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AG Coburg, Endurteil v. 18.11.2021 – 12 C 3058/21
Titel:

Reparaturkosten, Schadensersatz, Schadensbeseitigung, Abtretung, Ermessen, Berufung, Gutachten, Anspruch, Frist, Zahlung, Reparaturwerkstatt, Kostenentscheidung, Verfahren, Erforderlichkeit, Sinn und Zweck, billigem Ermessen, Rechtsprechung des BGH

Schlagworte:
Reparaturkosten, Schadensersatz, Schadensbeseitigung, Abtretung, Ermessen, Berufung, Gutachten, Anspruch, Frist, Zahlung, Reparaturwerkstatt, Kostenentscheidung, Verfahren, Erforderlichkeit, Sinn und Zweck, billigem Ermessen, Rechtsprechung des BGH
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58958

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.09.2021 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgriffsansprüche wegen angeblicher Überzahlung gegen die … anlässlich der Reparatur des klägerischen Fahrzeugs, amtliches Kennzeichnen …, aufgrund es Unfallschadens vom 15.06.2021, Rechnungsnummer …, soweit sie nicht die originären Nacherfüllungsanprüche des Klägers aus dem Werkvertrag betreffen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 54,71 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
2
Am 15.06.2021 kam zwischen dem Kläger und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Unfallgegner zu einem Verkehrsunfall. Die Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig. Reparaturkosten sind in Höhe von 3.317,64 € angefallen, auf die die Beklagte 3.262,93 € gezahlt hat. Die Beklagte hat die Kosten für Coronaschutzmaßnahmen nicht gezahlt.
3
Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von 54,71 €.
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Die Reparaturkosten sind in dieser Höhe erstattungsfähig. Hierbei handelte es sich um den erforderlichen Herstellungsaufwand. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind Aufwendungen ersatzfähig, die ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung sind insofern regelmäßig Grenzen gesetzt, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände von Fachleuten gibt.
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Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Absatz 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers (AG Norderstedt, Urteil vom 14.9.2012 - 44 C 164/12; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 - 9 S 314/13). Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigten Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß - wie hier - einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, NJW, 302, 304; AG Düsseldorf, 21.11.2014 - 37 C 11789/11). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendung sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind hier die Kosten der Coronaschutzmaßnahmen ersatzfähig.
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Mangels besserer Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hat der Kläger die Reparaturkosten insoweit für erforderlich halten dürfen. Damit sind insbesondere auch die Kosten der Coronaschutzmaßnahmen zu erstatten, auch wenn die Beklagte diese als solche bestreitet (OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Die Reparatur und die Abrechnung sind der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Von daher war auch kein Beweis über die Desinfektion zu erheben, da das Werkstattrisiko eben auch Arbeiten umfassen würde, die nicht ausgeführt wurden (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94).
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Unabhängig davon bestehen aufgrund der Coronapandemie auch in Autohäusern und Werkstätten besondere Arbeitsschutzmaßnahmen. Auch der Geschädigte darf zu seinem eigenen Schutz entsprechende Schutzmaßnahmen erwarten und muss diese entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht hinterfragen. Entsprechende Kosten sind auch unfallkausal entstanden. Die durch die Umsetzung dieser Maßnahmen verursachten Kosten sind Teil des zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nach einem Unfall notwendigen Kosten und damit erforderlich zur Wiederherstellung gem. § 249 BGB.
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Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Rechnung von dem Kläger bereits ausgeglichen worden ist oder nicht (AG Kassel, Urteil vom 08.02.2018 - 435 C 4137/17; AG Karlsruhe, Urteil vom 18.11.2008 - 5 C 365/08).
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Für den Fall der noch nicht erfolgten Zahlung stand dem Kläger zwar ein Befreiungsanspruch gemäß §§ 249, 257 BGB zu. Dieser Befreiungsanspruch ist gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Geldanspruch übergegangen (AG Karlsruhe, Urteil vom 18.11.2008 - 5 C 365/08).
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Danach hat der Geschädigte die Möglichkeit, zu einem Anspruch auf Geldersatz zu gelangen, wenn er dem Ersatzpflichtigen erfolglos eine Frist zur Herstellung, d.h. zur Haftungsfreistellung mit Ablehnungsandrohung setzt. Dem steht es nach Rechtsprechung des BGH gleich, wenn der Schuldner die geforderte Herstellung oder überhaupt jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert. Dann wandelt sich der Freistellungs - in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, NJW 2004, 1868 ff.). Die Beklagte hat bereits außergerichtlich jegliche Zahlung auf weitere Reparaturkosten ernsthaft und endgültig abgelehnt, so dass es einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung seitens des Klägers zur Umwandlung in einen Geldanspruch nicht bedurfte. Der Kläger kann somit unmittelbar Zahlung verlangen.
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Die Beklagte kann jedoch verlangen, dass ihr Zug um Zug etwaige Erstattungsansprüche des Klägers gegen die Reparaturwerkstatt aus dem Reparaturvertrag abgetreten werden.
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Eine solche Abtretung schmälert die Rechtsposition des Klägers als Geschädigten nicht und ist nicht davon abhängig, dass etwaige Ansprüche gegen die Reparaturwerkstatt tatsächlich bestehen. Vielmehr genügt es, dass es möglich erscheint, dass solche Ansprüche vorhanden sind. Die Berechtigung eines solchen Anspruchs ist vielmehr dann im Verhältnis zwischen dem Schädiger, hier der Beklagten, und der Reparaturwerkstatt zu klären (AG Kassel, Urteil vom 08.02.2018 - 435 C 4137/17). Voraussetzung des § 255 BGB analog ist nämlich nur, dass der abzutretende Anspruch als möglich erscheint. Dies ist der Fall.
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Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Verurteilung der Beklagten gemäß ihrem Hilfsbegehren führt dabei nicht zu einer Veränderung der Kostenquote. Denn hierbei handelt es sich nur um einen wertmäßig nicht zu berücksichtigenden Nebenanspruch im Zusammenhang der Schadensregulierung (AG Kassel, Urteil vom 08.02.2018 - 435 C 4137/17).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
17
Die Berufung war nicht zu zulassen. Es liegt keine Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung vor (so BGH, NJW 2004, 1868 ff.).