Titel:
Versorgung, Rechtsanwaltskosten, Schadensersatz, Streitwert, Pkw, Zustellung, Frist, Fahrzeug, Herausgabe, Einspruch, Klage, Hauptsache, Zulassungsbescheinigung, Vollmacht, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Zustellung der Klage
Schlagworte:
Versorgung, Rechtsanwaltskosten, Schadensersatz, Streitwert, Pkw, Zustellung, Frist, Fahrzeug, Herausgabe, Einspruch, Klage, Hauptsache, Zulassungsbescheinigung, Vollmacht, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Zustellung der Klage
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 18.05.2022 – 15 U 8116/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.10.2022 – VIII ZA 21/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58987
Tenor
1. Das Teil-Versäumnisurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.02.2021 wird mit de Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.003,40 € zu zahlen, und der Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise insoweit übereinstimmend fü erledigt erklärt wurde, als der Beklagte verurteilt worden war, an die Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, die Schlüssel des Fahrzeuges Pkw, Skoda, Fabia, Fahrzeugidentnummer ... herauszugeben.
2. Im Übrigen wird das Teil-Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 11 % und der Beklagte 89 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadenersatzansprüche wegen abredewidriger Abhebungen und Verwendung von Geldbeträgen sowie Herausgabeansprüche hinsichtlich eines Pkws nebst Zulassungsbescheinigungen und Schlüssel geltend.
2
Die Klägerin ist die Mutter des Beklagten. Sie wurde durch das Amtsgericht Ingolstadt, Abteilung für Betreuungssachen, unter Betreuung gestellt. Die Betreuung erstreckt sich ab dem 19.06.2020 u.a. auf die Aufgabenkreise der Vermögenssorge und des Widerrufs der erteilten Vollmachten.
3
Die Klägerin hatte den Beklagten ab dem 08.02.2020 bevollmächtigt, über das Konto der Klägerin bei der Sparkasse I.-Ei., Konto-Nr. ..., zu verfügen. Der Beklagte nahm am 06.03.2020 eine Abhebung über 800,00 €, am 13.03.2020 eine solche über 400,00 € und am 17.03.2020 eine Abhebung über 600,00 € von diesem Konto vor.
4
Die Klägerin ist Alleinerbin des am ...2019 verstorbenen J. K. und wurde durch Erbfolge Eigentümerin des Pkws Skoda, Fabia, Fahrzeugidentnummer: ..., der einen Wert von 14.000,00 € hat. Der Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Besitz dieses Fahrzeuges samt Zulassungsbescheinigungen Teil I, Teil II und der Schlüssel.
5
Mit Schreiben des vom Amtsgericht Ingolstadt, Abteilung für Betreuungssachen, durch Betreuerausweis vom 19.06.2020 ausgewiesenen Betreuers vom 25.06.2020, zugestellt dem Beklagten am 08.07.2020, wurde die dem Beklagten von der Klägerin erteilte Vollmacht widerrufen. Der Beklagte wurde darüberhinaus u.a. aufgefordert, bis zum 01.08.2020 den Pkw Skoda nebst Schlüsseln und Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II herauszugeben. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.10.2020, zugestellt dem Beklagten am 10.10.2020, wurde der Beklagte zur Rückzahlung der abgehobenen Beträge in Höhe von insgesamt 1.800,00 € bis spätestens 30.10.2020 aufgefordert. Mit selbem Schreiben wurde der Beklagte aufgefordert, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hinsichtlich eines Gegenstandswertes von 3.600,00 € in Höhe von 403,22 € innerhalb der selben Frist zu bezahlen.
6
Die Klägerin behauptet, die im Außenverhältnis unbeschränkt erteilte Vollmacht sei im Innenverhältnis abredegemäß darauf beschränkt worden, dass der Beklagte abgehobene Gelder nur für die Klägerin verwenden durfte. Sie behauptet, soweit der Beklagte vortrage, er habe die abgehobenen Gelder in Höhe von insgesamt 1.800,00 € zum Zweck des Einkaufes von Lebensmittel für die Klägerin, zum Zweck der Renovierung des von der Beklagten bewohnten Gebäudes und zum Kauf von Benzin zur Durchführung von Fahrten gemeinsam mit der Klägerin zu Einkäufen, zum Wertstoffhof und zum Wandern verwendet, sei dies nicht richtig. Sie behauptet weiter, der Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug ohne Erlaubnis der Klägerin in Besitz genommen.
7
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.12.2020 nach Zustellung der Klage an den Beklagten den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise insoweit für erledigt erklärt, als mit der Klage die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des streitgegenständlichen Pkws beantragt wurde. Der Beklagte hat nach Zustellung der Erledigterklärung und entsprechender Belehrung nach § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO der Erledigterklärung nicht widersprochen.
8
Das Landgericht Ingolstadt hat mit Teil-Versäumnisurteil und Teil-Endurteil vom 17.02.2021 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.800,00 € aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2020 sowie weitere 1.003,40 € zu zahlen. Weiter wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II, die Schlüssel des Fahrzeuges Pkw, Skoda, Fabia, Fahrzeugidentnummer: … herauszugeben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
9
Gegen das dem Beklagten am 19.02.2021 zugestellte Teil-Versäumnisurteil ließ dieser mit Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 01.03.2021, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Einspruch einlegen.
10
Im daraufhin anberaumten Termin zur Verhandlung über Einspruch und Hauptsache haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit weiter teilweise für erledigt erklärt, als beantragt worden war, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sowie die Schlüssel des Fahrzeuges Pkw Skoda Fabia, Fahrzeugidentnummer: …, herauszugeben.
11
Der Kläger beantragt nunmehr zuletzt:
Das Teil-Versäumnisurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.02.2021 insoweit aufrecht zu erhalten, als der Beklagte gemäß 1. zur Zahlung von 1.800,00 € aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2020 sowie weiterer 1.003,40 € an die Klägerin verurteilt wurde.
12
Der Beklagte beantragt,
Das Teil-Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13
Der Beklagte behauptet, die abgehobenen Gelder für die Klägerin zu deren Versorgung mit Lebensmitteln, für die Renovierung des von der Klägerin bewohnten Hauses und für Fahrten gemeinsam mit der Klägerin zu Einkäufen, zu Wertstoffhöfen und zum Wandern verwendet zu haben. Weiter bestreitet er ausdrücklich, das Fahrzeug gegen den Willen der Klägerin in Besitz genommen zu haben.
14
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
15
Das Gericht hat mündlich verhandelt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowohl die Klägerin, als auch den Beklagten informatorisch angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses dieser informatorischen Anhörungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
16
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
17
Das Landgericht Ingolstadt ist sowohl sachlich als auch örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Ingolstadt ergibt sich zum einen aus § 32 ZPO und zum anderen aufgrund der rügelosen Einlassung des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung.
18
Die Klage ist hinsichtlich des nach übereinstimmenden Erledigterklärungen in der Hauptsache noch verbleibenden Teils begründet, soweit die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.003,40 € geltend macht. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 1.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 31.10.2020.
19
1. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigterklärungen hat das Gericht nicht mehr über die ursprünglich anhängig gemachten Anträge auf Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges samt Zulassungspapiere und Schlüssel zu entscheiden.
20
2. Die Klägerin kann gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.003,40 € aufgrund eingetretenen Verzuges mit der Verpflichtung zur Herausgabe des streitgegenständlichen Kraftfahrzeuges geltend machen. Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeuges durch die Klägerin selbst erlaubt worden war. Jedenfalls hat der Betreuer der Klägerin mit Schreiben vom 25.06.2020 ein entsprechendes Nutzungsverhältnis gekündigt und den Beklagten wirksam aufgefordert, das streitgegenständliche Fahrzeug bis spätestens 01.08.2020 an ihn herauszugeben. Eine entsprechende Vertretungsmacht wurde dem Betreuer durch die Übertragung der Vermögenssorge eingeräumt. Der Beklagte hat sich damit mit Ablauf des 01.08.2020 mit der Herausgabeverpflichtung in Verzug befunden. Die Klägerin durfte es daher als erforderlich ansehen, mit der Durchsetzung ihres Herausgabeanspruches ihren späteren Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich zu beauftragen. Der spätere Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 09.10.2020 den Beklagten zur Herausgabe des Fahrzeuges erneut aufgefordert. Aufgrund dieser vorgerichtlichen Tätigkeit sind der Klägerin Kosten in Form einer 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG hinsichtlich eines Gegenstandswertes von 14.000,00 € (Wert des Fahrzeuges) in Höhe von 845,00 €, einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 €, 16% Umsatzsteuer in Höhe von 138,40 € und damit insgesamt in Höhe von 1.003,40 € entstanden.
21
3. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 1.800,00 €. Es kommen weder vertragliche noch deliktische Schadensersatzansprüche, letztere gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB, in Betracht. Die Klägerin hat insoweit nicht den Nachweis führen können, dass der Beklagte bei den streitgegenständlichen Abhebungen gegen Weisungen der Klägerin als Vollmachtsgeberin im Innenverhältnis verstoßen hat. Soweit die Klägerin vortragen lässt, die Verwendung der Gelder habe absprachegemäß nur zu ihren Gunsten erfolgen dürfen, ist dies vom Beklagten bestritten worden. Eine schriftlich dokumentierte Einschränkung der nach außen hin unbeschränkten Vollmacht im Innenverhältnis lag nicht vor. Aufgrund der informatorischen Anhörung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch erhebliche Zweifel daran, dass eine solche Einschränkung im Innenverhältnis ausgesprochen wurde. So hat die Klägerin, die nach der Wahrnehmung des Gerichts die Fragen verstanden hat und hierauf im Wesentlichen auch zielgerichtet geantwortet hat, angegeben, so lange der Beklagte nach dem Tod des Ehemannes und Vaters bei ihr gewohnt habe, habe man sich gegenseitig ausgeholfen. Sie habe ihm damals erlaubt, Geld abzuheben. Wenn er etwas gebraucht habe, dann habe sie ihm ausgeholfen. Damit kann die Klägerin letztlich keinen Nachweis dafür erbringen, dass der Beklagte die abgehobenen Gelder abredewidrig für sich verwendet habe. Selbst wenn er diese Gelder, was er bestreitet, zu eigenen Zwecken verwendet haben sollte, steht dem eine entsprechende Abrede im Innenverhältnis nicht entgegen. Die Aussage der Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung legt vielmehr nahe, dass sie dem Beklagten ausdrücklich erlaubt hat, Gelder abzuheben und für sich selbst zu verwenden. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf abstellt, dass nach den Angaben des Beklagten bei der Vollmachtserteilung in den Geschäftsräumen der Bank darüber gesprochen wurde, dass die Vollmacht dazu erteilt wird, um der Klägerin helfen zu können, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer abredewidrigen Verwendung der Gelder. So kann diese ursprünglich womöglich erteilte Einschränkung im Innenverhältnis später, so wie es die Angaben der Klägerin in der informatorischen Anhörung nahe legen, von der Klägerin im direkten Gespräch mit dem Beklagten aufgehoben worden sein.
22
4. Mangels Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.800,00 € hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten auch keinen Zinsanspruch wegen Verzuges.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 a, 92 Abs. 1 ZPO. Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zum Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten dargestellt, bestand jedenfalls aufgrund der ausgesprochenen Kündigung eines Nutzungsverhältnisses bezüglich des streitgegenständlichen Pkws der mit Klageerhebung noch geltend gemachte Herausgabeanspruch. Im Rahmen der Teilkostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte aller Voraussicht nach hinsichtlich der geltend gemachten Herausgabeansprüche unterlegen wäre. Unter Berücksichtigung des Teilobsiegens und Teilunterliegens beider Parteien hat daher die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 11% und hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 89% zu tragen.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.