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AG Neumarkt, Urteil v. 11.05.2021 – 20 Cs 409 Js 50380/21
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Hauptverhandlung, Attest, Angeklagte, Arzt, Gesundheitszustand, Internet, Zeitpunkt, Zahlung, Angeklagten, Auflage, Erforderlichkeit, Behandlung, Kontrolle, Tatvorwurf, Bundesrepublik Deutschland, falsche Angaben, billigend in Kauf

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Hauptverhandlung, Attest, Angeklagte, Arzt, Gesundheitszustand, Internet, Zeitpunkt, Zahlung, Angeklagten, Auflage, Erforderlichkeit, Behandlung, Kontrolle, Tatvorwurf, Bundesrepublik Deutschland, falsche Angaben, billigend in Kauf
Rechtsmittelinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05.10.2021 – 14 Ns 409 Js 50380/21
BayObLG, Urteil vom 18.07.2022 – 203 StRR 179/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58807

Tenor

1. Die Angeklagte wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Entscheidungsgründe

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Der Angeklagten lag zur Last am 06.11.2020 gegen 15:30 Uhr in der Oberen M1. straße 51 in ... N. in der Oberpfalz trotz der zu diesem Zeitpunkt aufgrund der grassierenden Corona Pandemie geltenden Auflage nach dem BaylfSG keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen zu haben und deshalb einer Kontrolle durch die Polizeibeamten PHK Sch.und PHK M.unterzogen worden zu sein. Im Rahmen dieser Kontrolle soll die Angeklagte den vorgenannten Polizeibeamten erklärt haben, dass sie aufgrund eines Attests von der Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, befreit sei, wobei sie ein vermeintliches ärztliches Attest des in Österreich ansässigen Dr. P. E. vorgezeigt haben soll. Dieses Attest - so der Inhalt des Strafbefehls vom 21.01.2021 - hätte die Angeklagte über das Internet gegen Zahlung eines Betrags von 20,00 Euro erworben, ohne jemals von Dr. P. E. untersucht worden zu sein. Hierbei soll die Angeklagte bewusst oder zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass es sich bei dem Attest nicht um ein in der Bundesrepublik Deutschland anerkanntes ärztliches Attest handelte. Sie soll dieses Attest gleichwohl verwendet haben, um bei Kontrollen gegenüber der Polizei oder dem Ordnungsamt den Eindruck zu erwecken, aufgrund ihres Gesundheitszustandes von der Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, befreit zu sein.
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Ein derartiges Verhalten der Angeklagten wäre strafbar als Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse gern. § 279 StGB.
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Nach Durchführung der Hauptverhandlung vom 11.05.2021 ließ sich vorgenannter Tatvorwurf nicht länger aufrechterhalten.
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Die Angeklagte wies unter Vorlage eines Ausdrucks einer von ihr an den Zeugen Dr. P. E. gerichteten E-Mail daraufhin, dass sie diesem unter Schilderung ihrer physischen und psychischen Befindlichkeiten die Bitte um die Ausstellung eines entsprechenden ärztlichen Attests unterbreitet habe. Insbesondere hätte sie ihn darauf hingewiesen, dass sie beim Tragen einer Maske schnell kurzatmig werde, ihr Puls hochschnelle, sie hierdurch Kreislaufprobleme bekomme und hyperventiliere sowie Gefahr laufe, ohnmächtig zu werden.
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In der Folgezeit sei ihr dann das auf BI. 14 d. A. abgelichtete ärztliche Attest des Dr. P. E. zugesandt worden, In welchem dieser bestätigt hätte, dass das Tragen von einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung für die Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen kontraindiziert, wissenschaftlich belegbar gesundheitsschädlich und im Sinne der Psychohygiene traumatisierend und damit unzumutbar sei.
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Sie, die Angeklagte, wäre davon ausgegangen, dass damit eine hinreichend aussagekräftige Grundlage für die Erstellung des verfahrensgegenständlichen Attests vorgelegen habe und seitens Dr. P. E. ein inhaltlich korrektes Gesundheitszeugnis ausgestellt worden sei, welches sie der Polizei oder Behörden gegenüber vorlegen durfte.
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Darüber hinaus wies die Angeklagte unter Vorlage eines weiteren ärztlichen Attests vom 23.11.2020, welches von Dr. med. H. M2., der damaligen Hausärztin der Angeklagten, ausgestellt worden sei, daraufhin, dass auch diese ärztliche Bescheinigung, in welcher die Erforderlichkeit einerfußpflegerischen Behandlung in einem Turnus von 4-6 Wochen, welche die Angeklagte selbst nicht durchführen könne, bestätigt wird, lediglich nach Schilderung ihrer gesundheitlichen Situation einer Arztpraxismitarbeiterin gegenüber ausgestellt worden sei. Dabei erklärte die Angeklagte ergänzend, dass bis zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses ärztlichen Attests keinerlei Behandlung durch ihre Hausärztin betreffend ihre Füße erfolgt sei.
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Desweiteren ist in diesem Kontext von Belang, dass gerichtsbekanntermaßen zur Tatzeit die Praxis der Ausstellung von ärztlichen Attesten und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen allein aufgrund schriftlicher oder telefonischer Schilderungen von Symptomen durch die jeweils Betroffenen ohne weitere ärztliche Untersuchung oder persönliches Erscheinen in den jeweiligen Arztpraxen geläufig und allgemein bekannt war.
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Im Übrigen wies der vom Gericht gehörte Zeuge PHK Sch.auf Nachfrage während der Hauptverhandlung vom 11.05.2021 daraufhin, dass keinerlei weitere konkrete Ermittlungen in Bezug auf die Ausstellung des verfahrensgegenständlichen Attests für die Angeklagte durch Dr. P. Ei. angestellt worden seien. Vielmehr hätte er lediglich eine allgemeine Recherche betreffend die Person und Tätigkeit des Dr. P. E. im Internet vorgenommen, ohne jeglichen konkreten Bezug zum nunmehrigen Tatvorwurf der Angeklagten gegenüber.
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Dementsprechend liegen nach Auffassung des Gerichts keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür vor, dass es an einer jeglichen Grundlage für die Ausstellung des verfahrensgegenständlichen Attests mangelt und der Inhalt dieses Attests sachlich falsche Angaben betreffend den Gesundheitszustand der Angeklagten widerspiegelt.
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Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn das verfahrensgegenständliche ärztliche Attest inhaltliche Fehler enthalten sollte, nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagten dies bekannt war und sie in dem Wissen um eine sachliche Unrichtigkeit des Attests bzw. der billigenden Inkaufnahme einer solchen Unrichtigkeit die Nutzung dieses Attests zur Täuschung von Polizeibeamten oder Behörden vornehmen wollte.
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Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass es für die Annahme eines falschen Attests im Sinne der Regelung des § 279 StGB auch nicht darauf ankommt, ob der untersuchende Arzt alle nach der ärztlichen Kunst angezeigten Untersuchungsmethoden ausschöpfte oder sich insoweit mit geringeren Anforderungen begnügte.
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Selbst dann, wenn die eine oder andere zusätzliche Untersuchung aus medizinischer Sicht sinnvoll und angezeigt gewesen wäre, tatsächlich jedoch nicht erfolgt ist, läge kein falsches Attest gemäß § 279 StGB vor.
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Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass, unabhängig davon, ob das verfahrensgegenständliche Attest überhaupt eine hinreichend konkrete Beschreibung des gesundheitlichen Zustands der Angeklagten enthält, weder der objektive noch der subjektive Tatbestand der Regelung des § 279 StGB erfüllt ist, so dass die Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1 und 467 Abs. 1 StPO.