Inhalt

VG München, Urteil v. 23.11.2021 – M 3 K 21.3130
Titel:

Verspätete Bekanntgabe in der Prüfung zugelassener Hilfsmittel

Normenkette:
APSO § 12 Abs. 5, § 21
Leitsatz:
Werden die zugelassenen Hilfsmittel für eine Prüfung entgegen der Studienordnung nicht rechtzeitig bekannt gegeben, liegt hierin ein wesentlicher Verfahrensfehler. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Technische Universität, München, Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen, Grundlagen- und Orientierungsprüfung, Verfahrensfehler, zugelassene Hilfsmittel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.10.2022 – 7 ZB 21.3047
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58697

Tenor

I. Der Prüfungsbescheid der Beklagten für den Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen vom 3. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 5. Mai 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Prüfungsabschnitt der Grundlagen- und Orientierungsprüfung des Klägers im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen als endgültig bestanden anzuerkennen und dem Kläger hierüber einen neuen, das endgültige Bestehen der vorgenannten Grundlagen- und Orientierungsprüfung ausweisenden Prüfungsbescheid zu erteilen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 2018/19 an der Technischen Universität M. (TUM) im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen.
2
Im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen sind für den Kläger bis zum Ende des zweiten Semesters aus den Modulen der Grundlagen- und Orientierungsprüfung (GOP) 22 Credits zu erbringen. Die für die GOP unter anderem erforderliche Prüfung „Höhere Mathematik I“ hat der Kläger zunächst nicht bestanden. Der Kläger hatte den Zweitversuch im Sommersemester 2019 nicht bestanden und beim Prüfungsausschuss einen Antrag auf einen Drittversuch gestellt. Für die Prüfung im Sommersemester 2019 ist dem Kläger daraufhin ein Rücktritt gewährt worden und damit ein Drittversuch im Wintersemester 2019/2020, der rechtlich jedoch als Zweitversuch zählte.
Den Drittversuch der Prüfung „Höhere Mathematik I“ am 18. Februar 2020 bestand der Kläger ebenfalls nicht. Der Kläger hat die Prüfung „Höhere Mathematik I“ inzwischen erfolgreich am 4. September 2020 abgelegt.
3
Mit E-Mail vom 3. März 2020 an Herrn Prof. Dr. F. stellte der Kläger einen weiteren Härtefallantrag. Der Antrag wurde dahingehend begründet, dass der Kläger bereits im letzten Semester einen Härtefallantrag gestellt habe, da er nicht studierfähig gewesen sei und in diesem Zustand die Prüfung „Höhere Mathematik I“ nicht angetreten habe. Er habe daraufhin einen weiteren Versuch bewilligt bekommen. Diesen dritten Versuch habe er unglücklicherweise ebenfalls nicht bestanden. Die letzten Wochen seiner Prüfungsvorbereitung seien leider durch eine Erkrankung eingeschränkt gewesen, dennoch habe er an der Klausur teilnehmen wollen, da er davon ausgegangen sei, ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. Während der Bearbeitungszeit habe er jedoch bemerkt, dass er sich zu wenig auf die neuen Schwerpunkte der Lehrinhalte des neu zuständigen Prof. Dr. M. vorbereitet habe. Er stelle trotzdem nochmal einen Härtefallantrag, da er mit Begeisterung Bauingenieur werden wolle und sich die Randbedingungen in dem von dem Kläger zu vertretenden Umfeld so verändert hätten, dass er die Prüfung „Höhere Mathematik I“ mit hinreichender Sicherheit bewältigen würde können.
4
Mit E-Mail vom ... Mai 2020 wandte sich der Kläger erneut an Herrn Prof. Dr. M. und führte aus, dass er am 9. März 2020 bei Frau S. Einspruch gegen die Wertung der Wiederholungsklausur „Höhere Mathematik I“ eingelegt habe, da die Bekanntgabe der zugelassenen Hilfsmittel für die Klausur erst vier Tage vor der Klausur erfolgt sei, anstatt der in der APSO vorgegebenen vier Wochen und dies zu einem erheblichen Nachteil der Studenten geführt habe.
5
Mit E-Mail vom 25. Mai 2020 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Prüfungsausschuss in der Sitzung am 20. Mai 2020 seinen Härtefallantrag einstimmig abgelehnt habe. Die vom Kläger angeführte Begründung der geänderten Hilfsmittel sei für den Prüfungsausschuss nicht ausreichend, um das schlechte Nicht-Bestehen des 3. Versuchs der Prüfung zu erklären.
6
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2020 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden sei, da er nicht bis zum Ende seines zweiten Fachsemesters mindestens 22 Credits aus dem der GOP zugeordneten Pflichtmodulen erbracht habe. Gleichzeitig wurde durch den Prüfungsausschuss der Antrag auf Gewährung einer Fristverlängerung mit Beschluss vom 20. Mai 2020 abgelehnt. Die vom Kläger vorgelegte Begründung sei für den Prüfungsausschuss nicht ausreichend. Bis zum Ende des prüfungsrechtlich zweiten Fachsemesters seien gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 FPSO mindestens 22 Credits aus den der GOP zugeordneten Pflichtmodulen zu erbringen. Die nach § 38 Abs. 2 FPSO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 2 FPSO abzulegenden Wiederholungsprüfungen seien nicht fristgerecht bestanden worden. Dadurch sei der Prüfungsabschnitt der GOP endgültig nicht bestanden (§ 10 Abs. 5 APSO) und damit auch die Bachelorprüfung im Studiengang Bauingenieurwesen endgültig nicht bestanden (§ 23 Abs. 3 Nr. 3 APSO).
7
Mit Bescheid vom 9. Juni 2020 wurde der Kläger aus dem Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen zum Ablauf des 30. September 2019 exmatrikuliert. Hiergegen wurde am ... Juli 2020 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingelegt (M 3 K 20.3007). Über die Klage wurde noch nicht entschieden. Mit E-Mail vom 6. August 2020 teilte die TUM dem Kläger mit, dass die Exmatrikulation bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt werde und der Kläger sein Studium unter Vorbehalt fortsetzen und unter Vorbehalt Leistungen erbringen könne, sofern er immatrikuliert sei.
8
Der Kläger erhob am 29. Juni 2020 gegen den Prüfungsbescheid vom 3. Juni 2020 Widerspruch. Dadurch, dass es zum Wintersemester 2019/2020 eine neue Fachprüfungs- und Studienordnung für den Bachelor Bauingenieurwesen gegeben habe, habe es ein neues Modul „Höhere Mathematik I“ gegeben, das von einem anderen Professor betreut gewesen sei. Obwohl der Kläger sich im Vorfeld über die zugelassenen Hilfsmittel informierte gehabt habe, habe er erst mit E-Mail vom 14. Februar 2020 erfahren, dass nunmehr nur ein doppelseitiges handschriftlich verfasstes DinA-4-Blatt als Hilfsmittel zugelassen sei. Laut APSO dürfe der Prüfende die zugelassenen Hilfsmittel bestimmen, jedoch würden diese laut § 12 Abs. 5 APSO mindestens 4 Wochen vor dem Prüfungsdatum bekannt gegeben. Die kurzfristige und erhebliche Änderung der Hilfsmittel hätten negative Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis des Klägers gehabt. Es liege ein offensichtlicher Formalfehler vor. Daher habe er am 9. März 2020 für sich und einen Mitkommilitonen einen Antrag auf Wiederholung der Nachholklausur gestellt. Zusätzlich habe er für sich einen weiteren Härtefallantrag eingereicht. In der Ablehnung seines Härtefallantrages werde ausgeführt, dass die zugelassenen Hilfsmittel in der aktuellen Vorlesung zum Modul „Höhere Mathematik I“ bekannt gegeben worden seien. Bei dieser Veranstaltung habe es sich jedoch, wegen Änderung der Fachprüfungs- und Studienordnung, um eine Veranstaltung eines anderen Moduls mit einem höheren Umfang an Credits gehandelt. Er habe aber die Nachholklausur zu den Inhalten der im letzten Jahr gehaltenen Vorlesung erhalten.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2021 wies die Antragsgegnerin den Wider spruch zurück. Unter anderem wird im Widerspruchsbescheid ausgeführt, der Rücktritt von einer Prüfung setze das Vorliegen triftiger Gründe gem. § 10 Abs. 7 APSO voraus, § 10 Abs. 6b APSO. Die triftigen Gründe müssten gegenüber dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Auch der nachträgliche Rücktritt von einer Prüfung sei unverzüglich zu erklären.
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Triftige Gründe für einen Prüfungsrücktritt seien weder angezeigt noch glaubhaft ge macht worden. Die Rüge eines etwaigen Verfahrensfehlers sei nicht unverzüglich erfolgt. Gegenüber dem Prüfungsausschuss und auch im Widerspruchsverfahren seien keine triftigen Gründe angezeigt oder glaubhaft gemacht worden. Zwar habe der Kläger in der E-Mail vom 3. März 2020 geschrieben, dass er während der Prüfungsvorbereitungen durch eine Erkrankung eingeschränkt gewesen sei und dennoch an der Prüfung teilgenommen habe, weil er davon ausgegangen sei, dass er sich gut vorbereitet habe. Er habe diese Erkrankung jedoch nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger habe auch keinen Verfahrensfehler unverzüglich gerügt. Die zugelassenen Hilfsmittel seien entsprechen § 12 Abs. 5 APSO rechtzeitig bekannt gegeben worden. Herr Prof. M. habe diese mehrfach in der Vorlesung im Wintersemester 2019/2020 angesagt. Es könne nicht angenommen werden, dass eine Bekanntgabe über sämtliche Kommunikationskanäle erfolge. Eine übliche Bekanntgabe finde in der Vorlesung statt. Zwar mag es stimmen, dass der Kläger für den Inhalt der Prüfung nicht mehr auf die zum neuen Modul zugehörige Vorlesung angewiesen gewesen sei. § 12 Abs. 5 APSO bestimme jedoch, dass „der jeweilige Prüfende“ die Hilfsmittel bestimme. Es hätte dem Kläger mithin oblegen, sich jedenfalls bei dem Prüfer, Herrn Prof. M., zu erkundigen. Jedenfalls habe der Kläger den etwaigen Verfahrensfehler nicht unverzüglich gerügt. Er sei mit E-Mail vom 14. Februar 2020, 21:58 Uhr über die zugelassenen Hilfsmittel informiert worden. Die Prüfung habe am 18. Februar 2020 stattgefunden. In Kenntnis der abweichend zulässigen Hilfsmittel habe er die Prüfung absolviert und das Ergebnis abgewartet. Sofern überhaupt ein Verfahrensfehler vorliege, sei dieser jedenfalls nicht offensichtlich, so dass er auch nicht von Amts wegen zu beheben gewesen wäre. Insbesondere betreffe die Angelegenheit nicht die gesamte Prüfungskohorte, sondern nur einige wenige Studierende persönlich. Mithin ändere sich die Sachlage auch nicht dadurch, dass Frau S. als Schriftführerin des Prüfungsausschusses dem Kläger gegenüber etwaige Aussagen getätigt habe. Eine Rüge nach der Prüfung wäre schon nicht mehr unverzüglich gewesen. Die Rüge eines Mitprüflings habe keine Auswirkung auf das Prüfungsrechtsverhältnis des Klägers.
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Gegen den streitgegenständlichen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbe scheides vom 5. Mai 2021 erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am … Juni 2021 einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz. Durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 3 E 21.3131) vom 8. Juli 2021 wurde der Antrag des Klägers abgelehnt. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2021 (7 CE 21.2062) wurde im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens die Beklagte unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juli 2021 verpflichtet, den Prüfungsabschnitt „Grundlagen und Orientierungsprüfung“ im Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ aufgrund der am 4. September 2020 erfolgreich abgelegten Prüfung „Höhere Mathematik I“ als vorläufig bestanden anzuerkennen. Auf die Beschlüsse wird Bezug genommen.
12
Gegen den Bescheid vom 3. Juni 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2021 erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am … Juni 2021 Klage und beantragt,
13
der Prüfungsbescheid der Beklagten für den Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen vom 3. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 5. Mai 2021 wird aufgehoben.
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Die Beklagte wird verpflichtet, den Prüfungsabschnitt der Grundlagen- und Orientierungsprüfung des Klägers im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen als endgültig bestanden anzuerkennen und dem Kläger hierüber einen neuen, das endgültige Bestehen der vorgenannten Grundlagen- und Orientierungsprüfung ausweisenden Prüfungsbescheid zu erteilen.
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Der Kläger habe die Prüfung „Höhere Mathematik I“ zwar inzwischen erfolgreich am 4. September 2020 abgelegt. Da die Beklagte sich jedoch auf eine angebliche Fristüberschreitung gemäß § 38 Abs. 2 FPSO i.V.m. § 46 Abs. 2 FPSO sowie i.V.m. § 10 Absatz 5 FPSO berufe, werde dieses erfolgreiche Ablegen der Prüfung durch die TUM nicht anerkannt. Die TUM gehe nämlich davon aus, dass das Nichtbestehen der Modulprüfung „Höhere Mathematik I“ am 18. Februar 2020 durch den Kläger gewertet werden dürfe und somit der Kläger keinen triftigen Grund für die Fristüberschreitung gemäß § 10 Abs. 7 FPSO habe. Im Übrigen werde auf den bereits im Verwaltungsverfahren erfolgten Vortrag des Klägers verwiesen.
16
Nach § 12 Abs. 5 APSO sei vorgegeben, dass die zugelassenen Hilfsmittel „mindestens vier Wochen vor dem Prüfungstermin bekannt gegeben werden müssen“. Im vorliegenden Fall seien die Hilfsmittel erst vier Tage vorher bekannt gegeben worden. Dies begründe einen offensichtlichen Prüfungsmangel. Ein Kommilitone habe seine Rüge am 14. Februar 2020 übermittelt. Der Kläger sei direkt im Anschluss an die Prüfung (zwischen 10:30 Uhr und 11:00 Uhr) in das Büro von Frau S. gegangen, die für den Studiengang Bauingenieurwesen verantwortlich sei und dort die Aufgabe der Prüfungsverwaltung und Schriftführung des Prüfungsausschusses übernehme. Frau S. habe zu ihm gesagt, er solle doch erst einmal das Ergebnis der Prüfung abwarten und dann weitere Schritte unternehmen. Das Ergebnis der Prüfung sei am 28. Februar 2020 bekannt gegeben worden. Am Montag, den 2. März 2020, habe der Kläger wiederholt die Sprechstunde von Frau S. besucht. Auch hier habe Frau S. keinen Hinweis gegeben, dass die zugelassenen Hilfsmittel vier Wochen vor der Prüfung hätten bekannt gegeben werden müssen und dass er diesen Verfahrensmangel gesondert rügen müsse. Daraufhin habe der Kläger erst am 9. März 2020 mündliche bei Frau S. und schriftlich einen Antrag abgegeben und gerügt. Das Gespräch mit Frau S. am 18. Februar 2020 habe der Kläger, da ihm die Wichtigkeit des Gespräches nicht bewusst gewesen sei, bisher noch nicht erwähnt. Der Hinweis, dass die zugelassenen Hilfsmittel angeblich bereits in der Vorlesung von Herrn Prof. M. bekanntgegeben worden seien, gehe völlig fehl. Zum einen sei der Kläger auf diese Vorlesung zur Durchführung der Prüfung nicht angewiesen gewesen. Zum anderen erscheine es aber auch sehr zweifelhaft, ob eine solche Bekanntgabe in der Vorlesung überhaupt erfolgt sei. Erst in der E-Mail vom 14. Februar 2020 sei der Kläger über die Änderung, dass nunmehr auch ein doppelseitiges und handschriftlich verfasstes DIN-A-4 Blatt als Hilfsmittel zugelassen sei, informiert worden. Eine Abänderung der Hilfsmittel sei von Frau Dr. S. in ihrer elektronischen Textnachricht unzweifelhaft abgelehnt worden. Damit hätte auch eine weitere Rüge des Klägers nicht dazu geführt, dass zu den ursprünglichen Hilfsmitteln zurückgekehrt worden wäre.
17
Der Kläger habe entgegen dem Vorbringen der TUM den Verfahrensmangel der von ihm am 18. Februar 2020 absolvierten aber nicht bestandenen Prüfung rechtzeitig gerügt. Es habe keine Bereitschaft der TUM bestanden, den Verfahrensmangel zu beheben. Zudem sei der Verfahrensmangel auch offensichtlich gewesen.
18
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2021, eingegangen am selben Tag bei Gericht, beantragt die Beklagte, 
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die Klage abzuweisen.
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Der Freistaat Bayern sei bereits nicht richtiger Beklagter. In Streitigkeiten über das Prüfungsrechtsverhältnis wäre richtige Beklagter die Technische Universität M. gewesen. Der Antrag sei auch im Übrigen unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde vollumfänglich auf die im Verfahren M 3 K 20.3007 vorgelegten Unterlagen zum Widerspruchsverfahren, sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien im Verfahren M 3 E 21.3131 Bezug genommen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München im Verfahren M 3 E 21.3131 werde für richtig erachtet. Der streitgegenständliche Prüfungsbescheid vom 3. Juni 2020 sei rechtmäßig. Es liege bereits kein Verfahrensfehler vor. Die zugelassenen Hilfsmittel seien entsprechend § 12 Abs. 5 APSO rechtzeitig bekannt gegeben worden. Herr Prof. M. habe diese mehrfach in der Vorlesung im Wintersemester 2019/2020 angesagt. Auch wenn der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, die Vorlesung zu besuchen, so treffe ihn dann jedenfalls die Obliegenheit, sich bezüglich etwaiger Ansagen zur Prüfung, vorliegend zu den zugelassenen Hilfsmitteln, zu informieren. Die Prüfung orientiere sich zwar inhaltlich an der Vorlesung von Herrn Prof. J., gemäß § 12 Abs. 5 APSO bestimme aber „der jeweilige Prüfer“ die zugelassenen Hilfsmittel. Es wäre dem Kläger möglich gewesen, sich zu informieren, ob der Prüfer eine abweichende Regelung für die Hilfsmittel treffe. Jedenfalls sei die Rüge eines etwaigen Verfahrensfehlers nicht unverzüglich erfolgt. Wer sich rügelos auf eine verfahrensfehlerhafte Prüfung einlasse und sich nach der Prüfung auf diese Umstände berufe, der handele wider Treu und Glauben. Der Kläger habe am 14. Februar 2020 festgestellt, dass andere als die von ihm angenommenen Hilfsmittel für die Prüfung zulässig seien. Er habe den behaupteten Mangel zu diesem Zeitpunkt gekannt und auch die Bedeutung für die anstehende Prüfung erkannt. Dennoch habe er sich rügelos auf die Prüfung eingelassen. In dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2021 hieße es, dass alleine aufgrund der erhaltenen Information, dass andere als die von dem Kläger angenommenen Hilfsmittel für die Prüfung zulässig seien, noch nicht angenommen werden könne, dass der Kläger darauf auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers geschlossen habe bzw. hätte schließen müssen. Der Kläger habe jedoch erkannt, dass andere Hilfsmittel zulässig seien, als diejenigen, mit denen er sich vorbereitet habe. Er habe ebenfalls erkannt, dass die Zeit bis zur Prüfung nur noch wenige Tage umfasse. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger mithin die für ihn bestehende Problematik erkannt habe. Maßgeblich sei die Bewertung des Sachverhaltes in der Laiensphäre und nicht die juristisch saubere Subsumtion eines Verfahrensfehlers. Er könne sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Regelung des § 12 Abs. 5 APSO nicht bekannt gewesen sei. Prüflinge treffe die Obliegenheit, den Inhalt der für sie maßgeblichen Prüfungsordnungen zu kennen; dies sei auch zumutbar. Auf Rechtsprechung wird verwiesen. Aus diesen Beispielen ergäbe sich, dass es dem Kläger in jedem Fall zumutbar gewesen sei, den behaupteten Verfahrensmangel unverzüglich zu rügen. Er hätte sich unverzüglich zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme zumindest bemerkbar machen müssen. Mit einer unverzüglichen Rüge habe auch die Möglichkeit bestanden, dem etwaigen Verfahrensfehler abzuhelfen, indem dem Kläger ein neuer Prüfungstermin angeboten worden wäre.
21
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt und der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter zugestimmt.
22
Mit Beschluss vom 22. November 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
23
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte die ses Verfahrens sowie der Verfahren M 3 E 21.3131 und M 3 K 20.3007 sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23. Juni 2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Der Kläger verzichtete mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Oktober 2021 auf eine mündliche Verhandlung.
25
Die Klage ist zulässig und begründet.
26
Zwar hat die Klagepartei hier den Antrag zunächst gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch die Technische Universität M. (im Folgenden: Hochschule), gestellt. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde Seitens der Klagepartei um Rubrumsberichtigung, hilfsweise Zulassung einer Antragsänderung dahingehen, dass richtige Beklagte die Hochschule sei, gebeten. Das Gericht legt, auch unter Berücksichtigung von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, den vom Kläger gestellten Antrag zu seinen Gunsten dahingehend aus (§ 88 VwGO), dass sich der Kläger gegen die Hochschule direkt wendet (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.1982 - 1 C 62.81 - juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 16.4.1984 - 6 B 82 A.1895 - juris, Ls. 1).
27
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28
Die erfolglose Prüfung im Modul „Höhere Mathematik I“ am 18. Februar 2020 kann nicht bewertet werden, weil ein wesentlicher Verfahrensfehler und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit vorliegt. Die zwischenzeitlich erfolgreich abgelegte Prüfung des Klägers vom 4. September 2020 im Modul „höhere Mathematik I“ ist als erste Wiederholungsprüfung anzusehen, auf deren Grundlage der Kläger die erforderliche Credit-Zahl für das Bestehen der Grundlagen- und Orientierungsprüfung (§ 46 Abs. 2 FPSO) erworben hat.
29
Gemäß § 12 Abs. 5 APSO werden die zugelassenen Hilfsmittel der jeweiligen Prüfung bestimmt; sie werden mindestens vier Wochen vor dem Prüfungstermin bekannt gegeben. Entgegen dieser Regelung wurde der Kläger erst durch E-Mail vom 14. Februar 2020 und damit lediglich vier Tage vor der Prüfung am 18. Februar 2020 über die zugelassenen Hilfsmittel informiert. Bei der unter Missachtung von § 12 Abs. 5 APSO erfolgten kurzfristigen Mitteilung der zugelassenen Hilfsmittel handelt es sich um einen wesentlichen Verfahrensfehler. Auch kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, er habe den Mangel des Prüfungsverfahrens entgegen § 21 APSO nicht unverzüglich geltend gemacht.
30
Es wird auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss vom 13. September 2021 (7 CE 21.2062) im Übrigen verwiesen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.