Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.04.2021 – 7 CS 21.19
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Feststellung, Versorgung, Streitwert, Verbreitung, Wiedereinsetzung, Beschwerdeverfahren, Insolvenz, Notlage, Berichterstattung, Zahlung, Rundfunkfreiheit, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebenden Wirkung, sofortige Vollziehung

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Feststellung, Versorgung, Streitwert, Verbreitung, Wiedereinsetzung, Beschwerdeverfahren, Insolvenz, Notlage, Berichterstattung, Zahlung, Rundfunkfreiheit, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebenden Wirkung, sofortige Vollziehung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 14.12.2020 – M 17 S 20.5077
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59381

Tenor

I. Soweit sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 auf die Verbreitung des Spartenangebots der Antragstellerin bezieht, wird das Verfahren eingestellt.
Insoweit sind Nr. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 wirkungslos geworden.
II. Im Übrigen wird unter Abänderung von Nr. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 4. August 2020 für den Zeitraum 28. August 2020 bis einschließlich 31. März 2021 wiederhergestellt.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
VI. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenprogramms der Antragstellerin sowie zur monatlichen Zahlung von 1.521,90 Euro.
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Mit Bescheid vom 4. August 2020 hob die Antragsgegnerin die in den Bescheiden vom 5. Februar und 5. Dezember 2019 enthaltene Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenprogramms der Antragstellerin (drei Stunden wöchentlich) und zur monatlichen Zahlung von 1.521,90 Euro (zzgl. MwSt.) an die Antragstellerin bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin auf (Nr. 1 des Bescheids). Nach Nr. 2 des Bescheids überprüft die Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin, ob unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Beigeladenen eine erneute Verbreitung des Spartenangebots im Sinne der Programm- und Meinungsvielfalt geboten ist; der Antrag kann frühestens ab dem 1. Januar 2021 gestellt werden. Mit Bescheid vom 28. August 2020 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung von Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 an. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. August 2020 ab. Aus der Begründung des Sofortvollzugs gehe hinreichend deutlich hervor, dass für die Antragsgegnerin handlungsleitend gewesen sei, dass wegen des durch die Corona-Krise bedingten erheblichen Rückgangs der Werbeumsätze die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beigeladenen drohe, die dazu führen würde, dass der Sendebetrieb nicht weiter aufrechterhalten werden könne. Die Änderung der Kapazitätszuweisung gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 BayMG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS sei nach summarischer Prüfung formell und materiell rechtmäßig. Der Antragsgegnerin komme bei der Zuweisung von Übertragungskapazitäten auf der Grundlage des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 BayMG eine Einschätzungsprärogative zu, da sie dafür Sorge zu tragen habe, dass das Gesamtangebot der privaten Rundfunkprogramme in Bayern ausgewogen sei. Die Gefährdung der Fortführung des genehmigten Programmangebots infolge einer wirtschaftlichen Notlage stelle einen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS dar; schon der Wortlaut verlange keinen programminhaltlichen Bezug des wichtigen Grundes. Die Antragsgegnerin habe die Angaben zur finanziellen Situation der Beigeladenen in deren Antrag geprüft und im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise gewertet. Sie habe bei der Ausübung ihres Ermessens zutreffend die Auswirkungen auf die Ausgewogenheit des Gesamtangebots der privaten Rundfunkprogramme in Bayern im Blick gehabt und berücksichtigt, dass im Versorgungsgebiet B* …M* … kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen wäre, wenn die Verbreitung des Programms der Beigeladenen mangels Solvenz eingestellt werden müsste und damit auch die Verbreitung des Spartenangebots entfallen würde. Die Entlastung der Beigeladenen von den monatlichen Zahlungsverpflichtungen sei geeignet, die drohende Insolvenzgefährdung der Beigeladenen abzuwenden. Die von der Antragstellerin angebotenen Möglichkeiten einer Stundung mit Rangrücktritt oder der Umschichtung einer etwaigen Sonderförderung könnten an der mangelnden Liquidität der Beigeladenen nichts ändern. Da die Änderung der Kapazitätszuweisung nur bis zur Feststellung der wirtschaftlichen Konsolidierung der Beigeladenen angeordnet worden sei, sei sie auch verhältnismäßig. Das grundrechtlich geschützte Senderecht der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit werde dadurch nur vorübergehend eingeschränkt und nicht gänzlich entzogen. Zudem habe sie die Möglichkeit, andere Verbreitungswege zu nutzen, insbesondere durch Nutzung ihrer unveränderten Sendezeiten im Sendegebiet von Radio Charivari Rosenheim und von Radio Galaxy Rosenheim. Die Interessen der Antragstellerin seien auch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr Fortbestehen der als Spartenanbieter durch den vorübergehenden Wegfall der monatlichen Einnahmen in Höhe von 1.521,90 Euro gefährdet wäre, zumal sie der einzige Spartenanbieter in Bayern sei, der von den Hauptanbietern finanziert werde.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei die Begründung des Sofortvollzugs insbesondere im Hinblick auf die vermeintliche Zahlungsunfähigkeit der Beigeladenen formelhaft. Das Gericht verkenne, dass schon kein ordnungsgemäßer Antrag der Beigeladenen vorgelegen habe. Zudem sei § 7 Abs. 4 RfS nicht dahingehend auszulegen, dass ein „wichtiger Grund“ sich auch ohne programminhaltlichen Bezug ergeben könne. Das Gericht habe die unzureichende Ermittlung durch die Antragsgegnerin, ob der Beigeladenen eine Insolvenz drohe, ungeprüft übernommen. Die Beigeladene würde sich durch die Programmänderung keine Kosten ersparen, dies geschehe erst durch den Wegfall der Vergütung, die als Gegenleistung für den Verzicht der Antragstellerin auf die Selbstvermarktung der Werbezeiten vereinbart worden sei; diese Sendezeiten könne die Beigeladene aber auch weiterhin vermarkten. Das Gericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene die Antragstellerin bereits vor der Corona-Pandemie habe „loswerden“ wollen und die finanziellen Auswirkungen der Pandemie nur vorgeschobene Gründe seien. Auf die von der Antragstellerin angebotene Stundung der Zahlungsverpflichtung mit Rangrücktritt, Minderung der Vergütung entsprechend der Umsatzeinbußen sowie Umwidmung einer Sonderförderung gehe das Verwaltungsgericht nicht ausreichend ein und berücksichtige nicht, dass die Beigeladene laut vorgelegter BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung) bereits im Juni und Juli 2020 wieder „in der Gewinnzone“ gewesen sei. Auch sei die vom Gericht übernommene Behauptung der Antragsgegnerin, dass an einem Einfrequenz-Standort auch in normalen Zeiten nur kostendeckend gearbeitet werden könne, nicht belegt. Die Beigeladene habe laut Unternehmensregister des Bundesanzeigers im Geschäftsjahr 2019 über ein Eigenkapital in Höhe von 448.403 Euro und Rückstellungen in Höhe von 116.783 Euro verfügt. Auch hätte das Gericht bei der Abwägung im Lichte der Rundfunkfreiheit berücksichtigen müssen, dass der Zeitpunkt der Feststellung der Konsolidierung wiederum im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, da kein konkretes Datum genannt sei. Darüber hinaus hätte das Gericht den Vertrauensschutz der Antragstellerin als größtem kulturellen Spartenanbieter berücksichtigen müssen. Es seien Investitionen getätigt, Mietverträge abgeschlossen und Personal eingestellt worden. Die liquiden Mittel der Antragstellerin würden nur noch wenige Wochen reichen, es bestehe eine existentielle Gefährdung.
4
Den Antrag der Antragstellerin vom 2. Januar 2021 auf Rücknahme des Bescheids vom 4. August 2020 und damit verbunden die Wiederherstellung der vorherigen Genehmigungssituation lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. März 2021 (Nr. 1) ab. Dem Hilfsantrag auf Feststellung nach Nr. 2 des Bescheids vom 4. August 2020 und damit einhergehend die Wiedereinsetzung des Spatenangebots der Antragstellerin verbunden mit der Vergütung laut Kooperationsvertrag gab die Antragsgegnerin in Nr. 2 des Bescheids vom 25. März 2021 statt. Soweit sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 auf die Verbreitung des Spartenangebots der Antragstellerin bezieht, erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2021 das Verfahren übereinstimmend für erledigt.
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Die Antragstellerin beantragt,
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unter Abänderung von Nr. 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 4. August 2020 für den Zeitraum 28. August 2020 bis einschließlich 31. März 2021 wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof vom 31. März 2021 Bezug genommen.
II.
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Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2021 entschieden werden, obwohl die Beigeladene nicht anwesend war. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beigeladene ist ausweislich der Postzustellungsurkunde am 2. März 2021 ordnungsgemäß geladen worden.
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1. Soweit sich der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 auf die Verbreitung des Spartenangebots der Antragstellerin bezieht, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO analog) und insoweit Nr. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
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2. Im Übrigen war unter Abänderung von Nr. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragstellerin vom 4. August 2020 für den Zeitraum 28. August 2020 bis einschließlich 31. März 2021 wiederherzustellen. Aufgrund der dargelegten und vom Senat allein geprüften Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geht der Senat - im Gegensatz zu der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts - davon aus, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 4. August 2020 insoweit voraussichtlich Erfolg haben wird. Deshalb überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) das von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO verfolgte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids.
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a. Die auf Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BayMG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2, § 7 Abs. 4 Satz 1 Rundfunksatzung (RfS)) in der Fassung vom 19. Juli 2018 (AMBl S. 18) gestützte, bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen einstweilen aufgehobene Verpflichtung der Beigeladenen, das Spartenangebot der Antragstellerin zu übernehmen, auf eigene Kosten über die zugewiesenen Übertragungskapazitäten zu verbreiten und monatlich 1.521,90 Euro zu zahlen, erweist sich als rechtswidrig, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der Antragsgegnerin mit Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 4. August 2020 das Vorliegen eines wichtigen Grunds in Form einer drohenden Insolvenz der Beigeladenen von der Antragsgegnerin weder ausreichend geprüft noch belegt wurde.
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Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS können sowohl der Anbieter als auch die Landeszentrale eine Änderung des Sendeund Programmschemas und des Programmnamens sowie Abweichungen von einem programminhaltlichen Schwerpunkt aus wichtigem Grund verlangen. Ein wichtiger Grund kann insbesondere vorliegen, wenn das Angebot eines anderen Anbieters angeordnet wird oder auf Dauer wegfällt (§ 7 Abs. 4 Satz 2 RfS). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt - insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen -, dass der unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ keinen alleinigen programminhaltlichen Bezug verlangt. Die Annahme der Antragsgegnerin, dass eine drohende Insolvenz des Hauptanbieters einen wichtigen Grund für eine Programmänderung darstellen könne, weil der Wegfall der Verbreitung des Hauptangebots nicht nur zu einem Verlust an Programmvielfalt führen würde, sondern auch dazu, dass im Versorgungsgebiet Berchtesgadener Land und Traunstein kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen wäre, ist daher im Grundsatz nicht zu beanstanden. Ob eine Insolvenz tatsächlich droht, beruht auf einer prognostischen Entscheidung, die einen Schluss von feststellbaren Tatsachen (Ausgangstatsachen; Prognosebasis) anhand anerkannter Erfahrungssätze auf den wahrscheinlichen Eintritt eines künftigen Sachverhalts verlangt (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 63). Daran mangelt es hier, denn die Antragsgegnerin hat ihre Annahme, bei Aufrechterhaltung der Zahlungsverpflichtung könne eine Insolvenz der Beigeladenen als Hauptanbieter nicht ausgeschlossen werden (vgl. S. 6 des streitgegenständlichen Bescheids) zum maßgeblichen Zeitpunkt im August 2020 auf eine unzureichende Tatsachengrundlage, die diesen Schluss nicht zulässt, gestützt.
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Gemäß § 16 InsO setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass ein Eröffnungsgrund gegeben ist. Ein Eröffnungsgrund liegt vor bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO). Konkrete Zahlen, die eine drohende Insolvenz belegen könnten, sind im streitgegenständlichen Bescheid nicht enthalten. Die Antragsgegnerin zieht als Beleg für eine drohende Insolvenz maßgeblich die durch die Corona-Krise verursachten Umsatzeinbußen bei den lokalen wie überregionalen Werbeeinnahmen für die Monate April, Mai und Juni 2020 heran, die sie von der Beigeladenen angefordert hatte („Der Geschäftsführer … konnte belegen, dass der Rückgang der Umsatzerlöse seit Beginn der Coronakrise, im April 2020, rund 40% ausgemacht haben“) und ermittelt für das zweite Quartal 2020 ein Umsatzminus von 55% (vgl. Bescheid S. 6), berücksichtigt darüber hinaus aber nicht die Gewinn- und Verlustsituation im ersten Halbjahr 2020 (vgl. Bl. 139 der Behördenakte, wonach ein Gewinn nach Steuern in Höhe von 8.691,77 Euro ausgewiesen wird), das Eigenkapital der Beigeladenen in Höhe von 448.403,96 Euro sowie Rückstellungen in Höhe von 116.783,54 Euro. Ebenso wenig können dem Antrag der Beigeladenen auf Programmänderung vom 28. Mai 2020 aussagekräftige Daten zur finanziellen Situation der Beigeladenen entnommen werden; die Beigeladene verweist lediglich auf einen Ausfall der Werbeeinnahmen von mindestens 40% und spricht im Übrigen die langjährigen Probleme mit der Antragstellerin an („In dieser Situation ist es - wie Ihnen schon vor einiger Zeit geschildert - unerträglich, auch noch ein absolut verzichtbares Zulieferprogramm … mitfinanzieren zu müssen.“). Da konkrete Zahlen zur Beurteilung der finanziellen Situation der Beigeladenen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlagen, hätte die Antragsgegnerin diese für ihre Prognoseentscheidung heranziehen und bewerten müssen. Auch unter Berücksichtigung des Ziels der Antragsgegnerin, als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks im Sinne von Art. 111a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV (vgl. zuletzt BayVerfGH, B.v. 25.2.2021 - Vf. 8-VI-19 - juris Rn. 75) eine unabhängige - weil finanziell ausreichend ausgestattete - Berichterstattung auch bei lokalen Hörfunkanbietern an Einfrequenz-Standorten sicherzustellen, vermag allein die Zugrundelegung von geltend gemachten Umsatzeinbußen eine ausreichende Tatsachengrundlage als Basis für eine vorzunehmende Prognoseentscheidung, ob der Beigeladenen eine Insolvenz droht, nicht zu begründen.
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b. Ungeachtet dessen erweist sich der streitgegenständliche Bescheid auch deshalb als rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin in unzutreffender Weise davon ausgegangen ist, dass die Änderung der Kapazitätszuweisung als vorübergehend angelegte Befreiung der Beigeladenen als deren Zuweisungsinhaberin von einer belastenden Auflage die Interessen der durch die Auflage begünstigten Antragstellerin als Spartenanbieter nicht unzumutbar beeinträchtigt (§ 5 Abs. 3 Satz 2 RfS).
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aa. Zwar steht der Antragsgegnerin bei der Entscheidung über die Zuweisung bzw. Änderung von Übertragungskapazitäten eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. VGH BW, B.v. 13.12.2002 - 1 S 2480/02 - juris Rn. 13). Sie hat zudem als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks (Art. 111a Abs. 2 Satz 1 BV) dafür Sorge zu tragen, dass das Gesamtangebot der privaten Rundfunkprogramme in Bayern den Geboten der Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt entspricht. Ihre zentrale Aufgabe ist es, neben der Programmvielfalt auch auf eine ausgewogene Rundfunkstruktur zu achten, die eine möglichst flächendeckende Versorgung mit privaten Hörfunkangeboten gewährleisten soll (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2004 - 7 CS 04.104 - BayVBl 2004, 307). Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin im Einzelfall dem Fortbestehen des Hauptangebots gegenüber dem Verbreitungsrecht des Spartenanbieters den Vorrang gibt, da die Situation des Spartenanbieters mit dem Fortbestehen des Hauptanbieters steht und fällt. Dies gilt auch, wenn verhindert werden soll, dass im betreffenden Versorgungsgebiet kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen ist. Dennoch muss die Prüfung, ob der Fortbestand des Hauptanbieters gefährdet ist, auch hier auf eine hinreichende - insoweit auch gerichtlich überprüfbare - Tatsachengrundlage gestützt werden (siehe a.). Zweifelhaft erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Annahme der Antragsgegnerin, die Beigeladene könne an einem Einfrequenz-Standort nur kostendeckend arbeiten, ohne zu berücksichtigen, dass die Beigeladene im Geschäftsjahr 2019 einen Gewinn nach Steuern in Höhe von 104.300 Euro (Jan. 2019 - Nov. 2019, vgl. BWA vom 11.12.2020) verzeichnen konnte, ebenso die Einschätzung, die Beigeladene könne deshalb nicht mehr dauerhaft fortbestehen, weil sie eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von monatlich rund 1.500 Euro gegenüber der Antragstellerin habe, ohne hierbei Rückstellungen und Eigenkapital sowie Plussalden der Beigeladenen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hätte dem Angebot der Antragstellerin, die Zahlungsverpflichtung entsprechend dem monatlichen Umsatzrückgang zu reduzieren (vgl. Bl. 119 der Behördenakte), besondere Bedeutung zugemessen werden müssen.
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bb. Zudem hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung das Vertrauen der Antragstellerin auf die am 15. Dezember 2015 zwischen dieser und der Beigeladenen (erneut) geschlossenen Kooperationsvereinbarung und auf den darin begründeten Vergütungsanspruch (vgl. Nr. 9 der Kooperationsvereinbarung) nicht hinreichend berücksichtigt. Es bedarf im vorliegenden Eilverfahren keiner näheren Erörterung, ob die zeitweise Aufhebung der Zahlungsverpflichtung überhaupt auf § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS gestützt werden kann. Dahinstehen kann auch, inwieweit allein das Vertrauen der Antragstellerin auf die Verbreitung ihres Spartenprogramms im Verhältnis zur Beigeladenen als Hauptanbieter geschützt ist, jedenfalls geht die Antragsgegnerin fehl in der Annahme, dass vorliegend das Vertrauen der Antragstellerin auf das Fortbestehen der Vergütungsverpflichtung gegenüber dem Interesse der Beigeladenen an deren Aufhebung nicht als „selbständiges Rechtsgut“ in die Abwägung einzustellen war und daher zurückzustehen hat. Denn unabhängig von dem bescheidsmäßig zugewiesenen Verbreitungsrecht hat die Antragstellerin durch den Abschluss der Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf den Vergütungsanspruch, der im Übrigen nicht für die Verbreitung des Spartenprogramms, sondern für die an die Beigeladene überlassenen Werbezeiten besteht, eine gesicherte Rechtsposition erhalten, die ihr vor Vertragsablauf nur durch Kündigung wieder entzogen werden könnte. Eine Kündigung wurde bislang jedoch nicht ausgesprochen. Die überlassenen Werbezeiten können von der Beigeladenen weiter genutzt werden.
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cc. Schlussendlich hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend geprüft, ob mildere Mittel - wie insbesondere die von der Antragstellerin angebotene prozentuale Minderung der monatlichen Vergütung entsprechend des monatlichen Umsatzrückgangs im Vergleich zum Umsatz der jeweiligen Monate im Vorjahr - zur Vermeidung der befürchteten drohenden Insolvenz bzw. eines Wegfalls des Hauptanbieters zur Verfügung gestanden hätten. Unabhängig von dem Umstand, dass die Antragstellerin diesen Vorschlag erst einen Tag vor Sitzung des Medienrats unterbreitet hat, war die Antragsgegnerin nicht gehalten, die Zustimmung der Gesellschafter der Beigeladenen abzuwarten, sondern hätte unabhängig davon eine entsprechende Regelung im streitgegenständlichen Bescheid treffen können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO, soweit sich der Rechtsstreit erledigt hat, da die Antragsgegnerin bei Fortsetzung des Verfahrens unterlegen wäre, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladenen werden keine Kosten auferlegt, da sie keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 GKG i.V.m. Nr. 37.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung der Vorinstanz.