Titel:
Kaufpreis, Fahrzeug, Kaufvertrag, Schadensersatzanspruch, Vertragsschluss, Berufung, Prospekthaftung, Widerruf, Sittenwidrigkeit, Minderung, Mangel, Streitwert, Darlehen, Anspruch, Kosten des Rechtsstreits, sachlicher Grund, wirtschaftliche Lage
Schlagworte:
Kaufpreis, Fahrzeug, Kaufvertrag, Schadensersatzanspruch, Vertragsschluss, Berufung, Prospekthaftung, Widerruf, Sittenwidrigkeit, Minderung, Mangel, Streitwert, Darlehen, Anspruch, Kosten des Rechtsstreits, sachlicher Grund, wirtschaftliche Lage
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59864
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird bis 29.09.2021 auf € und ab 30.09.2021 auf € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche aufgrund des Erwerbs eines durch die Beklagte zu 2) hergestellten Fahrzeuges durch die Klagepartei. Die Beklagte zu 1) ist Herstellerin des im streitgegenständlichen Fahrzeugs eingebauten Motors einschließlich der Motorsteuerungssoftware.
2
Streitgegenständlich ist ein im Oktober 2019 bei der Beklagten zu 3), einem Autohaus in Dü., erworbenes gebrauchtes Fahrzeug Porsche Cayenne S Diesel mit einem Kilometerstand von 49.833 km (Anlage K 47). Es unterliegt der Schadstoffklasse Euro 5.
3
Das Fahrzeug wurde teilweise über ein Darlehen finanziert. Dieses ist noch nicht abgelöst. Das Fahrzeug wurde zur Sicherung des Darlehens an die Bank übereignet.
4
Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt ein verbindlich angeordneter Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes vor.
5
Mit Schreiben vom 02.06.2020 forderte die Klagepartei die Beklagten zu 1) und 2) und mit Schreiben vom 12.08.2020 die Beklagte zu 3) auf, das Fahrzeug bis zum 19.06.2020 bzw. 25.08.2020 zurückzunehmen und der Klagepartei den Kaufpreis abzgl. Nutzungswertersatz zu erstatten. Der Beklagten zu 3) wurde mit Schreiben vom 12.08.2020 der Rücktritt erklärt.
6
Dies wurde mit Schreiben vom 08.06.2020 seitens der Beklagten zu 1) sowie Schreiben vom 09.09.2020 seitens der Beklagten zu 3) abgelehnt. Die Beklagte zu 2) reagierte auf das Schreiben nicht.
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Das Fahrzeug wies am 29.09.2021 einen Kilometerstand von 67.817 km auf.
8
Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 01.04.2020 ein Software-Update angeboten. Das Software-Update hat der Kläger nicht aufgespielt.
9
Die Klagepartei trägt vor, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug ein Motor des Typs EA897 verbaut sei.
10
Die Klagepartei geht von unzulässigen Abschalteinrichtungen in Form einer temperaturabhängigen Reduzierung der Abgasrückführung unter normalen Betriebsbedingungen (sog. „Thermofenster“) und eines sog. Warmlaufmodus aus.
11
Es liege ein Mangel wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung vor, der nicht unerheblich sei.
12
Die Nachbesserung sei unmöglich.
13
Die Aktivlegitimation sei trotz der Finanzierung über ein Darlehen gegeben.
14
Die Klagepartei macht Ansprüche aus §§ 826 BGB i.V.m. § 31 BGB, §§ 826, 831 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 UA 2, Art. 4 Abs. 2 UA 2, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2, Art. 13 der VO 715/2007/EG sowie §§ 346, 433, 434, 437, 323 BGB geltend.
15
Die Klage wurde der Beklagten zu 1) am 29.04.2021, der Beklagten zu 2) am 28.04.2021 und der Beklagten zu 3) am 28.04.2021 zugestellt.
16
Die Klagepartei beantragte zunächst:
Im Termin vom 30.09.2021 beantragte die Klagepartei zuletzt:
Im Übrigen wurde der Antrag in Ziffer 1) für erledigt erklärt. Die Beklagtenvertreter zu 1) bis 3) widersetzten sich der Teilerledigungserklärung.
17
Die Beklagten zu 1) bis 3) beantragten,
Die Klage wird abgewiesen.
18
Beklagtenseits wird die Aktivlegitimation der Klagepartei in Abrede gestellt.
19
Die Beklagte zu 1) behauptet, dass im vorliegenden Motor keine dem Motortyp EA189 vergleichbare Umschaltlogik der Abgasrückführung vorliege. Die Behauptungen der Klagepartei seien unsubstantiiert. Es fehle an der erforderlichen Kausalität, da die Klagepartei den Pkw mit 382 Ps erworben habe, um ein besonders leistungsstarkes Fahrzeug zu erwerben; die Emissionswerte hätten dabei keine Rolle gespielt, zumal der Wagen nach Bekanntwerden des Dieselskandals erworben wurde.
20
Die Beklagte zu 2) trägt vor, dass es sich nicht um den Motor EA189 handle und der streitgegenständliche Motoröauch nicht zu diesem baugleich sei, auch nicht dessen technische Eigenschaften besitze. Porsche hafte nicht deliktisch, da sie den Motor nicht entwickelt und hergestellt hat.
21
Ansprüche bestünden bereits nicht, da es sich um einen Gebrauchtwagenkauf von privat handelte und eine Täuschungshandlung nur den Ersterwerber treffe.
22
Die Beklagte zu 3) rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Amberg. Sie trägt vor, dass keine Beschaffenheitsvereinbarung mit dem Kläger getroffen worden sei. Es liege kein Sach- oder Rechtsmangel vor. Es liege kein Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch die Beklagte zu 3) vor.
23
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
25
Das Gericht hat am 30.09.2021 mündlich zur Sache verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 30.09.2021 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch besteht gegen die Beklagten zu 1) bis 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
27
Die Klage ist zulässig.
28
Insbesondere ist das Landgericht Amberg auch hinsichtlich der Beklagten zu 3) örtlich zuständig, da sich das Fahrzeug bestimmungsgemäß am Wohnort des Klägers in Schwarzenfeld im Zuständigkeitsbereich des LG Amberg befindet.
- Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) und zu 2)- Der Klagepartei steht gegen die Beklagten zu 1) und 2) kein Anspruch zu, weder gemäß § 826 BGB bzw. § 831 BGB noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB. Auch sonstige Ansprüche sind nicht gegeben.
(so für den streitgegenständlichen Motor im Ergebnis auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2020, 5 U 318/19, BeckRS 2020, 40872; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.07.2020, 16a U 200/19, BeckRS 2020, 28271; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.10.2020, 10 O 2893/20, BeckRS 2020, 43093, unter Rekurs auf OLG München, BeckRS 2020, 41015; OLG Dresden, BeckRS 2020, 35322; OLG Bamberg, BeckRS 2021, 2533).
29
Ein Anspruch gemäß § 826 BGB ist nicht gegeben.
30
1. Nach § 826 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Voraussetzung ist also eine Schadenszufügung, die auf einer schädigenden Handlung beruht, die aus objektiver Sicht als sittenwidrig einzustufen ist, weil sie nach ihrem Inhalt bzw. Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist.
31
2. Das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug kann offenbleiben. Ansprüche sind dennoch nicht gegeben. Dies gilt auch hinsichtlich eines Vorhandenseins eines sog. „Thermofensters“. Der Vortrag bzgl. des „Warmlaufmodus“ ist schon unsubstantiiert.
32
Der Klagepartei wäre durch die Beklagten insofern nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden.
33
a) Ein Anspruch würde voraussetzen, dass die Beklagte beim In-Verkehr-Bringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs konkludent darüber getäuscht hätte, dass der Einsatz der Fahrzeuge entsprechend ihrem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig wäre, obwohl tatsächlich eine verbotene Abschalteinrichtung eingebaut gewesen wäre mit der Folge, dass der Widerruf der Typgenehmigung drohte (vergleichbar, jedoch zu einem anderen Motortyp, s. OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, 5 U 1670/18). Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs unter bewusstem Verschweigen einer -bekanntermaßengesetzwidrigen Motorsteuerungsprogrammierung würde nämlich eine Täuschung darstellen dahingehend, dass der Hersteller mit dem Inverkehrbringen konkludent die Erklärung abgibt, der Einsatz des Fahrzeugs sei im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig. Der Schaden des Fahrzeugkäufers besteht in einem solchen Fall darin, dass ihm der Entzug der Betriebserlaubnis und damit die Stilllegung des Fahrzeugs droht, wobei der Schaden bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs eingetreten wäre (vergleichbar, jedoch zu einem anderen Motortyp, s. OLG Nürnberg, Hinweis gem. § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19).
34
b) Das Verhalten der Beklagten müsste sich zudem als sittenwidrig darstellen. Ein Verhalten ist objektiv sittenwidrig, wenn es nach Inhalt und Gesamtcharakter, welcher durch eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, mithin mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Nicht ausreichend ist hingegen, dass das Verhalten gesetzes- oder vertragswidrig ist, unbillig erscheint oder einen Schaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Zweck, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann, gegeben sein. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur führt ein Gesetzesverstoß nicht zwingend zum Vorliegen der Sittenwidrigkeit, vielmehr muss die relevante Norm Ausdruck einer sittlichen Wertung und nicht wertneutral sein. Für das Urteil der Sittenwidrigkeit genügt damit nicht jedweder Verstoß, sondern es muss sich im Einklang mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers und der aufbauenden Rechtsprechung um „Auswüchse“, d. h. um „Extremfälle“, handeln (Bamberger/Roth/Hau/Posseck-Förster, beck-online-Kommentar zum BGB, 49. Edition, 01.02.2019, § 826 BGB, Rn 15).
35
Für das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes ist auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs durch die Beklagte abzustellen; der heutige Meinungsstand ist insofern irrelevant (vergleichbar, jedoch zu einem anderen Motortyp, s. OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19).
36
c) Vorliegend mangelt es jedoch jedenfalls an der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten.
37
aa) Ein etwaiges Verhalten der Beklagten, mit einem sog. Thermofenster u.ä. ausgestattete Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen, ist vorliegend nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das in den streitgegenständlichen Fahrzeugen installierte Thermofenster bzw. die übrigen klägerseits monierten Systeme eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung darstellen oder nicht (so auch OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.02.2020, 3 U 7524/19, BeckRS 2020, 1062, zum Motortyp EA 288).
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bb) Die Einstufung der temperaturabhängigen Abgasrückführungssteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung war auf Grund der geltenden Bestimmungen nicht derart eindeutig, dass eine andere Auffassung kaum vertretbar erschiene. Damit kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Beklagte die etwaige Unerlaubtheit ihres Vorgehens erkannt hätte und somit die Typgenehmigungsbehörde und damit auch die Käufer hätte täuschen wollen (so auch OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.02.2020, 3 U 7524/19, BeckRS 2020, 1062, zum Motortyp EA 288; so auch OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 29.05.2020, 5 U 4360/19; OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19, jeweils zu einem anderen Motortyp). Es fehlt damit am notwendigen Schädigungsvorsatz, da dieser das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes, verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben erfordert (OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19, zu einem anderen Motortyp).
39
cc) Die maßgeblichen Vorschriften der EG-Verordnung waren keineswegs so klar formuliert, dass die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung sich eindeutig als unzulässig darstellen würde (so auch OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.02.2020, 3 U 7524/19, BeckRS 2020, 1062, zum Motortyp EA288; ferner zu einem anderen Motortyp OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19).
40
Das OLG Nürnberg verweist hierzu insbesondere auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des 5. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes des Deutschen Bundestages (Drucksache 18/12900), wo es u.a. heißt, dass die Ausnahmen und Verbote zu Abschalteinrichtungen nicht eindeutig definiert seien; das europäische Recht ermögliche der Typgenehmigungsbehörde nicht in jedem Fall, zweifelsfrei festzustellen, ob eine genutzte Abschalteinrichtung zulässig sei oder nicht. Auch sei die Formulierung teilweise so weit, dass den Automobilherstellern ein weiter Einsatzspielraum verbleibe, was insbesondere für die Ausnahme des Motorenschutzes gelte. Diese ermögliche den Herstellern die Definition weitreichender sog. Thermofenster.
41
Das OLG München rekurriert in diesem Zusammenhang auf den Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a VO (EG) 2007/715 (Bericht Stand April 2016, S. 123), wonach eine weitere Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich sei, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, welche auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die VO (EG) Nr. 715/2007 verstoße. Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könne hiernach weiter sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könne, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt werde, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden drohe, sei dieser auch noch so klein.
42
dd) Demnach war keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben, gegen welche die Beklagte seinerzeit bewusst verstoßen hätte; die Auslegung dahingehend, wonach ein Thermofenster bzw. die übrigen Systeme eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, war jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (zum Ganzen: OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.02.2020, 3 U 7524/19, BeckRS 2020, 1062, zum Motortyp EA288, unter Rekurs auf OLG Köln, Beschluss vom 04.07.20190, 3 U 148/18, abrufbar in juris, und OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, 10 U 134/19, abrufbar in juris).
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ee) Auch ist davon auszugehen, dass die Beklagte, wie in der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 vom 18.07.2008 in Art. 3 Nummer 9 vorgeschrieben, zur Erlangung der EG-Typgenehmigung Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems einschließlich seines Funktionierens bei niedrigeren Temperaturen nebst Beschreibung etwaiger Auswirkungen auf die Emission gemacht hat, sodass dem Kraftfahrtbundesamt bei Erteilung der Typgenehmigung die Temperaturabhängigkeit der Abgasrückführungsrate bekannt gewesen sein muss, von ihm aber offensichtlich nicht beanstandet worden ist.
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Es ist davon auszugehen, dass es Kraftfahrtbundesamt dann, wenn es hinsichtlich der Zulässigkeit der unter anderem temperaturabhängig gesteuerten Abgasrückführung Bedenken gehegt hätte, die Typgenehmigung nicht oder nicht ohne weiteres erteilt hätte. Es ist nicht ersichtlich, dass den verantwortlichen Personen auf Seiten der Beklagten gleichwohl bewusst gewesen sein sollte, dass die von ihnen gewählte Steuerung der Abgasrückführung unzulässig sein sollte (so vergleichbar, zu einem anderen Motortyp, OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19).
45
ff) Zudem stellen der Einbau und das Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten gegenüber der Klagepartei dar. Für eine sittenwidrige Handlung der Beklagten im Sinne des § 826 BGB fehlt es zumindest an der besonderen Verwerflichkeit gerade gegenüber der Klagepartei. Das Sittenwidrigkeitsurteil über ein bestimmtes Verhalten des Schädigers ist immer in Bezug auf die Person des Geschädigten zu treffen.
46
Die einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen, gegen welche die Beklagte verstoßen haben soll bzw. verstoßen hat (Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 EUVO 715/2007), sind kein Ausdruck einer sittlichen Gesinnung, sondern stellen sich vielmehr als Regelungen zum Schutz der Umwelt dar. Daneben soll die EUVO 715/2007 der Harmonisierung der nationalen Regelungen und damit der Stärkung des Binnenmarktes dienen (vgl. insbesondere: Präambel Ziffer (1)). Mit den vorgenannten Vorschriften soll somit zuvörderst eine Reduzierung der Schadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen zur Minimierung der Umweltbelastung erzielt werden. Damit ist keine sittliche Wertung verbunden. Schließlich ist zu beachten, dass die Abschalteinrichtung lediglich unter Laborbedingungen zum Einsatz kommt, während eine Auswirkung im tatsächlichen Fahrbetrieb nicht gegeben ist. Somit wirkt sich die vorhandene Abschalteinrichtung nicht zum Nachteil der Klagepartei aus, da diese während der Benutzung des Fahrzeugs im Alltag nicht aktiviert wird. Die Folgen der verletzten Vorschriften betreffen daher allein den Schadstoffausstoß für die Messfahrten unter Laborbedingungen, während diese Vorschriften keine Wirkungen für den Schadstoffausstoß im realen Fahrbetrieb zeitigen.
47
gg) Schließlich würde die Anerkennung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs dazu führen, dass die vertragsrechtlichen Risikozuweisungen unterlaufen würden.
48
Der Klagepartei stehen gegenüber seinem Kaufvertragspartner bei einer unterstellten Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs grundsätzlich Gewährleistungsansprüche gemäß § 437 BGB zu. Diese sind als Ausdruck der vertraglichen Risikozuweisung vorrangig gegenüber dem nur hilfsweisen deliktischen Schutz des Vermögens gemäß § 826 BGB.
49
Nachdem das Deliktsrecht insofern nur subsidiär zur Anwendung gelangt, würde mit der Bejahung der Haftung gemäß § 826 BGB die vertragliche Risikozuweisung konterkariert werden, da der Verkäufer bei tatsächlich vorliegender Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs voraussichtlich wiederum Regress bei der Beklagten nehmen könnte. Dieses Dreiecksverhältnis mit der Notwendigkeit der Geltendmachung der gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner bestehenden Ansprüche würde durch die Annahme einer Direkthaftung der Beklagten gegenüber der Klagepartei außer Kraft gesetzt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist.
50
hh) Das Gericht kann sich insofern im Ergebnis nicht den Ausführungen des Landgerichts Stuttgart im Urteil vom 17.01.2019, Az. 23 O 178/18, abrufbar in juris, anschließen (jeweils zu einem anderen Motortyp mit einer vergleichbaren Problematik, siehe auch OLG Nürnberg, Urteil vom 19.07.2019, 5 U 1670/18; OLG Nürnberg, Hinweis nach § 522 ZPO vom 13.02.2020, 5 U 3382/19).
51
ii) All dies gilt auch in Bezug auf die weiteren Bezugspunkte einer unzulässigen Abschalteinrichtung, welche klägerseits angeführt wurden.
52
jj) Insgesamt liegen daher die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vor. Ein Anspruch gem. § 826 BGB ist nach alledem nicht gegeben.
53
kk) Dem steht im Ergebnis auch nicht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.12.2020 in der Rechtssache C-693/18 CLCV u.a. (Abschalteinrichtung bei einem Dieselmotor) entgegen (vgl. hierzu die Pressemitteilung des EuGH Nr. 170/20 vom 17.12.2020).
54
Hiernach darf ein Hersteller keine Abschalteinrichtung einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, um ihre Zulassung zu erreichen. Die Tatsache, dass eine solche Abschalteinrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern, kann hiernach ihr Vorhandensein nicht rechtfertigen. Die dort gegenständlichen Fahrzeuge waren mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) ausgestattet; die dortigen Fahrzeuge verfügen über eine Einrichtung, die es ermöglicht, die Phasen der Zulassungstests zu erkennen und infolgedessen die Funktion des AGR-Systems so anzupassen, dass die vorgeschriebene Emissionsobergrenze eingehalten wird. Der EuGH konstatiert, dass eine Abschalteinrichtung, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen verbessert, damit die in der Verordnung festgelegten Emissionsgrenzwerte eingehalten werden und so die Zulassung dieser Fahrzeuge erreicht wird, nicht unter die Ausnahme von dem in der Verordnung aufgestellten Verbot solcher Einrichtungen fallen kann, selbst wenn die Einrichtung dazu beiträgt, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verhindern.
55
Hiernach dürfte geklärt sein, dass es sich beim AGR-System um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Dies betrifft allerdings nur die objektive Unzulässigkeit. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten. Hierüber lässt sich dem Urteil des EuGH demgegenüber keine Aussage entnehmen und war auch nicht Vorlagefrage.
56
Auf Grund der o.g. Aspekte, die auch unter Berücksichtigung der aktuellen EuGH-Entscheidung Geltung haben, ist damit dennoch kein Anspruch gegeben.
-§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB-
57
Der Klagepartei steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB zu.
58
Die Klagepartei hat das Fahrzeug nicht als Neuwagen, sondern als Gebrauchtwagen erworben.
59
Eine etwaige Täuschungshandlung der Beklagtenseite bei dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs bezog sich damit nicht mehr auf die Klagepartei und war auch nicht ursächlich für den Vertragsschluss der Klagepartei.
60
Die Beklagtenseite zu 1) und 2) hatte vielmehr gar keine Kenntnis von dem Vertrag, durch den die Klagepartei das Fahrzeug später erworben hat; sie hat anlässlich dieses Vertragsschlusses somit auch nicht auf das Vorstellungsbild der Klagepartei eingewirkt und damit auch keinen kausalen Irrtum verursacht, der zu einer Vermögensverfügung der Klagepartei geführt hat.
61
Weiterhin ist auch der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagten die Absicht hatten, sich einen aus dem Kaufvertrag zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 3) über das gebrauchte Fahrzeug resultierenden Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Beklagtenseite zu 1) und 2) ist gerade kein wirtschaftlicher Vorteil aus dem Vertragsschluss zwischen der Klagepartei und dem Autohaus entstanden und einen solchen hatte sie auch nicht angestrebt. Etwaige wirtschaftliche Vorteile hat die Beklagtenseite jedenfalls nur aus der ersten Veräußerung des Fahrzeugs erlangt; ob das Fahrzeug in der Folgezeit Gegenstand weiterer Verträge wurde oder nicht, wirkt sich auf die wirtschaftliche Lage dagegen nicht mehr aus und dies war ihr auch von Anfang an bewusst.
62
Die Beklagtenseite handelte auch nicht in der Absicht, einen Dritten zu bereichern, denn sie hatte bei der Weiterveräußerung des Fahrzeugs als Gebrauchtwagen keine Kenntnis von dem konkreten von der Klagepartei geschlossenen Vertrag und den Personen der Vertragspartner. Hieran ändert sich auch dadurch nicht, dass es sich bei einem Kraftfahrzeug um ein Wirtschaftsgut handelt, bei dem der Weiterverkauf im gebrauchten Zustand üblich ist (OLG Koblenz, Urteil vom 21. November 2019,1 U 1413/19).
63
Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB setzt haftungsbegründend voraus, dass sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des Betrugstatbestands des § 263 Abs. 1 StGB (als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB) erfüllt sind. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls durch welches Verhalten im Zusammenhang mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht worden ist, denn jedenfalls fehlt es an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798). Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen, das eine muss also „gleichsam die Kehrseite des anderen“ sein (Stoffgleichheit). Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensnachteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein. Der Vorteil muss dem Täter oder dem Dritten direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen. Für die Absicht, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, genügt es, dass es dem Täter auf den Vermögensvorteil als sichere und erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mag auch der Vorteil von ihm nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck erstrebt werden, etwa weil es sich bei ihm um ein notwendiges Zwischenziel zur Erreichung eines Endziels handelt. Um eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen dem vom Opfer erlittenen Vermögensschaden und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil zu treffen, bedarf es der Feststellung des Vermögensschadens. Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Die Bewertung des Vermögensschadens erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. § 263 StGB schützt weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr, sondern allein das Vermögen. Im Abschluss eines Vertrags, den der Betroffene ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte, liegt noch kein Vermögensschaden. Die Klagepartei hätte nur dann einen Vermögensschaden erlitten, wenn das erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war. Die Vermögenseinbuße ist dann auf die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des erworbenen Fahrzeugs zu beziffern. Es besteht aber keine Stoffgleichheit dieser etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte. Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, sich bzw. die Beklagten an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, ist aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagten aus dem Kaufvertrag zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 3), dem Autohaus, über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten. Aber auch eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, dem Autohaus einen mit dem Schaden der Klagepartei stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung des Autohauses um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten angesehen werden. Das Ziel der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten könnte im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung nur darin liegen, diese Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren, möglichst viele von ihnen abzusetzen und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Dieses Ziel ließe sich mit dem Verkauf der Neuwagen erreichen. Die Erreichung des Ziels setzte dagegen nicht notwendig voraus, dass bei etwaigen späteren Zweit- oder Drittverkäufen derselben Fahrzeuge als Gebrauchtwagen zugunsten des jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufers ein etwaiger über dem Wert des jeweiligen Fahrzeugs liegender Kaufpreis erneut realisiert würde (zum ganzen Vorstehenden: BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798).
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Voraussetzung wäre die Verwirklichung des Tatbestandes des § 263 StGB. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen hierzu entsprechend Bezug genommen. Auch ein Anspruch aus § 831 BGB ist demnach nicht gegeben.
-§ 823 II BGB i.V.m. §§ 6 I, 27 I 1 EG-FGV-
65
Ebenso wenig ist ein Anspruch gemäß § 823 II BGB i.V.m. §§ 6 I, 27 I 1 EG-FGV gegeben.
66
Ein solcher Anspruch wegen des Ausscheidens einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung kommt nicht in Betracht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschriften überhaupt drittschützenden Charakter haben. Denn ein Verstoß gegen die Vorschriften liegt tatbestandliche nicht vor. Nach § 6 Abs. 1 EG-FGV ist der Hersteller eines Fahrzeugs verpflichtet, für jedes einem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen. § 27 Abs. 1 EG-FGV sieht vor, dass Fahrzeuge in der Gemeinschaft nur in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Das streitgegenständliche Fahrzeug entsprach dem genehmigten Typ, selbst wenn es - wie der Kläger behauptet - im Zeitpunkt des Kaufs über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt haben sollte. Denn in diesem Fall hätte der genehmigte Typ ebenfalls eine entsprechende Absturzeinrichtung aufgewiesen. So hätte die Typengenehmigung in diesem Falle nicht erfolgen dürfen; jedoch ist auch eine erschlichene Typengenehmigung zunächst (formal) wirksam und macht eine hierauf bezogene Übereinstimmungsbescheinigung nicht unrichtig. Eine Rücknahme oder ein Widerruf der Typengenehmigung erfolgte unstreitig nicht (OLG Köln, Beschluss vom 25. Mai 2020, 12 U 170/19).
67
Zudem stellen die unionsrechtlichen Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar (vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020, VI ZR 5/20, BeckRS 2020 19146, Rn. 14)
68
V. Ein Sachverständigengutachten dazu, ob ein dem EA189-Motor vergleichbarer Fall vorliege, die Motorsteuerung also so programmiert gewesen sei, dass sie den Fahrzeugbetrieb auf einem Prüfstand erkenne und die Abgasbehandlung so steuere, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß eingehalten würden, ist nicht angezeigt.
69
Insofern fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass eine vergleichbare Steuerung wie beim EA189-Motor des gegeben ist. Die entsprechenden Behauptungen erfolgten pauschal und „ins Blaue hinein“. Eine Beweiserhebung hierüber liefe letztlich auf einen in der ZPO nicht vorgesehenen Ausforschungsbeweis hinaus; es ist nicht genügend vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass dem EA189-Motor vergleichbare Umstände auch beim vorliegenden Motor gegeben wären (so für EA288 auch OLG München, Hinweisbeschluss vom 10.02.2020, 3 U 7524/19, BeckRS 2020, 1062, sowie OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 23.01.2020, 16 U 141/19, BeckRS 2020, 26260, und OLG Braunschweig, Beschluss vom 04.11.2019, 7 U 363/18, jeweils zum Motortyp EA288). Gleiches gilt für die weiteren behaupteten Abschalteinrichtungen.
- Ansprüche gegen die Beklagte zu 3)-
-§§ 437 Nr. 2, 346, 323, 326 Abs. 5, 440, 433, 434, 435 BGB-
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Ein Anspruch der Klagepartei auf Rückabwicklung des mit der Beklagten zu 3) geschlossenen Kaufvertrages (Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges) gem. §§ 437 Nr. 2, 346, 323, 326 Abs. 5, 440, 433, 434, 435 BGB besteht nicht. Die Klagepartei hätte der Beklagten zu 3) vor der Erklärung des Rücktritts wegen des Vorrangs der Nacherfüllung eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen müssen.
71
Jedenfalls aber wurde der Klagepartei durch das Software-Update eine Nacherfüllung angeboten.
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Diese erfolgte zwar nicht durch die Beklage zu 3) direkt, sollte aber auch für diese gelten.
73
Ob ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB vorliegt, kann deshalb dahinstehen.
74
Ohne dass es hierauf entscheidend ankommt, war diese Fristsetzung vorliegend auch nicht entbehrlich.
75
Die Fristsetzung war nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, da keine besonderen Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beidseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Besondere Umstände i.S.d. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegen vor, wenn das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Schuldners entfallen ist oder wenn der Verkäufer einen Mangel der verkauften Sache arglistig verschwiegen hat, wenn der Schuldner seine Leistungspflicht vorsätzlich verletzt oder der eine Vertragsteil den anderen täuscht. Besondere Umstände können auch bei einem Interessenwegfall bejaht werden, so, wenn die Kunden des Gläubigers wegen der durch die Nachbesserung eintretenden Lieferverzögerung die Abnahme verweigern. Besondere Umstände müssen auch beim Verbrauchsgüterkauf im Einzelfall vorliegen.
76
Die Klagepartei kann sich nicht darauf stützen, dass die Beklagte zu 3) den streitgegenständlichen etwaigen Mangel arglistig verschwiegen hätte. Etwaiges arglistiges Verhalten müsste sich die Beklagte zu 3), nicht zurechnen lassen. Die Beklagte zu 3) als Händler ist auch kein Wissensvertreter, so dass auch eine Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB ausscheidet.
77
Auch war die Fristsetzung nicht gem. § 440 Satz 1 BGB entbehrlich. Gemäß § 440 Satz 1 BGB bedarf es einer Fristsetzung dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 3 BGB verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Beides ist nicht gegeben. Die Unzumutbarkeit resultiert insbesondere nicht aus einer fehlenden Zulassung/Zulassungsfähigkeit des klägerischen Fahrzeugs. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt nach wie vor über alle erforderlichen Genehmigungen.
78
Auch die weiteren Konstellationen, unter denen eine Fristsetzung entbehrlich ist, so § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB, §§ 323 Abs. 5, 326 Abs. 5 BGB, liegen nicht vor.
79
Unabhängig von der Frage des Vorliegens eines Mangels müsste sich die Klagepartei daher zunächst auf einen Nachbesserungsversuch durch die Beklagte zu 1) einlassen und konnte nicht sofort die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen.
80
Vielmehr wurde der Klagepartei die Vornahme eines Software-Updates angeboten, Anlage K 51b.
-§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281, 433, 434, 440 BGB-
81
Ein Anspruch auf Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 BGB besteht aus selbigen Gründen nicht. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.
-§§ 311, 241 Abs. 2; 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB-
82
Auch ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB bzw. § 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung wegen Fehlerhaftigkeit des Prospektes und der Preisliste ist nicht gegeben.
83
Ein Fall der Prospekthaftung im engeren Sinne liegt unzweifelhaft nicht vor. Diese betrifft lediglich Gründer, Initiatoren und Gestalter (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 311 Rn. 69 unter Rekurs auf BGH, NJW 2010, 1077 u.a.). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zu 3) Herausgeberin des Prospektes wäre noch sonst hieran in irgendeiner Form beteiligt wäre. Jedenfalls aber sind die Grundsätze der Prospekthaftung im engeren Sinne ohnehin nicht auf den hier vorliegenden Fall des Fahrzeugverkaufs durch den Händler übertragbar, da diese Regelungen für den sog. „grauen“ Kapitalmarkt mit dessen Besonderheiten entwickelt wurden (so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, BeckRS 2019, 2737; LG Braunschweig, Urteil vom 20.07.20017, 11 O 3688/16, jeweils abrufbar in beck-online; Jauernig, BGB, 16. Aufl., 2015, § 311 Rn. 65).
84
Die einzig hier in Frage kommende Prospekthaftung im weiteren Sinne folgt unmittelbar aus §§ 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB. Hiernach haftet für Mängel des bei den Verhandlungen benutzten Prospekts, wer bei den Vertragsverhandlungen als künftiger Vertragspartner, Vertreter, Sachwalter oder Garant ggü. einem Anleger persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Die Haftung aus c.i.c. besteht bei Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens auch dann, wenn zugleich die Voraussetzungen der Prospekthaftung vorliegen oder wenn im Übrigen unrichtige oder unvollständige Angaben erfolgen oder der Prospekt andere regelwidrige Auffälligkeiten aufweist (zum Ganzen: Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 311 Rn. 71 m.w.N.).
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Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass klägerseits eine solche Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens durch die Beklagte zu 3) nicht hinreichend dargelegt ist. Das besondere Verhandlungsvertrauen setzt eine persönliche Gewähr für die Seriosität und die ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags voraus (Jauernig, BGB, 16. Aufl., 2015, § 311 Rn. 65). Dass sich die Beklagte zu 3) hier entsprechend verhalten hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Zudem ist ein Käufer eines Pkw nicht ähnlich schutzbedürftig wie ein Anleger auf dem „grauen“ Kapitalmarkt (so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, BeckRS 2019, 2737; LG Braunschweig, Urteil vom 20.07.20017, 11 O 3688/16, jeweils abrufbar in beck-online), so dass ohnehin schon zweifelhaft ist, ob die Grundsätze der Prospekthaftung im engeren Sinne auf den vorliegenden Fall übertragbar sind.
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Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte zu 3) als Verkäuferin des Fahrzeugs ist nicht gegeben. Eine Zurechnung kann nicht stattfinden. Im Übrigen wird ergänzend auf die Ausführungen unter B. Bezug genommen.
88
Ansprüche auf Feststellung des Annahmeverzugs, Zinsen sowie auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten sind mangels Hauptsacheanspruchs nicht gegeben.
89
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.