Titel:
Bewertung von im Vergleich miterledigter weiterer Kündigungsschutzverfahren.
Normenkette:
GKG § 63, § 68
Schlagworte:
Beschwerde, Vergleichsmehrwert, Vergleich, Festsetzung, Streitwertkatalog, Abrechnung, Frist, Verfahren, Erteilung, Bruttomonatsgehalt, Kostenerstattung, Berichtigung, Bindungswirkung, Streitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Gelegenheit zur Stellungnahme, von Amts wegen
Vorinstanz:
ArbG Nürnberg, Beschluss vom 29.10.2020 – 10 Ca 5393/19
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58736
Tenor
Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 29.10.2020, Az. 10 Ca 5393/19, wird zurückgewiesen.
Der Vergleichsmehrwert wird von Amts wegen auf 8454,42 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien stritten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung vom 26.09.2019. Mit Klageerweiterung vom 12.02.2020 machte der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise eines qualifizierten Endzeugnisses geltend. Darüber hinaus erhob der Kläger am 04.03.2020 zwei weitere Klagen (Az. 10 Ca 1098/20 und 10 Ca 1099/20), mit denen sich der Kläger gegen zwei weitere ordentliche Kündigungen vom 12.02.2020, einmal als Tatkündigung und einmal als Verdachtskündigung, zur Wehr setzte. Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers beträgt 2818,14 €.
2
Das Verfahren endete am 07.10.2020 durch Abschluss eines gerichtlich protokollierten Vergleichs. Hierin einigten sich die Parteien u.a. auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2020, auf Abrechnung des Arbeitsverhältnisses und Auszahlung des Nettobetrags bis einschließlich Juli 2020, dass Urlaub und Zeitguthaben in Natur eingebracht sind, auf die Erteilung eines Zeugnisses mit konkreter Leistungsart für Beurteilung, auf die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung und auf Stillschweigen über den Inhalt des Vergleichs. Darüber hinaus wurden die beiden Kündigungsschutzverfahren mit erledigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vergleich (Blatt 180,181 der Akten) verwiesen.
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Mit Beschluss vom 29.10.2020 setzte das Gericht den Streitwert für das Verfahren auf 11.272,56 € (= vier Monatsgehälter) fest und den überschießenden Vergleichswert auf 8735,42 € (= drei Monatsgehälter für die erledigten Verfahren + 281 € für die Erteilung der Arbeitsbescheinigung).
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Mit Schreiben vom 29.04.2020 legte der Klägervertreter gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Der Vergleichsmehrwert sei zu niedrig angesetzt. Für die miterledigten Verfahren seien insgesamt sechs Monatsgehälter anzusetzen. Auch die Verpflichtung zur Abrechnung und Auszahlung des Nettobetrages bis Juli 2020 sei ebenso streitwerterhöhend zu berücksichtigen wie die Einigung auf Einbringung von Urlaubstagen. Wegen der getroffenen Festlegungen hinsichtlich des Zeugnisinhalts sei insoweit ein weiteres Bruttomonatsgehalt festzusetzen. Auch die Stillschweigensklausel sei zu bewerten.
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Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 26.05.2021 nicht ab (Blatt 225-227 der Akten) und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.
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Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis letztlich 13.07.2021. Auf die Stellungnahme des Klägervertreters vom 13.07.2021 wird Bezug genommen.
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I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
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II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat sowohl den Verfahrensstreitwert als auch den Vergleichsmehrwert in im Wesentlichen beanstandungsfreier Weise festgesetzt und ausführlich im Nichtabhilfebeschluss begründet. Das Landesarbeitsgericht nimmt ausdrücklich auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss Bezug und macht sie sich entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen. Allerdings war für die Erteilung der Arbeitsbescheinigung ein Vergleichsmehrwert nicht festzusetzen. Es sind lediglich noch folgende Ausführungen veranlasst:
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1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
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2. Der Verfahrensstreitwert ist korrekt mit vier Monatsgehältern festgesetzt worden. Hiergegen wendet sich der Klägervertreter auch nicht.
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3. Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsanspruch beseitigt wird. Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert nur festzusetzen ist, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.
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a. Das Arbeitsgericht hat für die beiden miterledigten Kündigungsschutzverfahren insgesamt in Übereinstimmung mit dem aktuellen Streitwertkatalog weitere drei Monatsgehälter angesetzt. Nach dessen Ziffer I.25 Satz 4 führen vergleichsweise miterledigte anderweitig rechtshängige Verfahren nur dann zu einem Vergleichsmehrwert, wenn sie bei Geltendmachung in einem Verfahren zu einer Werterhöhung geführt hätten. Da die beiden miterledigten Verfahren Kündigungen mit demselben Endtermin (30.09.2020) zum Gegenstand hatten, wäre bei Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigungen in einem Verfahren insgesamt einmal ein Vierteljahresverdienst als Streitwert festzusetzen gewesen (I. 21.2 Streitwertkatalog). Eine Abweichung von den Empfehlungen des Streitwertkatalogs ist gerade im vorliegenden Fall im Rahmen des nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO eingeräumten richterlichen Ermessens schon deshalb nicht veranlasst, da es sich bei den Kündigungen um dasselbe Kündigungsschreiben handelte, das lediglich zweimal ausgefertigt wurde, einmal im Hinblick auf die erwiesene Tat und einmal im Hinblick auf den Verdacht der Begehung dieser Tat. Wirtschaftlich betrachtet wurde durch den Vergleich der Streit um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem weiteren Beendigungstermin und nicht zu zwei verschiedenen Beendigungsterminen beigelegt. Beide Kündigungen sind wirtschaftlich identisch. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass es im hiesigen Beschwerdeverfahren nur um die Festsetzung des Vergleichsmehrwerts geht, nicht um die Festsetzung der Verfahrenswerte für die miterledigten Verfahren. Insoweit empfiehlt der Streitwertkatalog keine verfahrensübergreifende Betrachtungsweise (Vorbemerkung Streitwertkatalog).
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b. Einigen sich die Parteien im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits über die Erteilung eines Zeugnisses im Wege der Berichtigung auch auf dessen Inhalt, führt dies nicht zu einem Vergleichsmehrwert. Es ist vielmehr regelmäßig insgesamt ein Monatseinkommen als Streitwert für Erteilung und Berichtigung eines Zeugnisses anzusetzen (LAG Nürnberg 23.12.2020 - 2 Ta 145/20 - juris mit ausführlicher Begründung). An dieser Rechtsprechung wird festgehalten.
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c. Hinsichtlich der Abrechnung der Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt mit Zahlung des Nettobetrags ist nicht ersichtlich, inwieweit hier ein Streit oder eine Ungewissheit beigelegt worden ist. Dasselbe gilt für die Einbringung des Urlaubs und der Zeitguthaben sowie der Stillschweigensklausel (vgl. LAG Nürnberg 30.10.2020 - 2 Ta 123/20 Rn 21 - juris). Auf die Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss wird Bezug genommen.
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d. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass ein Streit oder eine Ungewissheit hinsichtlich der Erteilung der Arbeitsbescheinigung bestanden hätte. Auch insoweit handelt es sich lediglich um eine reine Abwicklungsregelung, die sich aus der Einigung in Ziffer 1 und 2 des Vergleichs ergibt (vgl. LAG Nürnberg 30.10.2020 - 2 Ta 123/20 Rn 21 - juris). Der vom Arbeitsgericht insoweit festgesetzte Wert von 281,- € war daher von Amts wegen zu korrigieren (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG).
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4. Insgesamt war der Vergleichsmehrwert daher auf drei Monatsgehälter festzusetzen. Dies ist ein Betrag von 8454,42 €.
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Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
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Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.