Titel:
Beitragspflicht, Bescheid, Wohnnutzung, Gemeinde, Wohnung, Wohnhaus, Anfechtungsklage, Festsetzung, Rundfunkbeitrag, Aufhebung, Mieter, Feststellung, Beitragsschuldner, Befreiung, Treu und Glauben, Inhaber einer Wohnung, gesetzliche Vermutung
Schlagworte:
Beitragspflicht, Bescheid, Wohnnutzung, Gemeinde, Wohnung, Wohnhaus, Anfechtungsklage, Festsetzung, Rundfunkbeitrag, Aufhebung, Mieter, Feststellung, Beitragsschuldner, Befreiung, Treu und Glauben, Inhaber einer Wohnung, gesetzliche Vermutung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59402
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für eine Nebenwohnung. Ferner begehrt er die Feststellung des Nichtbestehens einer Rundfunkbeitragspflicht.
2
Der Kläger wird beim Beklagten unter der Beitragsnummer … für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 als Inhaber einer Wohnung mit der Anschrift … geführt.
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Bereits bis Ablauf des Monats August 2012 hatte der Kläger über ein Teilnehmerkonto (Teilnehmemummer …) verfügt. Dieses Teilnehmerkonto war abgemeldet worden, nachdem der Kläger der damaligen Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland (GEZ) unter dem 9. August 2012 mitgeteilt hatte, er wohne bei seiner … bzw. halte sich dort auf.
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Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 informierte der Beklagte den Kläger über den seit 1. Januar 2013 geltenden geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag. Auf dem Schreiben findet sich der handschriftliche Vermerk:
„RS mit … ist kein Beitrag zu zahlen 29.01.14“
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Mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 teilte der Kläger - nach entsprechender Aufforderung vom 28. November 2018 - mit, er halte sich seit 2011 unter der Adresse … auf. Sein Haus stehe leer und er müsse nur gelegentlich nach dem Rechten sehen. Eine Rücksprache mit der Beklagtenseite vor einigen Jahren habe ergeben, dass er keinen Rundfunkbeitrag zahlen müsse. Solange das Haus nicht verkauft werden könne bzw. keine Mieter einzögen, sei es sein Besitz. Eine Abmeldung seines Wohnsitzes in … sei nicht möglich.
6
Mit Schreiben vom 20. Februar 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er werde über die Anmeldung der Wohnung …, Beitragsnummer …, zum 1. Januar 2016 informiert. Auf den hierauf folgenden Schriftverkehr zwischen den Beteiligten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
7
Mit Festsetzungsbescheid vom 1. April 2020 setzte der Beklagte gegen den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. September 2019 einen Betrag von insgesamt 795,50 Euro (Rundfunkbeiträge zzgl. eines Säumniszuschlags von 8,00 Euro) fast.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. April 2020 ließ der Kläger Klage mit dem Ziel erheben, ihn unter Aufhebung des Bescheids vom 1. April 2020 rückwirkend ab 1. Januar 2016 von der Rundfunkbeitragspflicht zur Beitragsnummer … zu befreien. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen vortragen: Der Kläger sei Eigentümer eines Wohnhauses in …. Seit dem Jahr 2011 lebe er bei seiner Lebenspartnerin unter der Adresse …. Da er nicht in … wohne, komme der Kläger nicht als Beitragsschuldner in Betracht Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werde als Wohnungsinhaber jede Person vermutet, die dort nach dem Meldegesetz gemeldet sei. Der Kläger habe die Vermutung dadurch widerlegt, dass er den Beweis führe, seit 2011 in … seiner Lebensgefährtin zu wohnen, die den Rundfunkbeitrag für diese Wohnung entrichte. Im Übrigen verstoße die rückwirkende Festsetzung gegen Treu und Glauben, da der Kläger mit Schreiben der GEZ vom 17. August 2012 darüber informiert worden sei, dass sein Teilnehmerkonto mit Ablauf des Monats 08/12 abgemeldet worden sei. Er habe deshalb darauf vertrauen dürfen, keinen Rundfunkbeitrag mehr zu leisten zu haben. Das Vertrauen sei auch noch dadurch verstärkt worden, dass die Sachbearbeiterin des Beklagten beim Telefonat vom 29. Januar 2014 erklärt habe, dass unter den gegebenen Umständen kein Rundfunkbeitrag zu zahlen sei und der Kläger dann bis zum Zugang des Schreibens vom 28. November 2018 nichts mehr gehört habe. Er habe deshalb unter keinen Umständen mehr damit rechnen müssen, dass er rückwirkend einen Beitrag zu zahlen habe.
9
Mit weiterem Schriftsatz vom 6. Mai 2020 hat der Kläger Meidebescheinigungen der Gemeinden … und … vorlegen lassen. Die Anmeldebestätigung der Gemeinde … datiert auf den 16. Mai 2019. Aus ihr ergibt sich, dass der Kläger seit dem 16. Mai 2019 mit einer Nebenwohnung unter der Anschrift … gemeldet ist. Als Einzugsdatum wird der 2. Januar 2019 angegeben. Aus einer erweiterten Meldebescheinigung der Gemeinde … geht hervor, dass es sich bei der Anschrift … um die Hauptwohnung des Klägers handelt. Die Adresse … ist als Nebenwohnung eingetragen. Als Einzugsdatum wird der 2. Januar 2019 aufgeführt. Schriftsätzlich lässt der Kläger u.a. vortragen, die Anmeldung in … bestehe nur, weil er das Haus nicht verkaufen bzw. vermieten könne.
10
Der Kläger lässt mit weiterem Schriftsatz vom 12. Mai 2020 zur Sache Stellung nehmen. Auf den Schriftsatz wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
11
Unter dem 23. Juli 2020 lässt der Kläger u.a. ausführen, es sei so, dass er ausschließlich bei seiner Lebensgefährtin in … wohne. Nach … fahre er nur hin und wieder, um sich um sein Haus zu kümmern. Dies müsse er, um das Haus nicht verwahrlosen zu lassen. Er übernachte nicht in … sondern fahre nach getaner Arbeit wieder nach … Gegen die Tatsache, dass der Kläger in … wohne, spreche auch nicht, dass er sich dorthin nicht umgemeldet habe. Entscheidend seien die tatsächlichen Verhältnisse. Am 2. Juni 2020 habe der Kläger rückwirkend seinen Hauptwohnsitz ab 2. Januar 2019 nach … verlegt. Aufgrund des Schreibens der GEZ vom 17. August 2012 habe der Kläger jedenfalls darauf vertrauen dürfen, dass er solange keine Gebühren für die Wohnung in … bezahlen müsse, bis er eine anderslautende Nachricht erhalte, was mit Zugang des Schreibens des Beklagten vom 20. Februar 2019 der Fall gewesen sei. Mit einer rückwirkenden Anmeldung der Wohnung habe der Kläger jedenfalls nicht rechnen müssen. Selbst wenn man dazu käme, dass eine Gebührenpflicht bestehe, wäre dies frühestens mit Zugang des Schreibens vom 20. Februar 2019 der Fall. Allerdings sei der Kläger schon rückwirkend seit 2. Januar 2019 in … gemeldet. Der Kläger sei damit rückwirkend antragsgemäß ab 1. Januar 2016 bis auf Weiteres von der Rundfunkbeitragspflicht zur Beitragsrummer … zu befreien. Dem Schriftsatz war eine Meldebestätigung der Gemeinde … vom 26. Juni 2020 beigefügt, aus der hervorgeht, dass der Kläger dort seit 2. Januar 2019 gemeldet sei. Als Hauptwohnung (seit 2. Juni 2020; Einzug am 2. Januar 2019) sei gemeldet … als Nebenwohnung (seit 2. Juni 2020) ….
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Unter dem 12. Januar 2021 nimmt die Klägerseite zur Frage der unterschiedlichen Teilnehmer-Nummern … und … Stellung. Es handle sich um ein und dieselbe Wohnung. Auf den Schriftsatz wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 5. März 2021 lässt der Kläger u.a. vortragen: Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, wenn der Beklagte nicht verstehe, welche Bedeutung das Beitragskonto bei der GEZ im Jahr 2012 gehabt habe. Zur bisherigen Begründung werde ergänzend und zusammenfassend vorgetragen: (Zur Anfechtungsklage) Der Kläger wohne seit 2011 ausschließlich in … bei seiner Lebenspartnerin. Eine Beitragspflicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages komme damit nicht in Betracht. Der Kläger habe Beweis angeboten durch Einvernahme von … als Zeugin. Das Gericht habe sich bisher nicht mit dem Argument befasst, dass es unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben spreche, wenn der Kläger mit Schreiben vom 28. November 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2016 zum Beitrag herangezogen werde. (Zur Feststellungsklage) Nachdem der Beklagte davon ausgehe, dass der Kläger beitragspflichtig sei, habe der Kläger ein berechtigtes Interesse, dass festgestellt werde, dass ab 1. Januar 2019 eine Beitragspflicht nicht mehr bestehe.
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Mit Schriftsatz vom 16. März 2021 lässt der Kläger ausführen, dass die rückwirkende Beitragsfestsetzung gegen Verjährungsvorschriften verstoße, sei zu keinem Zeitpunkt gerügt worden. Gerügt werde lediglich der Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es sei seit langem anerkannt, dass dieser Grundsatz auch im öffentlichen Recht Gültigkeit habe. Er verpflichte zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des anderen sowie zu einem redlichen und loyalen Verhalten. Hier sei es so, dass der Rechtsvorgänger des Beklagten unstreitig zugesichert habe, dass unter den gegebenen Voraussetzungen eine Beitragspflicht des Klägers nicht bestanden habe. Der Kläger habe auf die Zusicherung vertrauen dürfen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass er aufgrund der Zusicherung des Rechtsvorgängers davon Abstand genommen habe, seine Ummeldung nach St. E. vorzunehmen.
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Unter dem 19. März 2021 lässt der Kläger ergänzen, dass seit dem Festsetzungsbescheid vom 1. April 2020 kein weiterer Bescheid ergangen sei, der hätte angefochten werden können. Auch sei der Kläger nicht mehr zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen aufgefordert worden. Nachdem unklar sei, ob er seit dem 1. April 2020 zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen verpflichtet sei, sei ein Feststellungsinteresse gegeben. Dem Schriftsatz war eine Stellungnahme des Klägers beigefügt, auf die Bezug genommen wird.
16
Der Kläger lässt zuletzt beantragen:
I. Der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2020, wonach der Kläger für die Zeit vom 01.01.2016 bis 30.09.2019 Rundfunkbeiträge nebst Säumniszuschlag bezahlen soll, wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der Kläger rückwirkend ab 01.10.2019 nicht verpflichtet ist, an den Beklagten für das Wohnhaus … Rundfunkbeiträge zu zahlen.
17
Der Beklagte beantragt,
18
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2020 trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Aus einem Meldedatensatz vom 6. Mai 2018 gehe hervor, dass der Kläger seit dem 11. Mai 1982 unter der Anschrift … mit alleinigem Wohnsitz gemeldet sei. Für diese Wohnung habe kein Beitragskonto festgestellt werden können. Für die Wohnung mit der Anschrift … entrichte … die Rundfunkbeiträge. Der Kläger sei mit ihr nicht verheiratet. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Nebenwohnung sei durch den Kläger nicht beantragt worden. Hinsichtlich der weiteren Sachverhaltsdarstellung wird auf den Schriftsatz vom 5. Juni 2020 Bezug genommen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV werde das rundfunkbeitragspflichtige Innehaben einer Wohnung vermutet, wenn die betreffende Person dort gemeldet sei. Dies sei hier der Fall. Es werde bestritten, dass der Kläger dort nicht auch eine Wohnung - wenn auch nur zum unregelmäßigen seltenen Verweilen - innehabe. Die Vermutung könne nicht durch die bloße Behauptung, man wohne dort nicht, widerlegt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 BMG müsse sich innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anmelden, wer eine Wohnung beziehe. Daher sei ohne weiteres davon auszugehen, dass eine melderechtlich erfasste Person die Wohnung selbst bewohne. Ob die Wohnung als Haupt- oder Nebenwohnung erfasst sei, sei unerheblich. Die gesetzliche Vermutung sei auch nicht durch die Vorlage von Meldebescheinigungen widerlegt. Aus diesen gehe die Wohnung gerade als Hauptwohnsitz hervor. Der Kläger sei auch nicht von der Beitragspflicht befreit. Ein notwendiger Antrag liege schon nicht vor. Soweit aus den vorgelegten Meldebescheinigungen hervorgehe, dass der Kläger mehrere Wohnsitze habe, lägen die Voraussetzungen für eine Befreiung der Wohnung in R. nicht vor. Der Kläger werde nicht bereits für eine andere Wohnung zur Entrichtung des Rundfunkbeitrages herangezogen. Herangezogen werde nur derjenige, der als Beitragskontoinhaber mit einer eigenen Beitragsnummer beim Beitragsservice geführt und auf dessen Rechnung die Beitragszahlungen bewirkt würden. Es komme nicht darauf an, wer die Beiträge faktisch zahle. Der Kläger und seine Lebensgefährtin seien nicht verheiratet. Ein etwaiger Befreiungsanspruch würde sich nicht auf den Kläger erstrecken. Ein Befreiungsanspruch lasse sich auch nicht aus § 4a RBStV ableiten. Vorliegend habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er der Rundfunkbeitragspflicht für zwei Wohnungen selbst nachkomme. Die Wohnung in … sei die einzige Wohnung, für die der Kläger als Wohnungs- bzw. Beitragskontoinhaber geführt werde.
19
Unter dem 21. Dezember 2020 führt der Beklagte aus: Auch unter Berücksichtigung der Meldebescheinigung der Gemeinde … (vom 26. Juni 2020) sei der Kläger für die Wohnung … rundfunkbeitragspflichtig. Bei den dort befindlichen Raumeinheiten handle es sich um solche nach § 3 Abs. 1 RBStV. Ein Anspruch auf Befreiung bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 RBStV seien nicht erfüllt.
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Mit weiteren Schriftsätzen vom 28. Januar 2021 und 24. Februar 2021 hat sich der Beklagte zur Sache geäußert. Hierauf wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsätzen vom 29. April 2021 und vom 30. April 2021 haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.
22
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Der Kläger wendet sich zum einen gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 30. September 2019 (Ziff. 1 des Klageantrags). Zum anderen begehrt er die Feststellung, ab dem 1. Oktober 2019 nicht verpflichtet zu sein, an den Beklagter für das Wohnhaus … Rundfunkbeiträge zu zahlen (Ziff. 2).
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1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, nicht verpflichtet zu sein, ab dem 1. Oktober 2019 Rundfunkbeiträge bezahlen zu müssen, ist die Klage bereits unzulässig (vgl. hierzu etwa VG Köln, U.v. 3.5.2018 - 6 K 7780/16 - juris Rn. 15). § 43 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) normiert den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber Gestaltungsklagen und Verpflichtungsklagen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 43 Rn. 26). Da der Beklagte gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) befugt ist, rückständige Rundfunkbeiträge durch Verwaltungsakt festzusetzen, handelt es sich bei Ziff. 2 des Klageantrags der Sache nach um eine vorbeugende Feststellungsklage, mit deren Hilfe der Kläger den drohenden Erlass von künftigen Rundfunkbeitragsbescheiden zu verhindern versucht. Die Zulässigkeit eines derartigen prozessualen Vorgehens setzt ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse voraus (vgl. Helge in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auf. 2018, § 43 Rn. 105). Für vorbeugenden Rechtsschutz ist dort kein Raum, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann (so: NdsOVG, B.v. 5.7.2017 - 4 OB 160/17 - juris Rn. 9 ff.; vgl. auch: Helge a.a.O. Rn. 105). Vorliegend kann es dem Kläger ohne Weiteres zugemutet werden, gegen etwaige künftige Rundfunkbeitragsbescheide des Beklagten nachträglichen Rechtsschutz mittels eines Anfechtungsrechtsbehelfs nachzusuchen. Hinsichtlich einer etwaigen Befreiung von Rundfunkbeiträgen stünde dem Kläger ggf. der Weg über eine Verpflichtungsklage nach vorherigem Antrag beim Beklagten offen.
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2. Ziff. 1 des zuletzt anwaltlich gestellten Klageantrages ist nach seinem eindeutigen Wortlaut („Der Bescheid … wird aufgehoben“) (isoliert) auf Aufhebung des angegriffenen Festsetzungsbescheids vom 1. April 2020 gerichtet. Das Klagebegehren kann weder dahingehend verstanden noch dahingehend ausgelegt werden (§ 88 VwGO), dass der Kläger darüber hinaus auch die Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht begehrt. Die (isolierte) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) erweist sich zwar als zulässig, sie ist in der Sache allerdings nicht begründet. Der gegenständliche Bescheid vom 1. April 2020 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Der Kläger ist Inhaber der Wohnung … im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinne. Für die Frage der Beitragspflicht kommt es dabei weder darauf an, dass der Kläger vorträgt, die Wohnung stehe leer, noch darauf, dass er im Wege der Ummeldung den melderechtlichen Status von Haupt- zu Zweitwohnung geändert hat.
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Im privaten Dereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten (§ 2 Abs. 1 RBStV). Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Als Inhaber wird dabei jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV). Ausweislich der vorgelegten Meldebescheinigungen vom 4. und 16. Mai 2019 war der Kläger ab dem 11. Mai 1982 mit seiner Hauptwohnung unter der Anschrift … gemeldet. Die Wohnung in … wurde ab 2019 als Nebenwohnung geführt (Einzug 2. Januar 2019). Zum 2. Juni 2020 wurden Neben- und Hauptwohnung getauscht (Meidebestätigung vom 26. Juni 2020). Dementsprechend besteht für den Kläger seit dem Jahr 1982 durchgängig die gesetzliche Vermutung einer Wohnungsinhaberschaft für das Anwesen in ….
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b) Die an das Melderecht anknüpfende gesetzliche Vermutung vermag der Kläger nicht mit dem Einwand zu erschüttern, das Anwesen Grub 21a stehe leer. Entsprechend der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV ist eine Wohnung im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinne jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann. Ob die Wohnung tatsächlich bewohnt wird, ist dabei nicht maßgeblich. Das BVerwG, B.v. 27.7.2017 - 6 B 45.17 - beck-online Rn. 4, führt insoweit aus:
„… Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 RBStV ist Wohnung jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Einheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird. Daraus folgt unmissverständlich, dass der rundfunkbeitragsrechtliche Wohnungsbegriff nicht - wie etwa der melderechtliche Wohnungsbegriff nach § 20 Satz 1 BMG - auf die tatsächliche Wohnnutzung, sondern auf die Eignung einer Raumeinheit für Wohnzwecke abstellt Ist diese gegeben, kommt es nicht darauf an, ob die Raumeinheit tatsächlich bewohnt wird.“
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Ebenso BayVGH, B.v. 18.2.2015 - 7 CS 15.103 - beck-online Rn. 10, 11:
„bb) Die Wohnung des Antragsteilers in E. ist unstreitig eine Wohnung im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Nach der gesetzlichen Definition ist es ausreichend, dass die ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RBStV). Auf die tatsächliche Nutzung und damit auch auf ein tatsächliches Bewohnen der betreffenden Raumeinheit kommt es nicht an (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 14, Begründung zu § 3 RBStV).
cc) Solange der Antragsteller seine Wohnung in E. noch selbst - wenn auch nur für Lagerzwecke - nutzt, liegt es nahe, ihn als Inhaber der Wohnung, der die Wohnung „selbst bewohnt“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV), anzusehen. Denn dem Willen des Gesetzgebers entspricht es, den auf die Wohnung bezogenen Rundfunkbeitrag einfach und praktikabel auszugestalten und die Privatsphäre zu schützen. Ermittlungen „hinter der Wohnungstür“ sollen nicht mehr erforderlich sein, weil es auf Art und Umfang der Nutzung der Wohnung regelmäßig nicht entscheidungserheblich ankommt (vgl. LT-Drs. 16/7001 S. 13 f., Begründung zu § 2 und § 3 RBStV; vgl. auch Göhmann/Schneider/Siekmann in Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 2 RBStV Rn. 9 ff.).“
30
Aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung vgl. VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 3.7.2017 - 3 K 16.837 - beck-online Rn. 12):
„Die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Festsetzungsbescheids können zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Vortrag des Klägers, dass das Gebäude tatsächlich nicht als Wohnsitz sondern nur als Lager genutzt werde und außerdem nicht dem heutigen Standard entspreche und baufällig sei, hindert nicht die Annahme des Vorliegens einer Wohnung im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Nach der gesetzlichen Definition ist es ausreichend, dass die ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RBStV). Auf die tatsächliche Nutzung und damit auch auf ein tatsächliches Bewohnen der betreffenden Raumeinheit kommt es nicht an. …“.
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Der Kläger selbst hat die Eignung des streitgegenständlichen Anwesens zur Wohnnutzung nicht in Abrede gestellt. Vielmehr hat er vortragen lassen, er fahre hin und wieder nach …, um sich um sein Haus zu kümmern. Dies müsse er, um das Haus nicht verwahrlosen zu lassen. Damit bringt er gerade zum Ausdruck, dass er das Anwesen … in einem Zustand erhält, der eine Wohnnutzung dem Grunde nach ermöglicht Weitergehende Anforderungen sind nicht erforderlich.
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c) Die Wohnungsinhaberschaft des Klägers im rundfunkbeitragsrechtlichen Sinne entfällt auch nicht durch die zum 2. Juni 2020 erfolgte Unmeldung der Wohnung … zur Zweitwohnung.
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§ 2 Abs. 1 RBStV stellt auf das Innehaben „jeder“ Wohnung ab. Damit umfass: der Gesetzestext auch Zweit- oder Nebenwohnungen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der in § 11 Abs. 5 Nr. 7 RBStV getroffenen Regelung, die den Meldedatenabgleich auch im Hinblick auf eine Nebenwohnung vorsieht (vgl. VG Regensburg, Gerichtbescheid v. 7.11.2016 - RN 3 K 16.843 - juris Rn. 41). Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags ist auch für Zweitwohnungen und weitere Wohnungen im Grundsatz zulässig, vgl. NdsOVG, B. v. 23.9.2015 - 4 LA 230/15 - juris Rn. 5 f.:
„Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die (1.) dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder (2.) im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV). Mehrere Beitragsschuldner haften nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV als Gesamtschuldner entsprechend § 44 AO.
Nach diesen Regelungen besteht die Rundfunkbeitragspflicht nicht nur für die Hauptwohnung des Beitragsschuldners, sondern auch für eine Nebenwohnung. Die Beitragspflicht knüpft lediglich daran an, dass der Inhaber die Wohnung selbst bewohnt, was unter den genannten Voraussetzungen vermutet wird, ohne dabei zwischen Erst- und Zweitwohnung zu unterscheiden. Dies wird auch durch die amtliche Begründung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags bestätigt, wonach es irrelevant ist, ob die Wohnung als Haupt- oder als Nebenwohnung geführt wird (vgl. Nds. Landtag, Drs. 16/3437, S. 25). Der Rundfunkbeitrag fällt somit nebeneinander sowohl für die Erst- als auch für die Zweitwohnung an, soweit der Beitragsschuldner beide Wohnungen selbst bewohnt.“
34
Ein Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Zweitwohnungssteuer ist nicht erkennbar. Der Rundfunkbeitrag ist keine Aufwandsteuer, die sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausrichtet, sondern eine Vorzugslast, die sich an den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs und des Kostendeckungsprinzips orientiert (vgl. BVerwG U.v. 25.1.2017 - 6 C 14.16 - beck-online Rn. 16).
35
Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Beitragspflicht einer Zweitwohnung besteht jedenfalls im streitgegenständlichen Fall nicht. Soweit das Bundesverfassungsgericht mit U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17 - juris (Ziff. 1 des Entscheidungstenors) feststellt, es sei
„… mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden …“
führt dies vorliegend zu keinen anderen Ergebnis. Unter Rn. 106 der zitierten Entscheidung vom 18. Juli 2018 führt das Bundesverfassungsgericht aus:
„Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden.“
36
Der Vorteil sei abgegolten, soweit Wohnungsinhaber für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrages herangezogen würden (BVerfG a.a.O. Rn. 106). Der Vorteil sei personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankomme, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können (BVerfG a.a.O. Rn. 107). Das Rundfunkangebot könne aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden (BVerfG a.a.O. Rn. 107). Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöhe den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnten (vgl. BVerfG a.a.O. Rn 107). Zu einer derartigen Mehrfachbelastung kam bzw. kommt es in der Person des Klägers gerade nicht. Durch die Heranziehung seiner Lebensgefährtin für die (Haupt-)Wohnung in … wird der Vorteil für die (Neben-) Wohnung des Klägers in … nicht mitabgegolten. Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes ist zu entnehmen, dass der Vorteil zur Rundfunknutzung nicht wohnungsbezogen, sondern personenbezogen zu verstehen ist. Es kommt entscheidend darauf an, dass das Rundfunkangebot von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden kann. Eine Entlastung von Mehrpersonenhaushalten war für das Bundesverfassungsgericht nicht streitgegenständlich (so auch VG Bayreuth, U.v. 22.10.2020 - B 3 K 20.165 - beckonline Rn. 25). Vorliegend wird durch das Innehaben einer zweiten Wohnung der Vorteil einer Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung erhöht. Der Kläger hat aber selbst vorgetragen, dass er die Rundfunkbeiträge für die Hauptwohnung in … nicht bezahlt, sondern seine Partnerin hierfür eintritt. Vgl. zu dieser Konstellation BayVGH, B.v. 25.1.2021 - 7 ZB 20.2880 - juris Rn. 7:
„… Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass es dabei nicht entscheidend um das Erlöschen der Betragspflicht für die Erstwohnung in F… geht, sondern es auf eine - monetäre - Doppelbelastung des Klägers für denselben Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausführlich und unter teilweise wörtlicher Wiedergabe der maßgeblichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - (a.a.O.) erläutert, dass der Kläger als Zweitwohnungsinhaber eben nicht - wie es die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltende, mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Rechtslage vorsah - für denselben personenbezogenen Vorteil aus dem Rundfunkempfang zahiungsmäßig doppelt, d.h. tatsächlich durch (eigene) Zahlung des Rundfunkbeitrags für die Wohnungen in B… und in F… herangezogen wurde und wird. …“.
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Ohne dass es derzeit entscheidend darauf ankäme, wird auf § 4a Abs. 1 RBStV, wonach eine natürliche Person für ihre Nebenwohnungen nur dann von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV auf Antrag befreit wird, wenn sie selbst, ihr Ehegatte oder ihr eingetragener Lebenspartner den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung an die zuständige Landesrundfunkanstalt entrichtet, hingewiesen.
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d) Der Kläger vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, das frühere Teilnehmerkonto … sei abgemeldet worden, nachdem er am 9. August 2012 mitgeteilt habe, er wohne be: seiner Partnerin in … bzw. halte sich dort auf, so dass die nunmehrige Beitragserhebung gegen Treu und Glauben verstoße. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Rundfunkgebühr geräteabhängig erhoben (vgl. § 2 Abs. 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV i.d. bis 31. Dezember 2313 geltenden Fassung).