Inhalt

OLG München, Beschluss v. 22.12.2021 – 5 U 4451/21
Titel:

Dolo-agit-Einrede des Finanzamts gegenüber Klage auf Rückgewähr empfangener Einfuhrumsatzsteuer

Normenketten:
InsO § 129 Abs. 1, § 133, § 143, § 144
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 15a, § 17
BGB § 242
Leitsätze:
1. Die durch Stundungsanträge des Schuldners zutage getretenen Zahlungsstockungen konkretisieren sich dann zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, wenn sie sich nicht mehr im Rahmen der geschäftlichen Gepflogenheiten der Vorjahre bewegen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Finanzamt kann sich gegenüber einer Klage des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr der empfangenen Einfuhrumsatzsteuer nach Insolvenzanfechtung auf die dolo-agit-Einrede berufen, da in Bezug auf den erfolgten Vorsteuerabzug mit der Rückgewähr ein Berichtigungsanspruch als Masseverbindlichkeit entsteht. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzanfechtung, Einfuhrumsatzsteuer, drohende Zahlungsunfähigkeit, Stundungsbitten, dolo-agit-Einrede, Vorsteuerabzug, Berichtigungsanspruch, Masseverbindlichkeit
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 28.10.2021 – 5 U 4451/21
LG München I, Urteil vom 11.06.2021 – 6 O 8076/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 08.02.2024 – IX ZR 2/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58721

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.06.2021, Aktenzeichen 6 O 8076/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 1.100.000 € festgesetzt.

Gründe

1
Die Parteien streiten über Ansprüche aus Insolvenzanfechtung.
2
Der Kläger ist Verwalter in dem am 29.01.2016 nach Eigenantrag der Schuldnerin vom 12.11.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. K. GmbH & Co.KG (Schuldnerin). Die Schuldnerin beschäftigte sich mit dem Import und dem Weiterverkauf von Outdoor-Bekleidung. In diesem Zusammenhang hat die Schuldnerin Waren zum Verkauf im Inland aus dem Ausland (Vietnam) importiert und dafür Einfuhrumsatzsteuer an die Beklagte bezahlt. Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung nach §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr.1, 131 Abs. 1 Nr.1 und 2 InsO die Rückzahlung von insgesamt 1.082.512,06 €, die die Beklagte im Zeitraum zwischen dem 14.11.2014 und dem 27.10.2015 an Einfuhrumsatzsteuerzahlungen durch die Schuldnerin erhalten hat. Die Schuldnerin leistete diese Zahlungen im Wege von Überweisungen, Barzahlungen und in Höhe von 154.426,08 € auch durch eine angewiesene Direktzahlung eines der Schuldnerin gebührenden Umsatzsteuerguthabens durch das Finanzamt M.
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Im Einzelnen betrifft die Anfechtungsklage die folgenden Einfuhrumsatzsteuerzahlungen: 8 Überweisungen im Zeitraum zwischen dem 14.11.2014 und 22.12.2014 in einer Gesamthöhe von 261.849, 20 Überweisungen im Zeitraum zwischen dem 14.01.2015 bis zum 21.10.2015 in der Gesamthöhe von 421.347,49, 34 Bar- und Scheckzahlungen in Höhe von insgesamt 244.889,25 € sowie 2 angewiesene Direktauszahlungen von Umsatzsteuererstattungen jeweils vom 12.05.2015 in Höhe von insgesamt 154.426,08 € (vgl. Aufstellung S.9 bis 11 des Klageschriftsatzes vom 29.06.2020). Aus diesen Beträgen macht der Kläger noch einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.082.512,06 im Wege der Anfechtung geltend.
4
Die jeweils gezahlte Einfuhrumsatzsteuer wurde bei den Umsatzsteuervoranmeldungen der Schuldnerin abgezogen.
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Im Zeitraum vom 15.02.2013 bis zum 16.03.2015 hat die Schuldnerin insgesamt 15 Anträge auf Stundung der Einfuhrumsatzsteuer gestellt. Bis zum 16.04.2014 waren Einfuhrumsatzsteuerrückstände in Höhe von 376.595,46 aufgelaufen. Im Juli und August 2014 kam es zu einem Kontoausgleich. Zum 30.09.2014 war ein erneuter Einfuhrumsatzsteuerrückstand in Höhe von 251.165,77 erreicht. Mit E-Mail vom 09.06.2014 beantragte die Schuldnerin bei dem Hauptzollamt M. eine erneute Stundung eines bereits in Höhe von 100.000 € gestundeten Teilbetrags mit der Begründung, infolge von Liquiditätsmangel nicht zur pünktlichen Zahlung in der Lage zu sein. Einen weiteren Stundungsantrag vom 16.09.2014 begründete die Schuldnerin erneut mit einer Zuspitzung des Liquiditätsmangels. Mit Schreiben vom 01.10.2014 hat das Hauptzollamt M. gegenüber der Schuldnerin das Aufschubkonto …06 für Einfuhrabgaben ohne Einfuhrumsatzsteuer wegen wiederholter Überschreitung der in der Bewilligung festgesetzten Aufschubsumme für den laufenden Zahlungsaufschub mit Wirkung vom 01.10.2014 gesperrt. Die auf dem Aufschubkonto hinterlegte Summe ist die Sicherheit für die Beklagte für die noch zu zahlende Einfuhrumsatzsteuer. Im Juni und Juli 2015 erfolgten insgesamt 3 Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamts R. über einen 6- stelligen Betrag gegen die Schuldnerin. Mit weiterem Schreiben vom 09.06.2015 widerrief das Hauptzollamt M. sämtliche der Schuldnerin gewährten Zahlungsaufschübe. Im Folgenden leistete die Schuldnerin auf die Einfuhrumsatzsteuerrückstände lediglich Ratenzahlungen. Ab dem 10.06.2015 stellte sie die Zahlung der laufenden Lohnsteuerverbindlichkeiten ein. Vom 10.06.2015 bis zur Insolvenzeröffnung über ihr Vermögen leistete die Schuldnerin den fälligen Umsatzsteuerbetrag für den Monat April 2015 in Höhe von 159.831,73 nicht mehr.
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Masseunzulänglichkeit oder Massearmut besteht nicht.
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Erstinstanzlich hat der Kläger vorgetragen, die Schuldnerin sei bereits ab spätestens Oktober 2014 zahlungsunfähig gewesen, und die Beklagte habe dies bereits vor Entgegennahme der Zahlungen erkannt. Bereits die andauernde schleppende Zahlungsweise der Schuldnerin sei ein hinreichendes Indiz für ihre Zahlungseinstellung. Dies gelte insbesondere für Steuerschulden. Untermauert würde dies auch durch die E-Mail - Benachrichtigungen der Schuldnerin vom 09.06.2014 und 16.09.2014 an das Hauptzollamt M., in dem diese selbst ihren Liquiditätsmangel geschildert habe. Ein weiteres starkes Indiz sei daneben die Kündigung des Aufschubkontos durch das Hauptzollamt M. vom 01.10.2014 sowie die durch die Steuerbehörden initiierten Vollstreckungsmaßnahmen. Der Kläger ist darüber hinaus der Meinung, dass die beiden umgeleiteten Umsatzsteuerrückerstattungen als mittelbare Zahlungen vom 12.05.2015 in Höhe von 154.426,08 inkongruente Zahlungen seien, aus denen die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe erkennen können. Darüber hinaus unterlägen sämtliche innerhalb der letzten 3 Monate vor der Insolvenzantragstellung vom 15.11.2015 vorgenommenen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen in Höhe von insgesamt 235.437,62 auch der Deckungsanfechtung kongruenter Deckungen. Des weiteren seien im Einzelnen die Zahlungen vom 12./13.08.2015 in Höhe von insgesamt 35.000 € sowie vom 21. 10. 2015 in Höhe von 19.000 € unter Vollstreckungsdruck innerhalb der letzten 3 Monate vor der Insolvenzantragstellung erfolgt und deshalb als inkongruente Deckungen anzusehen. Die streitgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen der Schuldnerin hätten nicht zur Ablösung eines aus der Sachhaftung gemäß § 76 AO folgenden Sicherungsrechts der Beklagten geführt, da die Herausgabe der Waren aufgrund des Aufschubkontos jeweils bereits einige Wochen vor den Einfuhrumsatzsteuerzahlungen erfolgt seien und damit die auf den jeweiligen importierten Waren lastende Sachhaftung erloschen sei. Die angefochtenen Zahlungen bewirkten daher gerade keine Ablösung eines im jeweiligen Zahlungszeitpunkt noch auf den importierten Waren lastenden Absonderungsrechts der Beklagten. Darüber hinaus unterliege auch die Sachhaftung, auf deren Ablösung sich die Beklagte berufe, dem Insolvenzanfechtungsrecht des Klägers, denn die Einfuhr von Waren sei als eine Rechtshandlung anzusehen, die dem Fiskus Deckung in Gestalt der Sachhaftung verschaffe. Im übrigen sei die gläubigerbenachteiligende Wirkung einer Rechtshandlung nicht unter dem Aspekt des § 15 Abs. 1 Nr.2 UStG dadurch ausgeschlossen, dass dem durch sie bewirkten Vermögensabfluss ein Anspruch auf Vorsteuerabzug in gleicher Höhe korrespondiere, da eine derartige Vorteilsausgleichung dem Anfechtungsrecht zuwiderliefe. Der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr.2 UStG habe vorliegend auch nicht zu einem Rückfluss von haftendem Aktivvermögen an die Schuldnerin geführt. Auf den „dolo agit“- Einwand könne sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Eine mögliche Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 3 UStG begründe jedenfalls keine Verpflichtung des Klägers zur Leistung einer Rückzahlung an die Beklagte, sondern allenfalls eine Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Freistaat Bayern. Außerdem handele es sich bei einer Rückzahlung der geleisteten Einfuhrumsatzsteuer durch die Beklagte nach § 140 InsO nicht um eine „Erstattung“ im Sinne des § 17 Abs. 3 UStG, da eine solche gemäß § 37 AO den Erlass eines die Einfuhrumsatzsteuerpflicht nachträglich verneinenden Bescheids voraussetze. Es liege daher keine fällige und durchsetzbare Rückzahlungsverpflichtung vor. Die Beklagte habe daher nur die Möglichkeit, nach erfolgter Bedienung der Klageforderung gemäß § 144 Abs. 1 und Abs. 2 InsO ihre wiederauflebende Einfuhrumsatzsteuerforderung im Rang einer einfachen Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin anzumelden. Die Konstellation einer gemäß § 17 Abs. 2 Nr.1 S.2 AO vorzunehmenden Vorsteuerberichtigung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
8
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.092.512,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 30.01.2016 bis 04.04.2017 und ab 24.04.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
10
Vor dem Landgericht hat die Beklagte vorgetragen, die angeführten Stundungsbitten der Schuldnerin seien kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit und deren Kenntnis durch die Beklagte. Diese hielten sich im Rahmen der üblichen Gepflogenheiten in Anbetracht der konkreten Geschäftstätigkeit der Schuldnerin, nämlich dem Textilhandel im Outdoorbereich. Seit 2005 habe die Schuldnerin bereits jährlich mehrere Stundungsanträge gestellt, die jeweils bewilligt worden seien. Diese stünden im Zusammenhang mit den saisonal bedingten Umsatzschwankungen der Kleiderkollektionen. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass den jeweiligen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen sofort mit diesen Zahlungen entstandene Ansprüche auf deren Erstattung gemäß § 15 Abs. 1 Nr.2 UStG gegenübergestanden hätten. Durch die streitgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen sei die aktive Masse des Vermögens der Schuldnerin nicht verkürzt und die Schuldenmasse nicht vermehrt worden. Deshalb sei das Vermögen der Schuldnerin von vornherein nicht geschmälert worden, eine Gläubigerbenachteiligung liege nicht vor. An einer Gläubigerbenachteiligung fehle es auch, da durch die angefochtenen Zahlungen jeweils die Sachhaftung gemäß § 76 AO und das jeweils dadurch begründete Absonderungsrecht der Beklagten gemäß § 51 Nr.4 InsO abgelöst worden sei. Es handele sich um ein insolvenzbeständiges Pfandrecht. Alle vom Kläger aufgelisteten „Bar- und Scheckzahlungen 2015“ in Höhe von EUR 244.889,25 seien Zahlungen ohne Zahlungsaufschub gewesen. Erst aufgrund dieser Zahlungen seien die jeweiligen Waren für den freien Verkehr freigegeben worden und unter Ablösung der Sachhaftung in den steuerlich nicht beschränkten Verkehr übergegangen. Das die Sachhaftung auslösende Verbringen von Waren in den Geltungsbereich der AO habe das Vermögen der Schuldnerin nicht zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändert. Die Sachhaftung sei ein insolvenzbeständiges Pfandrecht, das die Beklagte gemäß § 50 Abs. 1 InsO zur abgesonderten Befriedigung berechtige. Eine Anfechtung der Sachhaftung komme nicht in Betracht, zumal mit ihrem Entstehen keine Nachteile für die Gläubiger verbunden gewesen seien. Darüber hinaus stünde den mit der Klage geltend gemachten Rückforderungsansprüchen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da der Kläger das, was er mit der Klage erstrebe, sofort wieder im Wege der Vorsteuerberichtigung gemäß § 15 a Abs. 2 S.1 UStG und 17 Abs. 3 in Verbindung mit § 17 S.7 UStG zurück gewähren müsse. Bei der Umsatzsteuer und der Einfuhrumsatzsteuer seien jeweils dieselben Steuergläubiger im selben Umfang beteiligt, nämlich Bund und Länder gemäß Art. 106 Abs. 3 GG. Unterschiedlich sei nur, wer die Steuer verwalte. Während dies für die Umsatzsteuer die jeweilige Landesfinanzverwaltung sei, sei für die Einfuhrumsatzsteuer die Bundesfinanzverwaltung zuständig. In diesem Zusammenhang sei auf die Ertragshoheit abzustellen, weshalb bei Ansprüchen im Zusammenhang mit Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer Gläubigeridentität vorliege.
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Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Verfahrens im ersten Rechtszug wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das Urteil des Landgerichts München I vom 08.04.2021 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat zunächst die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO für alle angefochtenen Zahlungen bejaht. Das Landgericht hat darüber hinaus den von der Beklagtenseite erhobenen „dolo agit“ - Einwand nicht als gegeben angesehen, da die Einfuhrumsatzsteuer von der Beklagten erstattet werden müsse, während die Umsatzsteuer nach Belastung an den Freistaat Bayern abzuführen wäre. Das Landgericht hat die Klageabweisung maßgebend auf die Überlegung gestützt, dass im vorliegenden Verfahren, bei dem weder Masseunzulänglichkeit noch Massearmut bestehe, die Anfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlungen insolvenzzweckwidrig erfolgt seien. Diese würde vorliegend nicht zu einer Vergrößerung der Masse und einer Verbesserung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger, sondern zu einer Masseschmälerung führen. Maßgeblich sei die finanzgerichtliche Rechtsauffassung, wonach der Kläger nach dem etwaigen Erhalt der angefochtenen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen verpflichtet sei, unverzüglich die früheren Umsatzsteuererklärungen der Schuldnerin zu berichtigen. Damit entstehe eine neue Masseverbindlichkeit des Klägers gegenüber dem Freistaat Bayern als Umsatzsteuergläubiger in genau der Höhe, in der der Kläger von der Beklagten die Einfuhrumsatzsteuerzahlungen erhalte (§ 17 Abs. 2 Nr.1 S.2, Abs. 1 S.2 UStG). Dies führe dazu, dass in der Insolvenzmasse nichts bleibe, wohingegen sich aber die Berechnungsmasse, die unter anderem Grundlage für die Berechnung des Insolvenzverwalterhonorars und der Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens sei, erhöhe. Dies führe im Ergebnis zu einer Verringerung der Verteilungsquoten der Insolvenzgläubiger.
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Der Kläger hat gegen das ihm am 25.06.2021 zugestellte Urteil des Landgerichts München I mit Schriftsatz vom 07.07.2021 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.08.2021 begründet.
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Der Kläger verfolgt seinen erstinstanzlichen Anspruch weiter und rügt die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landgericht. Unzutreffend sei die Auffassung des Landgerichts, wonach das Obsiegen des Klägers im vorliegenden Anfechtungsrechtsstreit eine Pflicht zur Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr.1 S.2, Abs. 1 S.2 UStG auslöse. § 17 Abs. 2 UStG erfasse die vom streitgegenständlichen Fall abweichende Fallgestaltung der Anfechtung eines vor der Insolvenzeröffnung vom Schuldner geleisteten Entgelts für eine steuerpflichtige Lieferung oder Leistung. Nur für diesen Fall der Anfechtung von Zahlungen an Geschäftspartner, die neben der jeweiligen Nettovergütung einen Mehrwertsteueranteil enthielten, gehe der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass als Folge der Anfechtung der Gesamtzahlung eine Vorsteuerberichtigung durchzuführen sei mit der Folge, dass der in die Insolvenzmasse geflossene Umsatzsteueranteil in gleicher Höhe als Masseverbindlichkeit an den Fiskus abzuführen sei. Vorliegend habe der Kläger jedoch die Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer selbst angefochten und gerade nicht die Zahlung eines Entgelts für eine steuerpflichtige Lieferung oder Leistung. Auch die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 UStG lägen nicht vor, da diese den Fall der erfolgreichen Anfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlung gerade nicht erfasse. Im Fall der Insolvenzanfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlung lebe die Verpflichtung zur Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 144 Abs. 1 Insolvenzordnung wieder auf. Dies wirke sich für die Insolvenzmasse nicht wirtschaftlich neutral aus, sondern würde diese mit einer zusätzlichen Insolvenzforderung gemäß § 144 Abs. 1 Insolvenzordnung belasten. Die jeweils vorherige Aufhebung oder Herabsetzung der Einfuhrumsatzsteuer durch entsprechenden Bescheid sei zwingende Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Vorsteuerberichtigung zum Nachteil des Steuerschuldners stattfinden könne. Selbst wenn von einer Verpflichtung des Klägers zur Umsatzsteuerberichtigung auszugehen wäre, würde das vorliegend nicht zu einer Verschlechterung der Quotenerwartung der Gläubiger im Insolvenzverfahren führen. Der streitgegenständliche Anfechtungsanspruch, der zu einer Masseverbindlichkeit in gleicher Höhe führen würde, wäre mit einem Verkehrswert von EUR 0 zu bewerten. An der Berechnung der Masse könne sich aber nicht dadurch etwas ändern, dass der Insolvenzverwalter nachträglich tatsächlich die mit EUR 0 zu bewertende Forderung realisiere. Die bloße wirtschaftliche Neutralität ohne Verschlechterung der Quotenerwartung reiche nicht für die Bejahung der Insolvenzzweckwidrigkeit einer Maßnahme des Insolvenzverwalters aus. Es sei zudem eine offensichtliche Insolvenzzweckwidrigkeit erforderlich und nicht die bloße Unzweckmäßigkeit oder gar Unrichtigkeit des Verwalterhandelns.
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In der Berufungsinstanz beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des am 11.06.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az: 6 O 8076/ 20, zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.082.512,06 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 30.01.2016 bis einschließlich 04.04.2017 und seit dem 24.04.2019 zu bezahlen.
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Die Beklagte tritt den Ausführungen des Klägers entgegen und trägt vor, der Kläger sei verpflichtet, nach einem etwaigen Rückerhalt der gezahlten Einfuhrumsatzsteuern, unverzüglich die früheren Umsatzsteuererklärungen der Schuldnerin zu berichtigen. Dies führe dazu, dass sich die Vorsteuererstattungsansprüche um den eingenommenen Betrag verringern würden. Der Kläger müsse die dadurch ausgelösten Umsatzsteuerzahlungsverpflichtungen als Masseverbindlichkeiten erfüllen. Rechtsgrundlagen hierfür seien §§ 15 Abs. 1, Abs. 2, 17 Abs. 2 I.V.m. Abs. 1 S.2, Abs. 3 UStG und § 37 Abs. 2 AO. Im Fall des Obsiegens würde sich auch die Quotenerwartung der Insolvenzgläubiger verschlechtern. Im übrigen könne aus der Sperrung des Aufschubkontos …09 nicht auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Die Beklagte habe jedenfalls keine Kenntnis davon gehabt, dass die Schuldnerin auch in der Zukunft nicht in der Lage sein würde, ihre Gläubiger vollständig zu befriedigen. Im übrigen greife der doloagit- Einwand, da bei der Umsatz- und bei der Einfuhrumsatzsteuer jeweils dieselben Steuergläubiger in demselben Umfang beteiligt seien, jeweils zur Hälfte die Beklagte und der Freistaat Bayern; unterschiedlich sei nur, wer die Steuer verwalte.
17
Mit Beschluss vom 28.10.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung mangels Erfolgsaussichten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Dem ist der Kläger mit Schriftsätzen vom 17.11.2021, 03.12.2021,10.12.2021,14.12.2021 und 17.12.2021 entgegengetreten.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den Senatsbeschluss vom 28.10.2021 Bezug genommen.
II.
19
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 11.06.2021, Az. 6 O 8076/20, wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung der mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
20
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 28.10.2021 Bezug genommen. Auch das weitere Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
21
Die zulässige Klage des Klägers ist unbegründet, da diesem der geltend gemachte Anfechtungsanspruch gemäß §§ 133 Abs. 1, 130 Abs. 1 Nr.1, 131 Abs. 1 Nr.1,2 i.V.m. 143 InsO nicht zusteht. Der grundsätzlich wirksamen Anfechtung steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) gegenüber.
22
1. Die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Insolvenzordnung sind erfüllt.
23
a) Sämtliche streitgegenständlichen Zahlungen beruhen auf Rechtshandlungen der Schuldnerin, nämlich auf einem Willenselement in deren verantwortungsgesteuerten Handeln. Die vorgenommenen Überweisungen und Barzahlungen sind als Rechtshandlungen in diesem Sinn zu bewerten. Dies gilt auch für die Anweisung der Schuldnerin gegenüber dem Finanzamt M., das ihr zustehende Umsatzsteuerguthaben in Höhe von EUR 154.426,08 unmittelbar an die Beklagte zum Zweck der Tilgung von Einfuhrumsatzsteuerrückzahlungen weiterzuleiten. Sämtliche Zahlungen, die die Schuldnerin ausführte oder veranlasste, wurden von ihr in einem Zeitraum von weniger als 10 Jahren vor dem Insolvenzantrag vorgenommen.
24
b) Die Zahlungen haben die Gesamtheit der übrigen Gläubiger objektiv benachteiligt im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO, da sie die aktive Masse der Schuldnerin verkürzten. Eine Vorteilsausgleichung findet nicht statt (ständige Rechtsprechung BGH 02.06.2005, IX ZR 263/03, juris). Inhalt und Umfang des Rückgewähranspruchs werden deshalb nicht dadurch beeinflusst, dass eine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung in Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat. Eine Saldierung der Vor- und Nachteile findet im Anfechtungsrecht nicht statt (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. Auflage, 2019, Rn. 106 ff zu § 143). Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine unmittelbare Gegenrechnung der Umsatzsteuererstattungsansprüche im Wege der Vorteilsausgleichung nicht stattfindet, weil solche Ansprüche nur für Waren bestehen, die unter Geltung der Umsatzsteuerpflicht weiterverkauft werden. Sämtliche anderen Nutzungsarten der Waren vermögen keine Umsatzsteuererstattungsansprüche auszulösen, weshalb hier kein Automatismus zwischen der Einfuhrumsatzsteuerzahlung und der Umsatzsteuererstattung besteht.
25
Die Gläubigerbenachteiligung entfällt, jedenfalls zum überwiegenden Teil bezüglich der angefochtenen Überweisungen 2014 und 2015, auch nicht deshalb, weil durch die Zahlungen der Einfuhrumsatzsteuer ggfs. die Sachhaftung gemäß § 76 AO und das jeweils dadurch begründete Absonderungsrecht der Beklagten gemäß § 51 Nr.4 InsO abgelöst wurde. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt grundsätzlich vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat und sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 - IX ZR 86/08 - Rn.25, juris). Die Gläubigerbenachteiligung scheidet aus, wenn der Schuldner das Absonderungsrecht durch Zahlungen ablöst, soweit deren Höhe nicht den Erlös überschreitet, den der Absonderungsberechtigte bei einer Verwertung der mit dem Absonderungsrecht belasteten Sache hätte erzielen können (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2006 - IX ZR 185/04 -, juris). Letzteres ist hier - jedenfalls teilweise bezogen auf die angefochtenen Überweisungen 2014 und 2015 - nicht der Fall, da die Sachhaftung gemäß § 76 Nr.4 S.2 AO jeweils bereits mehrere Wochen vor den streitgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen bezüglich der angefochtenen Überweisungen 2014 und 2015 (EUR 261.849,24 und EUR 421.347,49) durch die Schuldnerin erloschen war, da die Schuldnerin unter Ausnutzung des Aufschubkontos unstreitig über die Waren verfügen konnte, bevor sie die Einfuhrumsatzsteuerzahlungen leistete. Ob die Sachhaftung darüber hinaus insgesamt der Anfechtung durch den Kläger unterliegt, kann aufgrund des hier durchgreifenden doloagit - Einwands (vgl. Ziffer I.2.) offenbleiben.
26
c) Die Beurteilung des gemäß § 133 InsO erforderlichen Benachteiligungsvorsatzes erfolgt aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Indizien, die für das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit und der Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon vorliegen. Im Ergebnis muss diese die Überzeugung begründen, dass der Gläubiger gesicherte Kenntnis von der Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit hatte; erforderlich ist, dass aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners der Schluss gezogen werden muss, dass der Schuldner aus Mangel an liquiden Mitteln nicht in der Lage ist, die Forderungen vollständig und in einem Zug zu erfüllen (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck aaO Rn. 69 zu § 130).
27
Zur Überzeugung des Senats begründen die folgenden Indizien und Umstände in einer Gesamtwürdigung die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Anfechtungszeitraum ab dem 01.10.2014 bis zur Insolvenzeröffnung:
28
Die durch die Stundungsanträge ab Juni 2014 zutage getretenen Zahlungsstockungen der Schuldnerin konkretisierten sich spätestens zum 01.10.2014 zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Ab diesem Zeitpunkt bewegten sich die Stundungsanträge nicht mehr im Rahmen der geschäftlichen Gepflogenheiten wie in den Jahren zuvor. Mit Stundungsbitte an das Hauptzollamt vom 16.09.2014 (Anlage K6) hatte die Schuldnerin mitgeteilt, dass ihre Liquidität nun vollkommen ausgeschöpft sei. Dies betreffe sämtliche Kreditlinien. Die Erklärung der Schuldnerin, fällige Verbindlichkeiten nicht bezahlen zu können, deutet grundsätzlich auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2006 - IX ZR 228/03). Zuletzt war das Einfuhrumsatzsteuerkonto der Schuldnerin in Juli und August 2014 ausgeglichen, bis zum 30.09.2014 wies es wieder einen Einfuhrumsatzsteuerrückstand in Höhe von EUR 251.165,77 auf. Des weiteren hatte die Schuldnerin das Limit des Aufschubkontos …06 zum 01.10.2014 wiederholt überschritten, so dass das Hauptzollamt mit Schreiben vom 01.10.2014 dieses Aufschubkonto sperrte. Das Hauptzollamt teilte weiter mit, dass es ab diesem Zeitpunkt mit einer Überschreitung der Aufschubsumme nur noch dann einverstanden sei, wenn dieses bereits durch Zahlung an die Bundeskasse vor Fälligkeit ausgeglichen werde. Der Umstand der wiederholten Überschreitung der Aufschubsumme durch schleppende Zahlung der betriebsnotwendigen Einfuhrumsatzsteuerbeträge, der für die Schuldnerin zu der gravierenden und einschneidenden Folge der Sperrung des Einfuhrumsatzkontos führte, ist ein deutliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sie die im Schreiben vom 16.09.2014 erteilte Zahlungszusage nicht einhielt (vgl. Borries/Hirte aaO, Rn. 73 zu § 130).
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Bei der Nichtzahlung oder nicht vollständigen Zahlung von fälligen Steueransprüchen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens hat das Finanzamt, hier das Hauptzollamt, regelmäßig von den Umständen Kenntnis, aus denen sich zwingend die Zahlungsunfähigkeit ergibt (vgl. Borries/Hirte, aaO, Rn. 69a zu § 130). Diese Kenntnis muss sich die Beklagte, für die das Hauptzollamt agierte, zurechnen lassen.
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2. a) Die Beklagte kann sich gegen den bestehenden Anfechtungsanspruch gemäß § 133 InsO auf Rückgewähr der im Anfechtungszeitraum durch die Schuldnerin geleisteten Einfuhrumsatzsteuerbeträge in Höhe von 1.082.512,06 berechtigt auf den „dolo agit“- Einwand berufen. Danach handelt derjenige treuwidrig, der etwas verlangt, was er alsbald zurückgeben muss (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Ein schutzwürdiges Interesse fehlt, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren wäre (vgl. Schubert in MüKo, BGB, 8. Auflage, 2019, Rn. 462 zu § 242; Kähler in Beck OK, BGB, 2021, Rn 1358 ff zu § 242).
31
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da der Anfechtungsanspruch des Klägers auf Rückgewähr der von der Schuldnerin im Anfechtungszeitraum gezahlten Einfuhrumsatzsteuerbeträge gemäß § 17 Abs. 3 UStG die Berichtigung des erfolgten Vorsteuerabzugs zur Folge hat und es sich bei diesem Berichtigungsanspruch um eine Masseverbindlichkeit handelt. Die Ansprüche stehen sich auch im gleichen Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter gegenüber, da es sich bei der Umsatzsteuer um eine Gemeinschaftssteuer handelt, für die sowohl die Beklagte als auch der Freistaat Bayern die Ertragshoheit haben gemäß Art. 106 Abs. 3 GG.
32
(1) Gemäß § 17 Abs. 3 UStG hat der Unternehmer, dessen Einfuhrumsatzsteuer, die als Vorsteuer abgezogen worden ist, erstattet wurde, den Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Dem Kläger ist darin recht zu geben, dass die Vorschriften des § 15a UStG und § 17 UStG nebeneinander stehen und auch unterschiedliche Fallkonstellationen erfassen, wobei beide Normen die Vorsteuerberichtigung regeln und § 17 in seinem Anwendungsbereich speziell ist (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Juni 2021, Rn. 51,93 zu § 15a). Während § 17 UStG im wesentlichen Fälle der Änderung der Bemessungsgrundlage, der Uneinbringlichkeit des Entgelts und des Nichtausführens bzw. der Rückgängigmachung einer Leistung betrifft, erfasst § 15a Änderungen der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verwendungsumsätze (vgl. Meyer in BeckOK, UStG, 30.08.2021, Rn.20 zu § 17). Weitere Relevanz für die vorliegende Beurteilung haben diese Überlegungen nicht, da der Senat im Hinweisbeschluss vom 28.10.2021 von einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 17 Abs. 3 UStG ausgegangen ist. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 UStG für eine Vorsteuerberichtigung liegen im Fall der erfolgreichen insolvenzrechtlichen Anfechtung vor, die zu einer Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer führt.
33
Die hiergegen gerichteten Überlegungen des Klägers vermögen nicht zu überzeugen. Der Kläger geht fehl in der Annahme, § 17 Abs. 3 UStG erfasse lediglich solche Fallgestaltungen, in denen die Einfuhrumsatzsteuer nachträglich mittels Erlasses eines entsprechenden Bescheides erlassen, herabgesetzt oder erstattet worden sei. Dies lässt sich aus der zitierten Kommentarstelle (BeckOK/Meyer, UStG, 30. Edition, 2021, Rn. 98 ff zu § 17) auch nicht herauslesen, in der es heisst:
„Kommt es bereits vor der Entrichtung zu einer Herabsetzung oder zu einem Erlass der Einfuhrumsatzsteuer, ist der Zeitpunkt des Erlasses der entsprechenden Bescheide maßgebend.“
34
Die Rechtsauffassung der Berufung, wonach § 17 Abs. 3 UStG auf den Fall einer erfolgreichen Anfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlung nicht anwendbar sei und diese Fälle gemäß § 37 AO den Erlass eines die Einfuhrumsatzsteuerschuld nachträglich ganz oder teilweise verneinenden Bescheids zwingend voraussetzen würden, überzeugt nicht. Denn der insolvenzrechtliche Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters unterfällt selbst nicht dem § 37 AO (vgl. Ratschow in Klein, AO, 15. Auflage, 2020, Rn. 10-18 zu § 37). Außerdem ergibt sich das Erfordernis der Berichtigung zwingend aus § 17 Abs. 3 UStG. Insofern käme dem Erfordernis eines steuerrechtlichen Bescheids lediglich formale Bedeutung zu. Auch im Fall des § 17 Abs. 2 InsO ist im übrigen der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen, ohne dass dies Einfluss auf die Qualifizierung des Berichtigungsanspruchs als Masseverbindlichkeit hat (vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 - V R 26/16).
35
Der Erlass eines entsprechenden Steuerbescheids ist kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 17 Abs. 3 UStG. Vielmehr betrifft § 17 Abs. 3 UStG die gemäß § 15 Abs. 1 Nr.2 UStG als Vorsteuer abgezogene Einfuhrumsatzsteuer und gewährleistet eine Anpassung des entsprechenden Vorsteuerabzugs an eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Belastung mit Einfuhrumsatzsteuer (vgl. BeckOK/Meyer, UStG, aao, Rn.98). Dabei ist darauf abzustellen, dass die Belastung mit Einfuhrumsatzsteuer erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Erstattung entfällt (vgl. BeckOK/Meyer, UStG, aaO, Rn.98 ff). Damit ist zu dem Zeitpunkt, in dem die Beklagte die bezahlte Einfuhrumsatzsteuer auf Grund der Anfechtung erstattet, die Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 17 Abs. 3 UStG vorzunehmen. Die Behauptung, die „rein tatsächliche Rückzahlung“ der erfolgreich angefochtenen Einfuhrumsatzsteuerzahlung an den Insolvenzverwalter falle nicht unter den Begriff der „Erstattung“ und stelle keine „Änderung der maßgebenden Verhältnisse dar“, ist bereits dem Wortsinn nach nicht nachvollziehbar und findet weder im Gesetzeswortlaut noch in der entsprechenden Kommentarliteratur eine Stütze. Der Verweis auf einzelne in Art. 116 ff geregelte Erstattungstatbeständes des Zollkodex (Verordnung (EU) Nr.952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union) vermag die klägerische Argumentation nicht zu stützen, da nicht erkennbar ist, inwiefern einzelne Regelungen aus dem europäischen Zollrecht geeignet sind, den Erstattungsbegriff in § 17 Abs. 3 UStG (abschließend) zu definieren.
36
Auch die weiteren Überlegungen vermögen die klägerische Position nicht zu stützen. Wie ausgeführt, ist auch eine Rückzahlung der angefochtenen Einfuhrumsatzsteuerzahlungen durch die Beklagte eine „Erstattung“ i.S.d. § 17 Abs. 3 UStG. Dies folgt schon aus dem Wortlaut und ist nicht Ergebnis einer erweiternden Auslegung dieser Vorschrift durch den Senat. Dies folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach, wie ausgeführt, § 17 Abs. 3 UStG die gemäß § 15 Abs. 1 Nr.2 als Vorsteuer abgezogene Einfuhrumsatzsteuer betrifft und eine Anpassung des entsprechenden Vorsteuerabzugs die nachträgliche Änderung der tatsächlichen Belastung mit Einfuhrumsatzsteuer erfasst. Genau diese Konstellation ist im Fall der anfechtungsbedingten Rückzahlung der Einfuhrumsatzsteuer durch die Beklagte gegeben, da hier unstreitig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Vorsteuerabzug durchgeführt wurde.
37
Auf die weiteren Überlegungen in der Gegenerklärung zur fehlenden Vorsteuerberichtigung analog § 17 Abs. 2 Nr.1 S.1, Abs. 1 S.2 UStG und die Funktion dieser Vorschrift aus klägerischer Sicht kommt es daher nicht streitentscheidend an.
38
(2) In der Insolvenz ist für die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung maßgeblich, ob der die Steuer begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht entscheidend ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO sind nur solche Verbindlichkeiten, die durch eine - wie auch immer geartete - Verwaltungsmaßnahme begründet worden sind. Der Insolvenzverwalter muss durch seine Handlung oder in anderer Weise die Grundlagen der Verbindlichkeit geschaffen haben (vgl. Sinz in Uhlenbruck, aaO, Rn 26 zu § 55). Diese sind durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen (vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2017, XI R 5/16). Da der Berichtigungsanspruch ein gegenüber dem Vorsteuerabzug eigenständiger Tatbestand ist, kommt es für einen hieraus resultierenden Anspruch darauf an, wann der Berichtigungstatbestand erfüllt war (vgl. u.a. BFH vom 08.03.2012, V R 24/11). Grundsätzlich ist die Vorsteuerberichtigung nach der Insolvenzanfechtung Masseschuld (vgl. Sinz in Uhlenbruck aaO, § 55 Rn. 27). Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist Masseverbindlichkeit, wenn er im Rahmen der Masseverwaltung entstanden ist, denn zur Masseverwaltung gehört die Geltendmachung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§ 129 ff InsO (vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016, V R 26/16; BFH, Urteil vom 29.03.2017, XI R 5/16).
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Der Senat verkennt nicht, dass, soweit ersichtlich, die zitierte Rechtsprechung des BFH, die für die umsatzsteuerrechtlichen Folgen einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung maßgeblich ist (vgl. Aurich in Beck OK, InsO, 15.07.2021, „Steuerrecht in der Insolvenz-Umsatzsteuer“ Rn. 223 ff) zu Fallkonstellationen des § 17 Abs. 1, Abs. 2 UStG ergangen ist. Der maßgebliche Grundgedanke, nach dem die Vorsteuerberichtigung nach Insolvenzanfechtung Masseschuld ist, gilt jedoch auch hier. Entscheidend ist, dass vorliegend durch die Geltendmachung der Anfechtungsansprüche des Klägers gemäß §§ 129 ff InsO und die dann zu erfolgende Rückzahlung der bezahlten Einfuhrumsatzsteuern ein Vorsteuerberichtigungsanspruch entstanden ist. Letzteres ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass unstreitig vorliegend die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer bereits abgezogen worden ist. Hierdurch ändern sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, so dass gemäß § 17 Abs. 3 UStG eine Berichtigung vorzunehmen ist. Es ist nicht erkennbar, dass für diesen Berichtigungsanspruch anderes gelten sollte als für die nach § 17 Abs. 2 Nr.1 S.2, Abs. 1 S.2 UStG entstandenen Vorsteuerberichtigungsansprüche. Auch im Fall des § 17 Abs. 3 UStG trifft die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs den Unternehmer. Eine Differenzierung, ob sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus § 17 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 ergibt, findet bei seiner Qualifizierung als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr.1 InsO nicht statt (vgl. Borries/Hirte in Uhlenbruck, Rn. 237 zu § 143 InsO).
40
Nicht zu überzeugen vermögen die Überlegungen des Klägers, dies würde zu einer systemwidrigen Befreiung des Steuerfiskus von jeglichem Anfechtungsrisiko führen. In der Insolvenz ist für die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen nicht die Frage des Anfechtungsgegners entscheidend, sondern, wie ausgeführt, allein maßgeblich, ob der die Steuer begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist (Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Juni 2021, Rn. 47). Dies gilt im übrigen für alle Vorsteuerberichtigungsvorschriften. Die Überlegungen der Klageseite, der BFH habe mit seiner Rechtsprechung zu § 17 Abs. 2 UStG das hier doppelte Risiko des Steuerfiskus einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter und der anschließenden Umsatzsteuerberichtigung zugunsten des Lieferanten kompensieren wollen und deshalb der durchzuführenden Vorsteuerberichtigung Masseschuldcharakter beigelegt, findet keinerlei Stütze in den zitierten Entscheidungen des BFH. Es erschließt sich auch nicht, inwieweit die Frage, ob es sich um eine Zwei-Personen-Konstellation (§ 17 Abs. 3 UStG) oder eine Drei-Personen-Konstellation (§ 17 Abs. 2 UStG) handelt, Einfluss auf die Qualifizierung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs als Masseverbindlichkeit hat. Entscheidend ist, dass sich durch die Rückgewähr der Einfuhrumsatzsteuerzahlungen die maßgeblichen Verhältnisse hinsichtlich der abgezogenen Vorsteuer verändert haben und diese zu berichtigen sind. Der Kläger verkennt auch, dass § 17 Abs. 3 UStG nur eingreift, soweit bereits die Vorsteuer abgezogen worden ist, und die Anwendung des § 17 Abs. 3 UStG deshalb nicht zu einem „gegen alle insolvenzrechtlichen Prinzipien verstoßenden Ergebnis der vollständigen Freistellung des Steuerfiskus von jeglichem Anfechtungsrisiko“ führt.
41
Auch der Überlegung, bei einer hypothetischen Zulassung einer Vorsteuerberichtigung in der Fallgestaltung der erfolgreichen Anfechtung der Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer käme es im Ergebnis zu einer sachwidrigen Doppelbegünstigung des Steuerfiskus, da der Schuldner dann über die gemäß § 144 InsO wieder auflebende Einfuhrumsatzsteuerschuld hinaus auch noch mit der zu seinen Lasten vorzunehmenden Vorsteuerberichtigung belastet würde, kann nicht gefolgt werden. Für den Fall des § 17 Abs. 2 UStG wurde dies bereits mehrfach durch den BFH entschieden (vgl. BFH, Urteil vom 01.03.2016, XI R 9/15 -, Rn. 17 ff, iuris; BFH, Urteil vom 15.12.2016 - V R 26/16 - Rn.25, juris; BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI R 5/16 -Rz.31, juris). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Ansprüche der Gläubiger in der Insolvenz der Schuldnerin uneinbringlich sind (vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI R 5/16 - Rn.19, juris). Es ist nicht ersichtlich, dass für die Steuerforderung im Rahmen des § 17 Abs. 3 UStG die Rechtslage anders zu beurteilen wäre. Auch hier erfolgt die Vorsteuerberichtigung erst im Zeitpunkt der Rückzahlung. Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt zwar nach § 144 InsO seine Forderung wieder auf. Dies begründet jedoch keine Rückbeziehung des umsatzsteuerrechtlichen Berichtigungstatbestandes, der erst durch die Rückzahlung verwirklicht wird (vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI ZR 5/16 -, aaO).
42
Die vom Kläger weiter vertretene Auffassung, die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer unterliege im Ergebnis ebenso wie die Zahlung gewöhnlicher Umsatzsteuer der Insolvenzanfechtung, ohne dass diese Anfechtung eine Vorsteuerberichtigung auslösen würde, widerspricht der Regelung des § 17 Abs. 3 UStG.
43
(3) Der Anspruch auf Vorsteuerberichtigung entsteht aufgrund der tatsächlichen Rückgewähr (BFH, Urteil vom 29.03.20217, XI R 5/16) und damit alsbald nach der geforderten Leistung. Der Insolvenzverwalter hat im Zeitpunkt der Rückzahlung den Vorsteuerabzug zu berichtigen.
44
(4) Der erfolgreiche „dolo agit“- Einwand der Beklagten scheitert nicht daran, dass die Einfuhrumsatzsteuer von der Beklagten zu erstatten wäre, während die Umsatzsteuernachbelastung an den Freistaat Bayern abzuführen wäre. Entscheidend ist, dass die Ertragshoheit für die Umsatzsteuer (Einfuhrumsatzsteuer und Vorsteuer) gemäß Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und der Ländergesamtheit gemeinsam zusteht (vgl. Seiler in Manz/Dürig, GG, Januar 2021, Rn 1-4 zu Art. 106). Diese ist nicht identisch mit der Verwaltungshoheit, die in Art. 108 GG geregelt ist. Hiernach wird u.a. die Einfuhrumsatzsteuer durch Bundesbehörden verwaltet, die in Art. 108 Abs. 1 GG nicht genannten Steuern unterfallen gemäß Art. 108 Abs. 2 GG der Verwaltungshoheit der Länder (u.a. die Vorsteuer). Die im vorliegenden Fall maßgebliche Gläubiger- und Schuldnerstellung für die Einfuhrumsatzsteuer sowie die Vorsteuer bestimmt sich nicht nach der Verwaltungshoheit, sondern nach der Ertragshoheit, die gemäß Art. 106 Abs. 3 GG dem Bund und den Ländern gemeinschaftlich zugewiesen sind, so dass es nicht auf die Funktion als Zahlstelle ankommt. Die Beklagte ist damit sowohl Schuldnerin des Anfechtungsanspruchs wie - zumindest - auch Gläubigerin des Berichtigungsanspruchs, da ihr auch insoweit die Steuerertragshoheit zusteht. Ein Gegenseitigkeitsverhältnis, das auch die Eigenschaft als Zahlstelle mit einschließt und sich zusätzlich nach der Verwaltungshoheit bestimmt, ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
45
Selbst wenn man die Schuldner- und Gläubigerstellung von Einfuhrumsatzsteuerrückerstattung und Vorsteuerberichtigungsanspruch nach der Verwaltungshoheit von Bund und Ländern im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer und die Vorsteuer bestimmen würde, so wäre hier der Drittrückgewähreinwand zu beachten. Eine Rechtsausübung ist auch dann wegen der Verpflichtung zur Rückgewähr eines Gegenstands treuwidrig, wenn diese Rückgewähr über Dritte erfolgen müsste (vgl. Kähler in Beck OK, BGB, 2021, Rn. 1379 zu § 242). So liegt der Fall hier, da die Beklagte die geleisteten Einfuhrumsatzsteuerbeträge an den Kläger bezahlen müsste, der diese aufgrund des Vorsteuerberichtigungsanspruchs an den Freistaat Bayern erstatten müsste. Der Freistaat Bayern wäre aber aufgrund der gemeinsamen Ertragshoheit mit dem Bund für diese Umsatzsteuer verpflichtet, diese zumindest anteilig umgehend an die Beklagte auszukehren.
46
Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an diesem Prozedere ist nicht erkennbar.
47
(4) Soweit der Kläger behauptet, dem Senat fehle die Sachkompetenz, um über eine rechtswegfremde Gegenforderung im Rahmen der Prüfung des doloagitEinwands zu entscheiden, da die Zivilgerichte zur Entscheidung über den rechtswegfremden vermeintlichen zukünftigen Anspruch des Steuerfiskus auf Vorsteuerberichtigung nicht berufen seien, vermögen auch diese Überlegungen nicht zu überzeugen. § 17 Abs. 2 S.1 GVG eröffnet auch die rechtswegüberschreitende Sachkompetenz (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Auflage, Rn.5 zu § 17 GVG) bezogen auf den einheitlichen Streitgegenstand, der vorliegend bei der Prüfung des von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwands gemäß § 242 BGB gegen den geltend gemachten Anfechtungsanspruch gegeben ist. Im Gegensatz zur Aufrechnung mit einer bestrittenen und noch nicht rechtskräftig festgestellten Gegenforderung, bei der die rechtswegüberschreitende Sachkompetenz umstritten ist (vgl. Lückemann in Zöller aaaO Rz. 10) wird vorliegend der verfahrensrechtliche Zusammenhang nicht durch eine eigene Parteihandlung hergestellt, sondern gehört zum Streitgegenstand der Klage. Eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftig festgestellten Forderung über die Höhe des Vorsteuerberichtigungsanspruchs scheitert auch bereits daran, dass nicht ersichtlich ist, wie die Beklagte in der jetzigen Situation deren Feststellung durch die Finanzbehörden erreichen soll. Insofern unterscheidet sich die Konstellation grundlegend von der der rechtswegfremden Gegenforderung, und die vom Kläger hierzu zitierte Rechtsprechung ist nicht einschlägig.
48
Weiter ist für die hier maßgebliche Frage zur Einstufung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs als Masseverbindlichkeit im Rahmen der Insolvenzanfechtung bereits entschieden, dass die Rechtsprechung des BGH und des BFH nicht in Widerspruch stehen (vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2017 - XI ZR 5/16 -, Rn. 28, juris; BGH, Beschluss vom 07.04.2005 - IX ZB 195/03 -, juris).
49
3) Ob die streitgegenständliche Anfechtung gemäß §§ 129 InsO darüber hinaus insolvenzzweckwidrig ist, kann hier dahingestellt bleiben.
50
Mündliche Verhandlung ist nicht geboten, da der Rechtsstreit keine Grundsatzbedeutung hat. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des BGH. Der Senat hat im vorliegenden Einzelfall aufgrund der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung entschieden. Die die Berufung zurückweisende Entscheidung des Senats läuft auch nicht darauf hinaus, sämtliche Einfuhrumsatzsteuerzahlungen entgegen der bisherigen ständigen Praxis der Insolvenzverwaltung pauschal der Insolvenzanfechtung zu entziehen, obgleich die bisherige Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte (einschließlich des BFH) keine validen Anknüpfungspunkte für die Schaffung eines solchen systemwidrigen Fiskusprivilegs biete. Der Senat hat in Anwendung der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung im Einzelfall entschieden, dass unter den hier gegebenen Voraussetzungen die Anfechtung der Einfuhrumsatzsteuerzahlungen nicht erfolgreich ist und das behauptete systemwidrige Fiskusprivileg nicht besteht. Die Konformität zwischen finanzgerichtlicher und zivilgerichtlicher Rechtsprechung besteht, wie zitiert.
51
Die Überlegungen des Klägers zur beantragten EUGH-Vorlage sind nicht zielführend, da ein Widerspruch zwischen der vom Senat angewandten Vorschrift des § 17 Abs. 3 UStG und Art. 184 MWStSystem- RL bereits dem Wortlaut nach nicht erkennbar ist und keine grundlegende Abweichung von Art. 184 MWSt-System - RL besteht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechtsauffassung des Senats vom Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer abweicht. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des EuGH vom 18.03.2021 (DStRE 2021, 553 ff) behandelt die Frage, ob die dort streitgegenständliche polnische Regelung, die die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug u.a. vom Erhalt einer Rechnung und einer Steuererklärung abhängig macht, europarechtskonform ist, da die Entstehungsvoraussetzungen nicht über die in Art. 168 Buchstabe c der MWStSystRL hinausgehen dürfen. Soweit der Kläger behauptet, diese Konstellation sei vergleichbar mit der hier zu beurteilenden Frage, ob im Fall der erfolgreichen Insolvenzanfechtung von Einfuhrumsatzsteuerzahlungen und der erfolgten Rückzahlung an die Masse, nicht nur die Einfuhrumsatzsteuerschuld gemäß § 144 InsO im Rang einer Insolvenzforderung wieder auflebt, sondern auch einen zusätzlichen Anspruch des Steuerfiskus auf Vorsteuerberichtigung begründet, ist dies offensichtlich nicht der Fall. Es besteht, wie ausgeführt, bereits keine systemwidrige Privilegierung des Fiskus und daher auch kein Widerspruch zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.
III.
52
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
53
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 5 U 4451/21 - Seite 17 - 708 Nr.10, 711 ZPO.
54
Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus dem Wert des im Berufungsverfahren in der Hauptsache verfolgten Leistungsantrags, §§ 45, 47 GKG.