Titel:
Widerrufsbelehrung bei Abschluss eines Darlehensvertrags
Normenketten:
BGB § 355 Abs. 2, § 356b Abs. 1, § 492 Abs. 2
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2
Leitsätze:
1. Unterlässt ein Darlehensnehmer absichtlich, die Übergabe eines Kundenexemplars eines Darlehensvertrags zu fordern, um sich ein "ewiges" Widerrufsrecht zu erhalten, ist die Treuwidrigkeit des Widerrufs (§ 242 BGB) zu bejahen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Widerrufsinformation zu einem Darlehensvertrag ist ausreichend, wenn sie wörtlich Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 Anl. 8 EGBGB entspricht und daher an der Richtigkeitsfiktion teilnimmt. (Rn. 28 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Aufklärungspflicht über etwaige Innenprovisionen bei Vermittlung eines Darlehensvertrags besteht nicht, wenn für den Darlehensnehmer klar erkennbar ist, dass Darlehensvermittler und Darlehensnehmer von einander unabhängige juristische Personen sind. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Kreditwürdigkeitsprüfungspflicht soll nicht vor jeder sonstigen Unstimmigkeit (hier möglicherweise Besicherung durch das falsche Objekt) schützen, sondern dient allein vor einer finanziellen Überforderung des Darlehensnehmers. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlehensvertrag, Widerrufsbelehrung, Kundenexemplar, Treuwidrigkeit, Richtigkeitsfiktion, Aufklärungspflicht, Innenprovision, Kreditwürdigkeitsprüfung
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 16.09.2020 – 22 O 1897/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 08.11.2022 – XI ZR 453/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58880
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 16.09.2020, Az. 22 O 1897/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Widerrufs eines Verbraucherimmobiliendarlehensvertrages gegen die Beklagte zu 1) hilfsweise um Schadensersatzansprüche gegen beide Beklagte wegen angeblicher Falschberatung der Kläger.
2
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Feststellungen des Erstgerichts im Endurteil des LG Landshut vom 16.09.2020 (Bl. 187/199 d. A.) verwiesen mit folgenden Änderungen bzw. Ergänzungen:
3
Der von den Klägern in der Filiale der Beklagten zu 1) in F. unterschriebene Darlehensvertrag (Anlage B 2) enthält kein Empfangsbekenntnis der Kläger betreffend den Darlehensvertrag(santrag) samt aller weiteren Vertragsunterlagen. Die Kläger haben in diesem Zusammenhang auch kein sonstiges entsprechendes Empfangsbekenntnis unterschrieben.
4
In der mündlichen Verhandlung des Erstgerichts vom 17.06.2020 wurde vom Einzelrichter als Erklärung des Klägers zu 1) Folgendes auf Seite 7 (= Bl. 143 d. A.) protokolliert: „Ich habe die Unterlagen, die ich in der F. Filiale am 16.11.2016 unterschrieben habe, schon zugeschickt bekommen. Ich habe sie nicht unmittelbar im Termin am 16.11.2016 ausgehändigt bekommen, vielmehr wurden mir diese Unterlagen per E-Mail vom 25.11.2016 zugeschickt. Ich kann aber nicht sagen, ob die Unterlagen, die mir per E-Mail zugeschickt wurden, vollständig sind.“ Sodann vermerkt das Protokoll als nächsten Satz: „Laut diktiert und genehmigt“.
5
Mit Schriftsatz vom 05.08.2020, beim LG Landshut eingegangen am gleichen Tag, beantragten die Kläger die Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2020 bezüglich einer Passage auf Seite 3 (= Bl. 139 d. A.). Die oben zitierte Erklärung des Klägers zu 1) war von dem Protokollberichtigungsantrag nicht betroffen.
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Gegen die Abweisung der Klage in erster Instanz haben die Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
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In der Berufungsinstanz sind sie der Ansicht, bei unterstellter rechtzeitiger Übergabe der Darlehensunterlagen an sie sei die Widerrufsinformation der Beklagten zu 1) unzureichend.
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Sie beantragen jetzt vorrangig wegen Widerrufs des Darlehensvertrages, hilfsweise wegen Schadensersatzanspruchs „wörtlich“:
I. Das Urteil des Landgerichts Landshut Az: 20 U 1897/19, zugestellt am 18.09.2020 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Kläger ihre auf Abschluss des bei der Beklagten zu 1 unter dem Az: 3017355678010 geführten Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen mit Schreiben vom 23.05.2017 in Höhe eines Teilbetrages von 100.000,00 € wirksam widerrufen haben und der Beklagten zu I. nach wirksamem Widerruf Ansprüche aus diesem Teil Darlehensvertrag nicht zustehen, insbesondere nicht die mit Schreiben vom 08.03.2019 geltend gemachten Zins und nicht Abnahme Entschädigungsforderungen in Höhe von 8.075,87 € sowie Bereitstellung Zinsen in Höhe von 250,00 € monatlich nebst Verzugszinsen und das Kläger seit bezahlte Beträge dem Darlehenskonto gutzuschreiben sind und insbesondere nicht der AGB Pfandhaft unterliegen.
III. Die Beklagte zu I. wird als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu II. verurteilt an die Kläger zu Unrecht eingezogene Beträge in Höhe von 8.355,47 € zu zahlen.
IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.033,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9
Die Beklagten beantragen
die Zurückweisung der Berufung.
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Hinsichtlich des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
11
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugin J. S. sowie der Kläger als Partei. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Ohne Schrftsatzfristantrag oder -nachlass ging am 27.07.2021 um 16.31 Uhr ein Schriftsatz der Kläger ein, auf den verwiesen wird.
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Die zulässige Berufung der Kläger (§§ 511, 517, 520 ZPO) hat keinen Erfolg: Der Widerruf der Kläger vom 23.05.2017 hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von € 100.000,00 ist unwirksam (§ 355 Abs. 1 BGB):
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1. Auf den Rechtsstreit ist das am 16.11.2016 geltende Recht anzuwenden (Art. 229 § 39, § 40 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 2 Nr. 1, § 45 Abs. 2 EGBGB; künftig: a. F.).
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2. Es kann dahinstehen, inwiefern ein Teilwiderruf eines Darlehensvertrages überhaupt wirksam ist. Insoweit wird zunächst auf Ziffer B I 1 der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils des LG Landshut vom 16.09.2020 verwiesen. Im hier vorliegenden besonderen Fall dürfte dies für die Wirksamkeit des Widerrufs eher kein Hindernis sein, da auch die Beklagte zu 1) davon ausgeht, dass der Vertrag insoweit teilweise wirksam beendet ist (aus Sicht der Beklagten zu 1) wegen Teilkündigung).
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3. Die Kläger haben bis zur Annahme des Darlehensvertragsangebots durch die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 25.11.2016 (Anlage B 3) sämtliche Vertragsunterlagen erhalten. Dieser Nachweis ist der Beklagten zu 1) geglückt, auch wenn sie die Kläger bei Darlehensvertragsantragsunterschrift kein entsprechendes Empfangsbekenntnis die Kläger hat unterschreiben lassen, was für den Senat äußerst ungewöhnlich, und wie man am vorliegenden Fall sieht, als Folge (überflüssigerweise) sehr zeitaufwendig ist.
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a) Die Zeugin S1. hatte an den Vorgang keine konkrete Erinnerung mehr, bekundete jedoch, dass sie immer das/die Exemplar(e) des Darlehensvertragsantrags mit sämtlichen Vertragsunterlagen an den/die Kunden unmittelbar nach deren Unterschrift, soweit in ihrem Beisein geleistet, übergebe. Etwas anderes sei bei ihr nie vorgekommen.
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b) Die Kläger, und hier insbesondere der Kläger zu 1) beteuerten, bis heute das Vertragsformular nicht erhalten zu haben. Die Erklärung des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem LG Landshut am 17.06.2020 zum Erhalt der Unterlagen am 25.11.2016 per E-Mail habe er so nie abgegeben.
19
c) Der Senat glaubt in den wesentlichen Inhalten weder der Zeugin S. noch den Klägern:
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Die Zeugin S. behauptete nachdrücklich, bei ihr käme eine Nichtübergabe der Vertragsunterlagen bei Unterschrift durch den Kunden nicht vor. Das kann der Senat so nicht glauben. Selbst der gewissenhafteste Mensch vergisst auch so etwas Essentielles einmal (schon deshalb kann der Senat nicht nachvollziehen, dass die Beklagte zu 1) sich von ihren Darlehenskunden kein entsprechendes Empfangsbekenntnis unterschreiben lässt, dann würde so ein Fehler nämlich viel eher auffallen). Gerade im vorliegenden Fall erscheint dem Senat eine unterlassene Übergabe durch die Zeugin schon deshalb nicht unmöglich gewesen zu sein (ohne sich hier bereits eine entsprechende Überzeugung zu bilden!), da der Kläger zu 1) ganz offensichtlich mit erheblichem Zeitdruck und Verärgerung (die Filiale F. wusste offensichtlich zunächst nichts von dem anderweitig mit den Klägern vereinbarten Termin zur Darlehensantragsunterschrift und musste bei bereits stattgehabter Anwesenheit der Kläger zu diesem Termin erst langwierig nachfragen) gegenüber der Zeugin auftrat. Gerade in so einer Situation erscheint eine versehentliche Nichtübergabe der Unterlagen nicht unmöglich.
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Die Klägerin zu 2) hatte entweder keine Erinnerung (mehr) an den Termin selbst oder wollte im Hinblick auf den Kläger zu 1) keine haben. Jedenfalls glaubt der Senat der Klägerin zu 2) nicht, sich nicht einmal mehr daran erinnert zu haben, vor dem 16.11.2016 schon (Immobilien-) Darlehensverträge unterschrieben zu haben. Dabei geht es immerhin um nicht ganz unbedeutende Summen, so dass es schlecht vorstellbar erscheint, dass sich die Klägerin zu 2) hieran nicht mehr erinnert hätte. Der Senat konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, die Klägerin zu 2) wollte vorsichtshalber lieber wenig bis nichts als die Wahrheit sagen.
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Auch die Angaben des Klägers zu 1) hält der Senat für im Wesentlichen unrichtig:
23
Es erscheint schon schwer vorstellbar (aber nicht unmöglich), dass der geschäftlich äußerst erfahren wirkende Kläger zu 1) bei Unterschrift in der Filiale der Beklagten zu 1) in Freising kein Kundenexemplar des Darlehensvertragsantrags nach Unterschrift gefordert haben sollte. Hätte er es absichtlich unterlassen, um sich ein „ewiges“ Widerrufsrecht zu erhalten, wäre hier die Treuwidrigkeit des Widerrufs (§ 242 BGB) zu bejahen. Selbst wenn den Klägern nach der Unterschrift in der Filiale in F. kein Kundenexemplar ausgehändigt worden sein sollte, kann sich der Senat angesichts der insgesamt als gewissenhaft eingeschätzten Zeugin S. kaum vorstellen, dass dieser die Nichtübergabe nicht aufgefallen sein sollte, nachdem die Kläger die Filiale verlassen hatten. Andererseits darf hier nicht übersehen werden, dass die Zeugin solches nicht einmal als Möglichkeit bekundet hat. Demgegenüber könnte die Zeugin dies aber auch bewusst verschwiegen haben aufgrund rechtlicher Unkenntnis davon, bis wann die Kläger die vollständigen Vertragsunterlagen spätestens erhalten haben mussten.
24
Der Senat glaubt dem Kläger zu 1) nicht, dass er die auf Seite 7 (= Bl. 143 d. A.) des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2020 beurkundete Erklärung so nicht abgegeben hat. Diese Überzeugung gewinnt der Senat aus dem Verhalten des Klägers zu 1) in der Beweisaufnahme vor dem Senat am 26.07.2021, in der der Kläger zu 1) lange quasi um den ihm mit Sicherheit bekannten eigentlichen Kern seiner Befragung, nämlich den Erhalt der Vertragsunterlagen, herumredete, bis er nach mehrfacher Mahnung und Nachfrage des Vorsitzenden hierzu Angaben machte und in diesem Zusammenhang die Richtigkeit der Protokollerklärung abstritt. Weiter muss berücksichtigt werden, dass der Erstrichter diese Erklärung, wenn auch „nur“ nach Diktat, ausdrücklich genehmigen ließ. Darüber hinaus haben die Kläger nach Erhalt des Sitzungsprotokolls Berichtigungsantrag gestellt (also das Protokoll offensichtlich genau gelesen), die sich aber gerade nicht auf diese Erklärung bezog (obwohl sie ganz offensichtlich eminent wichtig war).
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Damit hat der Kläger zu 1) zugegeben, die von den Klägern in F. unterschriebenen (also Vertragsantrags-) Unterlagen erhalten zu haben. Nur eine Vollständigkeitsbestätigung hat er nicht abgegeben. Dass diese aber nicht vollständig gewesen sein sollen, ist für den Senat unglaubwürdig. Vielmehr würde das in die vom Senat für am wahrscheinlichsten gehaltene Version passen, dass entweder der Zeugin S. nach Unterschrift durch die Kläger oder dem Kreditsachbearbeiter nach Erhalt der Unterlagen aus F. aufgefallen ist, dass den Klägern kein Darlehensantragsformular in der Filiale in F. ausgehändigt worden war (weil noch bei den Unterlagen vorhanden), weshalb diese Unterlagen, dann aber vollständig, am 25.11.2016 den Klägern per E-Mail übersandt wurden und zwar entweder mit der Kreditzusage (als Vertragsabschluss und damit nach § 356b BGB rechtzeitig) oder ohne diese Kreditzusage, die sodann an diesem Tag oder wahrscheinlich später per Post bei den Klägern einging, jedenfalls aber nicht vor Eingang der Vertragsunterlagen (was ausdrücklich festzustellen der Erstrichter unterlassen hatte).
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d) Berücksichtigt man diese ganzen Erwägungen in einer Gesamtschau, kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass den Klägern die Vertragsunterlagen entweder im Termin in der Filiale der Beklagten zu 1) in F. am 16.11.2016 übergeben wurden (weil zumindest vom Kläger zu 1) abverlangt) oder, falls dies doch von allen Beteiligten übersehen bzw. vergessen worden sein sollte, die Kläger sie spätestens am 25.11.2016 vollständig per E-Mail als Abschrift der Vertragsurkunde, zeitlich aber jedenfalls nicht nach der Vertragsbestätigung (und damit -abschluss) erhalten haben.
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Die Alternative wäre nämlich ein Vergessen durch die Zeugin S. am 16.11.2016 (erster „Zufall“), ein Vergessen durch den Kläger zu 1) am 16.11.2016 (zweiter „Zufall“), ein Übersehen der Nichtübergabe durch die Zeugin S. unmittelbar nach dem Termin am 16.11.2016 bis zum Versand der Unterlagen an den Kreditsachbearbeiter (dritter „Zufall“) und zusätzlich ein entsprechendes Übersehen der Kundenexemplare in der Kreditabteilung der Beklagten zu 1) durch den entsprechenden Sachbearbeiter (vierter „Zufall“). Angesichts des Aussageverhaltens insbesondere des Klägers zu 1) sowie dieser vier kumulativ zusammentreffenden „Zufälle“ hält der Senat diese Version zu seiner eigenen Überzeugung für ausgeschlossen.
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4. Die Widerrufsinformation war ausreichend. Sie entspricht wörtlich der hier allein relevanten Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB und nimmt daher an der Richtigkeitsfiktion teil.
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a) Auch angesichts der im Gesetz rechtswidrigen Kaskadenverweisung (vgl. EuGH, Urteil vom 26.03.2020, C-66/19, WM 2020, 688) kommt eine Auslegung contra legem nicht in Betracht, weshalb sich eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV mangels Entscheidungserheblichkeit erübrigt (vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2019, C-331/18, WM 2019, 2008, 2011, Randziffer 56; BGH, Beschlüsse jeweils vom 26.05.2020, XI ZR 64/19, XI ZR 65/19, XI ZR 103/19, XI ZR 117/19, XI ZR 213/19, XI ZR 252/19, XI ZR 261/19, XI ZR 262/19, XI ZR 346/19, XI ZR 359/19, XI ZR 372/19, XI ZR 413/19, XI ZR 424/19, XI ZR 428/19, XI ZR 434/19, XI ZR 444/19, XI ZR 458/19, XI ZR 514/19, XI ZR 541/19, XI ZR 569/19 und XI ZR 570/19 - jeweils nach juris; Beschluss vom 23.06.2020, XI ZR 491/19, Randziffer 10 - nach juris; Beschlüsse jeweils vom 30.06.2020, XI ZR 32/19, XI ZR 132/19, XI ZR 241/19, XI ZR 277/19, XI ZR 280/19, XI ZR 292/19, XI ZR 326/19, XI ZR 345/19, XI ZR 391/19, XI ZR 392/19, XI ZR 398/19, XI ZR 403/19, XI ZR 420/19, XI ZR 440/19, XI ZR 452/19, XI ZR 456/19, XI ZR 459/19, XI ZR 464/19, XI ZR 471/19, XI ZR 495/19, XI ZR 502/19, XI ZR 510/19, XI ZR 554/19, XI ZR 6/20 und XI ZR 603/19 - jeweils nach juris; Urteil vom 28.07.2020, XI ZR 288/19, WM 2020, 1627, 1629, Randziffer 17).
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b) Die Ausführungen der Kläger im (nicht nachgelassenen) Schriftsatz vom 27.07.2021 teilt der Senat nicht:
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Der Text „Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab dem Tag“ findet sich zunächst in Anlage 10 zum EGBGB in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, ist also für die vorliegende Widerrufsinformation nicht einschlägig. Sofern die Kläger auf die Anlage 1 zum EGBGB in der ab 21.03.2016 geltenden Fassung abzielen sollten, hilft dies ebenfalls nicht weiter, da ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB a. F. gerade nicht geschlossen worden ist (vgl. unten Ziffer B I 5). Das gilt auch für die weitere Belehrung über die Folgen eines wirksamen Widerrufs.
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Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 10.11.2014 (6 O 4120/14) ist schon deshalb für den vorliegenden Fall nicht maßgebend, weil es dort um einen Darlehensvertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung vom 21.05.2008 geht. Zum damaligen Zeitpunkt war die Rechtslage aber eine ganz andere als im November 2016.
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Das gilt auch für das LG Köln mit seinem Urteil vom 26.05.2015 (21 O 361/14): Dieses kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da es dort um zwei Darlehensverträge vom November 2009 ging mit zu diesem Zeitpunkt ebenso völlig anderer Rechtslage.
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Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der fehlenden Belehrung dahingehend, dass jeder der Kläger das Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages hätte widerrufen können. Im Urteil des BGH vom 11.10.2016 (XI ZR 482/15, WM 2016, 2295, 2299, Randziffer 27) ist nicht nur entschieden, dass die Gesetzlichkeitsfiktion bei Aufnahme eines solchen Hinweises nicht erlischt, sondern auch, dass ein solcher Hinweis nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, WM 2016, 2295, 2297f., Randziffern 13 und 22).
35
Aus Seite 9 des Schriftsatzes vom 05.08.2020 (= Bl. 160 d. A.) ergibt sich im Gegenschluss zu Seite 1 (= Bl. 152 d. A.) desselben Schriftsatzes gerade kein (weiterer) Protokollberichtigungsantrag: Dort fassen die Kläger den Protokollvermerk lediglich zusammen, ohne dass daraus eine Korrektur oder gar ein Änderungsbegehren ersichtlich würde. Im Übrigen ergibt sich daraus um so prägnanter die Unglaubwürdigkeit der Kläger: Wenn sie Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag, ESIS-Merkblatt, Bedingungen für C.bank-Baufinanzierung und Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht erhalten haben wollen (so Seite 9 o.g. Schriftsatzes = Bl. 160 d. A.), muss sich der Kläger zu 1) fragen lassen, welche Unterlagen, die er unterschrieben hat (so Protokoll vom 17.06.2020, Seite 7 = Bl. 143 d. A.), er denn dann erhalten hat.
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5. Ein Vertrag allein unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln nach § 312c BGB a. F. liegt nicht vor, da die Unterschriften der Kläger in Präsenz in der Filiale der Beklagten zu 1) in Freising geleistet wurden (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2018, XI ZR 160/17, WM 2018, 729, 731, Randziffer 20).
37
6. Selbst wenn man den Widerruf als wirksam ansähe, hätten die Kläger keinen Anspruch auf die bis 23.05.2017 geleisteten Bereitstellungszinsen in Höhe von € 1.000,00 (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 07.07.2020, XI ZR 542/18, WM 2020, 1532, 1533, Randziffer 15).
38
Die Kläger haben keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1):
39
1. Der Abschluss eines Beratungsvertrages mit der Beklagten zu 1) ist nirgends ersichtlich, weshalb die Beklagte kein Beratungsverschulden treffen kann (§ 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB). Beraten wurden die Kläger durch die Beklagte zu 2).
40
2. Eine Zurechnung des Verhaltens der Beklagten zu 2) nach § 278 BGB als Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 1) kommt schon mangels feststellbarer eigener Beratungspflicht der Beklagten zu 1) nicht in Betracht.
41
3. Eine Aufklärungspflicht über etwaige Innenprovisionen bestand (auch) für die Beklagte zu 1) nicht. Für die Kläger klar ersichtlich handelt es sich bei den beiden Beklagten um völlig eigenständige, von einander unabhängige juristische Personen, sodass mit entsprechenden Provisionen auch für Außenstehende stets zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012, III ZR 308/11, NJW 2012, 2952, 2953, Randziffern 12f.; Urteil vom 06.12.2012, III ZR 307/11, WM 2013, 119, 120f., Randziffern 14f.; s.a. BGH, Urteil vom 16.05.2019, III ZR 176/18, WM 2019, 1203, 1207, Randziffer 33), wobei die Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht über versteckte Innenprovisionen im Bereich des Prospekthaftungsrechts im Finanzierungsberatungsbereich ohnehin nicht gilt (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014, XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1623, Randziffer 209). Ferner findet sich ein entsprechender Hinweis in der Anlage B 1 auf Seite 1 unter Ziffer 2.
42
4. Keinen Ersatzanspruch haben die Kläger auch im Hinblick auf eine etwaig unterlassene Kreditwürdigkeitsprüfung: Denn die Kläger haben offensichtlich nicht die Absicherung weiterer Verbindlichkeiten durch die Grundschuld der Sparkasse P. mitgeteilt und damit unvollständige Angaben gemacht (§ 505d Abs. 3 BGB). In Wesentlichen konnte sich nämlich die Beklagte auf die Auskünfte der Kläger auch bei der Beklagten zu 2) stützen, zur Informationseinholung bei der Sparkasse P. war sie aber als zu weitgehend hier im konkreten Einzelfall nicht verpflichtet (vgl. Münchener Kommentar-Schürnbrand/Weber, 8. Auflage, § 505b Randziffer 15).
43
Ferner behaupten die Kläger selbst nicht, kreditunwürdig gewesen zu sein (§ 505d Abs. 1 Satz 5 BGB).
44
Darüber hinaus soll die Kreditwürdigkeitsprüfungspflicht der Bank nicht vor jeder sonstigen Unstimmigkeit (hier möglicherweise Besicherung durch das falsche Objekt) schützen sondern allein vor einer finanziellen Überforderung des/der Darlehensnehmer(s), sodass für den von den Klägern angestrebten Schadensersatzanspruch kein Raum ist (vgl. Münchener Kommentar-Schürnbrand/Weber, 8. Auflage, § 505d Randziffern 17f.).
45
Im Übrigen verhalten sich die Kläger widersprüchlich (§ 242 BGB): Denn einerseits rügen sie die unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Beklagte zu 1) im Hinblick auf eine Besicherung durch das Objekt H.gasse in P. (der Schluss mehrfach besichert = kreditunwürdig ist darüber hinaus in dieser Allgemeinheit unzulässig), um sodann die Besicherung durch das Grundstück S.straße als Schadensersatzgrund anzusehen, weil die Besicherung nicht über die H.gasse gelaufen sei.
46
Die Kläger haben auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2):
47
1. Eine Beratungspflichtverletzung hinsichtlich der „falschen Grundschuld“ auf dem Grundstück S2. straße ist nicht ersichtlich: Die Übernahme der Grundschuld der Sparkasse P. auf dem Grundstück H.gasse in P. war mangels Freigabe durch die Sparkasse P. wegen nicht angegebener weiterer Sicherungen von Verbindlichkeiten nicht möglich. Der Kläger zu 1) selbst hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2020 erklärt, mit einer Grundschuld auf dem Grundstück S.straße „also quasi nur eine Sicherheit für die Sicherheit“ (Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020, Seite 8 = Bl. 144 d. A., viertletzter Textabsatz) einverstanden gewesen zu sein.
48
2. Ferner müssen sich die Kläger fragen lassen, wieso sie dann eine Grundschuld auf das Objekt S2. straße mit notarieller Urkunde vom 08.12.2016 (Anlage B 4) bestellt haben.
49
3. Im Übrigen ist eine Ursächlichkeit einer „falschen“ Grundschuld für die in der Berufung noch geltend gemachten Schadensersatzforderungen nicht ersichtlich.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen und dieses Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO.
51
Da dem Urteil reine Beweiswürdigungsfragen zugrunde liegen, liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Revisionszulassung nicht vor.