Inhalt

LG Aschaffenburg, Endurteil v. 18.08.2021 – 12 O 79/20
Titel:

Schadensersatz, Kaufvertrag, Fahrzeug, Kaufpreis, untersagung, Sachmangel, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Zulassung, Anfechtung, Schadenersatz, Nebenbestimmung, Software, Feststellung, Zug um Zug, merkantiler Minderwert, Zulassung des Fahrzeugs

Schlagworte:
Schadensersatz, Kaufvertrag, Fahrzeug, Kaufpreis, untersagung, Sachmangel, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Zulassung, Anfechtung, Schadenersatz, Nebenbestimmung, Software, Feststellung, Zug um Zug, merkantiler Minderwert, Zulassung des Fahrzeugs
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59372

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klagepartei € 6.680,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 89 Prozent und die Beklagten als Gesamtschuldner 11 Prozent zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 63.999,70 € festgesetzt bis zum 14.10.2020 und danach auf 43.999,70 €.

Tatbestand

1
Die Klagepartei begehrt Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ….
2
Die Klägerin kaufte den streitgegenständlichen VW Touareg Diesel Motor mit der Schadstoffklasse EU 6 am 30.04.015 zu einem Kaufpreis von 62.601,70 € bei der Beklagten zu 1) als Neufahrzeug (Bl. 1004 d.A.). Die Beklagte zu 2) ist Herstellerin des streitgegenständlichen Motors.
3
Das Kraftfahrtbundesamt („KBA“) veröffentlichte am 09.02.2018 den Rückruf für das Fahrzeug mit aufgrund der vom KBA festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung (Bl. 1517 d.A.). Das Software-Update wurde mit Bestätigung des KBA am 12.01.2018 freigegeben (Bl 1514 d.A.).
4
Das Softwareupdate wurde auf das Fahrzeug in der Folge aufgespielt.
5
Mit anwaltlichen Schreiben vom 06.05.2019 (Bl. 1009 d.A.) erklärte die Klägerin die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gegenüber der Beklagten zu 1) und den Rücktritt vom Kaufvertrag.
6
Das Fahrzeug wurde am 24.07.2020 zu einem Kaufpreis von 19.000 € und einem Kilometerstand von 122.040 € veräußert.
7
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass in dem streitgegenständlichen PKW mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Der Kaufvertrag sei nichtig wegen Verstoßes gegen § 27 EG-FGV, § 134 BGB. Es habe bei Gefahrübergang ein Sachmangel vorgelegen. Das Fahrzeug verfüge über eine illegale Einrichtung zur Abschaltung der Abgasreinigung, die dazu führe, dass die für die Zulassung des Fahrzeugs einzuhaltenden Schadstoffwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, während die tatsächlichen Schadstoffwerte weit über den gesetzlichen Vorgaben lägen. So sei in dem Fahrzeug eine sogenannte „Aufwärmstrategie“ verbaut, die bewirken würde, dass das Fahrzeug in einem Testzyklus einen geringeren Schadstoffausstoß aufweise. Zum andern sei in dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein unzulässiges Thermofenster eingerichtet, was eine Abschalteinrichtung nach Art. 5 ab. 2 der Verordnung EG Nr. 715/2007 darstelle. Außerdem sei das Fahrzeug mit einem SCR Katalysator ausgestattet, der die Emissionen durch den Einsatz von AdBlue verringere. Allerdings werde lediglich auf dem Prüfstand ausreichend viel AdBlue, verwendet um die Grenzwerte einzuhalten. Im Straßenverkehr werde die Verwendung entsprechend reduziert. Das Fahrzeug sei deshalb bei Übergabe nicht zulassungsfähig gewesen. Der Sachmangel sei auch nicht durch eine Nachbesserung, insbesondere nicht durch ein Softwareupdate, behoben worden. In Folge des Softwareupdates habe sich der AdBlue Verbrauch erhöht. Bei einem Weiterverkauf sei außerdem ein merkantiler Minderwert auf Grund der Betroffenheit vom „Abgasskandal“ zu erwarten. Bei Kenntnis von den Manipulationen am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben.
8
Der Kläger ist der Ansicht, dass vor dem Rücktritt keine Fristsetzung erforderlich gewesen sei, da die Nacherfüllung aufgrund einer erfolgten arglistigen Täuschung unzumutbar sei.
9
Die Beklagte zu 2) habe durch das arglistige Inverkehrbringen manipulierter Motoren in erheblichem Umfang sittenwidrig getäuscht. Das Verhalten sei als besonders verwerflich einzustufen. Die Beklagten seien als Mutter- und Tochterkonzern eng miteinander verflochten. So seien auch Manager bei beiden Konzerngesellschaften in Leitungs- oder Planungsabteilungen an verantwortlicher Stelle beschäftigt gewesen. Die Kenntnis der Beklagten zu 2) NOx sei der Beklagten zu 1) zuzurechnen. Zumal die Beklagte zu 1) Vertriebshändlerin der Beklagten zu 2) sei.
10
Die Klagepartei beantragte zuletzt, nachdem die Klageanträge nach Verkauf des Fahrzeuges für 19.000 € geändert wurden (Bl 1478 d.A.).
1. Die Beklagtenpartei zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei € 44.000,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % - Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit 21.05.2019 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 19.000 € seit 21.05.2019 bis 24.07.2020 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagtenpartei zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, hilfsweise 1 €, für die Nutzung des Pkw.
2.a. Die Beklagtenpartei zu 2) wird verurteilt, an die Klagepartei € 44.000,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % - Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit 21.05.2019 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 19.000 € seit 21.05.2019 bis 24.07.2020 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagtenpartei zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, hilfsweise 1 €, für die Nutzung des Pkw.
2b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadenersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das Fahrzeug VW Touareg 3.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist, als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
Hilfsweise:
2b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadenersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) in den Motor Typ 3.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: … eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennen standardisiertere Prüfstandssituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und die Stickoxidemissionstestwerte reduziert weden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.
2c. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 2 a genannten Pkws im Annahmeverzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Pkws im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragugn der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.918,56 € freizustellen.
11
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte zu 1) sei nicht passivlegitimiert. Sie habe weder den Motor noch das Fahrzeug entwickelt oder hergestellt. Herstellerin des Motors sei die Beklagte zu 2). Die Beklagte zu 1) sie nicht Vertriebshändlerin der Beklagten zu 2).
13
Die Beklagten hätten die Klagepartei nicht im Zusammenhang mit der fahrzeugtypbezogenen Genehmigung und der Übereinstimmungsbescheinigung getäuscht. Die Genehmigungen für das streitgegenständliche Fahrzeug seien zu jeder Zeit vorgelegen und nach wie vor gültig. Die Klagepartei sei seitens der Beklagten nicht getäuscht worden. Sie habe nicht sittenwidrig gehandelt und auch sei ihr kein Schaden entstanden. Daher seien die deliktischen Haftungsnormen, aber auch vertragliche Ansprüche nicht verwirklicht.
14
Das Gericht hat mit den Parteien am 14.10.2020 mündlich verhandelt und die Klagepartei informatorisch angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2010 und die dort erteilten Hinweise sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
I. Die Klage ist mit Ausnahme des Antrages in der Ziffer 2 b zulässig.
16
Ein Feststellungsinteresse liegt nicht vor. Die Klage im Antrag zu Ziffer 2 b war daher unzulässig. Ein über den Zahlungsantrag hinausgehendes Feststellungsinteresse an der Ersatzpflicht für weitere Schäden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht substantiiert dargelegt. Das Fahrzeug ist inzwischen verkauft.
II.
17
Die Beklagten haften dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des ungewollten Vertragsschlusses aus § 826 BGB als Gesamtschuldner. Dabei ist der Anspruch darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als ob er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 12 ff.). Die Beklagte hat dem Kläger Zug um Zug gegen die Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs jedoch nur 6.680,37 € zu erstatten, da sich der Kläger aufgrund des Gebrauchs des Fahrzeugs einen Nutzungsvorteil in Höhe von 25.680,37€ anrechnen lassen muss.
18
a. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 15 m.w.N.).
19
b. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Verhalten der Beklagten zu 2) als Herstellerin des Motors, welche sich die Beklagte zu 1) zurechnen lassen muss, aufgrund einer Gesamtschau ihres Verhaltens unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen als sittenwidrig anzusehen.
20
Die Beklagte zu 2) hat aufgrund einer grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den von entwickelten Dieselmotor 3.0 V 6 in großen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden ebenso einher wie die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge - gleichgültig, ob das Fahrzeug neu oder gebraucht erworben wird - in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung arglos erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16 ff. m.w.N.).
21
Zwar ist im vorliegenden Fall zwischen den Parteien streitig, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde. Die Beklagten sind jedoch ihrer sekundären Darlegungs- und Beweislast insbesondere mit Blick auf den Hinweis- und Auflagenbeschluss in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2020 nicht nachgekommen. Es wurde weder der Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes vorgelegt, noch erfolgte eine detaillierte Einlassung zum Vortrag des Klägers weshalb die vom Kraftfahrbundesamt beanstandeten Maßnahmen keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Mangels entsprechenden Vortrages war auch keine weitere Beweisaufnahme, z.B. durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens einzuholen. Denn durch das aufgespielte Softwareupdate wurde die beanstandeten Maßnahmen beseitigt und sind damit dem Beweis mangels konkreter Einlassung der Beklagten nicht zugänglich.
22
Das Gericht geht daher mit den Feststellungen des Kraftsfahrtbundesamtes in der Anordnung einer nachträglichen Nebenbestimmung für den VW Touareg 3.0 I Diesel Euro 6 davon aus, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug die vom KBA beanstandete Strategie A und B zum Einsatz kommt. Diese Strategien stellen eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
b)
23
Dieses sittenwidrige Verhalten ist der Beklagten zu 1) auch zuzurechnen.
24
Die Beklagte zu 2) haftet für dieses sittenwidrige Handeln selbst gemäß §§ 826, 31 BGB, da sie nach ihrem eigenen Vortrag die Verantwortlichkeit für die Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors hatte. Die Beklagte zu 1) muss sich als Konzernmutter dieses Verhalten zurechnen lassen, da sie hinsichtlich der Entwicklung und Herstellung des Motors V 6 3.0 I Diesel einschließlich der Motorsteuerungssoftware an ihre Konzerntochter übertragen und diesen in der Folge absprachegemäß in die von ihr hergestellten Fahrzeuge eingebaut hat. Insoweit ist die Beklagte zu 2) als Repräsentatin der Beklagten zu 1) anzusehen, vgl. hierzu OLG München 5 U 2386/20, BeckRS 2021, 600 ff, wobei sich diese Entscheidung auf den EA 189 bezieht und OLG Köln, Urteil vom 07.07.2021, 11 U 68/20 zum gegenständlichen Motor, veröffentlicht bei juris.
25
Im vorliegenden Fall ist auch von einer entsprechenden Kenntnis im Streitfall auszugehen.
26
Der Kläger hat vorgetragen, der Vorstand der Beklagten zu 1) hätte Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung haben müssen, da diese im Wege der Qualitätssicherung hätten überprüft werden müssen. Diesem Vortrag sind die Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht substantiiert entgegengetreten. Dieser Vortrag der Klagepartei ist auch nicht unsubstantiiert. Denn mangels unmittelbarer Kenntnis der internen Vorgänge bei der Beklagten ist ihm ein weiterer Vortrag nicht zuzumuten. Der Kläger darf sich daher auch auf die Vermutung stützen, dass auch der Vorstand der Beklagten zu 1) als Mutterkonzern über die Funktionsweise der in ihrem Konzern entwickelten Motorsteuerungssoftware unterrichtet war (vgl. OLG Köln, a.a.O., Rn. 27).
27
Die Beklagte ist der sie vor diesem Hintergrund treffenden sekundären Darlegungslast nicht in hinreichendem Maße nachgekommen, so dass der klägerische Vortrag als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO.
28
c) Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 44 ff.).
29
Das Gericht ist aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers der Klägerin in der Verhandlung vom 14.10.2020 insbesondere auch davon überzeugt, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass dessen Abgaswerte manipuliert waren. Er hat im Termin vom 14.10.2020 angegeben, dass ihm auch auf Umweltgesichtspunkte ankam und das streitgegenständliche Fahrzeug beim ADAC Test - insbesondere wegen seiner guten Umweltkritierien - im Vergleich zu Mercedes oder Porsche gut abschnitt.
d)
30
Das streitgegenständliche Fahrzeug war aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung und der damit einhergehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV für die Zwecke der Klägerin nicht voll brauchbar. Der daraus resultierende Schaden ist auch nicht durch spätere Umstände wie etwa die Aufdeckung des verdeckten Sachmangels oder das Update entfallen (BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 52 ff.).
e)
31
Den Beklagten war der Schädigungsvorsatz der handelnden Personen auch zuzurechnen.
32
Insoweit hat die Beklagte zu 1 - wie dargelegt - für das sittenwidrige Handeln ihrer insoweit als Repräsentantin anzusehenden Konzerntochter der Beklagten zu 2 bzw. der für diese handelnden Personen einzustehen.
f)
33
Die Klägerin ist im Rahmen des Schadensersatzes so zu stellen, wie sie ohne Täuschung und das sittenwidrige Vorgehen der Beklagten stehen würde.
34
Insoweit ist das Gericht - wie ausgeführt - überzeugt, dass die Klägerin ohne die Täuschung und bei Kenntnis der Umstände den Vertrag über den Erwerb des Fahrzeuges in der vorliegenden Ausgestaltung nicht abgeschlossen hätte. Da sie diese Verpflichtung so nicht eingegangen wäre, sie dieses Fahrzeug so nicht erworben hätte und damit den Kaufpreis nicht hätte zahlen müssen, ist ihr der für das Fahrzeug gezahlte tatsächliche Kaufpreis in Höhe von netto 52.606,47 € abzüglich des Weiterverkaufserlöses von 19.000 € (vgl. hierzu unlängst BGH, Urteile vom 20.07.2021 - VI ZR 533/20; VI ZR 575/20) sowie unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung.
35
Die Klägerin ist als Unternehmerin vorsteuerabzugsberechtigt, so dass nur der Nettobetrag von 52.606,47 € in Ansatz zu bringen ist.
36
Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung eines Fahrzeuges bei diesem Typ auf 250.000 km (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, Az. 13 U 149/18; LG Krefeld, Urteil vom 13.02.2019, Az. 2 O 313/17; LG Köln, Urteil vom 12.10.2018, Az. 2 O 102/18; Steenbruck, MDR 2016, 185, 188). Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen: Bruttokaufpreis × gefahrene km ÷ Gesamtlaufleistung. Ausgehend davon ist die angemessene Nutzungsentschädigung mit einem Betrag in Höhe von 25.680,37 € in Ansatz zu bringen, die von dem zu erstattenden Kaufpreis (netto) abzüglich des Verkaufserlöses von 19.000 € in Abzug zu bringen ist. Damit verbleibt ein zurückzuzahlender Kaufpreis von 6.680,37 €.
37
2. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
38
Die Voraussetzungen für die Feststellung des Annahmeverzugs sind nicht gegeben. Der Kläger hat die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen er sie im Hinblick auf den im Wege der Vorteilsausgleichung geschuldeten und vom Kaufpreis in Abzug zu bringenden Nutzungsersatz hätte abhängig machen dürfen. Zudem hat er die Rückgabe nicht am richtigen Ort angeboten.
39
Vorliegend hat die Klägerin im anwaltlichen Schreiben vom 06.05.2019 (Anlage K74) gegenüber der Beklagten zu 1) die Erstattung des Kaufpreises zwar unter Anrechnung von Nutzungsersatz begehrt. Allerdings wurde bereits die Höhe des tatsächlich begehrten Betrags nicht angegeben, diese hätte vom Gläubiger auch nicht berechnet werden können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten zu 1) geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 85 m.w.N.).
40
Darüber hinaus hat die Klägerin der Beklagten zu 1) auch das Fahrzeug nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise nach §§ 293 bis 297 BGB angeboten. Denn die Rückgabepflicht der Klägeirn ist mangels anderweitiger Vereinbarung eine Bring- oder Schickschuld, die der Schuldner dem Gläubiger an dessen Wohnsitz anbieten oder an ihn absenden muss (BGH, Urteil v. 27.10.2020, XI ZR 498/19, Rn. 24). Im Schreiben vom 06.05.2019 hat die Klägerin der Beklagten zu 1) das Fahrzeug jedoch lediglich zur Abholung angeboten, so dass dieses Angebot zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten zu 1 nicht ausreichend war.
41
Ein Annahmeverzug begründetes Angebot gegenüber der Beklagten zu 2) erfolgte nicht.
3.
42
Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Denn ein Schädiger hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur jene durch das Schadensereignis verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Ist der Gläubiger bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig. Insoweit kommt es auf die (Gesamt-)Umstände des Einzelfalls an, deren Würdigung dem Tatrichter obliegt. Vorliegend war bekanntermaßen eine Zahlung der Beklagten auf ein außergerichtliches Schreiben wie das im vorliegenden Fall nicht zu erwarten. Soweit die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigte ein solches für erforderlich hielten, wäre dies bei entsprechendem Mandat mit einem sofortigen Klageauftrag durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG mit abgegolten gewesen, worauf die Klägerin hätte hingewiesen werden müssen (vgl. BGH, Urteil v. 26.2.2013, XI ZR 345/10, Rn. 37, 38 m.w.N.).
4.
43
Ein Zinsanspruch besteht lediglich ab dem auf die Klagezustellung folgenden Tag gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, mithin ab dem 24.01.2019.
44
Soweit die Klägerin ab dem 21.05.2019 mit Hinblick auf das vorgerichtliche Rechtsanwaltsschreiben vom 06.05.2019 mit Fristsetzung zum 20.05.2019 (Anlage K47) Verzugszinsen gegenüber der Beklagten zu 1) beansprucht, besteht ein solcher Anspruch nicht. Denn ein Schuldner kann nur in Verzug geraten, wenn der Schuldner den geschuldeten Betrag zuverlässig ermitteln kann, insbesondere auch keine weit übersetzte Forderung geltend gemacht wird (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, Rn. 20 zu § 286 BGB m.w.N.) und wenn der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet (vgl. BGH, Urteil v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 86 m.w.N.). Beides war - wie darlegt - vorliegend nicht der Fall.
45
Ein verzugsbegründendes Schreiben gegenüber der Beklagten zu 2) erfolgte nicht bzw. wurde nicht vorgelegt.
III.
1.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei ist das Gericht von einem Obsiegen der Klägerin in Höhe des zugesprochenen Betrags im Verhältnis zum vollständigen Kaufpreis abzüglich 1 € Nutzungsentschädigung ausgegangen.
2.
47
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 3, 4 ZPO, 47, 48 GKG. Für den Feststellungantrag wurden 1.000 € angesetzt.