Titel:
Fluggastrecht, Abtretung, Annullierung, Streitwert, Zedent, Zahlung, Ausgleichsanspruch, Kostenentscheidung, Bundespolizei, Flughafen, Beweisaufnahme, Anspruch, Klage, Waffen, Sperrung
Schlagworte:
Fluggastrecht, Abtretung, Annullierung, Streitwert, Zedent, Zahlung, Ausgleichsanspruch, Kostenentscheidung, Bundespolizei, Flughafen, Beweisaufnahme, Anspruch, Klage, Waffen, Sperrung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59248
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 250,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 € gemäß Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte geltend.
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Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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1. Die Klagepartei hat einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Ausgleichszahlung aus Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. a, 5 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) 261/2004.
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1.1. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a Verordnung (EU) 261/2004 eröffnet, da der Zedent D. V. den streitgegenständlichen Flug auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates, das den Bestimmungen des Vertrages unterliegt, antreten wollte und eine bestätigte Buchung für diesen Flug hatte.
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Der Fluggast hat den ihm gegen die Beklagte zustehenden Ausgleichsanspruch wirksam und nachweislich an die Klägerin abgetreten. Nachdem die Beklagte die Abtretung bestritten hatte, wurde von der Klägerin die Kopie einer Abtretungsvereinbarung vom 14.09.2019, die neben dem Namen des Fluggastes eine Unterschrift enthält vorgelegt. Da die Beklagte auch nach entsprechendem richterlichen Hinweis keine konkreten Einwände gegen diese Abtretungsvereinbarung vorgebracht hat, war die Abtretung ausreichend nachgewiesen.
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Die Klägerin hat der Beklagten die Abtretung mit Schreiben vom 16.09.2019 angezeigt und sie erfolglos zur Zahlung bis 30.09.2019 aufgefordert.
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Der gebuchte Flug sollte planmäßig am 13.09.2019 um 19:00 Uhr Ortszeit in H. starten und am 13.09.2019 um 20:25 Uhr Ortszeit in München landen. Der Flug mit der Flugnummer XX...4, der von der Beklagten ausgeführt werden sollte, wurde jedoch annulliert. Über die Annullierung wurde der Fluggast weniger als 7 Tage vor Abflug informiert. Der alternativ angebotene und wahrgenommene Flug startete erst am Folgetag und somit außerhalb der von der Verordnung (EG) 261/2004 vorgegebenen Zeitfenster.
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1.3. Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen, da die Beklagte nicht nachweisen konnte, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt, die Annullierung auf einen solchen zurückgeht, und sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Folgen der Annullierung ergriffen hat, Art. 5 Abs. 3 VO.
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Außergewöhnliche Umstände sind Vorkommnisse, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind, wie beispielsweise Naturkatastrophen, versteckte Fabrikationsfehler oder terroristische Sabotageakte (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - C-549/07 Wallentin-Herman/Alitalia; BGH, Urteil vom 12.11.2009 - Xa ZR 76/07). In den Erwägungsgründen 14 und 15 der VO (EG) Nr. 261/2004 sind als außergewöhnliche Umstände beispielsweise politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen, unerwartete Sicherheitsrisiken und Flugsicherheitsmängel, beeinträchtigender Streik und Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements genannt, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Entscheidend ist nach dem Leitbild der Verordnung also die Beherrschbarkeit des Vorkommnisses für das Luftfahrtunternehmen sowie die Frage, ob das Vorkommnis aus dem gewöhnlichen Flugbetrieb herausragt (vgl. EuGH, Urteil vom 22.12.2008 - C-549/07 Wallentin-Herman/Alitalia, Rn. 23; BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, Stand 01.01.2020, Art. 5, Rn. 27).
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Der von der Beklagten vorgebrachte Sicherheitsvorfall am Flughafen H. stellt nach Auffassung des Gerichts keinen außergewöhnlichen Umstand in diesem Sinne dar. Zwar kann auch nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen N.N., Einsatzleiter der Verkehrszentrale der Beklagten, davon ausgegangen werden, dass gegen 19:00 Uhr Ortszeit durch die Polizei ein Sicherheitsalarm und eine Sperrung am H.er Flughafen ausgerufen wurde, die in Folge zu Regulierungsmaßnahmen seitens Eurocontrol führten. Es war jedoch nicht nachgewiesen, dass das Vorkommnis für die Beklagte nicht beherrschbar war und aus dem gewöhnlichen Flugbetrieb herausragte.
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Bezeichnenderweise trägt die Beklagte in der Klageerwiderung vor, dass der Sicherheitsalarm und die Sperrung durch einen Fluggast ausgelöst worden sei, der ohne Bordkarte und Ausweis an Bord einer Maschine gesessen sei. Aufgefallen sei diese sich an Bord unberechtigterweise befindliche Person aufgrund einer Diskrepanz zu dem, dem Kabinenpersonal vorliegenden Plan. Die Person sei auf einen Platz in der Business Class gesessen, der allerdings gemäß ausgedrucktem Sitzplan und der Passagierliste nicht hätte besetzt sein sollen. Die Kabinencrew habe daraufhin um das Vorzeigen der Bordkarte gebeten. Als die Person die Bordkarte nicht habe vorlegen können, sei sie aufgefordert worden, das Flugzeug zu verlassen. Als sie auch dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, seien von der Crew der Gate Agent und die Bundespolizei hinzugerufen worden.
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Diesen Vortrag bestätigte der Zeuge N.N. in seiner Zeugenaussage am 23.02.2021 grundsätzlich. Aus seiner Aussage geht jedoch auch die entscheidende Information glaubhaft hervor, nämlich dass sich die Person im streitgegenständlichen Flugzeug befand.
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Die Beklagte ließ schriftsätzlich weiter vortragen, dass die ausgewerteten Videoaufzeichnungen belegen würden, dass die Person unmittelbar hinter einem anderen Passagier die Bordkartenkontrolle vor der Luftsicherheitskontrolle passiert habe, dass sie um 18:30 Uhr ordnungsgemäß sicherheitskontrolliert worden sei, sodann über eine Absperrung neben dem Self Boarding Gate geklettert sei und das Flugzeug bestiegen habe.
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Der Zeuge N.N. ergänzte hierzu, dass beim Check-In der QR-Code entweder auf dem Handy oder dem Ticket gezeigt werden müsse, damit sich die Tür öffne. An dieser Tür stehe ein Mitarbeiter der Beklagten. Eine firmeninterne Vermutung, die aber nicht belegt sei, sei gewesen, dass sich der Gast beim Öffnen der Tür mit hineingedrängt habe. Es sei ihm nicht bekannt, wie der Passagier überhaupt in den Sicherheitsbereich, wo bereits von der Bundespolizei Kontrollen durchgeführt würden, gekommen sei.
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Das Gericht geht davon aus, dass der Zeuge N.N., der lediglich aus seinen Unterlagen referieren konnte, bei dem Geschehen selbst jedoch nicht anwesend war, glaubhafte Angaben tätigte. Seine Angaben waren detailliert, widerspruchsfrei und nachvollziehbar.
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Damit steht für das Gericht aber gerade nicht fest, dass die Umstände, die zur Annullierung führten, von der Beklagten nicht beherrschbar waren und aus ihrem gewöhnlichen Flugbetrieb herausragten. Die von der Beklagten durchgeführten Zugangskontrollen beim Check-In sollen derartige Vorkommnisse gerade vermeiden und ragen nicht aus ihrem gewöhnlichen Flugbetrieb heraus. Dass der konkrete Vorfall - etwa wegen Anwendung von (Waffen-) Gewalt - nicht vermeidbar gewesen sein sollte, wurde erst gar nicht vorgetragen.
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Schließlich ist auch nicht nachgewiesen, dass allein das Verhalten der Person für die Annullierung kausal war. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, dass das Personal der Beklagten den Vorfall hätte vermeiden können, wenn es am Check-In die erforderliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit hätte walten lassen. Das Überklettern der Tür bzw. das Vorbeidrängen hätte ohne unzumutbaren Aufwand bemerkt werden können und müssen.
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1.4. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. a, Abs. 4 EG-VO 261/2004 aus der Entfernung der Flugreise, beträgt hier also bei einer Entfernung von 600 km und damit unter 1.500 km 250,00 €.
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2. Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Umstände der Zahlungsaufforderung und Fristsetzung sind nicht bestritten worden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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5. Der Streitwert beruht auf § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 ZPO.