Titel:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, Persönliche (charakterliche) Eignung, aggressives Verhalten gegenüber Kollegen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BBG § 37 Abs. 1
BPolG § 2
Schlagworte:
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, Persönliche (charakterliche) Eignung, aggressives Verhalten gegenüber Kollegen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58707
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.806,97 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die gegen ihn ausgesprochene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf unter Anordnung des Sofortvollzugs.
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Der Antragsteller, geboren am …1999, begann am 01.03.2019 die Ausbildung zum Polizeimeister unter Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Polizeimeisteranwärter - PMA) bei der Bundespolizei. Die Ausbildung fand beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum (BPOLAFZ) in … statt.
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Am 18.06.2019 kam es anlässlich einer Grillfeier unter den Polizeimeisteranwärtern zu einem Vorfall, bei dem der Antragsteller das Fahrrad seines Ausbildungskollegen PMA B. ohne dessen Einwilligung benutzte, welches hierbei beschädigt wurde. Als Reaktion hierauf holte PMA B. eine Hose des Antragstellers aus dessen Stube. Im Verlauf des hierüber entstandenen Streits ging der Antragsteller PMA B. körperlich an. Das deswegen gegen den Antragsteller eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung wurde von der Staatsanwaltschaft … durch Verfügung vom 08.11.2019 gemäß § 45 Abs. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG eingestellt.
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Im Zeitraum Oktober/November 2019 pflegte der Antragsteller eine intime Beziehung mit seiner Ausbildungskollegin PMAin D., die diese Beziehung Anfang Dezember 2019 beendete. In der Folgezeit versuchte der Antragsteller mehrfach vergeblich, mit PMAin D. darüber ins Gespräch zu kommen, und kontaktierte sie mehrfach über den Kurznachrichtendienst S.. Gegen 22:00 Uhr am Abend des 17.12.2019 klopfte der Antragsteller an die Tür der Stube von PMAin D., fand die Tür aber abgeschlossen. Daraufhin verfasste er im Klassenchat auf W. die Nachricht: „M., wenn du schon wieder den nächsten Männerbesuch hast, dann mach Musik an, dann hört man auch nicht das Stöhnen“. Daraufhin trat ein Ausbildungskollege des Antragstellers und von PMAin D., PMA L., aus der Stube von PMAin D. Der Antragsteller betrat die Stube, stellte sich PMAin D. in den Weg und verließ die Stube erst nach einer im Einzelnen streitigen Auseinandersetzung mit PMAin D. und PMA L. Auf dem Flur vor der Stube kam es zu einer weiteren verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller, PMA L. und PMAin D. Dabei bezeichnete der Antragsteller PMAin D. u.a. als „Klassenbitch“. Auf die Auseinandersetzung aufmerksam gewordene Lehrgangskollegen gingen dazwischen, bis der Antragsteller auf sein Zimmer ging. Am Mittag des Folgetags betrat der Antragsteller wiederum die Stube von PMAin D. zwecks einer Unterredung, bei der es in der Folge dazu kam, dass der Antragsteller PMAin D. lautstark u.a. als „Hure“, „Schlampe“, „Miststück“ und „verlogene Schlampe“ bezeichnete.
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Aufgrund dieser Vorkommnisse sprach der Dienststellenleiter des BPOLAFZ gegenüber dem Antragsteller am 19.12.2019 zunächst mündlich ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte mit sofortiger Wirkung aus. Am 19. und 20.12.2019 wurden außerdem polizeiinterne Verwaltungsermittlungen durchgeführt, insbesondere Anhörungen aller beteiligten PMA.
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In diesem Rahmen schilderte PMAin D., dass der Antragsteller fälschlicherweise davon ausgegangen sei, sie würde ein intimes Verhältnis mit PMA L. haben. Er habe ihr diesbezüglich zahlreiche anstößige Nachrichten, insbesondere über den Kurznachrichtendienst S., geschrieben. Nachdem am Abend des 17.12.2019 PMA L. aus der Stube der PMAin D. getreten war, sei der Antragsteller ins Zimmer gekommen und habe die Tür zugesperrt. Er habe ihr vorgeworfen, ihn belogen zu haben, sie mit beiden Händen an den Schultern gefasst und gegen den Schrank gedrückt. Der Antragsteller habe dann versucht, sie am Verlassen des Zimmers zu hindern. Auf dem Flur sei der Antragsteller extrem aggressiv gewesen. Er habe andere angeschrien und sei ihnen sehr nahegekommen. Am Folgetag habe PMAin D. wiederum einen Kontaktversuch des Antragstellers abgewehrt. Beim Versuch eines abschließenden Gespräches am Abend des 18.12.2019 habe er ihr schließlich gedroht, ihr das Leben zur Hölle zu machen und damit auch nach dem Weihnachtsurlaub nicht aufzuhören.
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Bei der Anhörung von PMA L. gab dieser an, er habe zahlreiche der Nachrichten gesehen, die der Antragsteller PMAin D. geschickt habe, diese hätten durchgehend anstößigen Inhalt besessen. Als er am 17.12.2019 die Stubentür aufgemacht habe, sei der Antragsteller aggressiv auf ihn zugekommen und habe seine erhobene linke Hand weggeschlagen. Anschließend auf dem Flur habe er, PMA L., Angst gehabt, dass der Antragsteller ihn schlagen werde. Es sei aber nicht zum Angriff gekommen.
8
Am 07.01.2020 leitete das BPOLAFZ eine Strafanzeige wegen der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 gegen den Antragsteller an die Staatsanwaltschaft … weiter.
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Unter dem 24.01.2020 verfasste der Lehrgruppenleiter Polizeihauptkommissar (PHK) S. ein ergänzendes Persönlichkeits- und Leistungsbild des Antragstellers. Demnach sei der Antragsteller im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit. Allerdings habe der Antragsteller über das Jahr hinaus gezeigt, dass er sich scheinbar emotional nicht im Griff habe. Anlass zu dieser Annahme gebe sein phasenweise trotziges und nicht kritikfähiges Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal sowie sein klasseninternes Verhalten nach Dienstschluss. Nach dem Sachverhalt mit PMA B. sei es noch zu dem Vorkommnis mit PMAin D. gekommen. Die im Nachgang zu Letzterem angehörten Zeugen hätten die Bedenken bezüglich der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestärkt. Letztlich komme er zu dem Schluss, dass der Antragsteller nicht für den Polizeidienst geeignet sei. Er habe seine Emotionen nicht in der Weise im Griff, wie es von einem Polizeibeamten sowohl innerhalb der Behörde als auch nach außen mit dem polizeilichen Gegenüber verlangt werden müsse. Dieses Verhalten werde zu Problemen führen. Gerade bei einem polizeilichen Gegenüber, welches eine emotionale Überreaktion eines Polizisten provoziere, gelte es, sich im Griff zu haben, um nicht unrechtmäßig oder gar strafrechtlich relevant zu handeln.
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Mit Bescheid vom 29.01.2020 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) die Führung der Dienstgeschäfte bis zum rechtskräftigen Abschluss eines noch einzuleitenden Entlassungsverfahrens nach § 37 Abs. 1 BBG. Zudem ordnete sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an und bestätigte damit ausdrücklich die vorläufige mündliche Untersagung der weiteren Dienstausübung vom 19.12.2019. Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller unter dem 06.02.2020 Widerspruch einlegen. Weiterhin beantragte er beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.02.2020, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29.01.2020 wiederherzustellen. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht erklärte sich mit Beschluss vom 21.02.2020 - 12 B 14/20 für örtlich unzuständig und verwies das Verfahren an das zuständige Verwaltungsgericht Bayreuth. Dieses lehnte den Antrag mit Beschluss vom 16.04.2020 - B 5 S 20.187 ab.
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Das mit Strafanzeige vom 07.01.2021 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 02.08.2020 hinsichtlich der Beleidigung zum Nachteil von PMA L. und PMA W. und der versuchten Nötigung zum Nachteil von PMAin D. am 18.12.2017 gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. In einem weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen der Vorfälle am 18.12.2019 in der Mittagspause und in den Abendstunden wurde der Antragsteller seitens der Staatsanwaltschaft … beschuldigt, „in die Wohnung eines anderen widerrechtlich eingedrungen und sich auf Aufforderung des Berechtigten nicht entfernt zu haben und durch dieselbe Handlung einen anderen beleidigt zu haben und durch eine weitere Handlung einen anderen beleidigt zu haben“ (Verfügung der Staatsanwaltschaft … vom 02.08.2020 - Az. …). Die Staatsanwaltschaft … hat festgestellt, dass sich der Antragsteller wegen Hausfriedensbruch in Tateinheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung gemäß § 123 Abs. 1, Abs. 2, §§ 185, 194, 52, 53 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar gemacht hat. Jedoch teilte die Staatsanwaltschaft … mit Schreiben vom 09.09.2020 mit, dass der Antragsteller die ihm auferlegte Geldauflage vollständig erfüllt habe und deshalb von der Verfolgung der Tatvorwürfe gemäß § 45 Abs. 2 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG abgesehen worden sei.
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Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 24.04.2020 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Entlassung angehört. Auf seinen Antrag vom 19.05.2020 hin wurde der Gesamtpersonalrat bei der Bundespolizei beteiligt. Mit E-Mail vom 07.09.2020 führte der Gesamtpersonalrat aus, dass er sich in seiner 131. Sitzung am 01.09.2020 mit dem Entlassungsverfahren eingehend beschäftigt und keine Einwände gegen die Entlassung des Antragstellers habe.
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Mit Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 29.09.2020 widerrief die Antragsgegnerin gemäß § 37 Abs. 1 BBG i.V.m. § 2 Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolG) das zwischen dem Antragsteller und der Bundesrepublik Deutschland begründete Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher Eignung) und entließ den Antragsteller aus der Bundespolizei. Darüber hinaus wurde die sofortige Vollziehung der Entlassverfügung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das seitens des Antragsstellers gezeigte Verhalten vom 18.06, 17. und 18.12.2019 erhebliche Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für die Laufbahn eines Polizeivollzugsbeamten begründe. Denn durch die nachgewiesenen Verhaltensweisen, insbesondere seine Aggressivität gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen, seine geäußerten Beleidigungen und das Eindringen bzw. Verweilen in der Wohnung einer Kollegin habe der Antragsteller nicht nur gegen seine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht aus
§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen, sondern auch das Ansehen der Bundespolizei und des Beamtentums geschädigt. Den Anforderungen der Wohlverhaltenspflicht sei der Antragsteller durch die Beschädigung des Fahrrads seines Kollegen und den Angriff auf ihn schon am 18.06.2019 nicht gerecht geworden. Schwerwiegender sei allerdings sein Verhalten gegenüber seiner ehemaligen Freundin PMAin D., die er über die W.-Gruppe seiner Lehrgruppe beleidigt habe. Diese Beleidigungen vom 17.12.2019 habe der Antragsteller im Laufe des 18.12.2019 wiederholt. Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung habe der Antragsteller die Ehre seiner ehemaligen Freundin schwer verletzt. Bereits wegen des Vorfalls vom 18.06.2019 sei er strafrechtlich wegen einer Körperverletzung in Erscheinung getreten, auch wenn dieses Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 JGG eingestellt worden sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass kein hinreichender Straftatverdacht festgestellt worden sei, sondern lediglich, dass kein oder ein geringes Strafverfolgungsinteresse bestanden habe. Durch das erneute strafrechtliche Ermittlungserfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft … - … sei davon auszugehen, dass es sich bei seinem gewalttägigen und aggressiven Verhalten um einen Charakterzug handele und dieses Verhalten nicht nur situativ entstehe. Aufgrund der zwei gegen den Antragsteller geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren innerhalb eines Jahres lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass ihm die Selbstbeherrschung fehle, er leicht reizbar sei und Konflikte durch Gewaltanwendung lösen wolle. Solche Eigenschaften und Vorgehensweisen seien mit dem Polizeiberuf unvereinbar. Für die Ausübung des Berufs des Polizeivollzugsbeamten sei gerade die Fähigkeit zu einem deeskalierenden Vorgehen und einer gewaltfreien Konfliktlösung erforderlich. Überdies sei es Aufgabe von Polizeibeamten, Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie würden deshalb in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießen, so dass das zur Ausübung dieser Ämter erforderliche Vertrauen in besonderem Maße beeinträchtigt werde, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Straftaten begingen. Es wäre der Allgemeinheit nicht verständlich zu machen, einen Straftäter oder jemanden, der mehrfach mit dem Gesetz durch Gewaltanwendung in Konflikt geraten sei, zum Polizeivollzugsbeamten auszubilden. Des Weiteren stehe aufgrund des mehrfach gezeigten aggressiven Verhaltens des Antragstellers zu befürchten, dass er dieses wiederholen werde. Denn er habe anscheinend nicht aus dem ersten gegen ihn geführten Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Körperverletzung gelernt, sondern sich weiterhin aggressiv verhalten und körperliche Gewalt, diesmal sogar zum Nachteil seiner weiblichen Kollegin und Exfreundin, angewandt. Sein bedrohliches Verhalten habe sogar dazu geführt, dass nicht nur PMAin D., sondern auch ihre Kollegen PMA L. und PMA W. Angst vor ihm gehabt und sich vor einer Begegnung gefürchtet hätten. Zudem stehe zu befürchten, dass der Antragsteller später im polizeilichen Einsatz das zulässige Maß an körperlicher Gewaltanwendung überschreiten, diese rechtswidrig ausüben und dadurch seine Stellung als Polizeivollzugsbeamter ausnutzen werde. Dadurch würde der Antragsteller nicht nur den Ruf und das Ansehen der Bundespolizei, sondern auch die polizeiliche Einsatzlage gefährden. Ferner sei zu beachten, dass zu den Dienstaufgaben eines Polizeivollzugsbeamten auch der Gebrauch von Waffen zähle, mit denen schnell lebensbedrohliche Verletzungen herbeigeführt werden könnten. Da dem Antragsteller der Umgang mit diesen Mitteln bekannt sei, stehe aufgrund seiner leichten Reizbarkeit stets zu befürchten, dass er diese frühzeitig einsetzen und daher eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen würde.
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Die Entlassungsverfügung ergehe unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Der weitere Verbleib des Antragstellers in der Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Entlassungsverfahrens sei nicht zu rechtfertigen, da aufgrund seiner zumindest im Tatbestand begangenen Straftaten eine Störung des weiteren Ausbildungsbetriebes zu befürchten sei und ein ordnungsgemäßer Ablauf der Ausbildung nicht möglich erscheine. Ferner seien weitere Ansehensschädigungen der Bundespolizei aber auch des Beamtentums zu unterbinden. Der Antragsteller befinde sich zwar derzeit aufgrund des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte nicht im Dienst. Da das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte allerdings nur zeitlich befristet sei, müsse hier durch die sofortige Vollziehung sichergestellt werden, dass der Antragsteller nicht wieder zum Dienst erscheinen dürfe. Darüber hinaus diene das Beamtenverhältnis auf Widerruf in erster Linie der Ableistung des Vorbereitungsdienstes, dem Erwerb der Befähigung für die Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes und nicht der Unterhaltssicherung des Beamten. Der Antragsteller habe sich als charakterlich ungeeignet für die Laufbahn eines Vollzugsbeamten erwiesen. Auch im Interesse des Antragstellers sei die sofortige Vollziehung der Entlassverfügung anzuordnen, damit er über die Entlassung nicht im Unklaren gelassen werde und sich schnellstmöglich neu orientieren könne. Zudem müsse der Antragsteller im Falle seines Unterliegens mit einer Rückforderung der überzahlten Bezüge rechnen, die unter Umständen sein finanzielles Leistungsvermögen überschreiten könnte.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22.10.2020 hat der Antragsteller gegen die Entlassungsverfügung vom 29.09.2020 Widerspruch erhoben und beantragt, die Vollziehung der Entlassverfügung auszusetzen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vorfälle mit PMA B., PMA L. sowie PMA W. falsch wiedergegeben bzw. die Aussagen der Belastungszeugen unzutreffend gewürdigt worden seien. Dies werde auch durch den Umstand belegt, dass die Staatsanwaltschaft … die Ermittlungen gegen den Antragsteller nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe. Hinsichtlich der Vorfälle mit PMAin D. räumt der Antragsteller zwar ein, dass sein Verhalten nicht akzeptabel gewesen sei. Es sei allerdings nicht die besondere psychische Ausnahmesituation berücksichtigt worden, in der sich der Antragsteller zum fraglichen Zeitpunkt befunden habe. Auch sei eine Störung des Ausbildungsbetriebes im Falle einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers nicht zu befürchten. Die Vorfälle vom Dezember 2019 würden nun mehr als zehn Monate zurückliegen. Es gäbe keine belastbaren Indizien, dass der Antragsteller ein „Rabauke“ und Straftäter sei. Niemand habe vor ihm Angst; dies würden nicht einmal PMA L. und PMA W. behaupten.
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Mit Bescheid vom 12.01.2021 wurde der Widerspruch des Antragstellers gegen die Entlassungsverfügung vom 29.09.2020 zurückgewiesen. Unabhängig von der Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens anlässlich der Körperverletzung und Sachbeschädigung am 18.06.2019 zum Nachteil des PMA B. habe dieser Sachverhalt die Grundhaltung des Antragstellers gezeigt. Dass der Geschädigte kein Strafverfolgungsinteresse gehabt habe, spreche eher für das kollegiale Verhalten von PMA B., der in seiner dienstlichen Erklärung eine gewisse Mitschuld an dem Vorgang offen eingeräumt habe. An der schriftlichen Aussage von PMA B. gebe es keine vernünftigen Zweifel. Diese habe PMA B. auch im Rahmen einer telefonischen Nachfrage der ermittelnden Kriminalpolizei bestätigt, wie sich aus dem Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion …-Stadt vom 29.10.2019 ergebe. Auf seine charakterlichen Schwächen sei der Antragsteller bereits am 03.07.2019 im Kontaktgespräch mit seinem Lehrgruppenleiter PHK S. hingewiesen worden. Ein weiteres Anzeichen für die charakterliche Ungeeignetheit des Antragstellers sei seine Aussage vom 09.09.2019. Bei der Sportausbildung habe er geäußert, dass er Ausländer hasse. Auf diese Aussage angesprochen habe er erwidert, dass dies nicht schlimm sei, da es seine Klasse und ein Scherz gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei am 10.09.2019 in einem Kritikgespräch mit der Ausbilderin PHKin S. und dem Betroffenen aufgearbeitet worden. Der Antragsteller habe vorgegeben, dass er die Äußerung nicht getätigt habe und die Unterschrift auf dem Protokoll des Gesprächs verweigert. Im Rahmen eines Personalgesprächs am 24.10.2019 sei der Antragsteller erneut auf sein gezeigtes Fehlverhalten hingewiesen worden. Durch das beschriebene Verhalten zeige der Antragsteller, dass er auch im dienstlichen Kontext respektlos agiere, lüge und sich unkooperativ verhalte. Als Beleg für das aggressive Verhalten des Antragstellers sei ausgeführt worden, dass PMA L. in der Vernehmung vom 19.12.2019 angegeben habe, Angst gehabt zu haben. Diese Aussage habe PMA L. am 09.03.2020 in der Zeugenvernehmung bei der Polizeiinspektion … bestätigt. Zwischen der Vernehmung am 19.12.2019 und der zweiten Vernehmung hätten 82 Tage gelegen. Trotz dieses Zeitraums habe PMA L. weiterhin Furcht vor dem Antragsteller verspürt. Dies zeige wie einprägsam das Verhalten des Antragstellers für PMA L. gewesen sei. Die Ereignisse vom 17./18.12.2019 wirkten auch bei PMAin D. nach. In ihrer Aussage vom 09.03.2020 gegenüber der Polizeiinspektion … habe sie angegeben, dass sie sich nach wie vor viele Gedanken mache bzw. dass ihr die Sache immer noch zu schaffen mache. Auch diese Aussage sei drei Monate nach dem Vorfall aufgenommen worden. Das Verhältnis zwischen PMAin D. und dem Antragsteller sei bereits drei Wochen vor dem Vorfall am 17./18.12.2019 durch PMAin D. beendet worden. Man könne also an beiden Tagen nicht von einer einmaligen, spontanen Ausnahmesituation ausgehen.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16.02.2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Antragsteller Klage gegen die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 erhoben, die unter dem Az. B 5 K 21.164 anhängig ist.
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Mit weiteren Schriftsatz vom 16.02.2021, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 18.02.2021 eingegangen, beantragt der Bevollmächtigte des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22.10.2020 gegen die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29.09.2020 wiederherzustellen.
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Zur Begründung des Eilrechtsschutzantrags wird auf die Ausführungen der Klagebegründung Bezug genommen. Da es nunmehr um die Entlassung des Antragstellers gehe, müsse die Antragsgegnerin genauer und vollständig ermitteln. Die Gegenargumente des Antragstellers seien jedoch ignoriert worden. Vor diesem Hintergrund verwundere es, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller circa neun Monate nach dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ohne weitere Ermittlungen mit Bescheid vom 29.09.2020 entlassen habe. Im Fall des PMA B. bestreite der Antragsteller, dass dieser den Sachverhalt richtig dargestellt habe. Er habe B.s Fahrrad nicht beschädigt und ihn auch nicht gewürgt. Für die Richtigkeit seiner Darstellung beziehe er sich auf den damaligen Lehrgangskollegen S. Zwar sei eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft kein Freispruch. Allerdings sei es kühn, wenn die Antragsgegnerin die Behauptung aufstelle, an der Richtigkeit der Aussage des PMA B. gebe es keinen vernünftigen Zweifel. Zum Fall PMA L. sei auszuführen, dass nicht der Antragsteller PMA L. provoziert habe, vielmehr sei es umgekehrt gewesen. PMA L. habe in die Hände geklatscht als er grinsend aus dem Zimmer von PMAin D. gekommen sei. Er habe die linke Hand gehoben (etwaig um zuzuschlagen), sei stur im Flur stehen geblieben, anstatt in sein Zimmer zu gehen, wie ihm dies seitens seiner Kameraden empfohlen worden sei. Der Antragsteller sei von PMA L. etwa sechs bis sieben Meter entfernt gewesen. Die Richtigkeit der Darstellung könnten die Angehörigen der Lehrgruppe bestätigen. Zum Fall PMA W. sei klarzustellen, dass dieser anlässlich seiner Vernehmung am 09.03.2020 nicht die Behauptung wiederholt habe, dass sich der Antragsteller ihm bis auf 10 cm genähert habe. Er habe vielmehr davon gesprochen, dass der Antragsteller die Fäuste geballt habe. Die Antragsgegnerin habe PMA W. nicht einmal auf diese Widersprüche hingewiesen. Auch habe eine Befragung der übrigen Lehrgangskollegen nicht stattgefunden. Unstreitig sei das Verhalten des Antragstellers gegenüber PMAin D. nicht akzeptabel gewesen. Er sei laut und beleidigend gewesen und habe sich jede Einmischung Dritter verbeten. Jedoch habe der Antragsteller PMAin D. nicht gegen den Schrank gestoßen oder ihr gedroht, ihr das Leben zur Hölle zu machen, wenn sie sich an PHK S. wende. Auch habe er ihr nicht gesagt, dass es auch nach Weihnachten so weiterginge. Erstaunlich sei, dass die Antragsgegnerin der Darstellung der Zeugin K. nicht weiter nachgegangen sei. Sie sei am Abend des 18.12.2019 dazugekommen, als der Antragsteller und PMAin D. Arm in Arm in deren Zimmer zusammengesessen hätten. Sie habe mitbekommen, dass PMAin D. zunächst gar nichts weiter habe unternehmen wollen. Von der Antragsgegnerin wäre zu erwarten gewesen, dass sie bei einer so schwerwiegenden Entscheidung wie einer Entlassung alles unternehme, um den Sachverhalt aufzuklären. Erneut stelle die Antragsgegnerin die Vorgänge vom 17./18.12.2019 verfälscht dar. Obwohl die Antragsgegnerin selbst vortrage, dass es zahlreiche Angehörige der Lehrgruppe gebe, die bestätigen könnten, wie aggressiv und respektlos sich der Antragsteller am 17./18.12.2019 verhalten habe, und obwohl der Antragsteller unter Beweisantritt vortrage, dass dem nicht so gewesen sei, halte es die Antragsgegnerin nicht für notwendig, diese Zeugen zu vernehmen. Dies sei eine eklatante Verletzung des rechtlichen Gehörs und verstoße im Übrigen auch gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Zusätzlich führe die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid ein völlig neues Thema ein, nämlich den Vorwurf, der Antragsteller habe sich bei seiner Sportausbildung am 09.09.2019 rassistisch geäußert. In dem Kritikgespräch am 10.09.2019 habe der Antragsteller seine Aussage nicht bestätigt, sondern auf seinen unmittelbaren Dienstvorgesetzten, Herrn S., warten wollen. Auch diesem Vorgang sei die Antragsgegnerin nicht weiter nachgegangen. Dies sei eine völlig einseitige Ermittlung und kein faires Verfahren; vielmehr hätte die Antragsgegnerin etwaigen Entlastungsumständen nachgehen müssen. Dies gelte erst recht für die Darstellung des Antragstellers, dass er sich damals, also im Dezember 2019, in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden habe. Die Antragsgegnerin könne sich offenbar nicht ansatzweise in die Situation des Antragstellers hineinversetzen und behaupte stattdessen, die Trennung zwischen PMAin D. und dem Antragsteller sei bereits Wochen zuvor abgesprochen gewesen. Die Antragsgegnerin übersehe, dass PMAin D. zwar einmal eine solche Behauptung im Rahmen ihrer Vernehmung aufgestellt habe, allerdings habe PMAin D. in einigen Punkten nicht die Wahrheit gesagt. Insoweit hätte die Antragsgegnerin Anlass gehabt, bei PMAin D. kritisch nachzufragen. Der Antragsteller habe zwar den Verdacht gehabt, dass es einen anderen Mann gebe, nachdem PMAin D. die Beziehung mit ihm brüsk beendet habe. Doch PMAin D. habe dies energisch abgestritten, sei einem Gespräch ausgewichen und habe die anstehende Zwischenprüfung als Ausrede für die fehlende Gesprächsbereitschaft vorgeschoben. Der Antragsteller habe über S. angefragt, ob sie nicht endlich wenigstens vor dem Weihnachtsurlaub mit ihm reden wolle, doch sie habe abgelehnt, weil sie gerade mit PMA L. auf oder in ihrem Bett gelegen habe. In diesem Moment habe der Antragsteller an der Tür geklopft, er habe Geräusche gehört und sodann wieder geklopft. Dann sei PMA L. herausgekommen, PMAin D. spärlich bekleidet dahinter. Es sei klar, dass dies für einen jungen Menschen eine emotionale Ausnahmesituation sei. Weiterhin stelle sich die Frage, wie es möglich sei, dass der Antragsteller als eine derart aggressive Person wie er von Antragsgegnerseite dargestellt werde, seit Beginn der Ausbildung als stellvertretender Lehrgruppensprecher fungiere. Zudem werde auf die Ausführungen des Seminarleiters PHK P. und des Lehrgruppenleiters PHK S. vom 24.01.2020 verwiesen, wonach der Antragsteller im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit sei. Dem Ausbildungspersonal gegenüber habe er sich nie über die Maßen respektlos verhalten. Die Vorgänge im Dezember 2019 seien kein Ruhmesblatt für den Antragsteller gewesen. Gleichwohl werde es keine Wiederholung geben, dafür sei die Zeit danach für ihn zu schlimm gewesen. Es sei unverhältnismäßig, den Antragsteller ein Jahr nach den Vorfällen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung zu entlassen. Die Befürchtung der Antragsgegnerin, der Antragsteller könne im Fall einer Rückkehr die aussagenden Kollegen sanktionieren, sei rein spekulativ, zumal diese ehemaligen Lehrgangskollegen allesamt ihren Lehrgang inzwischen beendet haben dürften Mit Schriftsatz vom 02.03.2021 beantragt die Bundespolizeiakademie für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antrag bereits unstatthaft sei. Denn der Antragsteller begehre die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 22.10.2020 gegen die Entlassungsverfügung vom 29.09.2020. Der Widerspruch sei jedoch bereits mit Bescheid vom 12.01.2021 abschlägig beschieden worden, sodass dieser nicht mehr existiere und somit auch seine aufschiebende Wirkung nicht mehr hergestellt werden könne. Jedenfalls sei der Antrag aber unbegründet, da die Entlassungsverfügung rechtmäßig ergangen sei. Der Antragsteller rüge insbesondere die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung und bezweifele, dass durch seine weitere Teilnahme am Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes eine Störung des Dienstbetriebes eintreten würde. Dabei verkenne der Antragsteller, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch auf weitere Gründe, wie z. B. die Ansehensschädigung stütze. Eine solche sei bereits durch das bisherige Verhalten des Antragstellers bei der Antragsgegnerin eingetreten und eine zukünftige sei bei Weiterbeschäftigung des Antragstellers zu erwarten. Denn der Allgemeinheit sei es nicht verständlich zu machen, eine Person, die sich aufs Äußerste unangemessen gegenüber einer Frau und Kollegin verhalten habe und deswegen sogar einer Straftat verdächtig gewesen sei und eine Geldauflage in Höhe von 500,00 Euro bezahlt habe, zum Polizeivollzugsbeamten auszubilden. Entgegen der Behauptung des Antragstellers seien die Vorfälle vom 17./18.12.20219 sehr wohl aufgeklärt und die anwesenden Personen als Zeugen vernommen worden. Der Antragsteller habe auch in seiner Widerspruchsbegründung keine Beweise angeboten, sondern stelle den Sachverhalt lediglich anders dar und versuche das Verhalten zu verharmlosen. Hinsichtlich des Vorbingens des Antragstellers, er sei stellvertretender Lehrgruppensprecher gewesen, sei anzumerken, dass diese durch die übrigen Polizeimeisteranwärter der Lehrgruppe zu Anfang des Vorbereitungsdienstes gewählt würden. Dies bedeute somit nicht, dass diese Person dafür besonders geeignet sei, zumal das Ausbildungspersonal der Antragsgegnerin bei der Wahl völlig unbeteiligt sei. Des Weiteren sei es umso schlimmer, dass sich gerade der Antragsteller als stellvertretender Lehrgruppensprecher wie dargestellt verhalten habe und kein Vorbild für seine Kollegen sei. Dass die Erstellung der Entlassverfügung ca. zehn Monate nach dem Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte erfolgt sei, sei überwiegend dem Umstand geschuldet, dass das gegen den Antragsteller geführte Strafverfahren wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 StGB und der Beleidigung gemäß § 185 StGB erst am 09.09.2020 endgültig beendet worden sei. Die in dem Strafverfahren getroffenen Feststellungen seien bei der Entscheidung und Begründung der Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf berücksichtigt worden. Nur so habe eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung gewährleistet werden können.
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte, auch auf diejenige des Hauptsacheverfahrens (B 5 K 21.164) sowie des Verfahrens B 5 S 20.187, und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag ist gemäß § 88 VwGO sachgerecht dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entlassverfügung der Antragsgegnerin in Gestalt des Widerspruchsbescheides begehrt. Wie die Antragsgegnerseite bereits zutreffend ausführte, erweist sich die Bezugnahme des Antrags auf das Widerspruchsverfahren als nicht sachgerecht, da dieses mit Erlass des Widerspruchsbescheides am 12.01.2021 bereits abgeschlossen ist. In Eilverfahren, in denen eine mündliche Verhandlung, in der auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken ist (§ 86 Abs. 3 VwGO), nicht stattfindet, ist wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes der Effektivität des Rechtsschutzes eine Auslegung zu Gunsten des Antragstellers vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2002 - 10 CE 02.1467 - juris Rn. 7). Ist der Rechtschutzsuchende anwaltlich vertreten, kommt der Antragsformulierung zwar eine gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Begründung oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Rechtsschutzziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2012 - 9 B 7.12 - DÖD 2012, 190 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 24.6.2019 - 8 CS 19.817 - juris Rn. 12; OVG NW 1.2.2018 - 6 B 1355/17 - ZBR 2018, 390 = juris Rn. 12 f.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 9).
23
Der so verstandene Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
24
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Bestimmung stellt eine zentrale Norm der Verwaltungsrechtspflege dar, denn der Bürger hat nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) Anspruch auf eine tatsächlich wirksame Kontrolle der Verwaltung. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage aber nicht schlechthin. Die Behörde darf sie gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.
25
In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dann angeordnet bzw. wieder hergestellt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
26
Der Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 29.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 erweist sich bei summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als rechtmäßig.
27
a) Die Anordnung des Sofortvollzuges erfolgte in formell rechtmäßiger Weise (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Begründung der Vollzugsanordnung der Antragsgegnerin vom 29.09.2020 genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Sie ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen des Antragstellers berücksichtigt.
28
b) Über diese Feststellung hinaus bedarf es keiner weiteren Erörterung der von der Behörde genannten Gründe, da das Gericht nicht auf die Überprüfung dieser Gründe beschränkt ist, sondern im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unter Abwägung der öffentlichen Belange gegen den Rechtsanspruch des Einzelnen selbst zu beurteilen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Soweit dabei die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs oder der Klage bereits absehbar sind, hat das Gericht sie zu berücksichtigen. Ergibt diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, so scheidet, sofern ein öffentliches Interesse für den sofortigen Vollzug spricht, ein Vorrang der privaten Interessen von vornherein aus, da an der Aussetzung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts in der Regel kein überwiegendes privates Interesse bestehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.1982 - 19 AS 82 A.2049 - BayVBl 1983, 23.).
29
Die summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Entlassungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2021 bestehen.
30
aa) Die Entlassverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist ordnungsgemäß nach § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angehört worden. Der Personalrat wurde auf Antrag des Antragstellers gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) beteiligt und hat mit E-Mail vom 07.09.2020 mitgeteilt, dass keine Einwände erhoben werden.
31
bb) Rechtsgrundlage für die Entlassung des Antragstellers ist § 2 BPolG i.V.m. § 37 Abs. 1 BBG . Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267/268).
32
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahin eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 - 2 B 11152/04 - NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst - wie hier - für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 17 m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6).
33
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn - mit Blick auf den Antragsteller also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes - nicht gerecht wird. Insoweit genügen entgegen der Ansicht der Antragstellerseite bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267/268; BayVGH, B.v. 13.11.2014 - 3 CS 14.1864 - juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 - 2 B 174/18 - juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 - 6 B 1551/18 - juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 - 6 CS 19.481 - juris Rn. 14).
34
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 - 6 B 977/17 - juris Rn. 4).
35
In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
36
Vorliegend bedurfte es keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsvorschrift des § 37 BBG verlangt - anders als § 34 Abs. 4 Satz 2 BBG für die Entlassung von Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte - nicht die entsprechende Anwendung der §§ 21 bis 29 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG). Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz des § 28 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist. Dem genügt die Sachverhaltsaufklärung der Bundespolizeiakademie hinsichtlich der in der Entlassverfügung im Einzelnen geschilderten Vorfälle bzw. des Verhaltens des Antragstellers. Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der Vorfälle vom 17. und 18.12.2019 alle beteiligten Personen angehört und den Chatverlauf aus der W.-Gruppe der Lehrklasse bildlich gesichert. Namentlich finden sich in den Verwaltungsakten die Anhörungsprotokolle von PMAin D., PMA L. sowie den PMAn W., Z. und PMAin K. Damit liegen fünf Schilderungen der Ereignisse vor, aus denen sich das Geschehen insgesamt schlüssig darstellt. Darüber hinaus wurden die Zeugen PMA W., PMAin D. sowie PMA L. seitens der Polizeiinspektion …-Stadt vernommen und bestätigten insoweit in den wesentlichen Kernpunkten ihre bereits gegenüber der Antragsgegnerin getätigten Aussagen. Auch wenn Einzelheiten, insbesondere Art und Einzelheiten der Intensität der Beziehungen zwischen PMAin D. und dem Antragsteller bzw. PMA L., das Ausmaß der Körperlichkeit der Auseinandersetzung am 17.12.2019, die Frage, ob außer PMAin D. auch andere Beteiligte beleidigt wurden, und ob er PMAin D. gedroht hat, sie auch künftig nicht in Ruhe zu lassen, seitens des Antragstellers bestritten werden, ergibt sich doch ein einheitliches Gesamtbild der Geschehnisse. Insbesondere räumt der Antragsteller selbst ein, sich PMAin D. gegenüber inakzeptabel verhalten, sie beschimpft und beleidigt, andere Lehrgangskollegen in die Auseinandersetzung hineingezogen und sich aggressiv verhalten zu haben. Dass die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Az. …) hinsichtlich der Beleidigung zum Nachteil des PMA L. und des PMA W. (jeweils am 17.12.2019) und der versuchten Nötigung zum Nachteil der PMAin D. am 18.17.2019 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, steht weder der Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse noch der Entlassungsverfügung selbst entgegen. Unerheblich ist damit weiterhin, dass die Staatsanwaltschaft … hinsichtlich des Tatvorwurf des Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung zum Nachteil der PMAin D. gemäß § 45 Abs. 2 JGG von der Erhebung der öffentlichen Klage gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 500,00 Euro abgesehen hat. Zumal diese Einstellungsentscheidung das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts und den Abschluss der Ermittlungen voraussetzt (vgl. Schneider in: BeckOK, JGG, Gertler/Kunkel/Putzke, 20. Edition, Stand: 01.11.2020, § 45, Rn. 11). Auch besteht keine Bindung der Verwaltungsgerichte an die Entscheidung der Strafbehörden in dem wohl von Antragstellerseite intendierten Sinne, dass aus Verhalten, das nicht strafrechtlich abgeurteilt worden sei, nachteilige Folgerungen nicht gezogen werden dürften (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2010 - 6 A 2055/09 - juris Rn. 46).
37
Ähnliches gilt für den Vorfall im Juni 2019. Insoweit wurden seitens der Polizeiinspektion …-Stadt sämtliche Beteiligte vernommen. Neben dem zum Tatzeitpunkt verantwortlichen Lehrgruppenleiter We., wurden zu der Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und B. die Zeugen PMA K. und PMA P angehört. Der Geschädigte B. wurde, da er inzwischen kein Angehöriger der Bundespolizei in … mehr war, seitens des ermittelnden Beamten telefonisch kontaktiert. Den Ausführungen der Befragten ließ sich das Kerngeschehen übereinstimmend entnehmen. Dass das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen vorsätzlicher Köperverletzung und Sachbeschädigung zum Nachteil des B. ebenfalls wegen geringer Schuld gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG eingestellt wurde, erweist sich nach den oben dargestellten Grundsätzen als unerheblich.
38
Die Bundespolizeiakademie durfte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die sie in nicht zu beanstandender Weise getroffen und in der Entlassungsverfügung aufgeführt hat, davon ausgehen, dass berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt des Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei bestehen und damit ein Grund für die sofortige Entlassung vorliegt. Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Betreffende der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird (BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 18.16 - juris Rn. 26). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eignung nicht nur an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes, sondern auch an denen der angestrebten Laufbahn zu messen ist (BVerwG, U.v. 17.12.1959 - 6 C 70.50 - BVerwGE 10, 75 [79]; BayVGH, B.v. 12.12.2011 - 3 CS 11.2397 - juris Rn. 34). Von den Polizeivollzugsbeamten ist in diesem Sinne eine gewisse soziale Kompetenz zu erwarten; es wird von ihnen verlangt, zugleich einerseits deeskalierend und andererseits die polizeilichen Ziele verfolgend auf andere Menschen einzuwirken (vgl. NdsOVG, B. 7.2.2009 - 5 ME 25/09 - juris Rn. 32).
39
Im Rahmen der Vorfälle im Dezember 2019 zeigte der Antragsteller ein dienstpflichtwidriges Verhalten im Umgang mit Konflikten und gegenüber Ausbildungskollegen, von dem unter Mitberücksichtigung des Vorfalls vom Juni 2019 davon auszugehen ist, dass es nicht situativ bedingt, sondern Folge eines Charakterzuges des Antragstellers ist. Konkret zeigte der Antragsteller, dass er mit der Zurückweisung durch PMAin D. in keiner Weise selbstbeherrscht umgehen konnte. Schon durch die wiederholten Kontaktversuche über Chatdienste im Nachgang zur Beendigung der intimen Beziehung Anfang Dezember 2019 überschritt der Antragsteller die von PMAin D. gewollte persönliche Distanz. Er übertrat zunächst verbal durch die schriftlich - unter anderem in der W.-Gruppe - geäußerten Beschimpfungen und am Abend des 17.12.2019 auch körperlich - zumindest durch das Betreten der Stube von PMAin D. - die durch sie gesetzten Grenzen. In der emotionalen Stresssituation beim Zusammentreffen mit PMAin D. und PMA L. reagierte er mit Aggressionen gegenüber seinen Kollegen, unbeherrscht und verbal ausfällig. Die Situation konnte nur durch das Eingreifen Dritter deeskaliert werden. Besonderes Gewicht erhält der Vorfall aufgrund der zeitlichen und persönlichen Dimensionen: Zeitlich deshalb, weil die Kontaktversuche bereits Anfang Dezember begannen und auch nach dem einschneidenden Vorfall am 17.12.2019 nicht endeten. Vielmehr riskierte der Antragsteller beim erneuten Zusammentreffen mit PMAin D. am Folgetag wiederum die schließlich auch eingetretene zumindest verbale Eskalation. In persönlicher Hinsicht wiegt der Vorfall besonders schwer, weil neben der besonders betroffenen PMAin D. auch zahlreiche weitere Ausbildungskollegen des Antragstellers, allen voran PMA L., in die Geschehnisse involviert wurden - vom Antragsteller selbst in Kauf genommen oder gar beabsichtigt durch die Nachricht im W.-Klassenchat. Damit erreichten die verbalen Übergriffe gegenüber PMAin D. auch eine deutlich größere Reichweite.
40
Mit diesem Auftreten hat der Antragsteller die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines (künftigen) Bundespolizisten erheblich verletzt. Namentlich hat der Antragsteller gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Antragstellers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 - 2 B 17.16 - juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 14.7.2018 - 2 B 174.18 - juris Rn. 10).
41
Auch in einer emotionalen Ausnahmesituation besonnen zu reagieren, weder in Wort noch Tat übergriffig zu werden, die von dem oder der Anderen gesuchte Distanz zu respektieren und die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, muss zwingend von jedem - auch angehenden - Bundespolizisten erwartet werden können. Im Polizeivollzugsdienst begeben sich die Beamten alltäglich in physisch und psychisch belastende Situationen, in denen sie mit der ihnen übertragenen rechtlichen und tatsächlichen Machtposition verantwortungsvoll umgehen müssen. Dazu ist es insbesondere erforderlich, auch bei beachtlichen persönlichen Spannungen selbstdiszipliniert zu reagieren und Konflikte sachlich zu lösen. „Ausraster“ sind dabei keinesfalls tolerabel. Demgemäß müssen von Bundespolizeibeamten charakterliche Stabilität, Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit erwartet werden, die ein entsprechend besonnenes Verhalten nicht nur im dienstlichen, sondern auch im privaten Bereich bedingen. Auch wenn sich der Vorfall am 17.12.2019 in der privaten Sphäre zutrug, schlug das Verhalten des Antragstellers jedenfalls auf den dienstlichen Bereich über, weil sich der Vorfall in den dienstlichen Unterkünften und unter ausschließlicher Beteiligung der Lehrgruppenmitglieder ereignete.
42
In Zusammenschau mit dem Vorfall vom 18.06.2019 verdichtet sich der Gesamteindruck des Verhaltens des Antragstellers zu der Annahme, dass die Ereignisse im Dezember 2019 nicht einer einmaligen Ausnahmesituation geschuldet und für ihn untypisch, sondern Ausdruck eines charakterlichen Wesenszuges des Antragstellers waren.
43
Zwar ist hinsichtlich des Vorfalls vom 18.06.2019 insbesondere unklar, inwieweit sich B. seinerseits unkorrekt und provokant verhalten hat. Allerdings kann den im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Zeugenaussagen der PMAn K. und P. sowie der Sachverhaltsschilderung des Geschädigten B. und des Lehrgruppenleiters We. entnommen werden, dass der Antragsteller unbefugt das Fahrrad des B. genommen und dieses im Fortgang einer verbalen Auseinandersetzung gegen eine Hausmauer prallen ließ. Darüber hinaus schilderten die Befragten übereinstimmend, dass es in der Folge zu einer Auseinandersetzung zwischen B. und dem Antragsteller gekommen sei, in dessen Verlauf der Antragsteller B. kurzzeitig mit einer Hand gewürgt habe. Nur durch das Eingreifen Dritter hätten der Antragsteller und B. getrennt werden können. Ebendieses Verhaltensmuster findet sich bei den Vorkommnissen im Dezember 2019.
44
Auch dem seitens seiner Ausbilder unter dem 24.01.2020 erstellten Persönlichkeits- und Leistungsbild ist zu entnehmen, dass der Antragsteller über das Jahr hinweg phasenweise gleichgültiges und trotziges Verhalten bei Druck und Kritik von Seiten des Ausbildungspersonals gezeigt habe. Diesbezüglich sei der Antragsteller mehrfach durch die Ausbilder angesprochen worden, die ihm klargemacht hätten, dass ein solches Verhalten für einen angehenden Polizeivollzugsbeamten nicht angemessen sei und im Kontakt mit dem polizeilichen Gegenüber sowie Vorgesetzten zu Problemen führen könne. Unter weiterer Berücksichtigung seines klasseninternen Verhaltens nach Dienst müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Antragsteller emotional nicht im Griff habe.
45
Soweit der Widerspruchsbescheid vom 12.01.2021 darüber hinaus auf eine rassistische Äußerung des Antragstellers im Rahmen der Sportausbildung Bezug nimmt, um damit ein weiteres Indiz für die charakterliche Nichteignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst zu liefern, ist dieses Vorgehen der Bundespolizeiakademie nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten wurde dieser Umstand nicht etwa zu spät in das Verfahren eingeführt. Denn maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügenden Entlassung ist die letzte Behördenentscheidung, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheides (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2014 - 3 ZB 13.1074 - juris Rn. 13).
46
Dass der Antragsgegnerin infolge des festgestellten Sachverhalts berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf erwachsen sind, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ereignisse im Juni und Dezember 2019 sowie sein trotziges und nicht kritikfähiges Verhalten gegenüber dem Ausbildungspersonal belegen exemplarisch den Umgang des Antragstellers mit Konfliktsituationen im Allgemeinen. Auch wenn sich der Antragsteller - wie aus dem Persönlichkeits- und Leistungsbild vom 24.01.2020 ebenfalls hervorgeht - im Dienst grundsätzlich freundlich, engagiert und hilfsbereit gezeigt hat, sich gegenüber den zuständigen Ausbildern nie über die Maßen respektlos oder aggressiv verhalten hat, lassen seine leichte Reizbarkeit sowie sein Aggressionspotential gegenüber gleichaltrigen Kollegen darauf schließen, dass es ihm an der erforderlichen Loyalität sowie der Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Deeskalation und mithin an der notwendigen Dienstauffassung fehlen wird. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit den in der Entlassverfügung im Einzelnen aufgeführten Vorfällen und Verhaltensweisen zu Recht ein gravierendes Defizit in Bezug auf die Grundvoraussetzungen polizeilicher Aufgabenwahrnehmung vorgehalten. Besonders schwer wiegt insoweit, dass der Antragsteller wiederholt seitens der Ausbilder auf seine mangelnde Fähigkeit zur Deeskalation angesprochen worden ist und sich gleichwohl nach dem Vorfall im Juni 2019 in eine öffentliche Auseinandersetzung mit PMAin D. und weiteren Ausbildungskollegen begab, obwohl er gerade in dieser Situation - noch mehr als ohnehin - darauf bedacht hätte sein müssen, auch außerdienstlich besonnenes und defensives Verhalten an den Tag zu legen. Wie es dem Antragsteller ob dieser charakterlichen Defizite gelingen sollte, die polizeilichen Aufgaben auch in emotionalen Ausnahmesituationen sachgerecht wahrzunehmen, erschließt sich der erkennenden Kammer nicht.
47
Polizeibeamte haben die Aufgabe, die Rechtsordnung und die Rechtsgüter Einzelner, insbesondere auch die körperliche Integrität anderer zu schützen und Gewalttaten zu verhindern. Begeht ein mit solchen Aufgaben und entsprechenden Befugnissen betrauter Beamter die dem Antragsteller zur Last gelegten Straftaten, so handelt er seinem Auftrag in grober Weise zuwider. Polizeibeamte sind in einem durch das Gewaltmonopol des Staates geprägten Kernbereich der öffentlichen Verwaltung tätig. Zu ihren Dienstaufgaben gehört einerseits der Gebrauch von Waffen; andererseits müssen sie in deeskalierenden und Verteidigungstechniken besonders geübt sein und über die hierzu benötigte Grundeinstellung verfügen oder sich diese aneignen. Von daher beeinträchtigt es das Ansehen der Polizei in besonderer Weise, wenn ein Polizeivollzugsbeamter, bei dem aufgrund seiner Ausbildung und dem charakterlichen Anforderungsprofil gerade das gegenteilige Verhalten erwartet werden muss, in der Öffentlichkeit ein solches von Unbeherrschtheit und Aggressivität sowohl gegen Sachen als auch gegen Menschen gekennzeichnetes Verhalten an den Tag legt (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2010 - 6 A 2055/09 - juris Rn. 34), wie es der Antragsteller namentlichen bei den Vorfällen im Juni und Dezember 2019 getan hat.
48
Die Antragsgegnerin durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
49
Darüber hinaus hat auch die von der Antragspartei eingewandte zeitliche Verzögerung des Entlassungsverfahrens keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Denn ein Blick auf den gesamten Verfahrensablauf zeigt, dass die Entlassung innerhalb dieses Zeitraums stets zielstrebig verfolgt worden ist.
50
Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Entlassungsverfügung überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dies ist seitens der Antragsgegner in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Aufgrund der die fristlose Entlassung rechtfertigenden Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für die angestrebte Laufbahn wird der Sofortvollzug insbesondere gerechtfertigt durch das öffentliche Interesse an einem ungestörten Dienstbetrieb, der Vermeidung eines Ansehensverlust in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der eignen Reihen sowie durch das fiskalische Interesse, einen wohl ungeeigneten Anwärter nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des voraussichtlich erfolglosen Hauptsacheverfahrens zu alimentieren. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerseite ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Begründung der Sofortvollzugsanordnung auf falsche Tatsachen Bezug genommen hätte.
51
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
52
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Anzusetzen war insoweit die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Anwärterbezüge nach §§ 59 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. Anlage VIII des BBesG (Anwärtergrundbetrag für Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 7 - Polizeimeister - von 1.268,99 €); dieser Betrag war für das Verfahren des Eilrechtsschutzes nochmals zu halbieren.