Titel:
Kindergeldrückforderungen
Normenketten:
FGO § 69 Abs. 6, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
AO § 3 Abs. 4 S. 1,§ 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2
FVG § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4
EStG § 31 S. 3
BGB § 133, § 157, § 267
Leitsatz:
Das Rechtsinstitut des Verrechnungsvertrags wird anerkannt, da auch ein Dritter in analoger Anwendung des § 267 BGB durch Zahlung das Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringen könne und nichts anderes gelten könne, wenn mit Zustimmung des Gläubigers die Steuerschuld eines Dritten statt durch Zahlung durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen getilgt werden solle (vgl. BFH-Urteil, 21. Februar 1989, VII R 42/86, BFH/NV 1989, 762; BeckRS 1989, 06354). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aussetzung der Vollziehung, Aufhebung, Abrechnungsbescheid, Einspruch, Einspruchsverfahren, Kindergeld, Kind, Festsetzung, Vollziehung, Zahlung, Ruhen, Kindergeldzahlung, Kindsmutter, Änderungsbescheid, Verrechnung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 17.08.2023 – III R 37/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58866
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides über Säumniszuschläge betreffend eine Rückforderung von Kindergeld.
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Der Kläger hatte sich bereits mit Klage vom 1. März 2012 (Az. … bzw. nach einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof „Trapkowski“ Az. yyy) gegen einen Bescheid der Beklagten (der Familienkasse - FamK -) vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012 gewandt, mit dem die FamK die Festsetzung von Kindergeld für das am 31. Juli 2010 geborene Kind L ab November 2011 aufgehoben hatte, weil L in den Haushalt der Kindsmutter im Vereinigten Königreich aufgenommen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2017 hatten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt.
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Während des anhängigen Klageverfahrens hatte der Kläger im Wege des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung die Weiterzahlung von Kindergeld beantragt, die vom Gericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2012 in Höhe des Differenzkindergeldes gewährt worden war (Az. zzz). Mit Bescheid vom 23. Januar 2013 hatte die FamK geregelt, dass der angefochtene Bescheid vom 24. Oktober 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2012 gemäß 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) Abgabenordnung wie folgt geändert wird: „Die Vollziehung wird ausgesetzt. Der Beschluss des Finanzgerichts München vom 19.12.2012 wird vollzogen. Ab November 2011 wird die Vollziehung i.H. von 82,61 EUR mon. ausgesetzt. Somit erhalten Sie eine Nachzahlung von 11.2011 bis 01.2013 i.H. von 82,61 x 15 = 1.239,15. Ab 02.2013 erfolgt eine laufende Zahlung von 82,61 EUR.“
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Mit Antrag vom 5. Januar 2016 auf Änderung des Beschlusses vom 19. Dezember 2012 gemäß § 69 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hatte der Kläger begehrt (Az. vvv), den Aussetzungsbeschluss dahingehend zu ändern, dass der ausgesetzte Betrag wegen einer Kindergelderhöhung rückwirkend ab Januar 2015 erhöht werde. Mit Leistungsklage vom 17. Februar 2016 (Az. uuu) hatte der Kläger die Weiterzahlung der ab Mai 2015 eingestellten Zahlungen begehrt, die die FamK auf Grund des Aussetzungsbeschlusses schulde und die die FamK ohne Angabe von Gründen eingestellt habe. Mit Schreiben vom 23. März 2016 an den Kläger hatte die FamK mitgeteilt, die Zahlung werde ab Mai 2015 wiederaufgenommen. Mit Schreiben vom 24. März 2016 hatte die FamK im Rahmen des Verfahrens Az. uuu dem Gericht dieses Schreiben an den Kläger übermittelt und die Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Schreiben ebenfalls vom 24. März 2016 hatte die FamK im Rahmen des Verfahrens Az. vvv dem Gericht gegenüber mitgeteilt, dass es den Erhöhungsbetrag überwiesen habe, und die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Zahlungen erfolgten bis Dezember 2016.
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Mit Bescheid vom 15. Dezember 2016 hob die FamK die am 23. Januar 2013 erfolgte Festsetzung von Kindergeld für L ab dem Monat Januar 2017 auf.
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Mit „Rückforderungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO)“ vom 15. Januar 2018 forderte die FamK vom Kläger die Erstattung für den Zeitraum von November 2011 bis einschließlich Dezember 2016 ohne Rechtsgrund gezahlten Kindergeldes i.H.v. 5.241,82 € bis zum 11. Februar 2018. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass nach § 240 AO für jeden Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag i.H.v. 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten sei, wenn der Rückforderungsbetrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet werde.
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2018 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein, der von der FamK mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2018 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dabei verwies die FamK u.a. darauf, dass der Aufhebungsbescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012 „rechtskräftig geworden“ sei, womit die aufgrund der Aussetzung der Vollziehung des genannten Bescheides erfolgte Zahlung für das Kind L im Zeitraum von November 2011 bis Dezember 2016 ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Das zu Unrecht gezahlte Kindergeld in Höhe von 5.241,82 € sei deshalb vom Kläger zu erstatten.
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Am 19. März 2018 bezog sich der Kläger auf die Rückforderung von Kindergeld und beantragte u.a. die zinslose Stundung der Rückzahlungsansprüche. Er führte hierzu aus, die FamK verlange von ihm Kindergeld zurück, weil es der in England lebenden Kindsmutter zustehe. Er habe das Geld aber an die Kindsmutter weitergeleitet, so dass sich die Frage stelle, wann die FamK das Geld an die Kindsmutter auszahle, wenn er es zurückzahle. Mit Schreiben vom 24. März 2018 präzisierte der Kläger seinen Stundungsantrag dahingehend, dass er Stundung bis zur entsprechenden Auszahlung an die Kindsmutter begehre, und beantragte zudem den Erlass angefallener Säumniszuschläge.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 beantragte der Kläger für den Fall, dass der Kindergeldzahlung an die Kindsmutter dauernde Hinderungsgründe entgegenstünden, den Rückforderungsanspruch zu erlassen, denn irgendjemand, Vater oder Mutter, müsse für das Kind Kindergeld erhalten. Angefallene Säumniszuschläge oder Zinsen bitte er zu erlassen. Mit weiterem Schreiben vom 10. Juli 2018 ergänzte der Kläger, er beantrage Stundung nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus in der Sache selbst liegenden Billigkeitsgründen. Er wolle sichergehen, dass das Geld an die Mutter ausgezahlt werde, damit er von dieser nicht mehr dafür im Wege des Unterhalts in Anspruch genommen werde und im Ergebnis zwei Mal zahlen müsse. Er werde also das Geld sofort überweisen, wenn die FamK verbindlich erklärt habe, dass die Kindsmutter das Geld erhalten habe oder erhalte.
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Mit Hinweis vom 8. August 2018 erläuterte die FamK u.a., dass eine möglicherweise erfolgte Weiterleitung des Kindergeldes an die Kindsmutter zu prüfen sei. Hierzu sei zu erklären, dass eine Weiterleitung des Kindergeldes an die Kindsmutter erfolgt sei und es müsse eine schriftliche Bestätigung der Kindsmutter vorgelegt werden, dass das Kindergeld für den streitigen Zeitraum in voller Höhe an die Kindsmutter weitergeleitet worden sei. Hierzu sei der beigefügte Vordruck vollständig von der Kindsmutter auszufüllen.
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Mit Schreiben vom 5. November 2018 legte der Kläger eine Bestätigung über die Weiterleitung von Kindergeld betreffend die Monate November 2011 bis August 2015 vor.
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Am 12. Dezember 2018 erließ die FamK einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO zum Bescheid vom 15. Januar 2018, wonach sich ausgehend von einem ausgezahlten Kindergeld i.H.v. 5.241,82 € und weitergeleitetem Kindergeld i.H.v. 3.848,22 € ein vom Kläger zu erstattendes Kindergeld i.H.v. 1.393,60 € sowie steuerliche Nebenleistungen in Form von Zinsen i.H.v. 468 € und mithin ein zu erstattender Gesamtbetrag i.H.v. 1.861,60 € ergab. Auf Seite 2 des Bescheides wurde ausgeführt: „Wird der Rückforderungsbetrag nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrages zu entrichten. Die Erhebung von Säumniszuschlägen beruht auf § 240 Abgabenordnung“.
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 legte der Kläger gegen die Festsetzung von Zinsen Einspruch ein und stellte hilfsweise einen Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erhebung von Zinsen wegen der langen Zeit der Unsicherheit der zu zahlenden Beträge nicht gerechtfertigt sei.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 wies die FamK den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den im Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 aufgeführten Nebenleistungen i.H.v. 468 € nicht um Zinsen, sondern um Säumniszuschläge i.S.d. § 240 AO handle, die bis zur Vorlage der Weiterleitungserklärung am 5. November 2018 angefallen seien.
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Mit Schriftsatz vom 1. August 2019 - bei Gericht eingegangen am 5. August 2019 - erhob der Kläger hiergegen Klage, die er im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Im Streitfall liege die Beschwer des Klägers in der Aufnahme von Nebenleistungen (Zinsen) in dem Abrechnungsbescheid vom 15. Dezember 2018 [gemeint wohl: 12. Dezember 2018] zum Bescheid vom 15. Januar 2018 über Rückforderung von Kindergeld für das Kind L.
17
Im Verfahren mit dem Az. yyy betreffend die Kindergeldberechtigung des Klägers für das in England bei der Mutter lebende Kind L sei im Laufe des Verfahrens ein Bescheid über Kindergeld vom 15. Dezember 2016 erlassen worden, mit dem dem Kläger Kindergeld bis Dezember 2016 zugesprochen worden sei. Deshalb sei die Hauptsache von den Beteiligten für erledigt erklärt worden. Diese eindeutige Erledigungserklärung in der Sache unter Zugrundelegung der Interpretation des Klägers dahingehend, dass die Kindergeldberechtigung des Klägers bis Dezember 2016 fortgeschrieben worden sei, habe nicht die Billigung des Gerichts gefunden; es habe jedoch an der gemeinsamen Erledigungserklärung und damit der Beendigung des Verfahrens mit der Festschreibung der Einigung mit obigem Inhalt in der Sache nichts ändern können. Offensichtlich auch nicht am Rechtsfrieden orientiert, habe das Gericht den Samen für künftige Auseinandersetzungen gesät, indem es der FamK in dem Gericht nicht obliegender rechtsberatender Funktion für das weitere nachprozessuale Verhalten nahegelegt habe, entgegen der von den Parteien getroffenen Einigung in der Sache die an den Kläger gezahlten Beträge zurückzufordern, obwohl diese dann der Mutter des Kindes auszuzahlen gewesen wären. Die Saat der Zwietracht sei aufgegangen. Die FamK habe mit Bescheid vom 15. Januar 2018 die dem Kläger gewährten Kindergeldbeträge für die Zeit von November 2011 bis Dezember 2016 i.H.v. 5.241,82 € unter Aufhebung der den Kläger begünstigenden Festsetzung vom 15. Dezember 2016 zurückgefordert.
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Der Kläger habe hiergegen unter Berufung auf die im Finanzgerichtsverfahren getroffene Regelung mit Schreiben vom 17. Januar 2019 Einspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden worden sei.
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Es liege lediglich eine Entscheidung vom 23. Februar 2018 über einen angeblich vom Kläger stammenden, vom Kläger aber nicht eingelegten Einspruch gegen einen nicht existenten Abrechnungsbescheid vor. Diese Entscheidung sei nichtig und habe keine Auswirkung im tatsächlich anhängigen Einspruchsverfahren, da sie keine Entscheidung über die Berechtigung der Rückforderung, sondern nur über die Abrechnung des Rückforderungsbescheides treffe. Die Frage der Berechtigung der Rückforderung sei unentschieden geblieben.
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Der Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 konkretisiere erstmals einen Betrag von 1.393,60 €, nachdem die Höhe der zurückzuzahlenden Beträge zunächst unklar geblieben sei. Dieser Betrag sei vom Kläger am 17. Dezember 2018 sofort überwiesen worden, obwohl bei dessen Berechnung nicht alle vom Kläger weitergeleiteten Beträge Berücksichtigung gefunden hätten. In Wirklichkeit ergebe sich ein nicht weitergeleiteter Betrag von 878,10 € gemäß beigefügter Berechnung. Zur Streitbeendigung habe der Kläger jedoch auf weitere Abklärung verzichtet und habe den zu hoch ausgewiesenen Betrag überwiesen.
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Streitig sei einzig die im Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 ausgewiesene Position der steuerlichen Nebenleistungen (Zinsen) i.H.v. 468 €. Hiergegen habe der Kläger Einspruch eingelegt, weil für eine abzurechnende Zinsforderung kein Rechtsgrund vorliege. In der Einspruchsentscheidung seien nunmehr aus Zinsen Säumniszuschläge geworden. Ein solcher Wechsel der im Abrechnungsbescheid getroffenen Art der Nebenleistung in der Einspruchsentscheidung sei nicht möglich. Die als Zinsen angesetzten Nebenleistungen bedürften einer vorherigen gesonderten Festsetzung. Der Zinsansatz sei deshalb aufzuheben und Zinsen gegebenenfalls durch einen nachzuholenden gesonderten Zinsbescheid festzusetzen und dann in einen neu zu erlassenden Abrechnungsbescheid zu übernehmen.
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Im ursprünglichen Abrechnungsbescheid nicht erwähnte Säumniszuschläge könnten nicht erstmals im Einspruchsverfahren eingeführt werden. Ihre Berechnung wäre im Abrechnungsbescheid oder, wenn für zulässig erachtet, spätestens in der Einspruchsentscheidung auch im Detail unter Ansatz von Steuerbeträgen und berechneten Zeiträumen darzustellen. Das sei bisher nicht geschehen.
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Für die Rückforderungsbeträge liege zwar eine Festsetzung vor, die Grundlage für Säumniszuschläge sein könnte. Die Festsetzung von Säumniszuschlägen von 468 € sei aber offensichtlich falsch, da sie als Grundlage der Berechnung auch Beträge enthalte, die durch Weiterleitung an die kindergeldberechtigte Kindsmutter bei Erlass des Bescheides bereits getilgt gewesen seien. Für die Tilgungswirkung sei der Eingang des Geldes durch die Weiterleitung an die Kindsmutter als endgültig Kindergeldberechtigte entscheidend und nicht, wie die Einspruchsentscheidung meine, die Vorlage einer Weiterleitungserklärung der Kindsmutter bei der FamK. Eine Gesamtfestsetzung, die auch getilgte Leistungen umfasse, könne nicht Grundlage für die Erhebung steuerlicher Säumniszuschläge sein.
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In einen Abrechnungsbescheid könnten nur Säumniszuschläge aufgenommen werden, deren Berechnungsgrundlagen betragsmäßig feststünden. Der angefochtene Bescheid, auch in Gestalt der Einspruchsentscheidung, lasse absolut unklar, wie die angeblich geschuldeten Nebenleistungen, sofern es sich um Säumniszuschläge handeln sollte, berechnet worden seien. Sie könnten deshalb betragsmäßig in keiner Weise nachvollzogen werden.
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Zudem sei für die noch nicht weitergeleiteten Beträge zu beachten, dass die FamK für Rechnung der kindergeldberechtigten Kindsmutter an den Kläger gezahlte Beträge zurückfordere. Dies sei nur möglich, wenn an die Kindsmutter ebenfalls von der FamK Kindergeld gezahlt worden sei, also eine Doppelzahlung vorliege. Andernfalls könne der Zahlungsempfänger schuldbefreiend nur unmittelbar an die kindergeldberechtigte Kindsmutter leisten, wenn er vor einer doppelten Inanspruchnahme durch Mutter und FamK sicher sein wolle. Eine solche zugunsten privater Gläubiger bestehende Ausgleichsschuld könne nicht Grundlage steuerlicher Säumniszuschläge sein, solange nicht an die kindergeldberechtigte Kindsmutter gezahlt worden sei.
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Verfahrensmäßig empfehle sich die Aussetzung des Verfahrens bis zum Ergehen der Entscheidung über den Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid. Denn nur dann könne festgestellt werden, ob und inwieweit die Rückforderung auch im Hinblick auf die vorprozessuale Regelung durch Erledigungserklärung berechtigt sei und die Grundlage für die Berechnung von Säumniszuschlägen bieten könne.
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Weiter werde darauf hingewiesen, dass zahlreiche nicht behandelte Erlass- und Stundungsanträge auf Entscheidung harrten.
die Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 und die zu Grunde liegende Zinsfestsetzung im Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 aufzuheben,
hilfsweise, angefallene Säumniszuschläge auf einer Grundlage von einer Rückforderung in Höhe von 1.393,60 € zu berechnen, sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung verweist die FamK auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 und führt im Rahmen des dazu angestrengten Verfahrens betreffend einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergänzend hierzu aus, dass sich im Streitfall die angefallenen Säumniszuschläge auf 52 € pro angefangenen Monat beliefen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Kindergeldakte der FamK sowie die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten nebst Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2021 Bezug genommen.
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1. Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
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2. Die Klage ist jedoch - sowohl im Hauptwie auch im Hilfsantrag - unbegründet. Die FamK hat zu Recht im streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung angefallene Säumniszuschläge i.H.v. 468 € festgestellt.
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a) aa) Steuerliche Nebenleistungen sind nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Abgabenordnung (AO) neben Zinsen i.S.d. §§ 233 bis 237 AO auch Säumniszuschläge i.S.d. § 240 AO. Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, so ist nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag. Nach § 240 Abs. 1 Satz 3 AO tritt die Säumnis nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes und werden nicht durch Bescheid festgesetzt. Bei Streit über die Verwirklichung von Säumniszuschlägen ist ein Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO zu erlassen. Aus dem Abrechnungsbescheid muss hervorgehen, für welchen Steuerschuldner, welchen Steuerbetrag und wann Säumniszuschläge entstanden sind (FG Hamburg, Urteil vom 24. Oktober 1989 II 117/86, EFG 1990, 458; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 240 AO Rn. 62).
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bb) Nach § 218 Abs. 1 Satz 1 AO sind Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen nach § 240 AO genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands. Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche i.S.d. § 218 Abs. 1 AO betreffen, entscheidet nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Das gilt gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betrifft.
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Im Abrechnungsbescheid ist der jeweilige Anspruch nach Jahr und Betrag möglichst genau zu bestimmen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. August 1999 VII R 92/98, BStBl II 1999, 751). In einfach gelagerten Fällen muss der Steuerpflichtige von ihm angeforderte Säumniszuschläge jedoch selbst nachrechnen (Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2019, § 240 Rn. 44). Zuständig für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die Finanzbehörde, die den Steueranspruch festgesetzt hat, um dessen Verwirklichung gestritten wird (BFH-Urteil vom 12. Juli 2011 VII R 69/10, BFH/NV 2011, 1936).
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cc) Gegen einen Abrechnungsbescheid kann Einspruch eingelegt werden. Die Finanzbehörde, die über einen Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Dies bedeutet, dass die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren so entscheiden kann, als ob sie die Sache erstmals in einem Verwaltungsakt regelt (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Juli 2007 VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069 m.w.N.). Für die finanzgerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (BFH-Urteil vom 21. November 2006 VII R 68/05, BStBl II 2007, 291).
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Im Klageverfahren hat das Finanzgericht die zutreffende Abrechnung selbst zu ermitteln und darf sich nicht darauf beschränken, den Abrechnungsbescheid der Finanzbehörde als unzutreffend zu verwerfen (BFH-Urteil vom 18. Juni 1993 VI R 67/90, BStBl II 1994, 182; FG Hessen, Urteil vom 5. Mai 1999 6 K 2207/96, EFG 1999, 930).
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b) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind zu Recht angefallene Säumniszuschläge i.H.v. 468 € festgestellt worden.
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aa) Die FamK war für den Erlass des Abrechnungsbescheids vom 12. Dezember 2018 betreffend die streitgegenständlichen Säumniszuschläge zuständig. Sie hat auch die Bescheide z.B. über die Aufhebung und Rückzahlung des zu Unrecht an den Kläger gezahlten Kindergelds vom 24. Oktober 2011 und 15. Januar 2018 erlassen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Satz 4 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) umfasst nicht die Befugnis zur Übertragung der Zuständigkeit für die Bearbeitung sämtlicher Rechtsbehelfsverfahren in Erhebungsangelegenheiten auf eine einzige FamK (vgl. z.B. Urteil des FG München vom 7. Juli 2020 5 K 2557/19, juris).
41
bb) Der Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung stellt inhaltlich bestimmt angefallene Säumniszuschläge i.H.v. 468 € fest.
42
Denn auch wenn der Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 zu erstattende steuerliche Nebenleistungen in Gestalt von Zinsen i.H.v. 468 € regelt und lediglich auf Seite 2 des Bescheides Hinweise zu Säumniszuschlägen erfolgen, durfte die FamK im Rahmen des gegen den Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 gerichteten Einspruchsverfahrens nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO die Sache in vollem Umfang erneut überprüfen. Sie konnte daher in der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 die Bezeichnung sowie die Rechtsgrundlage der im angefochtenen Abrechnungsbescheid bezeichneten Nebenleistungen austauschen und zutreffend bezüglich des Betrags i.H.v. 468 € von Säumniszuschlägen i.S.d. § 240 AO anstatt - wie ursprünglich - von Zinsen ausgehen.
43
Durch die Bezugnahme auf den Rückforderungsbescheid vom 15. Januar 2018 und die Angabe des Betrags des zurückgeforderten Kindergeldes i.H.v. 5.241,82 € im Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 und den Verweis in der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 auf den Anfall von Säumniszuschlägen bis zur Vorlage der Weiterleitungserklärung am 5. November 2018 hat die FamK sämtliche Angaben gemacht, aufgrund derer sich für den anwaltlich vertretenen Kläger die ausgewiesenen Säumniszuschläge i.H.v. 468 € nach Grund und Höhe ausreichend schlüssig und rechnerisch einfach nachvollziehbar am Maßstab des § 240 AO ergeben. Bei einer Fälligkeit des Rückforderungsbetrags am 11. Februar 2018 folgen bis zum 5. November 2018 neun angefangene Monate der Säumnis. Bei einem rückständigen Betrag i.H.v. 5.241,82 € ergibt sich nach Abrundung auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag (= 5.200 €) ein monatlicher Säumniszuschlag von 1% i.H.v. 52 €, was bei einer Säumnis von neun Monaten einen Säumniszuschlag i.H.v. insgesamt 468 € ergibt (= 52 € x 9 Monate).
44
cc) Der Abrechnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung betrifft auch angefallene Säumniszuschläge infolge der nicht fristgerechten Zahlung von Rückforderungsansprüchen; diese Rückforderungsansprüche waren entstanden durch die Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für das Kind L ab November 2011 mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012.
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(1) Das Bestehen von Rückforderungsansprüchen i.H.v. 5.241,82 € ist bestandskräftig mit dem Rückforderungs- und Abrechnungsbescheid vom 15. Januar 2018 geregelt worden. Denn in diesem Bescheid ist festgestellt worden, dass der Kläger Kindergeld für den Zeitraum von November 2011 bis Dezember 2016 erhalten habe, die Zahlung aber ohne Rechtsgrund erfolgt sei und der zu viel gezahlte Betrag i.H.v. 5.241,82 € nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten sei. Dieser Bescheid ist zwar mit Einspruch angefochten worden; gegen die danach ergangene Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2018 ist aber keine Klage erhoben worden.
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Das Gericht teilt nicht die Ansicht des Klägers, über seinen Einspruch sei bezüglich des Rückforderungsanspruchs noch nicht entschieden worden - mithin der Bescheid sei insoweit noch nicht bestandskräftig. Denn mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2018 betreffend den Einspruch „gegen den Bescheid vom 15. Januar 2018“ ist über den Einspruch insgesamt entschieden worden und nicht lediglich eine Teil-Einspruchsentscheidung über den Abrechnungsbescheid getroffen worden. Zum einen ist die Einspruchsentscheidung nicht als eine solche bezeichnet, und zum anderen ist nicht gemäß § 367 Abs. 2a Satz 2 AO bestimmt worden, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll. Auch wenn die FamK den Betreff der Einspruchsentscheidung mit „wegen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) für das Kind L vom November 2011 bis Dezember 2016 und der damit verbundenen Erstattungspflicht“ bezeichnet, geht hieraus nicht hervor, dass hinsichtlich der Rückforderungspflicht keine Entscheidung getroffen werden soll. Auch aus den Gründen, die zur Auslegung des Regelungsgehalts der Einspruchsentscheidung erforderlichenfalls heranzuziehen sind (BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 54/04, BFH/NV 2006, 1241), geht eine solche Beschränkung des Entscheidungsumfangs nicht hervor. Denn die FamK hat auch zur Zahlung ohne Rechtsgrund und der daraus resultierenden Erstattungspflicht Stellung genommen.
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Mangels danach erhobener Klage ist damit bestandskräftig geregelt, dass der Kläger bis 11. Februar 2018 einen rechtsgrundlos gezahlten Betrag i.H.v. 5.241,82 € zu erstatten hat. Die vom Kläger diesbezüglich angeregte Aussetzung des Verfahrens bis zum Ergehen der Entscheidung über den Einspruch gegen den Rückforderungsbescheid war daher nicht veranlasst.
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(2) Diese bestandskräftige Verpflichtung zur Rückzahlung von 5.241,82 € beruht auch materiell-rechtlich - ohne dass dies Wirksamkeitsvoraussetzung wäre - auf einem Erstattungsanspruch wegen rechtsgrundloser Zahlung von Differenzkindergeld in Höhe von 5.241,82 € für die Monate November 2011 bis Dezember 2016. Denn mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012 hat die FamK die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers ab November 2011 aufgehoben. Die dagegen gerichtete Klage haben die Beteiligten für erledigt erklärt. Damit ist auch dieser Bescheid bestandskräftig geworden. Die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung führt zum Wegfall des rechtlichen Grundes für die Zahlung, so dass zu viel gezahltes Kindergeld zu erstatten ist (§ 37 Abs. 2 AO).
49
Das Gericht teilt nicht die Meinung des Klägers, der Aufhebungsbescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012 sei durch nachfolgende Bescheide geändert worden.
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(a) Ein solcher Änderungsbescheid ist nicht - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 2017 vertreten - im Bescheid vom 23. Januar 2013 über die Aussetzung der Vollziehung zu sehen. Denn inhaltlich regelt dieser Bescheid ausweislich des Wortlauts seines verfügenden Teils lediglich die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012. Auch durch die Erledigungserklärung der Beteiligten in dem Klageverfahren Az. … bzw. später Az. yyy (betreffend den Aufhebungsbescheid vom 24. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2012) ist der Regelungsgehalt dieses Bescheides über die Aussetzung der Vollziehung vom 23. Januar 2013 nicht verändert worden. Zum einen ist die FamK der Ansicht entgegengetreten, der Bescheid vom 23. Januar 2013 setze erneut Kindergeld fest. Entsprechend ist die Erledigungserklärung der Beteiligten nicht inhaltlich mit einer entsprechenden Zusage der FamK, sie gehe ebenfalls von der von dem Kläger vertretenen Interpretation aus, verbunden worden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Mai 1999 I B 98/98, BFH/NV 1999, 1487), so dass ein entsprechender Rechtsbindungswille der FamK weder dokumentiert noch sonst erkennbar ist. Zum anderen wäre eine solche Einigung als tatsächliche Verständigung - hätte sie stattgefunden - nicht wirksam. Denn der Regelungsgehalt eines Bescheides stellt nicht - wie für eine bindende tatsächliche Verständigung erforderlich - das Bestehen anderweitig nicht einfach zu behebender Unklarheiten in Sachverhaltsfragen dar (z.B. BFH-Urteil vom 3. April 2008 IV R 54/04, BStBl II 2008, 742 m.w.N.). Auf dieses Risiko der Erledigungserklärung durch den Kläger im Hinblick auf seine Interpretation des Bescheides vom 23. Januar 2013 ist der sachkundig vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung durch das Gericht im Rahmen dessen prozessualer Fürsorgepflicht hingewiesen worden.
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(b) Ein solcher Änderungsbescheid ist weiter nicht - wie vom Kläger in seinem Einspruchsschreiben vom 17. Januar 2018 gegen den Rückforderungs- und Abrechnungsbescheid vom 15. Januar 2018 vertreten - im Bescheid vom 23. März 2016 über die Wiederaufnahme von Zahlungen ab Mai 2015 bzw. eine Nachzahlung von Kindergeld von Mai 2015 bis März 2016 zu sehen. Denn inhaltlich regelt dieser Bescheid lediglich die aufgrund des gerichtlichen Aussetzungsbeschlusses vom 19. Dezember 2012 bestehende Pflicht zur einstweiligen Weiterzahlung des hälftigen Kindergeldes bis zur endgültigen Entscheidung in der Streitsache Az. … bzw. Az. yyy; hierzu hat nämlich der Kläger die FamK im Rahmen der deswegen erhobenen Leistungsklage verpflichten wollen und diese Leistungsklage hat er nach Erhalt des Schreibens der FamK vom 23. März 2016 entsprechend für erledigt erklärt. In diesem Sinne hat der fachkundig vertretene Kläger auch im Rahmen seines Einspruchsschreibens vom 17. Januar 2018 formuliert, aufgrund dieses Schreibens sei die Nachzahlungsklage wegen der zwischenzeitlichen Zahlungseinstellungen für erledigt erklärt worden.
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(c) Rechtsgrund ist auch nicht - wie ebenfalls im Einspruchsschreiben vom 17. Januar 2018 gegen den Rückforderungs- und Abrechnungsbescheid vom 15. Januar 2018 vertreten - eine Aussetzungsanordnung des Gerichts vom 19. Dezember 2012 (Az.zzz). Eine solche unterbindet lediglich vorübergehend die Verwirklichung des Regelungsgehalts des angefochtenen Verwaltungsaktes, lässt aber die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes selbst unberührt.
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(d) Ein solcher Änderungsbescheid ist schließlich nicht - wie vom Kläger in seinem Einspruchsschreiben vom 17. Januar 2018 gegen den Rückforderungs- und Abrechnungsbescheid vom 15. Januar 2018 vorgebracht sowie in seiner Klageschrift vom 1. August 2019 im hier anhängigen Verfahren vertreten - im Bescheid vom 15. Dezember 2016 über die Aufhebung der am 23. Januar 2013 erfolgten Festsetzung von Kindergeld für das Kind L ab dem Monat Januar 2017 zu sehen. In der Tatsache, dass dieser Bescheid den Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2016 nicht regelt, ist keine Regelung dahingehend zu erkennen, dass Kindergeld für diesen Zeitraum festgesetzt werden soll (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 107/01, BFH/NV 2002, 1290). Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 2. August 2017 ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger und die FamK im Hinblick auf diesen Bescheid und unter Zugrundelegung der rechtlichen Auffassung des Klägers die Hauptsache für erledigt erklärt hätten. Ohnehin wäre eine tatsächliche Verständigung über rechtliche Interpretationen eines Bescheides - hätte sie stattgefunden - nicht wirksam.
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dd) Der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid legt der Berechnung der Säumniszuschläge auch der Höhe nach zu Recht einen bis November 2018 bestehenden Erstattungsbetrag i.H.v. 5.241,82 € zu Grunde. Die vom Kläger bis August 2015 an die Kindsmutter weitergeleiteten Beträge tilgen die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der FamK nicht im Zeitpunkt der Zahlung an die Kindsmutter; diese ist nicht Gläubigerin des Rückzahlungsanspruches in Höhe des von der FamK an den Kläger überzahlten Kindergeldes.
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(1) Zum einen ist - wie dargestellt - bereits bestandskräftig mit dem Rückforderungs- und Abrechnungsbescheid vom 15. Januar 2018 geregelt und festgestellt worden, dass vom Kläger ein Betrag i.H.v. 5.241,82 € nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten ist und dieser Erstattungsbetrag noch nicht getilgt worden ist. Dieser Erstattungsbetrag betrifft ausweislich des Bescheides vom 15. Januar 2018 den Zeitraum November 2011 bis Dezember 2016. Damit ist bestandskräftig geregelt, dass auch vom Kläger als - wegen Weiterleitung an die Kindsmutter bis August 2015 - getilgt betrachtete Beträge noch zu erstatten sind.
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(2) Selbst wenn ein bestandskräftiger Abrechnungsbescheid nicht bestünde, wären dennoch die laut Weiterleitungserklärung der Kindsmutter von November 2011 bis August 2015 vom Kläger an sie überwiesenen Beträge nicht im Zeitpunkt der Überweisung, sondern erst mit Ergehen des streitgegenständlichen Abrechnungsbescheides als Tilgung des für die Zeiträume bestehenden Rückforderungsanspruches der FamK gegenüber dem Kläger zu qualifizieren.
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(a) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen nach § 37 Abs. 1 AO i.V.m. § 31 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) auch die Ansprüche auf Zahlung von Kindergeld gehören, erlöschen nach § 47 AO insbesondere durch Zahlung i.S.d. § 224 AO und durch andere dort näher bezeichnete Rechtsvorgänge. Diese Aufzählung der Erlöschensgründe ist jedoch bereits angesichts des Wortlauts der Norm („insbesondere“) nicht erschöpfend. Durch einen (verfügenden) Verrechnungsvertrag können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wechselseitig zum Erlöschen gebracht werden. Dies gilt auch für Ansprüche im Bereich der Weiterleitung von Kindergeld als einer monatlichen Steuervergütung durch Abschluss eines dreiseitigen Verrechnungsvertrages. Bei einer aufgrund eines Verrechnungsvertrages vorgenommenen Umbuchung handelt sich um eine Zahlung im Sinne des § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - (zum Ganzen FG Köln, Urteil vom 14. Dezember 2017 1 K 2090/15, EFG 2018, 1073 m.w.N.).
58
Das Rechtsinstitut des Verrechnungsvertrags wird mit der Begründung anerkannt, dass die Abgabenordnung es als selbstverständlich voraussetze, dass auch ein Dritter in sinngemäßer Anwendung des § 267 BGB durch Zahlung das Steuerschuldverhältnis zum Erlöschen bringen könne und nichts anderes gelten könne, wenn mit Zustimmung des Gläubigers die Steuerschuld eines Dritten statt durch Zahlung durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen getilgt werden solle (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Februar 1989 VII R 42/86, BFH/NV 1989, 762).
59
Ein Steuerpflichtiger kann - neben der Abtretung seines Steuererstattungsanspruchs - auch beantragen, seine Forderung mit der Steuerschuld eines anderen zu verrechnen. Folgt die Finanzbehörde einem solchen Antrag, liegt einer derartigen Umbuchung ein öffentlich-rechtlicher Verrechnungsvertrag zugrunde. Für dessen Abschluss genügt es, dass die Vertragsparteien über die zur Verrechnung gestellten Forderungen verfügen können. Ein solcher Verrechnungsvertrag folgt den Vorschriften des Zivilrechts und kommt durch Annahme des Angebots des Erstattungsberechtigten durch das Finanzamt zustande. Die Willenserklärungen der Vertragsparteien sind nach §§ 133, 157 BGB auszulegen (zum Ganzen FG Köln, Urteil vom 14. Dezember 2017 1 K 2090/15, EFG 2018, 1073 m.w.N.).
60
Diese Grundsätze gelten auch für den Fall des Abschlusses eines Verrechnungsvertrages beim Wechsel der Kindergeldberechtigten in so genannten Weiterleitungsfällen, wenn nämlich der vorrangig Berechtigte mit einer FamK als unterer Bundesfinanzbehörde einen verfügenden Verrechnungsvertrag abschließt, der den Sinn haben soll, dass die dem vorrangig Berechtigten zustehenden Kindergeld-Zahlungsansprüche mit den Rückforderungsansprüchen gegen dem nachrangig Berechtigten mit Erlöschenswirkung verrechnet werden sollen. Denn Sinn und Zweck der dazu verwendeten Weiterleitungserklärungen der FamK als Finanzbehörde ist es, gerade in Fällen des Wechsels der Kindergeldberechtigten im verkürzten Zahlungsweg den Ausgleich zwischen den grundsätzlich völlig unabhängig voneinander bestehenden Steuerrechtsverhältnissen der beiden Beteiligten zur jeweiligen FamK herbeizuführen. Gerade dies ist auch die Zielrichtung desjenigen Kindergeldberechtigten, der eine derartige Weiterleitungserklärung mit dem Inhalt unterzeichnet, dass er seinen Anspruch auf Kindergeld betreffend ein bestimmtes Kind und für bestimmte Zeiträume als erfüllt ansehe und daher auf die Auszahlung von Kindergeld verzichte (z.B. FG Köln, Urteil vom 14. Dezember 2017 1 K 2090/15, EFG 2018, 1073 m.w.N.).
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(b) Im Streitfall lag erst im Dezember 2018 ein wirksamer dreiseitiger Verrechnungsvertrag zwischen der Kindsmutter und der FamK als Vertrag zu Gunsten eines Dritten - des Klägers - vor.
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Das Angebot auf Abschluss dieses Verrechnungsvertrages hat die berechtigte Kindsmutter durch ihre (vom Kläger bei der FamK mit Schreiben vom 5. November 2018 vorgelegte) „Bestätigung über die Weiterleitung von Kindergeld zur Vorlage bei der Familienkasse“ vom 29. August 2018 gemacht, mit der sie erklärt, sie sehe ihren Anspruch auf Kindergeld gegen die FamK als erfüllt an und verzichte auf die Auszahlung von Kindergeld durch die FamK. Dieses Angebot hat die FamK durch den Abrechnungsbescheid vom 12. Dezember 2018 angenommen, indem sie von dem Erstattungsanspruch i.H.v. 5.241,82 € einen Betrag i.H.v. 3.848,22 € abgezogen und einen verbleibenden Erstattungsanspruch nur noch i.H.v. 1.393,60 € errechnet hat.
63
ee) Soweit der Kläger auch im Hinblick auf die nicht weitergeleiteten Beträge beanstandet, diese könnten nicht Grundlage steuerlicher Säumniszuschläge sein, solange keine Doppelzahlung - also neben einer Zahlung an ihn auch eine Zahlung an die Kindsmutter - vorliege, greift dieser Einwand nicht durch.
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Denn Säumniszuschläge entstehen gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO, wenn zurückzuzahlende Steuervergütungen - wie das Kindergeld gemäß § 31 Satz 1 EStG - nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet werden. Die vom Kläger formulierte weitere Voraussetzung einer Doppelzahlung von Kindergeld ist keine Voraussetzung für das Entstehen von Säumniszuschlägen. Im Übrigen handelt es sich bei den Ansprüchen auf Kindergeld der Kindergeldberechtigten gegenüber der FamK und den Erstattungsforderungen der FamK gegenüber dem Kläger um eigenständige, gesetzlich nicht miteinander verbundene Steuerschuldverhältnisse.
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ff) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger in Bezug genommenen Erlassanträgen vom 24. März 2018 und 21. Juni 2018, da nach Lage der Akten bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2019 über die Erlassanträge noch nicht entschieden worden ist und im Übrigen Billigkeitsmaßnahmen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Die Revision wird nicht zugelassen, da im Streitfall kein Zulassungsgrund i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.