Titel:
Widerruf einer Waffenbesitzkarte
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2a, § 45 Abs. 2 S. 1
StPO § 170 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Vorschriften des Waffengesetzes zielen darauf, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen, sodass es nicht darauf ankommt, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbare Gefahren für Menschen verursacht hat; vielmehr wird von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür bietet, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln, weil im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn keine Verurteilung eines Betroffenen erfolgt ist, lässt zumindest die mehrmalige Auffälligkeit in Ermittlungsverfahren den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial zu; in diesen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass sich die in der Person des Betroffenen liegenden Persönlichkeitsmerkmale gleichermaßen auf den Umgang mit Waffen auswirken. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einzelne Vorfälle und Umstände mögen, wenn man sie alleine für sich isoliert von den übrigen Sachverhalten betrachtet, den Schluss auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nicht zulassen, in ihrer Gesamtheit können sie aber eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit sein, denn im Sicherheitsrecht und insbesondere im Waffenrecht ist für ein behördliches Einschreiten – anders als bei einer strafrechtlichen Verurteilung – kein Nachweis eines Fehlverhaltens des Betroffenen erforderlich; vielmehr gilt im Waffenrecht der Grundsatz, dass ein Restrisiko im Hinblick auf einen ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen nicht hinzunehmen ist. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
waffenrechtliche Zuverlässigkeit, negative Prognose bei einer Gesamtschau eingetretener Vorkommnisse, Widerruf der Waffenbesitzkarte, kein Restrisiko im Waffenrecht, Waffenbesitzkarte, Jagdschein, Widerruf, Prognose, Gesamtschau, Restrisiko, Drogenkonsum, mehrmalige Auffälligkeiten
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 02.11.2022 – 24 BV 21.3213
Fundstelle:
BeckRS 2021, 59069
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die Versagung der Verlängerung seines Jagdscheins sowie die Einziehung seiner Waffen.
2
Das Landratsamt G. erteilte dem Kläger am 23.10.2008 die Waffenbesitzkarte Nr. … und den Jagdschein Nr. … Mit seit 10.03.2016 rechtskräftigem Strafbefehl verurteilte das Amtsgericht … den Kläger wegen vorsätzlichen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln (Cannabispflanzen) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.
3
In einem amtsärztlichen Attest vom 08.03.2017 über eine am 06.03.2017 durchgeführte Untersuchung wird ausgeführt, dass der Kläger nicht abhängig von berauschenden Mitteln sei bzw. in letzter Zeit keine Drogen konsumiert habe. Insgesamt sei der Kläger aus amtsärztlicher Sicht derzeit körperlich und geistig geeignet mit Schusswaffen umzugehen.
4
Das Landratsamt B. (im Folgenden: Landratsamt) verlängerte am 13.03.2017 den Jagdschein des Klägers bis zum 31.03.2020.
5
Am 15.09.2017 fand ein größerer Polizeieinsatz am Anwesen des Klägers statt, bei dem auch ein Sondereinsatzkommando aus Nürnberg beteiligt war. Eine Frau aus der Slowakei hatte gemeldet, dass sie mit einer anderen Slowakin vom Kläger in dessen Wohnung mit Waffen festgehalten und vergewaltigt worden sei. Sie habe entkommen können, während die andere Frau noch dort festgehalten werde.
6
Nach kurzfristiger Festnahme des Klägers ergaben die polizeilichen Ermittlungen, dass der Kläger zu Unrecht beschuldigt wurde, und die Slowakinnen sich freiwillig beim Kläger aufgehalten haben. Über das Ereignis wurde in der Presse ausführlich berichtet.
7
Ein Bürger teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 05.06.2018 mit, dass er selbst erlebt habe, wie der Kläger unter starkem Drogeneinfluss stehend bei ihm auf dem Anwesen erschienen sei, nur in Unterhose bekleidet, euphorisiert, hyperaktiv, wirr, mit stark geweiteten Pupillen, und anscheinend schmerzfrei durch meterhohe Brennnesseln gelaufen sei. Da eine vernünftige Verständigung nicht möglich gewesen sei, habe er den Kläger von seinem Grundstück verwiesen. Zahlreiche Nachbarn des Klägers hätten ihm gegenüber bestätigt, dass dieses Verhalten des Klägers ihnen wohlbekannt sei und mehrmals im Jahr auf der Straße vorkomme.
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Im Jahr 2019 wurden drei Strafverfahren gegen den Kläger eingeleitet, die jeweils mangels Tatnachweises gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Dem Kläger wurden Menschenhandel, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung (Tatzeit vom 29.04.2019 bis 01.05.2019), gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung (Tatzeit am 10.05.2019) sowie gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung (Tatzeit am 09.09.2019 vorgeworfen. Die als Geschädigte Behandelten waren jeweils unterschiedliche Frauen aus der Slowakei.
9
Die Polizei stellte im Rahmen ihres Einsatzes wegen des ersten Tatvorwurfs (Tatzeit vom 29.04.2019 bis 01.05.2019) am 02.05.2019 die Waffen des Klägers (sechs erlaubnispflichtige und vier erlaubnisfreie Waffen), seine Waffenbesitzkarte und seinen Jagdschein sicher und gab die Gegenstände an das Landratsamt ab.
10
In einem dem Landratsamt übersandten Polizeibericht der Polizeiinspektion …-Land vom 19.08.2019 wird ausgeführt, dass am 03.08.2019 eine uniformierte Streifenbesatzung zur Anschrift des Klägers beordert worden sei. Der Kläger habe zuvor der integrierten Leitstelle mitgeteilt, dass seine Mutter sofort reanimiert werden müsste. Bei Eintreffen des Notarztes und des Rettungsdienstes habe die Mutter jedoch nicht aufgefunden werden können. Vielmehr habe sich der Kläger in einem latent aggressiven Ausnahmezustand befunden. So habe er bereits diverse Kissen zerrissen und seit mehreren Stunden die Dusche laufen lassen, so dass das Wasser bereits vom ersten Stock ins Erdgeschoss gelaufen sei. Nach kurzer Recherche sei bekannt geworden, dass die Mutter des Klägers seit circa zwei Wochen nach einer Operation auf Reha in einem Seniorenheim in … gewesen sei. Dies sei dem Kläger auch bekannt gewesen.
11
Nach gutem Zureden des Notarztes habe der Kläger beruhigt und davon überzeugt werden können, dass er sich in psychologische Behandlung begebe. Daraufhin sei der Kläger durch den Rettungsdienst ins Bezirkskrankenhaus nach … verbracht worden.
12
Im Rahmen des Einsatzes sei einem Polizeibeamten eine schwarze Taschenlampe mit der Aufschrift „Police, 50.000 W“ aufgefallen. Diese habe sich als ein Elektroschockgerät erwiesen, welches als schwarze Taschenlampe getarnt sei, und gemäß dem Waffengesetz eine verbotene Waffe darstelle. Diese „Taschenlampe“ besitze an der Unterseite einen separaten Schalter mit der Bezeichnung „ON“ und „OFF“, womit die Elektroschock-Funktion ein- bzw. ausgeschaltet werden könne. Mittels eines weiteren Knopfes am Griffstück könne bei Bedarf ein Elektroimpuls über die an der Front der Taschenlampe eingearbeiteten Elektroden abgegeben werden.
13
Bezüglich des aufgefundenen (als Taschenlampe getarnten) Elektroschockgeräts leitete die Staatsanwaltschaft … gegen den Kläger wegen des vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG ein Strafverfahren ein. Letzteres stellte das Amtsgericht … am 22.10.2019 wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 2 StPO ein.
14
Der Kläger legte dem Landratsamt bezüglich seiner persönlichen Eignung zum Umgang mit Waffen ein Gutachten des TÜV … vom 23.07.2020 vor. In letzterem wird ausgeführt, dass der Kläger angegeben habe, wegen Alkohol oder Drogen nie in ambulanter oder stationärer Behandlung gewesen zu sein. Er sei 2019 erstmals in stationär psychiatrischer Behandlung gewesen. Die Beschwerden hätten sich ganz plötzlich entwickelt, eine Ursache sei nicht gefunden worden. Im Krankenhaus sei auch ein Drogentest gemacht worden. Er habe am Vortag einen Tee aus selbstgesammelten Kräutern getrunken, vielleicht sei da irgendein giftiges Kraut dabei gewesen, vielleicht ein Nachtschattengewächs.
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Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass sich in der Gesamtschau beim Kläger keine Befunde ergeben hätten, die die ausreichende Leistungsfähigkeit zum Umgang mit Waffen und Munition in Frage stellten. Die Bedenken gegen die charakterliche Eignung des Klägers für den Umgang mit Schusswaffen würden psychologischerseits als ausgeräumt gelten. Der Kläger sei nicht abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln. Der Kläger sei nicht psychisch krank oder debil. Es bestehe nicht die Gefahr, dass der Kläger aufgrund in seiner Person liegenden Umstände mit Waffen und Munition unvorsichtig oder unsachgemäß umgehe.
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Am 26.07.2020 beantragte der Kläger durch seine Bevollmächtigte per E-Mail beim Landratsamt die Verlängerung des Jagdscheins sowie die Herausgabe der Waffen.
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Mit Bescheid vom 18.09.2020, bekannt gegeben am 22.09.2020, wiederrief das Landratsamt die dem Kläger durch das Landratsamt G. erteilte Waffenbesitzkarte Nr. … und zog diese ein (Ziffer 1 des Bescheids). Der am 26.07.2020 gestellte Antrag auf Erteilung eines Jagdscheins für den Kläger werde abgelehnt (Ziffer 2 des Bescheids). Innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids habe der Kläger für sämtliche erlaubnispflichtige Waffen und Munition einen Berechtigten für die Überlassung (Veräußerung) zu nennen oder diese zur form-, frist- und entschädigungsloser Vernichtung beim Landratsamt zu belassen (Ziffer 3 des Bescheids). Die Kosten des Verfahrens habe der Kläger zu tragen (Ziffer 4 des Bescheids). Die Auslagen betrügen 4,11 EUR. Festgesetzt würden Gebühren in Höhe von 100,00 EUR (Ziffer 5 des Bescheids).
18
Zur Begründung führte das Landratsamt im Wesentlichen aus, dass die erteilte Waffenbesitzkarte Nr. … aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zu widerrufen sei. Der Jagdschein sei aus selbigem Grund gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG abzulehnen.
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Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG besäßen Personen in der Regel u.a. dann nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, sofern sie gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen hätten. Der Kläger habe durch den Besitz des als Taschenlampe getarnten Elektroschockgeräts gegen § 2 Abs. 3 WaffG verstoßen, da es sich hier um eine Waffe handele, die in Abschnitt 1 Nr. 1.3.6 der Anlage 2 zum Waffengesetz genannt werde, und somit der Umgang mit jenen Waffen verboten sei. Sollte der Behauptung des Klägers, wonach das Gerät bei einer Party liegen geblieben sei, Glauben geschenkt werden, sei der Kläger zumindest grob fahrlässig im Besitz eines verbotenen Gegenstandes gewesen.
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Zudem bestünden Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG). Bei den im Jahr 2019 gegen den Kläger eingeleiteten und mangels Tatnachweis eingestellten drei Strafverfahren falle auf, dass den betroffenen Frauen jeweils unabhängig voneinander bekannt gewesen sei, dass der Kläger im Besitz von Schusswaffen gewesen sei. Die Waffen hätten von den jeweiligen Frauen auch entsprechend konkret benannt werden können (Körperverletzung mittels Revolver, sexuelle Nötigung mittels geladener Pistole, Verwahrung eines Gewehrs unter dem Bett). Es lägen damit gewichtige Indizien vor, die in ihrer Gesamtschau jedenfalls aus sicherheitsrechtlicher Sicht den Schluss nahelegten, dass der Kläger seine Waffen – wenn auch vielleicht nur unterschwellig – zur Einschüchterung von Personen gebraucht habe.
21
Weiter bestünden gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger nicht vorsichtig oder sachgemäß mit Waffen oder Munition umgehen werde. Die Auffälligkeiten des Klägers hinsichtlich der Meldung durch Nachbarn, der Aussagen von Zeugen in Strafverfahren und letztlich durch die Unterbringung im Bezirkskrankenhaus … ließen den Schluss zu, dass sich der Kläger bewusst einen Rausch mittels sog. Naturdrogen durch Nachtschattengewächse verschaffe. Es bestehe daher keine Gewähr dafür, dass der Kläger jederzeit mit seinen Waffen ordnungsgemäß umgehe. Sofern der Kläger tatsächlich nur versehentlich ein Nachtschattengewächs erwischt habe, könne dies auch künftig nicht ausgeschlossen werden, so dass ebenfalls unkontrollierte Rauschzustände befürchtet werden müssten.
22
Beim Kläger liege auch das für die Erteilung einer Waffenbesitzkarte erforderliche Bedürfnis (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG) nicht vor. Im Begutachtungsgespräch des TÜV habe der Kläger angegeben, nicht einmal jagen gewesen zu sein seitdem er den Jagdschein erhalten habe. Auch seien die eingetragenen Waffen keine typischen Jagdwaffen. Insofern sei nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 WaffG die Notwendigkeit der Schusswaffen nicht glaubhaft gemacht, weil kein jagdliches Interesse bestehe.
23
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 21.10.2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 22.10.2020, erhob der Kläger Klage und beantragte,
den Bescheid des Landratsamts vom 18.09.2020 aufzuheben, den Jagdschein Nr. … sowie die Waffenbesitzkarte Nr. … an den Kläger herauszugeben und die derzeit im Gewahrsam des Landratsamts befindlichen Waffen an den Kläger herauszugeben.
24
Zur Begründung bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass keine Zweifel an seiner persönlichen Eignung und seiner Zuverlässigkeit bestünden. Das vorgelegte Gutachten des TÜV … vom 23.07.2020 sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bedenken gegen die charakterliche Eignung des Klägers für den Umgang mit Schusswaffen als ausgeräumt gelten. Die vom Landratsamt im Bescheid angeführten Gründe hätten keine Substanz.
25
Das Strafverfahren wegen vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe hinsichtlich des beim Kläger vorgefundenen Elektroschockgeräts sei gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dies habe der Kläger akzeptiert, damit die Sache rasch erledigt sei.
26
Das einer Taschenlampe gleichende Elektroschockgerät habe wohl ein Besucher beim Kläger vergessen, da er dieses nicht selbst erworben habe. Er habe das Gerät zu seinen Taschenlampen gestellt, ohne die Aufschrift „Police 50.000 W“ zu bemerken. Da er auch sonst keinen Anlass gehabt habe, das Gerät näher zu untersuchen, habe er nicht bemerkt, worum es sich dabei handele. Diesbezüglich sei der Kläger als Jäger auch nicht sachkundig, da in der Jägerprüfung verbotene Waffen nicht behandelt würden.
27
Sämtliche gegen den Kläger geführten Strafverfahren wegen Vergewaltigung, Geiselnahme, sexueller Nötigung, Menschenhandels und Körperverletzung seien eingestellt worden. Der Kläger habe sich nichts zu Schulden kommen lassen und sei jedes Mal fälschlicherweise verdächtigt worden, meist von zurückgewiesenen Prostituierten, die sich möglicherweise Schmerzensgelder erhofft hätten.
28
Bei dem Vorfall vom 03.08.2019 handele es sich um einen nicht vom Kläger verschuldeten Ausnahmezustand, dessen genaue Ursache bis heute ungeklärt sei. Der Kläger vermute lediglich, dass bei den von ihm gesammelten Kräutern irgendetwas dabei gewesen sein könnte, was den seinerzeitigen Zustand bei ihm ausgelöst habe. Wie sich aus zahlreichen falschen Verdächtigungen und unwahren Angaben ergebe, versuchten verschiedene Personen immer wieder dem Kläger zu schaden. Es könne daher durchaus auch sein, dass jemand absichtlich dem Kläger irgendetwas verabreicht habe, was den geschilderten Zustand herbeigeführt habe.
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Den Strafbefehl aus dem Jahr 2016 habe der Kläger akzeptiert, weil nicht absehbar gewesen sei, wie ein Gerichtsverfahren ausgegangen wäre, ohne dabei die waffenrechtlichen Folgen zu bedenken. Seine damalige Lebensgefährtin habe die Hanf-Pflanzen angebaut, wovon er nichts gewusst habe und ihn dann des Anbaus beschuldigt.
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Der Kläger räume ein, dass er – auch im Winter – zum Holz holen auf seinem eigenen Grundstück kurze Sporthosen trage. Zu keinem Zeitpunkt sei er aber unter der Einwirkung irgendwelcher Drogen in Unterhosen durch das Dorf gelaufen.
31
Der Kläger habe ein waffenrechtliches Bedürfnis. Er wolle – auch weiterhin – das Jagen aus Traditionsbewusstsein erlernen und ausüben. Dafür, dass er bisher die Jagd noch nicht ausgeübt habe, lägen triftige Gründe vor. Der Kläger habe persönliche Schicksalsschläge zu ertragen gehabt. So sei seine Ehe, aus der auch zwei Kinder hervorgegangen seien, zerbrochen. Seine Frau sei mit den Söhnen nach … verzogen, so dass der Kläger seine Kinder mangels finanzieller Mittel nicht mehr habe treffen können.
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Auch hinsichtlich des bereits abgelaufenen Jagdscheins bestehe ein Bedürfnis für die Herausgabe, weil nur mit Vorlage des alten Jagdscheins die Verlängerung bei der zuständigen Stelle beantragt werden könne.
33
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz des Landratsamts vom 08.12.2020,
34
Der Beklagte führt aus, dass der Annahme eines gröblichen Verstoßes gegen das WaffG eine Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 2 StPO nicht entgegenstehe. Es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger einen Gegenstand, ohne sich diesen genauer anzusehen, reaktionslos in seinen Besitz aufnehme und selbst bei der Verwendung des Gegenstandes – wie im Rahmen des TÜV-Gutachtens ausgesagt – nicht erkenne, dass es sich um einen Elektroschocker handele.
35
Hinsichtlich der gegen den Kläger geführten Strafverfahren erscheine es nicht glaubhaft, dass der Kläger „Prostituierte“ an seinen Wohnort bringe, um sie dann jeweils zurückzuweisen. Auch werde bezweifelt, dass die Zurückweisung des Klägers mehrere Frauen unabhängig voneinander zu derart schweren, fälschlichen Beschuldigungen habe führen können, ohne dass die beschuldigten Straftaten sich ereignet hätten. Es sei zudem äußerst unglaubwürdig, dass die Frauen in ihren Heimatländern von Vorfällen im Heimatort des Klägers Kenntnis nähmen und infolge dessen den Kläger gezielt aufsuchten, um diesen zu hintergehen.
36
Der Kläger beschäftige sich nach eigenen Angaben seit seiner Kindheit mit Pflanzen und kenne sich damit aus. Auch aus Sicht der Fachstelle Naturschutz des Landratsamts sei die vom Kläger behauptete Verwechslung eines Nachtschattengewächses mit Kräutern nicht möglich.
37
Die vom Kläger angeführten Gründe, weshalb er bisher jagdlich nicht aktiv gewesen sei, seien Schutzbehauptungen. Insbesondere sei fraglich, dass der Kläger zwar keine wirtschaftlichen Ressourcen gehabt haben wolle, sich aber seit Erteilung des Jagdscheins sieben hochwertige Waffen habe kaufen können.
38
Bezüglich des Verlaufs der am 02.11.2021 durchgeführten mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
39
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
40
Das Klagebegehren zielt nur auf eine Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 18.09.2020, nicht aber auf eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des beantragten Jagdscheins. Eine derartige Auslegung über den Wortlaut des Klageantrags hinaus (§ 88 VwGO) ist nicht angezeigt, da das Klageziel auch durch eine bloße Aufhebung des Bescheids vom 18.09.2020 hätte erreicht werden können. Bei einer – hier nicht erfolgten – Aufhebung des Bescheids, würde der Kläger nicht als waffenrechtlich unzuverlässig gelten, so dass ihm das Landratsamt seine Waffen hätte zurückgeben und den beantragten Jagdschein – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – hätte erteilen müssen.
41
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
42
1. Der Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers und die Ablehnung der Verlängerung des Jagdscheins sowie die hierzu ergangenen Nebenentscheidungen durch den Bescheid des Landratsamts vom 18.09.2020 erweisen sich als rechtmäßig, so dass die dagegen gerichtete Klage abzuweisen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
43
Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen; nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist sie zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
44
Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden.
45
a) Nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung und Würdigung der vorliegenden Akten kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 18.09.2020 beim Kläger die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht vorgelegen hat.
46
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zielen die Vorschriften des Waffengesetzes darauf, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris Rn. 6 m.w.N.). Es kommt also nicht darauf an, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbare Gefahren für Menschen verursacht hat. Vielmehr wird von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür bietet, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln, weil im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist.
47
Vorliegend begründen insbesondere die auch in der mündlichen Verhandlung erörterten Vorkommnisse der Jahre 2016 bis 2019 Zweifel daran, dass der Kläger künftig mit Waffen im dargestellten Sinne zuverlässig umgehen wird. Dies sind namentlich die Verurteilung wegen des Anbaus von Cannabispflanzen aus dem Jahr 2016, der am 03.08.2019 beim Kläger aufgetretene Rausch- bzw. Wahnzustand, das am 03.08.2019 in der Wohnung des Klägers aufgefundene (als Taschenlampe getarnte) Elektroschockgerät sowie die im Jahr 2019 gegen den Kläger eingeleiteten und dann nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Strafverfahren. Der Kläger hat zu diesen Ereignissen in der mündlichen Verhandlung zwar Erklärungen gegeben, die an sich denkbar sind. Allerdings ist das Gericht von diesen Erklärungen keineswegs überzeugt, sondern hat hieran vielmehr erhebliche Zweifel. Dieses Ergebnis der Beweiswürdigung wird nicht dadurch gehindert, dass die gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren teilweise wegen fehlenden Tatnachweises nach § 170 Abs. 2 StPO von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden oder dass das Strafgericht im Falle des beim Kläger aufgefundenen Elektroschockgeräts festgestellt hat, dass dessen Schuld als gering anzusehen wäre und das Strafverfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat hier die Vorkommnisse eigenständig im Hinblick auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers zu würdigen.
48
aa) Der Kläger verneint den bewussten Konsum von Betäubungsmitteln oder berauschend wirkender Pflanzen. Obwohl auch kein Drogenkonsum beim Kläger festgestellt werden konnte, erscheint es dem Gericht durchaus wahrscheinlich, dass der Kläger den Rausch- bzw. Wahnzustand am 03.08.2019 bewusst durch den Konsum von „Naturdrogen“ (möglicherweise ein Nachtschattengewächs) herbeigeführt hat, zumal derartige pflanzliche Substanzen auch bei einem gewöhnlichen Drogentest nicht nachweisbar sein dürften. Der Kläger hat langjährige Erfahrungen im Kräutersammeln, so dass eine ungewollte Verwechslung sehr unwahrscheinlich erscheint. Für ein Unterschieben der Kräuter durch einen Dritten sind keine Anhaltspunkte vorhanden. Auch das Ausmaß des Rauschzustands und die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Steuerungsfähigkeit und des Wohlbefindens bzw. der Gesundheit, worauf die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, hindern diese Annahme nicht. Denn es kann durchaus sein, dass der Kläger hier die Auswirkungen eines derartigen Konsums schlicht falsch eingeschätzt hat.
49
Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen des Anbaus von Cannabispflanzen aus dem Jahr 2016 spricht ebenfalls für den Verdacht des Konsums von „Naturdrogen“ durch den Kläger. Zu dieser Verurteilung gibt der Kläger an, dass seine damalige Freundin die Cannabispflanzen angebaut und er hiervon nichts gewusst habe. Es erscheint jedoch realitätsfremd, wenn der Kläger von dem angeblichen Anbau durch seine Freundin in seinem eigenen Haus nichts mitbekommen haben will. Folglich spricht dies dafür, dass der Kläger sich zumindest bewusst in einem Milieu bewegt hat, in dem Drogen aus eigener Herstellung konsumiert werden.
50
Dass es dann in einem erneuten derartigen Rausch- bzw. Wahnzustand, wie am 03.08.2019, zu einem missbräuchlichen oder leichtfertigen Zugriff des Klägers auf seine Waffen kommen kann, lässt sich zumindest nicht ausschließen. Der Umstand, dass der Kläger am 03.08.2019 auch seine Wohnung unter Wasser gesetzt hat, mithin sich also nicht nur rein defensiv verhalten, sondern auch unkontrolliertes schädigendes Verhalten an den Tag gelegt hat, gibt Anlass zu der Befürchtung, der Kläger könnte in einem solchen erneuten Fall des Kontrollverlusts auch seine Waffen verwenden.
51
bb) Der Kammer erscheint es als sehr zweifelhaft, dass der Kläger nicht gewusst haben will, dass es sich bei der „Taschenlampe“ mit der Aufschrift „Police, 50.000 W“ um ein als Taschenlampe getarntes Elektroschockgerät und damit um eine nach § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Nr. 1.3.6 der Anlage 2 zum WaffG verbotene Waffe gehandelt hat. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung (S. 2 des Sitzungsprotokolls) sei die „Taschenlampe“ – wohl nach einer Party – bei ihm in der Wohnung liegen geblieben. Zu der „Taschenlampe“ war dem Kläger auch noch in Erinnerung, dass sie leicht gewesen sei. Die auffällige Aufschrift soll hingegen seine Aufmerksamkeit nicht erregt haben. Der Kläger gibt weiter an, dass er die „Taschenlampe“ auch eingeschaltet und überprüft hat, ob sie Licht gibt. Daher stellt sich hier die Frage, sofern man diesen Ausführungen überhaupt folgen will, weshalb dem Kläger dann nicht aufgefallen ist, dass weitere – üblicherweise bei einer Taschenlampe nicht vorhandene – Schalter für die Aktivierung der Elektroschockfunktion an dem Gerät vorhanden sind, als er das Gerät in der Hand gehabt hat und seine Aufmerksamkeit zumindest insoweit darauf gerichtet hat, dass er eine „Funktionsprüfung“ durchführen konnte. Für die Kammer spricht daher viel dafür, dass der Kläger hier eine Schutzbehauptung vorgetragen hat, um nicht für den Besitz einer verbotenen Waffe verantwortlich zu sein, zumal er sich offensichtlich mit Taschenlampen gut auskennt, wie seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung belegen.
52
Aber selbst wenn man der Erklärung des Klägers hier folgen würde, wäre das Verhalten des Klägers insofern waffenrechtlich fragwürdig, als er mit Personen verkehrt, die verbotene Waffen besitzen und diese auch zu einer privaten Party bzw. zu einem Besuch beim Kläger mitbringen. Insoweit wäre auch ein solches Umfeld geeignet, Zweifel an der Integrität des Klägers in eigener Person zu begründen.
53
cc) Die im Jahr 2019 gegen den Kläger eingeleiteten und dann jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten drei Strafverfahren stellen Tatsachen dar, die für die Kammer Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers zusätzlich begründen.
54
Hierzu wird in der Literatur vertreten, dass auch wenn keine Verurteilung eines Betroffenen erfolgt ist, zumindest die mehrmalige Auffälligkeit in Ermittlungsverfahren den Schluss auf eine aggressive Grundeinstellung und ein mangelndes Konfliktvermeidungspotenzial rechtfertigen kann. In diesen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass sich die in der Person des Betroffenen liegenden Persönlichkeitsmerkmale gleichermaßen auf den Umgang mit Waffen auswirken. Von daher ist zu befürchten, dass der Betroffene einen Dritte gefährdenden Umgang mit der Waffe üben wird, weshalb seine Zuverlässigkeit ausscheidet (vgl. Gade, Kommentar zum WaffG, § 5 Rn. 11 am Ende – beck-online).
55
Den Tatvorwürfen aus den drei Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2019 ist gemein, dass der Kläger die als Geschädigte Behandelten – teils durch das Vorhandensein oder Vorzeigen bzw. Verwenden seiner Waffen – zu sexuellen Handlungen genötigt oder gezwungen haben bzw. dies versucht haben soll. Dies trifft auch auf den Vorfall im September 2017 zu, der zum Großeinsatz der Polizei am Anwesen des Klägers führte.
56
Zu diesen Vorfällen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er einen großen Bekanntenkreis aus der Volksgruppe der Roma in der Slowakei habe und in diesem Zeitraum mit mehreren Frauen aus diesem Kreis liiert gewesen sei (S. 3 Mitte und S. 4 des Sitzungsprotokolls). Die Frauen stünden auch untereinander in Kontakt. Der Kläger vermute daher, dass die Frauen ihn jeweils aus Eifersucht oder Rache unschuldig bezichtigt hätten, da diese Volksgruppe auch über entsprechendes Temperament verfüge. Aus dem Großeinsatz der Polizei im September 2017 sei auch den Frauen bekannt gewesen, dass man mit derartigen Behauptungen etwas bewirken und dem Kläger schaden könne.
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Die vom Kläger gegebene Erklärung vermag in dieser Form die Kammer nicht zu überzeugen. Es erscheint wenig überzeugend, dass mehrere untereinander bekannte und in Kontakt stehende Frauen aus der Slowakei zunächst mit dem Kläger befreundet waren oder ein intimes Verhältnis mit ihm unterhielten, und dann in jedem Fall – letztlich ohne erkennbaren Grund – plötzlich ein derartiger Stimmungsumschwung eingetreten sein soll, dass die betroffenen Frauen zur Polizei gingen und den Kläger schwerer Straftaten bezichtigten. Zumindest in der gehäuften Anzahl innerhalb eines überschaubaren Zeitraums widerspricht dies vehement der Lebenserfahrung. Es drängt sich daher die Annahme auf, dass es sich hier jedenfalls um keine gewöhnlichen Freundschaften oder Beziehungen gehandelt haben kann, die im Streit endeten. Für die Kammer bleibt somit im Dunkeln, was die Hintergründe und Auslöser dieser Vorfälle waren, wie diese im Einzelnen abgelaufen sind und ob und inwieweit dabei die Waffen des Klägers im Spiel waren. Dass aber alle Konfliktsituationen völlig frei erfunden waren, ohne dass der Kläger, in welcher Form auch immer, einen Anlass gesetzt hätte, erscheint der Kammer nicht glaubhaft.
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Wenn man der Einlassung des Klägers folgen wollte, läge es in der Verantwortungssphäre des Klägers, sich von Situationen zu distanzieren, in denen immer wieder ein erhebliches Konfliktpotenzial mit Waffenbezug und Vorwürfen schwerer Straftaten auftritt. Der Kläger ist bereits im September 2017 in eine derartige Situation geraten. Nach seiner Einschätzung soll der Personenkreis, mit dem er sich umgibt, zu derartigen Verhaltensweisen und Vorwürfen neigen. Würde man der Erklärung des Klägers hier folgen wollen, hätte er es sehenden Auges zumindest zugelassen – wenn nicht gar herbeigeführt – dass es zu weiteren Ermittlungsverfahren kommt, wenn er dann trotzdem mit solchen Personen weiter verkehrt.
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dd) Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass bei einer Gesamtschau der genannten Ereignisse sowie der bekannten, aber undurchsichtigen Verhaltensweisen und Lebensumstände des Klägers nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger künftig mit Waffen jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird. Die grundsätzlich vom Gesetz angenommene und ggf. von der Waffenbehörde zu widerlegende Zuverlässigkeit ist jedenfalls durch die genannten Vorkommnisse erschüttert. Die vom Kläger jeweils vorgebrachte fehlende Verantwortlichkeit wird von der Kammer stark angezweifelt. Die bekannten einzelnen Vorfälle und Umstände mögen, wenn man sie alleine für sich isoliert von den übrigen Sachverhalten betrachtet, den Schluss auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nicht zulassen. In ihrer Gesamtheit bilden sie aber eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Denn im Sicherheitsrecht und insbesondere im Waffenrecht ist für ein behördliches Einschreiten – anders als bei einer strafrechtlichen Verurteilung – kein Nachweis eines Fehlverhaltens des Betroffenen erforderlich. Vielmehr gilt im Waffenrecht der Grundsatz, dass ein Restrisiko im Hinblick auf einen ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen nicht hinzunehmen ist.
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b) Im Ergebnis hatte das Landratsamt daher zwingend die Waffenbesitzkarte des Klägers wegen dessen nicht mehr gegebener waffenrechtlicher Zuverlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen. Ein Ermessenspielraum stand dem Landratsamt dabei nicht zu.
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c) Im Übrigen verweist das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der weiteren im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen (Neben-) Verfügungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Bescheids und macht sich diese zu eigen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
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4. Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Das Gericht sieht die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Hinblick auf das im Waffenrecht nicht hinzunehmende Restrisiko – wie hier vorliegend angenommen – auch nur aus einer Gesamtschau von jeweils die Zuverlässigkeit in Frage stellenden Vorkommnissen ergeben kann, ohne dass in der Mehrzahl ein konkretes Fehlverhalten strafrechtlich nachgewiesen werden konnte.