Beseitigung der Kläger im Rahmen des Schadensersatzes beanspruchen kann, würde auch mit der Nachrüstung des Fahrzeugs nicht entfallen.
41
Die oben genannte Entscheidung der Beklagten war auch kausal für den der Klagepartei entstandenen Schaden.
42
Es ist anerkannt, dass es bei täuschendem bzw. manipulativem Verhalten für die Darlegung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ausreichend ist, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten und nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung gehabt haben können (vgl. BGH vom 12.05.1995, Az. V ZR 34/94, NJW 1995, 2361). Diese Grundsätze sind nach Ansicht des Gerichts auch auf die hier vorliegende Situation zu übertragen.
43
Es ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Käufer ein Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er von der oben beschriebenen Software gewusst hätte. Denn bei Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung drohen Maßnahmen der zuständigen Behörden bis hin zur Stilllegung. Hauptzweck des Autokaufs ist, wie auch im vorliegenden Fall, grundsätzlich das Führen des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr.
44
Daran ändert auch der Grundsatz nichts, dass bei Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (Voraussetzung des Schutzzweckzusammenhangs zur Vermeidung einer ausufernden Haftung bei sittenwidrigem Verhalten, vgl. MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 826 Rn. 46 ff.). Allerdings war vorliegend bereits die Entscheidung der Beklagten, die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Motoren in den betroffenen Fahrzeugen zu verbauen, sittenwidrig und die entsprechenden Erwerber der Fahrzeuge auch unmittelbar von diesem Verhalten betroffen. Selbst wenn man der Vorschrift des § 27 EG-FGV lediglich einen öffentlich-rechtlichen Schutzcharakter zusprechen will, ist dies unschädlich (siehe OLG Karlsruhe, OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 - 17 U 160/18).
45
Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB, nämlich Schädigungsvorsatz und Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, liegen vor. Es ist zwar nicht klar, wer konkret die entsprechenden Entscheidungen bei der Beklagten getroffen hat. Derjenige, der diese getroffen hat, wusste aber sowohl von den oben dargelegten, den Sittenverstoß begründenden Umständen, als auch von den Folgen dieser Entscheidung einschließlich des Schadens für die Erwerber der betroffenen Fahrzeuge. Dieser Vorsatz ist der Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs über eine entsprechende Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen.
46
Dabei bedarf es nicht explizit einer Zurechnung an die Organe im aktienrechtlichen Sinne. Vielmehr muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten, da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (vgl. BGH III ZR 296/11).
47
Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
48
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für das Gericht jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.
49
Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen, sodass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte, § 291 ZPO. Ist eine solche Einstellung, wie hier ausnahmslos bei jedem Motor dieser Serie auffindbar, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Entscheidung dafür, die Motoren mit dieser Einstellung planvoll und absichtlich zu produzieren und in den Verkehr zu bringen angesichts der Tragweite und Risiken für die Gesamtgeschicke des Konzerns durch die Geschäftsleitung selbst getroffen wurde und damit gemäß § 31 BGB zurechenbar ist (vgl. auch LG Krefeld, Urteil vom 12.07.2017, Az. 7 O 159/16).
50
Der Vorstand hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen. Es ist im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen davon auszugehen, dass bei den Beklagten organisatorische Maßnahmen etwa durch Einrichtung einer Innenrevision oder Controlling in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist.
51
Hierbei sind auch folgende Punkte zu beachten: Zum einen war zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einbaus des Motors das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel möglichst geringer Kohlendioxidemission und der Begrenzung der Stickoxidemissonen allgemein bekannt und hätte Anlass zu einer sehr genauen Prüfung geben müssen, als aus Sicht der für die Motorenentwicklung zuständigen Mitarbeiter die Auflösung dieses Zielkonflikts angeblich gelungen war; zum anderen nahm zum damaligen Zeitpunkt der europäische Gesetzgeber den Erlass eines Verbots von verbotenen Abschalteinrichtungen in Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung 715/2007/EG vor und wies daher auf dieses Problem in besonderer Weise hin. Die Repräsentanten mussten wegen dieser Warnwirkung also ohne Weiteres mit der Möglichkeit rechnen, dass eine solche Einrichtung verwendet würde. Dadurch, dass sie trotz der durch die Verordnung offenkundig gemachten Möglichkeit, dass eine solche Einrichtung verwendet werden könnte, nicht eingriffen und dennoch die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellten bzw. deren Ausstellung nicht verhinderten, ist auch ihnen zumindest ein bedingter Vorsatz durch Unterlassen zur Last zu legen.
52
Gemäß § 31 BGB ist die juristische Person für Schäden verantwortlich, die ein Organ oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Zu den unter § 31 BGB fallenden Repräsentanten der Fahrzeughersteller gehören unabhängig davon, ob sie deren verfassungsmäßige Vertreter sind oder nicht, auch über den Wortlaut der Norm hinaus, diejenigen Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sein, sodass auch sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (vgl. BGHZ 49, 19; BGH NJW 1998, 1854; BGH WM 2005, 701).
53
Zu den unter § 31 BGB fallenden Repräsentanten gehören damit also auch diejenigen Angestellten, denen die Motor- und Softwareentwicklung bzw. die Entscheidung über die verwendeten Motoren oblag. Daneben kommen als Personen, für die eine Haftung nach § 31 BGB bejaht werden muss, auch alle weiteren Repräsentanten der Hersteller in Betracht, die in irgendeiner Form auf diese Entscheidungen hätten Einfluss nehmen können.
54
Der deliktische Schadensersatz ist auf das negative Interesse gerichtet, sodass im vorliegenden Fall grundsätzlich nur eine Rückabwicklung, also die Zahlung des Kaufpreises durch die Beklagte an die Klagepartei Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Klagepartei in Betracht kommt.
55
Im Rahmen dieser Rückabwicklung muss sich die Klagepartei den Abzug einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen.
56
Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zug-um-ZugRückabwicklung für den Pkw zu entrichten hat, ist nach Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall auf 7.357,97 € festzusetzen.
57
Das Verhältnis zwischen der durch die Klagepartei mit dem Fahrzeug zurückgelegten Strecke und der Strecke, die erwartungsgemäß mit dem Fahrzeug zukünftig noch zurückgelegt werden kann, entspricht dem Verhältnis zwischen dem Nutzungsersatz, also dem Wert, den das Fahrzeug durch die von der Klagepartei zurückgelegte Strecke eingebüßt hat, und dem gezahlten Kaufpreis. Als Rechtsfolge des Schadenersatzes ist der Kläger so zu stellen, als hätte sie den für sie nachteiligen Vertrag nicht abgeschlossen und hätte demzufolge ein Leistungsaustausch nicht stattgefunden.
58
Zur Berechnung des Nutzungsersatzes gilt Folgendes: Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist grundsätzlich zunächst im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln.
59
Bei Kraftfahrzeugen wird die Nutzungsdauer dabei regelmäßig in Kilometern bemessen. Hierbei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bei der Rückgabe des Fahrzeugs (Reinking/Eggert, der Autokauf, 14. Auflage, Rn. 1186).
60
Für die Ermittlung des Nutzungswertersatzes ist auf den Bruttokaufpreis abzustellen.
61
Der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung 64.580 km. Das Gericht geht weiter im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus, sodass sich die Nutzungsentschädigung wie folgt berechnet:
62
Vorliegend also (47.686,10 € x 42.953 km) : 278.373 km = 7.357,97 €.
63
Es ergibt sich somit ein ersatzfähiger Schadensbetrag von 40.328,13 € (47.686,10 € - 7.357,97 €).
64
Soweit die Klagepartei einen höheren Betrag begehrte, war die Klage abzuweisen.
65
Der Kläger hat zudem, wie beantragt, einen Anspruch auf Verzinsung ab Rechtshängigkeit, §§ 291, 187 Abs. 1 BGB.
66
Daneben war festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des streitgegenständlichen Pkw in Annahmeverzug befindet. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen vor. Die Beklagte befindet sich spätestens mit Aufrechterhaltung der klageabweisenden Anträge in Annahmeverzug.
67
Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Gebühren berechnen sich dabei aus der obsiegenden Klagesumme und sind nur in Höhe einer 1,3-Gebühr ersatzfähig. Es handelt sich vorliegend um Masseverfahren, so dass der Aufwand der Klägervertreter, die Klagen wie die vorliegende vielfach fertigen, nicht als übergebühr anzusehen ist.
68
Demnach ergab sich ein Betrag i.H.v. 1.706,94 € inklusive Pauschale und Mehrwertsteuer.
69
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
70
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und bestimmt sich nach dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.