Inhalt

OLG München, Beschluss v. 15.11.2021 – 2 Ws 864/21 B
Titel:

Beschwerde, Vollstreckung, Einstellung, Verletzung, Rechtsmittel, Stundung, Nachholung, Voraussetzungen, Ausschluss, Rechtsverletzung, Kostenentscheidung, Senatsbeschluss, Selbstkontrolle, Zweck, Sinn und Zweck, Ausschluss der Beschwerde, Frankfurt Main

Schlagworte:
Beschwerde, Vollstreckung, Einstellung, Verletzung, Rechtsmittel, Stundung, Nachholung, Voraussetzungen, Ausschluss, Rechtsverletzung, Kostenentscheidung, Senatsbeschluss, Selbstkontrolle, Zweck, Sinn und Zweck, Ausschluss der Beschwerde, Frankfurt Main
Vorinstanzen:
LG München I, Beschluss vom 18.08.2021 – 14 Qs 31/21
AG München vom -- – 1122 OWi 262 Js 128852/18 (2)
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58722

Tenor

I. Die Beschwerde des Betroffenen M. R. gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 18. August 2021, Az.: 14 Qs 31/21, wird als unzulässig verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 10.02.2020, rechtskräftig seit 18.02.2020, wurde gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von 7.500,- € verhängt.
2
Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.04.2021 wurde der Antrag des Betroffenen auf Einstellung der Vollstreckung, hilfsweise Stundung der Vollstreckung, abgelehnt.
3
Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 30.06.2021 die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.04.2021 verworfen.
4
Gegen den Beschluss vom 30.06.2021 hat der Betroffene mit Schreiben vom 12.07.2021 Gehörsrüge erhoben.
5
Mit Beschluss vom 18.08.2021 hat das Landgericht München I den Antrag des Betroffenen gemäß § 33a StPO auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs als unzulässig verworfen.
6
Hiergegen hat der Betroffene mit Schreiben vom 01.09.2021 Beschwerde zum Oberlandesgericht München erhoben. Das Landgericht München I hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.10.2021 nicht abgeholfen.
7
Hinsichtlich des Verfahrensgangs und der Einzelheiten wird auf die genannten Eingaben und Entscheidungen Bezug genommen.
II.
8
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 18.08.2021 war als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerde gegen diesen Beschluss, mit dem das Landgericht die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs abgelehnt hat, nicht statthaft ist.
9
Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass eine sachliche Überprüfungsentscheidung des Gerichts nach Nachholung des rechtlichen Gehörs nicht anfechtbar ist. Die Frage, ob gegen eine Entscheidung im Nachholungsverfahren, in dem zunächst zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs überhaupt gegeben sind, Beschwerde eingelegt werden kann, ist dagegen umstritten.
10
Zum einen wird vertreten, dass die Ablehnung der nachträglichen Gewährung rechtlichen Gehörs generell unanfechtbar ist (vgl. OLG Hamburg, NJW 2017, 2360; OLG Frankfurt am Main, NStZ-RR 2012, 315; OLG Bremen, NStZ-RR 2019, 314; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 33a Rnr. 10; Maul in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 33a Rnr. 11). Die Gegenmeinung hält eine Beschwerde in diesen Fällen insoweit für zulässig, als zur Überprüfung gestellt wird, ob eine Ablehnung der Durchführung des Nachholungsverfahrens zu Recht ergangen ist, unabhängig davon, ob die Anhörungsrüge als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen worden ist (KG, NStZ-RR 2016, 52; Valerius in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, § 33a Rnr. 21). Darüber hinaus wird vertreten, dass für die Frage der Statthaftigkeit einer Beschwerde danach zu differenzieren sei, ob der Antrag nach § 33a StPO als unzulässig oder als unbegründet abgelehnt worden sei; im Falle der Unzulässigkeit sei eine Beschwerde statthaft, im Falle der Unbegründetheit hingegen nicht (vgl. OLG Celle, NJW 2012, 2899). Das Bundesverfassungsgericht hat den Meinungsstand in seiner Entscheidung vom 13.10.2015 (NJW 2016, 861) skizziert, ebenso der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.05.2020 (NStZ-RR 2020, 252), die Frage im Ergebnis jedoch offen gelassen.
11
Der Senat tritt der erstgenannten Auffassung bei, nach der eine Beschwerde gegen eine Entscheidung gemäß § 33a StPO generell nicht statthaft ist, und macht sich hierbei die in den genannten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg, Frankfurt am Main und Bremen angeführten überzeugenden Argumente zu eigen (vgl. Senatsbeschluss vom 09.11.2020, Az.: 2 Ws 1139/20). Nach Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des § 33a StPO dient diese Vorschrift der Selbstkontrolle der Gerichte. Sie führt ausnahmsweise und ausschließlich in dem Fall zur erneuten inhaltlichen Überprüfung einer unanfechtbaren Entscheidung, dass diese unter Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs zustande gekommen ist. Diese Selbstkontrolle ist notwendig, gerade weil gegen die Hauptentscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist. Nach BVerfG (NJW 2019, 41, dort Rn. 60) soll die Vorschrift des § 33a StPO eine verfassungsgerichtliche Prüfung durch die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Selbstkorrektur entbehrlich machen.
12
Die Gehörsrüge gemäß § 33a StPO stellt damit einen Sonderrechtsbehelf für mögliche Verstöße gegen das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör dar, der das allgemeine Rechtsmittelsystem ergänzt und nicht dessen Regeln unterliegt. Bereits deshalb ist § 304 StPO hier nicht anwendbar. Auch ist mit der Entscheidung über die Gehörsrüge keine neue, originäre Entscheidung verbunden, vielmehr ist sie eine Art Annex zur ursprünglichen unanfechtbaren Entscheidung. Der Rechtsweg in dieser Nebenentscheidung kann aber nicht weiter gehen als in der Hauptsache.
13
Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG steht diesem Ausschluss der Beschwerde nicht entgegen. Denn es genügt die Möglichkeit, eine behauptete Rechtsverletzung bei einem gerichtlichen Verfahrenshandeln einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle durch den iudex a quo zu unterziehen (BVerfG NJW 2003, 1924).
14
Wie das Oberlandesgericht Bremen hält auch der Senat die Differenzierung danach, ob die Anhörungsrüge in dem angefochtenen Beschluss als unzulässig oder unbegründet behandelt wurde, für wenig praktikabel, da diese Entscheidung in der Praxis häufig nicht klar zu treffen ist.
15
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.