Titel:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Feststellung, Versorgung, Antragstellung, Wiedereinsetzung, Verbreitung, Notlage, Zahlung, Berichterstattung, Rundfunkfreiheit, Quartal, Verpflichtung, sofortige Vollziehung, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebende Wirkung
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Beschwerde, Vollziehung, Feststellung, Versorgung, Antragstellung, Wiedereinsetzung, Verbreitung, Notlage, Zahlung, Berichterstattung, Rundfunkfreiheit, Quartal, Verpflichtung, sofortige Vollziehung, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebende Wirkung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 14.12.2020 – M 17 S 20.5113
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59375
Tenor
I. Unter Aufhebung von Nr. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 3. August 2020 wiederhergestellt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aufhebung der Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenprogramms der Antragstellerin und zur monatlichen Zahlung von 2.980 Euro.
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Mit Bescheid vom 3. August 2020 hob die Antragsgegnerin die im Bescheid vom 7. Februar 2019 enthaltene Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenprogramms der Antragstellerin (zwei Stunden wöchentlich und Einzelbeiträge) und zur monatlichen Zahlung von 2.980 Euro (zzgl. MwSt.) an die Antragstellerin bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin auf (Nr. 1 des Bescheids). Nach Nr. 2 des Bescheids überprüft die Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin, ob unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Beigeladenen eine erneute Verbreitung des Spartenangebots im Sinne der Programm- und Meinungsvielfalt geboten ist; der Antrag kann frühestens ab dem 1. Januar 2021 gestellt werden. Mit Bescheid vom 28. August 2020 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung von Nr. 1 des Bescheids vom 3. August 2020 an. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 13. August 2020 ab. Aus der Begründung des Sofortvollzugs gehe hinreichend deutlich hervor, dass für die Antragsgegnerin handlungsleitend gewesen sei, dass wegen des durch die Corona-Krise bedingten erheblichen Rückgangs der Werbeumsätze die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beigeladenen drohe, die dazu führen würde, dass der Sendebetrieb nicht weiter aufrechterhalten werden könne. Die Änderung der Kapazitätszuweisung gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 BayMG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS sei nach summarischer Prüfung formell und materiell rechtmäßig. Der Antragsgegnerin komme bei der Zuweisung von Übertragungskapazitäten auf der Grundlage des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 BayMG eine Einschätzungsprärogative zu, da sie dafür Sorge zu tragen habe, dass das Gesamtangebot der privaten Rundfunkprogramme in Bayern ausgewogen sei. Die Gefährdung der Fortführung des genehmigten Programmangebots infolge einer wirtschaftlichen Notlage stelle einen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS dar; schon der Wortlaut verlange keinen programminhaltlichen Bezug des wichtigen Grundes. Die Antragsgegnerin habe die Angaben zur finanziellen Situation der Beigeladenen in deren Antrag geprüft und im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise gewertet. Sie habe die auf die Angaben der Beigeladenen im Rahmen der Antragstellung für Corona-Soforthilfen der Bayerischen Staatskanzlei für den bayerischen Lokalfunk gestützten und damit glaubhaft gemachten Umsatzeinbußen von 49% im April 2020 und 58% im Juni 2020 berücksichtigt und bei der Ausübung ihres Ermessens zutreffend die Auswirkungen auf die Ausgewogenheit des Gesamtangebots der privaten Rundfunkprogramme in Bayern auch insoweit im Blick gehabt, dass im streitgegenständlichen Versorgungsgebiet kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen wäre, wenn die Verbreitung des Programms der Beigeladenen mangels Solvenz eingestellt werden müsste und damit auch die Verbreitung des Spartenangebots entfallen würde. Die Entlastung der Beigeladenen von den monatlichen Zahlungsverpflichtungen sei geeignet, die drohende Insolvenzgefährdung der Beigeladenen abzuwenden. Die von der Antragstellerin angebotenen Möglichkeiten einer Stundung mit Rangrücktritt oder der Umschichtung einer etwaigen Sonderförderung könnten an der mangelnden Liquidität der Beigeladenen nichts ändern. Da die Änderung der Kapazitätszuweisung nur bis zur Feststellung der wirtschaftlichen Konsolidierung der Beigeladenen angeordnet worden sei, sei sie auch verhältnismäßig. Das grundrechtlich geschützte Senderecht der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit werde dadurch nur vorübergehend eingeschränkt und nicht gänzlich entzogen. Zudem habe sie die Möglichkeit, andere Verbreitungswege zu nutzen, insbesondere durch Nutzung ihrer unveränderten Sendezeiten im Sendegebiet von Radio Charivari R* … und von Radio Galaxy R* … Die Interessen der Antragstellerin seien auch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Es sei nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr Fortbestehen als Spartenanbieter durch den vorübergehenden Wegfall der monatlichen Einnahmen in Höhe von 2.980 Euro gefährdet wäre, zumal sie der einzige Spartenanbieter in Bayern sei, der von den Hauptanbietern finanziert werde.
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Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei die Begründung des Sofortvollzugs insbesondere im Hinblick auf die vermeintliche Zahlungsunfähigkeit der Beigeladenen formelhaft. Zudem sei § 7 Abs. 4 RfS nicht dahingehend auszulegen, dass sich ein „wichtiger Grund“ auch ohne programminhaltlichen Bezug ergeben könne. Das Gericht habe die unzureichende Ermittlung durch die Antragsgegnerin, ob der Beigeladenen eine Insolvenz drohe, ungeprüft übernommen. Die Beigeladene würde sich durch die Programmänderung keine Kosten ersparen, dies geschehe erst durch den Wegfall der Vergütung, die als Gegenleistung für den Verzicht der Antragstellerin auf die Selbstvermarktung der Werbezeiten vereinbart worden sei; diese Sendezeiten könne die Beigeladene aber auch weiterhin vermarkten. Das Gericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene die Antragstellerin bereits vor der Corona-Pandemie habe „loswerden“ wollen und die finanziellen Auswirkungen der Pandemie nur vorgeschobene Gründe seien. Auf die von der Antragstellerin angebotene Stundung der Zahlungsverpflichtung mit Rangrücktritt, Minderung der Vergütung entsprechend der Gewinneinbußen sowie Umwidmung einer Sonderförderung gehe das Verwaltungsgericht nicht ausreichend ein und berücksichtige auch nicht, dass Umsatzeinbußen alleine nicht zwangsläufig zu einer Insolvenz führten. Zudem sei die vom Gericht übernommene Behauptung der Antragsgegnerin, dass an einem Einfrequenz-Standort auch in normalen Zeiten nur kostendeckend gearbeitet werden könne, nicht belegt; die Beigeladene habe 2018 einen Jahresüberschuss in Höhe von 102.421,30 Euro erzielt, auch 2019 sei der Jahresüberschuss im 6-stelligen Bereich gewesen, sowohl 2018 als auch 2019 seien jeweils 80.000 Euro an die Gesellschafter ausgeschüttet worden. Laut eigener Erfolgsrechnung der Beigeladenen habe der kumulierte Verlust von Januar bis August 2020 lediglich 41.728,46 Euro betragen, der aus Rücklagen oder gewährten Corona-Hilfen leicht hätte abgefangen werden können. Auch hätte das Gericht bei der Abwägung im Lichte der Rundfunkfreiheit berücksichtigen müssen, dass der Zeitpunkt der Feststellung der Konsolidierung wiederum im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, da kein konkretes Datum genannt sei. Darüber hinaus hätte das Gericht den Vertrauensschutz der Antragstellerin als größtem kulturellen Spartenanbieter berücksichtigen müssen. Es seien Investitionen getätigt, Mietverträge abgeschlossen und Personal eingestellt worden. Die liquiden Mittel der Antragstellerin würden nur noch wenige Wochen reichen, es bestehe eine existentielle Gefährdung.
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Den Antrag der Antragstellerin vom 2. Januar 2021 auf Rücknahme des Bescheids vom 3. August 2020 und damit verbunden die Wiederherstellung der vorherigen Genehmigungssituation, hilfsweise die Feststellung nach Nr. 2 des Bescheids vom 3. August 2020 und damit einhergehend die Wiedereinsetzung des Spatenangebots der Antragstellerin und der Vergütung laut Kooperationsvertrag sowie hilfsweise die Wiederaufnahme des Angebots der Antragstellerin in das Programm der Beigeladenen im Wege der Programmänderung aus wichtigem Grund gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25. März 2021 ab.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Dezember 2020 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. August 2020 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. August 2020 wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof vom 31. März 2021 Bezug genommen.
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Aufgrund der dargelegten und vom Senat allein geprüften Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geht der Senat - im Gegensatz zu der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts - davon aus, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. August 2020 voraussichtlich Erfolg haben wird. Deshalb überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) das von der Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO verfolgte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids.
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1. Die auf Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BayMG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2, § 7 Abs. 4 Satz 1 Rundfunksatzung (RfS) in der Fassung vom 19. Juli 2018 (AMBl S. 18) gestützte, bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen einstweilen aufgehobene Verpflichtung der Beigeladenen, das Spartenangebot der Antragstellerin zu übernehmen, auf eigene Kosten über die zugewiesenen Übertragungskapazitäten zu verbreiten und zur monatlichen Zahlung von 2.980 Euro, erweist sich als rechtswidrig, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der Antragsgegnerin mit Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. August 2020 das Vorliegen eines wichtigen Grunds in Form einer drohenden Insolvenz der Beigeladenen von der Antragsgegnerin weder ausreichend geprüft noch belegt wurde.
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Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS können sowohl der Anbieter als auch die Landeszentrale eine Änderung des Sendeund Programmschemas und des Programmnamens sowie Abweichungen von einem programminhaltlichen Schwerpunkt aus wichtigem Grund verlangen. Ein wichtiger Grund kann insbesondere vorliegen, wenn das Angebot eines anderen Anbieters angeordnet wird oder auf Dauer wegfällt (§ 7 Abs. 4 Satz 2 RfS). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt - insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen -, dass der unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ keinen alleinigen programminhaltlichen Bezug verlangt. Die Annahme der Antragsgegnerin, dass eine drohende Insolvenz des Hauptanbieters einen wichtigen Grund für eine Programmänderung darstellen könne, weil der Wegfall der Verbreitung des Hauptangebots nicht nur zu einem Verlust an Programmvielfalt führen würde, sondern auch dazu, dass im Versorgungsgebiet Berchtesgadener Land und Traunstein kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen wäre, ist daher im Grundsatz nicht zu beanstanden. Ob eine Insolvenz tatsächlich droht, beruht auf einer prognostischen Entscheidung, die einen Schluss von feststellbaren Tatsachen (Ausgangstatsachen; Prognosebasis) anhand anerkannter Erfahrungssätze auf den wahrscheinlichen Eintritt eines künftigen Sachverhalts verlangt (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 114 Rn. 63). Daran mangelt es hier, denn die Antragsgegnerin hat ihre unter Bezugnahme auf § 19 InsO erfolgte Annahme, der Beigeladenen drohe eine Überschuldung (vgl. S. 6 f. des streitgegenständlichen Bescheids) zum maßgeblichen Zeitpunkt im August 2020, auf eine unzureichende Tatsachengrundlage, die diesen Schluss nicht zulässt, gestützt.
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Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Konkrete Zahlen, die eine drohende Überschuldung belegen könnten, sind im streitgegenständlichen Bescheid nicht enthalten. Die Antragsgegnerin zieht als Beleg für eine drohende Überschuldung maßgeblich die von der Beigeladenen geltend gemachten, durch die Corona-Krise verursachten Umsatzeinbußen bei den lokalen wie überregionalen Werbeeinnahmen heran (49% im April 2020, 58% im Juni 2020, vgl. Protokoll der Sitzung des Medienrats vom 23.7.2020 S. 13) und ermittelt auf dieser Grundlage für das zweite Quartal 2020 ein Umsatzminus von 55%, berücksichtigt darüber hinaus aber nicht die Gewinn- und Verlustsituation und entsprechende Rücklagen und Bankguthaben der Beigeladenen im ersten Halbjahr 2020. Belastbare Unterlagen wurden offensichtlich nicht angefordert, jedenfalls ergibt sich hierzu nichts aus der vorgelegten Behördenakte. Ebenso wenig können dem Antrag der Beigeladenen auf Programmänderung vom 2. Juni 2020 aussagekräftige Daten zu ihrer finanziellen Situation entnommen werden, im Gegenteil - die Beigeladene verliert sich in Allgemeinplätzen über die langjährige Auseinandersetzung mit der Antragstellerin als Spartenanbieter, die sich durch die Corona-Krise nun verschärft habe („Diese Thematik mit den Zulieferungen … beschäftigt uns schon mehr als zwei Jahrzehnte“; „Eine weitere Finanzierung des Spartenanbieters ist aus den vielen, in diesem Schreiben genannten Gründen nicht mehr verantwortbar“). Dagegen weisen die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen trotz Umsatzeinbußen von 39,74% im zweiten Quartal 2020 immer noch einen Gewinn von 6.586,88 Euro nach Steuern für das Geschäftsjahr 01.20 bis 07.20 aus (vgl. Erfolgsrechnung per Juli 2020) und zum 1. April 2020 Rücklagen (Bankguthaben und Kasse) in Höhe von 430.000 Euro (vgl. Förderantrag Nothilfe Covid-19 vom 2.6.2020). Da diese Erkenntnisse bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bekannt waren, hätte die Antragsgegnerin sie für ihre Prognoseentscheidung heranziehen und bewerten müssen. Auch unter Berücksichtigung des Ziels der Antragsgegnerin, als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks im Sinne von Art. 111a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV (vgl. zuletzt BayVerfGH, B.v. 25.2.2021 - Vf. 8-VI-19 - juris Rn. 75) eine unabhängige - weil finanziell ausreichend ausgestattete - Berichterstattung auch bei lokalen Hörfunkanbietern an Einfrequenz-Standorten sicherzustellen, vermag allein die Zugrundelegung von geltend gemachten Umsatzeinbußen eine ausreichende Tatsachengrundlage als Basis für eine vorzunehmende Prognoseentscheidung, ob der Beigeladenen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO droht, nicht zu begründen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beigeladene Corona-Fördermittel erhalten hat (auch dies hat die Antragsgegnerin bei ihrer Prognoseentscheidung unberücksichtigt gelassen, obwohl Corona-Hilfen gerade zur Begleichung von Verbindlichkeiten geleistet werden), da die Fördervoraussetzungen nicht deckungsgleich mit den Voraussetzungen zur Annahme einer drohenden Überschuldung im Sinne des § 19 InsO sind.
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2. Ungeachtet dessen erweist sich der streitgegenständliche Bescheid auch deshalb als rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin in unzutreffender Weise davon ausgegangen ist, dass die Änderung der Kapazitätszuweisung als vorübergehend angelegte Befreiung der Beigeladenen als deren Zuweisungsinhaberin von einer belastenden Auflage die Interessen der durch die Auflage begünstigten Antragstellerin als Spartenanbieter nicht unzumutbar beeinträchtigt (§ 5 Abs. 3 Satz 2 RfS).
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a. Zwar steht der Antragsgegnerin bei der Entscheidung über die Zuweisung bzw. Änderung von Übertragungskapazitäten eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. VGH BW, B.v. 13.12.2002 - 1 S 2480/02 - juris Rn. 13). Sie hat zudem als letztverantwortliche Trägerin des Rundfunks (Art. 111a Abs. 2 Satz 1 BV) dafür Sorge zu tragen, dass das Gesamtangebot der privaten Rundfunkprogramme in Bayern den Geboten der Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt entspricht. Ihre zentrale Aufgabe ist es, neben der Programmvielfalt auch auf eine ausgewogene Rundfunkstruktur zu achten, die eine möglichst flächendeckende Versorgung mit privaten Hörfunkangeboten gewährleisten soll (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2004 - 7 CS 04.104 - BayVBl 2004, 307). Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin im Einzelfall dem Fortbestehen des Hauptangebots gegenüber dem Verbreitungsrecht des Spartenanbieters den Vorrang gibt, da die Situation des Spartenanbieters mit dem Fortbestehen des Hauptanbieters steht und fällt. Dies gilt auch, wenn verhindert werden soll, dass im betreffenden Versorgungsgebiet kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen ist. Dennoch muss die Prüfung, ob der Fortbestand des Hauptanbieters gefährdet ist, auch hier auf eine hinreichende - insoweit auch gerichtlich überprüfbare - Tatsachengrundlage gestützt werden (siehe 1.). Zweifelhaft erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Annahme der Antragsgegnerin, die Beigeladene könne an einem Einfrequenz-Standort nur kostendeckend arbeiten ohne zu berücksichtigen, dass die Beigeladene in den letzten beiden Jahren erhebliche Gewinne verzeichnen konnte, ebenso die Einschätzung, die Beigeladene könne allein deshalb nicht mehr dauerhaft fortbestehen, weil sie eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von monatlich knapp 3.000 Euro gegenüber der Antragstellerin hat, ohne hierbei geleistete Corona-Hilfen, Rücklagen und Bankguthaben sowie Plussalden zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang hätte dem Angebot der Antragstellerin, die Zahlungsverpflichtung entsprechend dem monatlichen Umsatzrückgang zu reduzieren, besondere Bedeutung zugemessen werden müssen.
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b. Zudem hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung das Vertrauen der Antragstellerin auf die am 15. Dezember 2015 zwischen dieser und der Beigeladenen (erneut) geschlossenen Kooperationsvereinbarung mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2023 und auf den darin begründeten Vergütungsanspruch (vgl. Nr. 7 der Kooperationsvereinbarung) nicht hinreichend berücksichtigt. Es bedarf im vorliegenden Eilverfahren keiner näheren Erörterung, ob die zeitweise Aufhebung der Zahlungsverpflichtung überhaupt auf § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS gestützt werden kann. Dahinstehen kann auch, inwieweit allein das Vertrauen der Antragstellerin auf die Verbreitung ihres Spartenprogramms im Verhältnis zur Beigeladenen als Hauptanbieter geschützt ist, jedenfalls geht die Antragsgegnerin fehl in der Annahme, dass vorliegend das Vertrauen der Antragstellerin auf das Fortbestehen der Vergütungsverpflichtung gegenüber dem Interesse der Beigeladenen an deren Aufhebung nicht als „selbständiges Rechtsgut“ in die Abwägung einzustellen war und daher zurückzustehen hat. Denn unabhängig von dem bescheidsmäßig zugewiesenen Verbreitungsrecht hat die Antragstellerin durch den Abschluss der Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf den Vergütungsanspruch, der im Übrigen nicht für die Verbreitung des Spartenprogramms, sondern für die an die Beigeladene überlassenen Werbezeiten besteht, eine gesicherte Rechtsposition erhalten, die ihr im Grundsatz nur durch das vereinbarte Sonderkündigungrecht aus wichtigem Grund (vgl. Nr. 8 der Kooperationsvereinbarung) wieder entzogen werden könnte. Eine derartige Kündigung wurde bislang von der Beigeladenen jedoch nicht ausgesprochen. Die überlassenen Werbezeiten können von der Beigeladenen auch weiter genutzt werden.
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c. Schlussendlich hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend geprüft, ob mildere Mittel - wie insbesondere die von der Antragstellerin angebotene prozentuale Minderung der monatlichen Vergütung entsprechend des monatlichen Umsatzrückgangs im Vergleich zum Umsatz der jeweiligen Monate im Vorjahr - zur Vermeidung der befürchteten drohenden Insolvenz bzw. eines Wegfalls des Hauptanbieters zur Verfügung gestanden hätten. Unabhängig von dem Umstand, dass die Antragstellerin diesen Vorschlag erst einen Tag vor Sitzung des Medienrats unterbreitet hat, war die Antragsgegnerin nicht gehalten, die Zustimmung der Gesellschafter der Beigeladenen abzuwarten, sondern hätte unabhängig davon eine entsprechende Regelung im streitgegenständlichen Bescheid treffen können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladenen werden keine Kosten auferlegt, da sie keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 GKG i.V.m. Nr. 37.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung der Vorinstanz.