Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 24.09.2021 – 1 HK O 5875/19
Titel:

Ungeklärter Verlust von Gut

Normenketten:
CMR Art. 1 Abs. 1, Art. 3, Art. 18, Art. 23 Abs. 1 und 3, Art. 29 Abs. 1
HGB § 431 Abs. 1
Leitsätze:
1. Grundsätzlich hat der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei können aber ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den näheren Umständen des Schadensfalls hat, während der Schädiger in der Lage ist, nähere Angaben zu machen. Hierzu ist der Prozessgegner dann gehalten, wenn der Anspruchssteller die ihm obliegende Darlegungslast erfüllt. Es genügt, dass sein Vortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt und allein der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens in zumutbarer Weise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt Anhaltspunkte für ein solches Verschulden ergeben. In diesem Fall darf sich der Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf seines Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen. Kommt er dem nicht nach, kann daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Ermittlung des Wertes des Gutes, bei dem im Fall des Verlustes ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, ist der Wert der Sendung mit der jeweiligen Haftungshöchstsumme ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist ein aufklärungsbedürftiges Missverhältnis anzunehmen, wenn der Warenwert den zehnfachen Betrag der zwischen Frachtführer und Auftraggeber vereinbarten Haftungshöchstsumme bzw., wenn die Geschäfts- oder Beförderungsbedingungen des Frachtführers keine Regelung für seine Höchsthaftung vorsehen, den zehnfachen Betrag der Haftungsbegrenzung nach § 431 Abs. 1 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR übersteigt. (Rn. 17) (Leitsätze der RdTW-Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlust des Gutes, qualifiziertes Verschulden, sekundäre Darlegungs- und Beweislast, Parkplatz, ungewöhnlich hoher Schaden, Höchstbetrag der Haftung, Höchsthaftung, CMR-Frachtbrief
Fundstellen:
TranspR 2022, 511
LSK 2021, 59592
BeckRS 2021, 59592
RdTW 2023, 158

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 114.015,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.084,40 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2019.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 114.015,18 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um den Anspruch auf Ersatz eines Transportsschadens aufgrund Sendungsverlusts.
2
Die Klägerin hat die Beklagte regelmäßig zu fixen Kosten mit der Beförderung von Markenprodukten der …, der Nebenintervenientin zu 2, in … nach … beauftragt. Bei der Empfängerin kam eine Sendung am 20.11.2018 indes nicht an. Vielmehr war die Ladefläche des LKW der Beklagten bei Ankunft bei der Empfängerin leer. Die zu transportierenden Waren hatten nach entsprechenden Aufstellungen einen Wert von 114.015,18 €. Der eingesetzte Fahrer quittierte den CMR-Frachtbrief vom 19.11.2018 vorbehaltlos. Auf der Frachtliste ist das Sendungsgut stückzahlenmäßig quittiert. Die Transportversicherung der Nebenintervenientin zu 2 nahm mit Schreiben vom 07.06.2019 die Auftraggeberin der Klägerin in entsprechender Höhe in Regress. Mit diesem belastet sie die Klägerin in entsprechender Höhe. Mit Rechnung vom 22.07.2019 stellte die Klägerin der Beklagten ihrerseits den entsprechenden Betrag in Rechnung. Unter dem 20.11.2019 lehnte die Beklagte eine Regulierung des Schadens ab.
3
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation berechtigt sei, den streitgegenständlichen Schaden im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegen die Beklagte geltend zu machen. Diese haftet gemäß Art. 17 ff., 29 CMR, §§ 249 fortfolgende BGB. Sie behauptet, am 19.11.2018 habe die Beklagte eine vollständige Sendung von 348 Kartons mit Textilien zur Beförderung übernommen im Wert der Klageforderung. Die begebenen Sendungspapiere begründeten jeweils für sich bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Beklagten die streitgegenständlichen Güter vollständig und unversehrt übergeben worden seien. Der CMR-Frachtbrief begründe zudem eine gesetzliche Vermutung nach Art. 9 Abs. 1 CMR dafür, dass der Beklagten die streitgegenständlichen Güter vollständig und unversehrt übergeben worden sein. Die reinen, vom Fahrer erteilten Quittungen reichten für den Nachweis der vollständigen und unversehrten Übergabe der streitgegenständlichen Fracht bereits aus. Eine Haftungsobergrenze gäbe es für die Beklagte nicht. Es sei Sache der Beklagten, substantiiert zu den konkreten Umständen des gegenständlichen Sendungsverlustes vorzutragen. Andernfalls sei ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten bereits zu vermuten. Einen entsprechenden substantiierten Vortrag habe die Beklagte indes nicht unterbreitet, sondern sich lediglich darauf beschränkt, die Übergabe der streitgegenständlichen Fracht zu bestreiten. Die Beklagte habe daher ihre sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Angesichts der geringen Distanz zwischen Abgangs- und Bestimmungsort von lediglich 283 km bei einer Fahrzeit von ca. 3 Stunden hätte die Beklagte den Transport ohne Zwischenstopp in einem Zug organisieren können und müssen. Der Einsatz eines zweiten Fahrers hätte zudem die Bewachung des LKWs ermöglicht. Auch andere Sicherheitsvorkehrungen hätte die Beklagte treffen können. Stattdessen habe die Beklagte ihren Lkw unmittelbar nach Übernahme der gegenständlichen Güter ohne zwingenden Grund auf einem öffentlichen, unbewachten, frei zugänglichen, unbeleuchteten und nicht videoüberwachten Autohof abgestellt. Das Verhalten des Fahrers sei daher als leichtfertig zu qualifizieren.
4
Die Nebenintervenientin zu 1, deren Vortrag sich die Nebenintervenientin zu 2 wie den der Klägerin zu eigen macht, verweist auf die Angaben des Fahrers gegenüber den mit dem angeblichen Sendungsverlust befassten Polizeibehörden und dessen Aussage, nach der er die Ladung vor Verplombung des Anhängers augenscheinlich überprüft und gesehen haben will, dass sich hinter der Transportsicherung Ware befunden habe. Die Plombe sei bei Übergabe an die Empfängerin bereits entfernt gewesen. Der Fahrer habe mitgeteilt, dass die Sendung bereits in Deutschland gestohlen worden sei. Der Parkplatz, auf dem der Fahrer übernachtet habe, stelle keinen sicheren bzw. zertifizierten Rastplatz dar. Angesichts der Diebstahlsgefahr für Artikel der Marke … hätten in jedem Fall ein erhöhter Sicherheitsstandard zur Sicherung des Transports gewählt werden müssen. Erforderlich sei etwa gewesen das Abstellen auf einem geschützten und umzäunten Rastplatz oder ein Transport mit 2 Fahrern. Das Übernachten auf dem Parkplatz in … ohne weitere Sicherheitsvorkehrungen sei als leichtfertig im Sinne des Art. 29 CMR zu bezeichnen. Aus der langjährigen Geschäftsverbindung sei der Beklagten bekannt gewesen, dass es sich vorliegend nicht um einfaches Sammelgut gehandelt habe, sondern um am Markt äußerst begehrte Markenartikel aus dem Textilsortiment der … AG. Die Grundhaftung sei vorliegend allenfalls um das dreifache überschritten. Die Beklagte könne sich daher nicht auf den Einwand des Mitverschuldens berufen.
5
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Euro 114.000 01 5,8 Cent nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 2084,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
6
Die Beklagte beentragt,
die Klage abzuweisen.
7
Sie bestreitet, dass sich in der Obhut des von ihr beauftragten Subunternehmers ein Transportschaden ereignet hat. Der Fahrer habe erklärt, am 19.11.2018 bei der Absenderin in … erschienen zu sein. Er habe dort seinen leeren Auflieger abgestellt und sollte den vorgeladenen Auflieger mit dem Kennzeichen … zum Transport übernehmen. Der Transport sollte zur Empfängerin DPD … erfolgen. Der Fahrer sei von dem vor Ort anwesenden Mitarbeiter der Firma … angewiesen worden, den vorgenannten Auflieger und die dazugehörigen Dokumente zu übernehmen und den Auflieger zu verplomben. Der Auflieger sei bereits geschlossen gewesen. Der Fahrer habe den Inhalt des Aufliegers bzw. die angeblich geladene Ware nicht überprüft. Er habe die Dokumente übernommen und den Auflieger verplombt. Sodann habe er seine Fahrt angetreten. In der Nacht habe er auf dem Autohof in … geparkt und morgens eine Sichtprüfung durchgeführt. Dabei habe er festgestellt, dass der Auflieger völlig unbeschädigt und auch die Plombe noch intakt gewesen sei. Nach seiner Anmeldung in … bei der Empfängerin sei er angewiesen worden, zur Rampe zu fahren, die Plombe abzunehmen und die Türen zu öffnen. Dabei sei festgestellt worden, dass der Auflieger leer sei. Es treffe deshalb nicht zu, dass sich in dem Trailer angeblich 348 Kartons mit Ware im Wert von 114.015,18 Ç befunden habe. Es sei unerfindlich, wie sich der Klagebetrag zusammensetze. Die gesamte Partie habe ein Gewicht von 3.111,09 kg gehabt. Hieraus ergebe sich eine Obergrenze der Haftung von 25915,38 SZR. Ein qualifiziertes Verschulden des Fahrers sei nicht ersichtlich. Das Treffen von Sicherheitsvorkehrungen sei nicht vereinbart gewesen. Die Klägerin habe bewusst auf höhere Sicherheitsstandards verzichtet. Im Übrigen überschreite der Warenwert die Grundhaftung um das Zehnfache.
8
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.02.2021 durch schriftliche Vernehmung des Zeugen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die schriftliche Aussage des Zeugen vom 28.04.2021 (Bl. 181 ff d.A.). Zur Ergänzung des Tatbestands wird ferner verwiesen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9
Vor dem Hintergrund dieser tatbestandlichen Feststellungen war wie tenoriert zu entscheiden.
10
1. Die Klage ist begründet. Denn die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe.
11
a) Seine Rechtsgrundlage findet der Schadensersatzanspruch in den Regelungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR). Gemäß Art. 1 Absatz 1 CMR gilt dieses Übereinkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in 2 verschiedenen Staaten liegen. Nach Artikel 3 CMR haftet der Frachtführer, soweit dieses Übereinkommen anzuwenden ist, für Handlungen und Unterlassungen seiner Bediensteten und aller anderen Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, wie für eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn diese Bediensteten oder andere Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Gemäß Art. 17 Absatz 1 CMR haftet der Frachtführer für gänzlichen oder teilweisen Verlust und für Beschädigung des Gutes, sofern der Verlust oder die Beschädigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt, sowie für Überschreitung der Lieferfrist. Geregelt sind auch die Fälle der Haftungsbefreiung und einer etwaigen Haftungsobergrenze. Gemäß Art. 18 C MR obliegt der Beweis, dass der Verlust durch einen der Befreiungstatbestände verursacht worden ist, dem Frachtführer. Nach Art. 23 Abs. 1 CMR ist maßgeblich für den Umfang des Schadenersatzes der Wert des Gutes am Ort und zur Zeit der Übernahme zur Beförderung. Auf Haftungsausschluss- oder Begrenzungen kann sich der Frachtführer nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, dass nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht (Art. 29 Abs. 1 CMR).
12
b) In Anwendung dieser Regelungen auf den festgestellten Sachverhalt erweist sich die Klage als vollumfänglich begründet. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Sendungsgut vollständig auf den LKW verladen wurde, der in Frankreich ohne Ware ankam und dass auch die Angaben in der Klageschrift zum Inhalt und Umfang der Sendung zutreffen.
13
aa) Das CMR ist anwendbar. Streitgegenständlich ist unstrittig ein grenzüberschreitender Transport von … nach …. Nach den eindeutigen Angaben des schriftlich vernommenen Zeugen steht für das Gericht fest, dass 348 Kartons auf den Auflieger mit dem Kennzeichen … verladen wurden zu einem Zeitpunkt, als der Fahrer nicht zugegen war, er aber vor Verschluss des Aufliegers die zur Verladung gekommenen Güter überprüfen konnte. Der Zeuge … zeichnet sich auch verantwortlich für die zur Ladungssicherung im Auflieger aufgestellte Trennwand. Der Zeuge bestätigt auch die Übereinstimmung von Handelsrechnungen und dem Inhalt der Kartons. Er beschreibt, dass die Kartons einzeln verladen wurden und sich damit nicht zusammengeschweißt auf Paletten befunden haben. Der Zeuge bestätigt weiter, dass der LKW nicht voll, sondern zu 2/3 beladen war. Er schließt ferner einen Zugriff von Mitarbeitern der Nebenintervenientin zu 2 aus. Anhaltspunkte gegen die Glaubwürdigkeit sind weder ersichtlich noch von den Parteien vorgetragen. Vielmehr korrespondieren die Angaben des Zeugen … mit dem Inhalt der als Anlage SV 1-3 von der Nebenintervenientin zur Verfügung gestellten Vernehmungsniederschrift aus der Ermittlungsakte der … Polizei. Da die Sendung unstrittig nicht ihr Ziel erreicht hat, muss sie auf dem Transportweg verloren gegangen sein. Dementsprechend haftet die Beklagte als Frachtführerin gem. Art. 17 Abs. 1 CMR in Höhe der Klageforderung als Wert der abhanden gekommenen Waren. Diesen hat die Beklagte zwar bestritten, gegen die detaillierte Aufschlüsselung der Nebenintervenientin zu 1 aber nichts vorgetragen. Aus dieser ergibt sich der Wert der verloren gegangenen Waren schlüssig.
14
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht vorliegend keine Haftungsobergrenze gem. Art. 23 Abs. 3 CMR. Denn gem. Art. 29 Abs. 1 CMR kann sich der Frachtführer auf die Haftungsbegrenzung nicht berufen. Denn das Verhalten des Fahrers stellt sich als grob fahrlässig dar, und die grobe Fahrlässigkeit steht nach deutschem Recht dem Vorsatz gleich.
15
(1) Grundsätzlich hat der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein gehandelt haben, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten. Dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei können aber ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den näheren Umständen des Schadensfalls hat, während der Schädiger in der Lage ist, nähere Angaben zu machen. Hierzu ist der Prozessgegner dann gehalten, wenn der Anspruchssteller die ihm obliegende Darlegungslast erfüllt. Hierzu reicht es in diesen Fällen aus, wenn sein Vortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt und allein der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens in zumutbarer Weise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt Anhaltspunkte für ein solches Verschulden ergeben. In diesem Fall darf sich der Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf seines Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen. Kommt er dem nicht nach, kann daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. aktuell OLG Köln, Urteil vom 04. Juni 2020 Az.: I-3 U 191/19, Rn. 34 f. mit zahlreichen weiteren Hinweisen, zitiert nach juris).
16
(2) Zwar trifft es zu, dass vorliegend die Parteien nicht die Durchführung eines Sicherheitstransports wünschten. Vorliegend ist aber unstrittig - wie sich das auch aus dem Fahrtenschreiber (Anlage K 13) ergibt - unmittelbar nach Übernahme des Transports nach ca. 60 km Fahrtstrecke der Auflieger auf einem öffentlichen, unbewachten, frei zugänglichen und nicht videoüberwachten Autohof abgestellt worden. Dabei musste die Beklagte aus ihrer Geschäftsbeziehung mit der Nebenintervenientin wissen, dass sie hochpreisige Markenware produziert und keine Discountprodukte vertreibt. Dem Fahrer war auch bekannt, dass der Planenauflieger unverschlossen war, dessen Inhalt er schon ausweislich seiner Vernehmung bei der Polizei, die Beklagte hat sich dazu nicht eingelassen, zumindest überschlägig kannte. Die nicht unmittelbare Nähe einer Polizeistation bringt insoweit kein Plus an Sicherheit. Letztlich bleibt lediglich die Hoffnung, die Ware am nächsten Morgen wieder im LKW vorzufinden. Zudem stellt sich die unbeantwortet gebliebene Frage, weshalb der Transport bei eher überschaubarer Distanz und Fahrtzeit nicht so organisiert war, dass der Transport in einem „Rutsch“ unmittelbar nach Übergabe des Sendungsgutes erfolgte. In diesem Fall hätte sich keine Gelegenheit ergeben, die Ware auch von einem unverschlossenen Auflieger zu entfernen. Dementsprechend hält das Gericht den Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden für gerechtfertigt.
17
cc) Im Übrigen liegen entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Voraussetzungen für eine Obliegenheit der Klägerin, auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen, nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Frage, ab welchem Wert des Transportguts im Fall des Verlustes ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, der Wert der Sendung mit der jeweiligen Haftungshöchstsumme ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist ein aufklärungsbedürftiges Missverhältnis anzunehmen, wenn der Warenwert den zehnfachen Betrag der zwischen Frachtführer und Auftraggeber vereinbarten Haftungshöchstsumme bzw., wenn die Geschäfts- oder Beförderungsbedingungen des Frachtführers keine Regelung für seine Höchsthaftung vorsehen, den zehnfachen Betrag der Haftungsbegrenzung nach § 431 Abs. 1 HGB, Art. 23 Abs. 3 CMR übersteigt (OLG München, Urteil vom 05. Mai 2010, Az.: 7 U 1794/10 Rn. 25 m.w.N., zitiert nach juris). Eine solche Überschreitung ist aber vorliegend nicht gegeben. Die Haftungshöchstsumme beläuft sich am 24.09.2021 auf 0,8258390000€ × 8,33 × 3.111,09 (kg), mithin also auf 21.401,93 €. Der Warenwert beträgt damit nur etwas mehr als das Fünffache der Haftungshöchstsumme.
18
2. Die Nebenentscheidungen ergeben sich wie folgt: Der Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 ZPO.