Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 28.07.2021 – 2 Ta 71/21
Titel:

Beschwerde, Frist, Kostenerstattung, Vergleich, Streitwertkatalog, Anspruch, Verfahren, Bindungswirkung, Streitwertbemessung, Wert, Kostenentscheidung, Stellungnahme, Beschwerdeverfahren, Schriftsatz, sofortige Beschwerde, Frist zur Stellungnahme, Wert des Beschwerdegegenstandes

Normenketten:
GKG § 48
ZPO § 3
SGB VII § 104
Leitsatz:
Bei der Streitwertbemessung einer unbezifferten Schmerzensgeldklage bleibt außer Betracht, ob der in Anspruch genommene Beklagte dem Grunde nach haftet.
Schlagworte:
Beschwerde, Frist, Kostenerstattung, Vergleich, Streitwertkatalog, Anspruch, Verfahren, Bindungswirkung, Streitwertbemessung, Wert, Kostenentscheidung, Stellungnahme, Beschwerdeverfahren, Schriftsatz, sofortige Beschwerde, Frist zur Stellungnahme, Wert des Beschwerdegegenstandes
Vorinstanz:
ArbG Würzburg, Beschluss vom 26.04.2021 – 3 Ca 250/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58770

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägervertreters wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 26.04.2021, Az. 3 Ca 250/21, abgeändert.
2. Der Streitwert für Verfahren und Vergleich wird auf 5.482,- € festgesetzt.

Gründe

A.
1
Die Parteien stritten um bezifferte Zahlungsansprüche in Höhe von 482,- € sowie um Schmerzensgeld, dessen Höhe in das ausdrückliche Ermessen des Gerichts gestellt wurde. In der Klagebegründung gab die Klägerin (GdB 60) an, sie halte ein Schmerzensgeld in der Höhe von jedenfalls 5.000,- € für angemessen. Die Beklagte habe den von ihr erlittenen Zwerchfellbruch durch Zuweisung des Tragens zu schwerer Lasten und Überkopfarbeit vorsätzlich verursacht.
2
Das Verfahren endete durch gerichtlich protokollierten Vergleich.
3
Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert mit Beschluss vom 26.04.2021 auf 1.482,- € fest.
4
Hiergegen legte der Klägerinvertreter mit Schriftsatz vom 07.05.2021 sofortige Beschwerde ein und begründete näher, dass die Klägerin unter einem Gendefekt leide und deshalb keine Medikamente einnehmen könne.
5
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde unter Hinweis auf Ziffer I. Nr. 23 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit Beschluss vom 05.07.2021 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Zu berücksichtigen sei die Haftungsprivilegierung des § 104 Abs. 1 SGB VII.
6
Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme bis 26.07.2021 ein. Soweit Stellungnahmen erfolgt sind, wird auf diese verwiesen.
B.
7
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
8
II. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist im vorliegenden Falle mit 5.000,- € zu bewerten.
9
1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
10
2. Der Streitwert einer unbezifferten Schadensersatzklage ist nach §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO zu schätzen. Dabei ist der Betrag zu festzusetzen, den das Gericht auf Grund der Darlegungen des Klägers als angemessen erachtet, sofern der Kläger keinen Mindestbetrag nennt (BGH 12.06.2012 - X ZR 104/09 Rn 5, juris). Offensichtlich übertriebene Einschätzungen bleiben allerdings außer Betracht (Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 3 ZPO rn. 16.169). Der Streitwertkatalog empfiehlt in Ziff. I. Nr. 23, dass sich der Wert einer solchen Klage nach dem wirtschaftlichen Interesse der klagenden Partei richte; abzustellen sei auf die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, die Höhe des (auch künftigen) Schadens sowie das Risiko der tatsächlichen Inanspruchnahme. Mit dem Risiko der tatsächlichen Inanspruchnahme ist aber nicht gemeint, ob dem Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch besteht. Der Streitwert einer Schmerzensgeldklage kann nicht unterschiedlich danach bemessen werden, wer in Anspruch genommen wird und ob derjenige etwa haftungsprivilegiert ist. Deshalb kann die Frage des Haftungsausschlusses nach § 104 Abs. 1 SGB VII für nicht vorsätzliches Handeln für die Bemessung des Streitwerts nicht ausschlaggebend sein. Das wirtschaftliche Interesse hat die Klägerin mit 5.000,- € angegeben. Der Schaden, also die Schmerzen durch die Verletzung, ist bereits eingetreten. Dass es sich bei der als angemessen angegebenen Summe von 5.000,- um eine offensichtlich übertriebene Einschätzung des Schadens (nicht der Prozessaussichten insgesamt) handelt, ist nicht ersichtlich.
C.
11
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
12
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.