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OLG München, Hinweisbeschluss v. 28.10.2021 – 5 U 4451/21
Titel:

Dolo-agit-Einrede des Finanzamts gegenüber Klage auf Rückgewähr empfangener Einfuhrumsatzsteuer

Normenketten:
InsO § 133
UStG § 15a Abs. 2, § 17 Abs. 3
BGB § 242
Leitsätze:
1. Bei der Insolvenzanfechtung findet eine Saldierung der Vor- und Nachteile der angefochtenen Rechtshandlung nicht statt. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Nichtzahlung oder nicht vollständigen Zahlung von fälligen Steueransprüchen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens hat das Finanzamt regelmäßig von den Umständen Kenntnis, aus denen sich zwingend die Zahlungsunfähigkeit ergibt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Finanzamt kann sich gegenüber einer Klage des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr der empfangenen Einfuhrumsatzsteuer nach Insolvenzanfechtung auf die Dolo-agit-Einrede berufen, da in Bezug auf den erfolgten Vorsteuerabzug mit der Rückgewähr ein Berichtigungsanspruch als Masseverbindlichkeit entsteht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzanfechtung, Vorsatzanfechtung, Zahlungseinstellung, Kenntnis, Finanzamt, dolo-agit-Einrede, Einfuhrumsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Berichtigung, Masseverbindlichkeit
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 11.06.2021 – 6 O 8076/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 22.12.2021 – 5 U 4451/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 2/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59163

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.06.2021, Az. 6 O 8076/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert auf bis zu EUR 1.082,512,06 festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

1
Der Senat sieht wie das Landgericht die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß §§ 129, 133 InsO als gegeben an, geht jedoch davon aus, dass gegen diesen der „dolo agit“- Einwand durchgreift und das Landgericht im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen hat.
2
1. a) Die erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung im Rahmen des § 133 InsO ist gegeben. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile der angefochtenen Rechtshandlung findet im Anfechtungsrecht nicht statt. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht ausgeführt, dass eine unmittelbare Gegenrechnung der Umsatzsteuererstattungsansprüche im Wege der Vorteilsausgleichung nicht stattfindet.
3
b) Die Beurteilung des gemäß § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatzes erfolgt aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien, die für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit und der Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon vorliegen. Im Ergebnis muss diese die Überzeugung begründen, dass der Gläubiger gesicherte Kenntnis von der Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit hatte; erforderlich ist, dass aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners der Schluss gezogen werden muss, dass der Schuldner aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, die Forderungen vollständig und in einem Zug zu erfüllen (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck aaO Rn. 69 zu § 130).
4
Zur Überzeugung des Senats begründen die folgenden Indizien und Umstände in einer Gesamtwürdigung die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Anfechtungszeitraum ab dem 01.10.2014 bis zur Insolvenzeröffnung:
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Die durch die Stundungsanträge ab Juni 2014 zutage getretenen Zahlungsstockungen der Schuldnerin konkretisierten sich spätestens zum 01.10.2014 zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Ab diesem Zeitpunkt bewegten sich die Stundungsanträge nicht mehr im Rahmen der geschäftlichen Gepflogenheiten wie in den Jahren zuvor. Mit Stundungsbitte an das Hauptzollamt vom 16.09.2014 (Anlage K6) hatte die Schuldnerin mitgeteilt, dass ihre Liquidität nun vollkommen ausgeschöpft sei. Dies beträfe sämtliche Kreditlinien. Die Erklärung der Schuldnerin, fällige Verbindlichkeiten nicht bezahlen zu können, deutet grundsätzlich auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 228/03 -, juris). Zuletzt war das Einfuhrumsatzsteuerkonto der Schuldnerin in Juli und August 2014 ausgeglichen, bis zum 30.09.2014 wies es wieder einen Einfuhrumsatzsteuerrückstand in Höhe von EUR 251.165,77 auf. Des weiteren hatte die Schuldnerin das Aufschubkonto …06 zum 01.10.2014 wiederholt überschritten, sodass das Hauptzollamt mit Schreiben vom 01.10.2014 dieses Aufschubkonto sperrte. Das Hauptzollamt teilte weiter mit, dass es ab diesem Zeitpunkt mit einer Überschreitung der Aufschubsumme nur noch dann einverstanden sei, wenn dieses bereits durch Zahlung an die Bundeskasse vor Fälligkeit ausgeglichen werde. Der Umstand der wiederholten Überschreitung der Aufschubsumme durch schleppende Zahlung der betriebsnotwendigen Einfuhrumsatzsteuerbeträge, der für die Schuldnerin zu der gravierenden und einschneidenden Folge der Sperrung des Einfuhrumsatzkontos führte, ist ein deutliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass sie die im Schreiben vom 16.09.2014 erteilte Zahlungszusage nicht einhielt (vgl. Borries/Hirte aaO, Rn. 73 zu § 130).
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Bei der Nichtzahlung oder nicht vollständigen Zahlung von fälligen Steueransprüchen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens hat das Finanzamt, hier das Hauptzollamt, regelmäßig von den Umständen Kenntnis, aus denen sich zwingend die Zahlungsunfähigkeit ergibt (vgl. Borries/Uhlenbruck aaO, Rn. 69a zu § 130). Diese Kenntnis muss sich die Beklagte, für die das Hauptzollamt agierte, zurechnen lassen.
2. Einwendungen:
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a) Die Beklagte kann sich gegen den bestehenden Anfechtungsanspruch gemäß § 133 InsO auf Rückgewähr der im Anfechtungszeitraum durch die Schuldnerin geleisteten Einfuhrumsatzsteuerbeträge in Höhe von 1.082.512,06 EUR berechtigt auf den „dolo agit“- Einwand berufen. Danach handelt derjenige treuwidrig, der etwas verlangt, was er alsbald zurückgeben muss (dolo agit, qui petit, qod statim redditurus est). Ein schutzwürdiges Interesse fehlt, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren wäre (vgl. Schubert in Münchener Kommentar, BGB, 8. Auflage, 2019, Rn. 462 zu § 242; Kähler in Beck OK, BGB, 2021, Rn 1358 ff zu § 242).
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Anfechtungsanspruch des Klägers auf Rückgewähr der von der Schuldnerin im Anfechtungszeitraum gezahlten Einfuhrumsatzsteuerbeträge gemäß § 15 a Abs. 2 UStG die Berichtigung des erfolgten Vorsteuerabzugs zur Folge hat und es sich bei diesem Berichtigungsanspruch um eine Masseverbindlichkeit handelt. Die Ansprüche stehen sich auch im gleichen Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter gegenüber, da es sich bei der Umsatzsteuer um eine Gemeinschaftssteuer handelt, für die sowohl die Beklagte als auch der Freistaat Bayern die Ertragshoheit haben gemäß Art. 106 Abs. 3 GG.
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(1) Gemäß § 15 Abs. 1 Nummer 2 UStG kann der Unternehmer die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Dies ist durch die Schuldnerin unstreitig erfolgt. Gemäß § 15 Abs. 2 ist bei einer Veränderung der für die ursprünglichen Vorsteuerabzüge maßgebenden Verhältnisse eine Berichtigung dieser Vorsteuerabzüge vorzunehmen. Dieser Rechtsgedanke ist in § 17 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz weiter ausgestaltet, wonach der Unternehmer, dessen Einfuhrumsatzsteuer, die von ihm als Vorsteuer abgezogen worden ist, erstattet wurde, den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen hat. Bei § 15 a UStG handelt es sich um eine eigenständige materiellrechtliche Berichtigungsvorschrift (Ölmeyer in Solch/Ringleb, UStG, 92. EL Juni 2021, § 15, Rz. 45). Der Berichtigungsanspruch ist ein gegenüber dem Vorsteuerabzug eigenständiger Tatbestand (vgl. Oelmaier in Solch/Ringleb, UStG,92. EL Juni 2021, Rn. 47 zu § 15a).
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In der Insolvenz ist für die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung maßgeblich, ob der die Steuer begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht entscheidend ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO sind nur solche Verbindlichkeiten, die durch eine - wie auch immer geartete - Verwaltungsmaßnahme begründet worden sind. Der Insolvenzverwalter muss durch seine Handlung oder in anderer Weise die Grundlagen der Verbindlichkeit geschaffen haben (vgl. Sinz in Uhlenbruck, aaO, Rn. 26 zu § 55). Diese sind durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI R 5/16 -, juris). Da der Berichtigungsanspruch ein gegenüber dem Vorsteuerabzug eigenständiger Tatbestand ist, kommt es für einen hieraus resultierenden Anspruch darauf an, wann der Berichtigungstatbestand erfüllt war (vgl. u.a. BFH vom 08.03.2012 - V ZR 24/11 -, juris).
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Grundsätzlich ist die Vorsteuerberichtigung nach der Insolvenzanfechtung Masseschuld (vgl. Sinz in Uhlenbruck aaO, § 55 Rn. 27). Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist Masseverbindlichkeit, wenn er im Rahmen der Masseverwaltung entstanden ist, denn zur Masseverwaltung gehört die Geltendmachung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff InsO (vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 - V R 26/16 -, juris; BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI R 5/16 -, juris).
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Der Senat verkennt nicht, dass, soweit ersichtlich, die zitierte Rechtsprechung des BFH, die für die umsatzsteuerrechtlichen Folgen einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung maßgeblich ist (vgl. Aurich in Beck OK, InsO, 15.07.2021, „Steuerrecht in der Insolvenz-Umsatzsteuer“ Rn. 223 ff) zu Fallkonstellationen des § 17 Abs. 1, Abs. 2 UStG ergangen ist. Der maßgebliche Grundgedanke, wonach die Vorsteuerberichtigung nach Insolvenzanfechtung Masseschuld ist, gilt jedoch grundsätzlich. Entscheidend ist, dass vorliegend durch die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche des Klägers gemäß §§ 129 ff InsO ein Vorsteuerberichtigungsanspruch entstanden ist. Letzteres ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass unstreitig vorliegend die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer bereits abgezogen worden ist. Hierdurch ändern sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, so dass gemäß § 15 a UStG i.V.m. § 17 Abs. 3 UStG eine Berichtigung vorzunehmen ist. Es ist nicht erkennbar, dass für diesen Berichtigungsanspruch anderes gelten sollte als für die nach § 17 Abs. 2 Nr.1 S.2, Abs. 1 S.2 UStG entstandenen Vorsteuerberichtigungsansprüche. Auch im Fall des § 17 Abs. 3 UStG trifft die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs den Unternehmer. Eine Differenzierung, ob sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus § 17 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 ergibt, findet bei seiner Qualifizierung als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO nicht statt (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, Rn. 237 zu § 143 InsO).
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Die Rechtsauffassung der Berufung, wonach § 17 Abs. 3 UStG auf den Fall einer erfolgreichen Anfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlung nicht anwendbar sei und diese Fälle gemäß § 37 AO den Erlass eines die Einfuhrumsatzsteuerschuld nachträglich ganz oder teilweise verneinenden Bescheids zwingend voraussetzen würden, überzeugt nicht. Zum einen unterfällt der insolvenzrechtliche Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters selbst nicht dem § 37 AO (vgl. Ratschow in Klein, AO, 15. Auflage, 2020, Rn. 10-18 zu § 37). Außerdem ergibt sich das Erfordernis der Berichtigung zwingend aus §§ 15 a Abs. 2, 17 Abs. 3 UStG. Insofern käme dem Erfordernis eines steuerrechtlichen Bescheids lediglich formale Bedeutung zu. Auch im Fall des § 17 Abs. 2 InsO ist im übrigen der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen, ohne dass dies Einfluss auf die Qualifizierung des Berichtigungsanspruchs als Masseverbindlichkeit hat (vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 - V R 26/16).
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Die weiteren Überlegungen, wonach sich von den in § 17 Abs. 2 UStG genannten Fällen derjenige der Insolvenzanfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlung maßgeblich dadurch unterscheide, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder auflebe und sich die Vorsteuerberichtigung im Fall der Insolvenzanfechtung nicht wirtschaftlich neutral auswirken würde, anders als in den von § 17 Abs. 2 UStG geregelten Fallgestaltungen, überzeugt ebenfalls nicht. Zwar leben aufgrund der Rückgewähr die ursprünglichen Zahlungsansprüche gemäß § 144 InsO wieder auf, diese sind allerdings als uneinbringlich zu behandeln (vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 V R 26/16). Dies gilt unabhängig von der Fallkonstellation des Berichtigungsanspruchs gemäß § 17 Abs. 2 oder § 17 Abs. 3 UStG.
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(2) Da der Schuldner alle angefochtenen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen als Vorsteuer abgezogen hat, besteht ein Berichtigungsanspruch in Höhe der angefochtenen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen.
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(3) Der Anspruch auf Vorsteuerberichtigung entsteht aufgrund der tatsächlichen Rückgewähr (BFH, Urteil vom 29.03.20217 - XI R 5/16 -, juris) und damit alsbald nach der geforderten Leistung. Der Insolvenzverwalter hat im Zeitpunkt der Rückzahlung den Vorsteuerabzug zu berichtigen.
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(4) Der erfolgreiche „dolo agit“- Einwand der Beklagten scheitert nicht daran, dass die Einfuhrumsatzsteuer von der Beklagten zu erstatten wäre, während die Umsatzsteuernachbelastung an den Freistaat Bayern abzuführen wäre. Entscheidend ist, dass die Ertragshoheit für die Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuer) gemäß Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und der Ländergesamtheit gemeinsam zusteht (vgl. Seiler in Maunz/Dürig, GG, Januar 2021, Rn 1-4 zu Art. 106). Diese ist nicht identisch mit der Verwaltungshoheit, die in Art. 108 GG geregelt ist. Hiernach wird u.a. die Einfuhrumsatzsteuer durch Bundesbehörden verwaltet, die in Art. 108 Abs. 1 GG nicht genannten Steuern unterfallen gemäß Art. 108 Abs. 2 GG der Verwaltungshoheit der Länder (u.a. die Vorsteuer). Die im vorliegenden Fall maßgebliche Gläubiger- und Schuldnerstellung für die Einfuhrumsatzsteuer sowie die Vorsteuer bestimmt sich nicht nach der Verwaltungshoheit, sondern nach der Ertragshoheit, die gemäß Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und den Ländern gemeinschaftlich zugewiesen sind, so dass es nicht auf die Funktion als Zahlstelle ankommt. Die Beklagte ist damit sowohl Schuldnerin des Anfechtungsanspruchs wie - zumindest - auch Gläubigerin des Berichtigungsanspruchs, da ihr auch insoweit die Steuerertragshoheit zusteht. Ein Gegenseitigkeitsverhältnis, das auch die Eigenschaft als Zahlstelle mit einschließt und sich zusätzlich nach der Verwaltungshoheit bestimmt, ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
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Selbst wenn man die Schuldner- und Gläubigerstellung von Einfuhrumsatzsteurrückerstattung und Vorsteuerberichtigungsanspruch nach der Verwaltungshoheit von Bund und Ländern im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer und die Vorsteuer bestimmen würde, so wäre hier der Drittrückgewähreinwand zu beachten. Eine Rechtsausübung ist auch dann wegen der Verpflichtung zur Rückgewähr eines Gegenstands treuwidrig, wenn diese Rückgewähr über Dritte erfolgen müsste (vgl. Kähler in Beck OK, BGB, 2021, Rn. 1379 zu § 242). So liegt der Fall hier, da die Beklagte die gezahlten Einfuhrumsatzsteuerbeträge an den Kläger bezahlen müsste, der diese aufgrund des Vorsteuerberichtigungsanspruchs an den Freistaat Bayern erstatten müsste. Der Freistaat Bayern wäre aber aufgrund der gemeinsamen Ertragshoheit mit dem Bund für diese Umsatzsteuer verpflichtet, diese zumindest anteilig umgehend an die Beklagte auszukehren.
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Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an diesem Prozedere ist nicht erkennbar.
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b) Ob die streitgegenständliche Anfechtung gemäß §§ 129 ff InsO darüber hinaus insolvenzzweckwidrig ist, kann aufgrund der Ausführungen unter Ziffer 2 a) dahingestellt bleiben.
21
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).