Inhalt

VG München, Urteil v. 26.05.2021 – M 19L DK 20.6800
Titel:

Disziplinarklage, Kürzung der Dienstbezüge in voller Höhe, Abkürzung der Beförderungssperre, Manipulationen bei Bearbeitung des eigenen Vermessungsantrags durch Beamten beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Milderungsgründe

Normenketten:
BayDG Art. 9
BayDG Art. 15 Abs. 1 Nr. 2
Schlagworte:
Disziplinarklage, Kürzung der Dienstbezüge in voller Höhe, Abkürzung der Beförderungssperre, Manipulationen bei Bearbeitung des eigenen Vermessungsantrags durch Beamten beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Milderungsgründe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 26.10.2022 – 16a D 21.1836
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58694

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge i.H.v. 1/20 für die Dauer von 36 Monaten erkannt.
Der Zeitraum der Beförderungssperre wird auf 18 Monate verkürzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
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1. Der am … … … geborene Beklagte schloss im Juli … die Schule mit dem Zeugnis der Mittleren Reife ab. Er wurde am 1. September … als Dienstanfänger für den mittleren technischen Dienst - Fachrichtung … - im Bereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, Verwaltungszweig Vermessungsverwaltung, beim Vermessungsamt … eingestellt, wo er seither Dienst leistet (jetzt: Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung …). Seit … … 2003 ist er Beamter auf Lebenszeit. Seine letzte Ernennung zum … (Besoldungsgruppe …) erfolgte mit Wirkung vom 1. Januar 2011. Der Beklagte ist seither im Fachbereich … Innendienst eingesetzt.
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In der Beurteilung 2012 erhielt er 10 Punkte, in der Beurteilung 2015 11 Punkte. Aufgrund des Disziplinarverfahrens wurde die Beurteilung für die nachfolgenden Beurteilungszeiträume zurückgestellt.
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Der Beklagte ist geschieden und hat keine Kinder. Er ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
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2. Nachdem im Februar 2016 Vorwürfe wegen Manipulationen bei der Bearbeitung seines eigenen Vermessungsantrags bekannt geworden waren, stellte das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … mit Schreiben vom 16. März 2016 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft … gegen den Beklagten. Das Amtsgericht … erließ am … Oktober 2016 einen Strafbefehl gegen ihn (vgl. 3.). Mit Vermerk vom 22. November 2016 leitete das Bayerische Landesamt für Steuern ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses gleichzeitig bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus. Mit Schreiben vom selben Tag setzte es ihn hiervon in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Die Rechtskraft des Strafbefehls trat am 20. Dezember 2016 ein. Das Bayerische Landesamt für Steuern setzte das Disziplinarverfahren mit Vermerk vom 23. Mai 2017 fort und dehnte es gleichzeitig auf weitere Vorwürfe aus. Mit Schreiben vom selben Tag informierte es den Beklagten hierüber und räumte ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung ein. Das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … übermittelte mit Schreiben vom 2. Juni 2017 ein Persönlichkeitsbild für den Beklagten. Dieser äußerte sich mit E-Mail vom … März 2018 im Disziplinarverfahren. Das Bayerische Landesamt für Steuern holte daraufhin mit Schreiben vom 24. Oktober 2018 beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … eine dienstliche Auskunft ein, die dieses mit Schreiben vom 9. November 2018 erteilte. Mit Schreiben vom 22. März 2019 gab das Bayerische Landesamt für Steuern dem Beklagten das Ergebnis der Ermittlungen bekannt und gab ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung, die sein Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom *. April 2019 wahrnahm.
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3. Das Amtsgericht … verhängte gegen den Beklagten wegen Urkundenunterdrückung in Tateinheit mit versuchtem Betrug (§§ 274 Abs. 1 Nr. 2, 263 Abs. 1, 22, 23, 52 Strafgesetzbuch - StGB) eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 60 €. Dem Strafbefehl lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Anfang Oktober 2016 ging beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … eine Mitteilung der Baugenehmigung der Stadt … in Bezug auf das private Bauvorhaben des Beklagten (Einfamilienhaus mit Doppelgarage) auf dem Grundstück … mit Angabe der Baukosten in Höhe von 511.000 € ein. Das Bauvorhaben wurde am … … 2014 als Vermessungsantrag mit der Antragsnummer … und der Baufallkategorie 500.000 € - 1.000.000 € unter Angabe der Baukosten in Höhe von 511.000 € durch die Mitarbeiterin H. im Datenverarbeitungssystem des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung erfasst.
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Die Baufallkategorie ist für die Berechnung der Vermessungsgebühren maßgebend. Eine eigenmächtige Änderung der Baufallkategorie war dem Beklagten nach der fachlichen Aufgabenzuweisung des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung nicht gestattet. Dies wusste er.
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Am … … 2016 gegen … Uhr änderte er unter Verwendung seiner dienstlichen Benutzerkennung im Datenverarbeitungssystem des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in den Räumlichkeiten der Behörde die Baufallkategorie des Vermessungsantrags mit der Antragsnummer … von der Stufe 500.000 € - 1.000.000 € auf die Stufe 125.000 € - 300.000 €, indem er die Baukosten von 511.000 € auf 125.000,01 € herabsetzte. Überdies entfernte er in einer Bemerkungsspalte die Angabe der Baukostenhöhe von 511.000 €.
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Die Änderungen im Datenverarbeitungssystem nahm er vor, um das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung über die tatsächlichen Baukosten des Bauvorhabens im Hinblick auf die Berechnung der Vermessungsgebühren zu täuschen.
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Die Gebühr für ein Gebäude der Baufallkategorie 500.000 € - 1.000.000 € beträgt 1670,40 €, die Gebühr für ein Gebäude der Baufallkategorie 125.000 € - 300.000 € beträgt 748,80 € (jeweils einschließlich Umsatzsteuer). Dies wusste er.
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Es kam ihm darauf an, sich ohne rechtlichen Anspruch Vermessungsgebühren in Höhe von 921,60 € zu ersparen, wobei er einen Schaden des Freistaats Bayern in entsprechender Höhe zumindest billigend in Kauf nahm.
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Die Änderungen im Datenverarbeitungssystem wurden vor der Berechnung der Vermessungsgebühren durch das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung erkannt.
14
Die Verfolgung hinsichtlich weiterer Vorwürfe der Urkundenunterdrückung stellte die Staatsanwaltschaft … mit Verfügung vom 30. September 2016 nach § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ein.
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4. Der Kläger erhob am 22. Dezember 2020 Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Antrag,
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ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Zur Begründung trug er vor, dem Beklagten sei der Sachverhalt aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts … vom … Oktober 2016 vorzuwerfen. Zudem habe er sich folgender weiterer Taten schuldig gemacht:
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1. Urkundenunterdrückung zwischen Oktober 2014 und September 2015 durch Ent ziehung seines Originalvermessungsantrags
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2. Urkundenunterdrückung zwischen 9. Oktober 2014 und 8. Dezember 2015 durch Änderung der Baufallkategorie im Datenverarbeitungssystem
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3. Urkundenunterdrückung zwischen 9. und 11. Februar 2016 durch Unkenntlichma chung der durch den Gebäudemeßtruppleiter eingetragenen Baukosten auf dem Zweitausdruck des Vermessungsantrags
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4. zweimalige Entfernung der Baufallanzeige der Stadt … aus den Messungs unterlagen.
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Auch wenn diese Handlungen strafrechtlich nicht sanktioniert worden seien, stellten sie doch ebenfalls gewichtige innerdienstliche Pflichtverletzungen dar. Dem Beklagten sei außerdem vorzuwerfen, dass er trotz unmittelbarer Beteiligung als Eigentümer des Gebäudes in seinem eigenen Verfahren tätig geworden sei, indem er sich die Messungsunterlagen verschafft habe, um die katastertechnische Ausarbeitung selbst durchzuführen und unzulässige Veränderungen im Datenverarbeitungssystem vorzunehmen. Als Beteiligter nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG ) hätte er als ausgeschlossene Person im eigenen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden dürfen. Diese Handhabung sei auch ausdrücklich geregelt in der Verfügung der ehemaligen Bezirksfinanzdirektion München vom 6. Dezember 1983, gegen die er somit verstoßen habe.
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Zum Vorbringen des Beklagten im Disziplinarverfahren sei auszuführen: Entgegen seiner Aussage sei es nach einer im Disziplinarverfahren eingeholten dienstlichen Äußerung des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung vom 9. November 2018 nicht übliche Praxis gewesen, dass dort Beschäftigte eine Ermäßigung auf Vermessungsgebühren erhalten hätten. Die Einlassung des Beklagten, dass Herr W. als Leiter des Fachbereichs Kundenservice, Verwaltung, Qualitätssicherung (KVQ) letztlich über die Kosten entscheide und die Bearbeitung vorab durch den Beklagten nur als Vorschlag zu sehen sei, sei als Schutzbehauptung zu werten. Durch die bewusste unrichtige Angabe der Höhe der Baukosten habe der Beklagte versucht, die Entscheidung seines Vorgesetzten zu manipulieren und damit gegen seine Dienstpflicht verstoßen. Zwar sei kein Schaden entstanden, doch sei auch der versuchte Betrug disziplinarrechtlich zu würdigen.
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Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt; am Vorsatz bestünden keine Zweifel. Er habe mehrfach Anstrengungen unternommen, um die Vermessungsgebühr nicht in voller Höhe bezahlen zu müssen, indem er Unterlagen verändert, sie entfernt und Änderungen im Datenerfassungssystem vorgenommen habe. Selbst wenn eine Möglichkeit bestanden hätte, als Beschäftigter des Vermessungsamtes einen Rabatt auf die Vermessungsgebühr zu erhalten, hätte er dies vorab mit seinem Vorgesetzten besprechen müssen. Stattdessen habe er mehrfach die ordnungsgemäße Festsetzung seiner Vermessungsgebühr manipuliert. Spätestens nach dem ersten Scheitern seiner Manipulationsversuche durch die Berichtigung der Baufallkategorie hätte ihm auffallen müssen, dass sein Vorgehen nicht rechtmäßig sein könne. Als langjähriger Mitarbeiter des Vermessungsamtes habe er zudem gewusst, dass die Bearbeitung des eigenen Falles nicht zulässig sei.
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Der Beklagte habe somit die Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG ), die Pflicht zu uneigennütziger und gewissenhafter Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG ), die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG ) und die Pflicht, seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen sowie deren Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG ) schuldhaft verletzt.
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Seine Verfehlungen stellten ein schweres, innerdienstlich begangenes Dienstvergehen dar. Für die Bestimmung des Fehlverhaltens sei auf den Strafrahmen zurückzugreifen, der für den versuchten Betrug bei bis zu 3 Jahren und 9 Monaten und bei der Urkundenunterdrückung bei bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe liege (§§ 263 Abs. 1 und Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 und Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB bzw. 274 Abs. 1 StGB). Damit reiche der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Da ein innerdienstliches Dienstvergehen vorliege, sei es unerheblich, dass das Amtsgericht … lediglich eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen ausgesprochen habe. Weiter seien auch die strafrechtlich nicht weiter verfolgten Handlungen der Urkundenunterdrückung in 3 Fällen disziplinarrechtlich zu würdigen. Der Beklagte habe insoweit gegen die Wahrheitspflicht als besondere Dienstpflicht verstoßen. Durch sein Handeln habe er das Vertrauensverhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten massiv missbraucht und dadurch den Dienstbetrieb beeinträchtigt. Die Sicherheit des Urkundenverkehrs sei für die öffentliche Verwaltung von besonderer Bedeutung.
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Das Eigengewicht des vorliegenden Dienstvergehens sei erheblich. Die Verwaltung sei auf die Ehrlichkeit und Redlichkeit der Beamten angewiesen. Ein Beamter, der seine Sorgfaltspflicht verletze und über einen Zeitraum von mehreren Jahren Betrug in einer Größenordnung von 921,60 € versuche und Urkunden unterdrücke, offenbare ein erhebliches Maß an Pflichtvergessenheit. Der versuchte Betrug wiege nicht weniger schwer als ein vollendeter Betrug. Die konkreten Umstände des Dienstvergehens rechtfertigten die Verhängung der Höchstmaßnahme. Das Fehlverhalten des Beklagten stelle ein schwerwiegendes Versagen im Kernbereich seiner dienstlichen Tätigkeit dar. Es habe über mehrere Jahre angedauert. Er habe deshalb stets einen neuen Tatentschluss für seine Handlungen fassen müssen. Für die Tatbegehung habe er sich zudem mehrfach zielgerichtet dienstlich eingeräumter Zugangsmöglichkeiten bedient und dienstlich erlangte Kenntnisse ausgenutzt. Zwar räume er seine Dienstpflichtverletzungen im Wesentlichen ein und sei bisher disziplinarrechtlich nicht Erscheinung getreten. In der Gesamtschau wiege sein Fehlverhalten jedoch so schwer, dass auf die Höchstmaßnahme zu erkennen sei.
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Der Beklagte beantragte,
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die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Er führte aus, die Staatsanwaltschaft habe die weiter zur Last gelegten Dienstvergehen nach § 154 Abs. 1 StPO behandelt, was zeige, dass diese Taten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft neben der Änderung der Baufallkategorie nicht beträchtlich ins Gewicht fielen. Selbst das „weit überwiegende“ Delikt sei lediglich mit einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen geahndet worden und damit im untersten Bereich des Strafrahmens anzusiedeln. Die Disziplinarklage berücksichtige nicht, dass letztlich ein einziges Bauvorhaben Gegenstand der Taten gewesen sei. Die Rabattgewährung für Mitarbeiter habe üblicher Praxis im Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung entsprochen; die gegenteilige dienstliche Äußerung hierzu könne er nicht nachvollziehen. Herr W. habe dies in einer Aussage im polizeilichen Ermittlungsverfahren bestätigt. Er habe stets das Einvernehmen mit Herrn W. gesucht; ihm sei ein Gespräch zugesichert worden, zu dem es dann aber nicht mehr gekommen sei, weil gleich Strafanzeige erstattet worden sei. Auch wenn ihm bewusst sei, dass an einen ordnungsgemäß arbeitenden Beamten hohe Anforderungen zu stellen seien, sei die Höchstmaßnahme hier nicht angemessen. Bereits das langjährige Disziplinarverfahren habe ihm eindrücklich vor Augen geführt, dass ein derartiges Verhalten nicht tolerierbar sei. In seinen nunmehr über 28 Dienstjahren sei der zur Last gelegte Tatkomplex zwar ein bedeutender, aber dennoch einmaliger Vorwurf. Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Zudem dauere das Disziplinarverfahren nunmehr seit mehreren Jahren an.
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5. Auf gerichtliche Anfrage legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2021 ein aktuelles Persönlichkeitsbild vom 5. Mai 2021 vor und teilte mit, dass der Beklagte ohne das Disziplinarverfahren voraussichtlich zum 1. Juli 2017 in die Besoldungsgruppe … befördert werden hätte können.
32
In der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2021 wiederholten die Parteien ihre zuvor schriftsätzlich gestellten Anträge.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Disziplinarakte, die Personalakte, die Strafakte und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

34
Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von 1/20 für die Dauer von 36 Monaten ausgesprochen. Das Beförderungsverbot wird auf 18 Monate verkürzt (vgl. Art. 9 Bayerisches Disziplinargesetz - BayDG).
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Fehler auf, insbesondere erhielt der Beklagte mehrfach die Gelegenheit zur Äußerung.
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2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem in der Disziplinarklage wiedergegebenen Sachverhalt aus. Danach sind dem Beklagten in chronologischer Reihenfolge folgende Vorwürfe zu machen:
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- Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen Oktober 2014 und September 2015 hat er eine Urkundenunterdrückung durch Entziehung des Originalvermessungsantrags begangen.
38
- Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen Oktober 2014 und 8. Dezem ber 2015 hat er die Baufallanzeige der Stadt … aus den Messungsunterlagen entfernt.
39
- Zwischen 9. Oktober 2014 und 8. Dezember 2015 hat er eine weitere Urkundenun terdrückung begangen, indem er die Baufallkategorie 500.000 € - 1.000.000 € in die Baufallkategorie 125.000 € - 300.000 € geändert hat.
40
- Zwischen 9. und 11. Februar 2016 hat er eine dritte Urkundenunterdrückung vorge nommen, indem er die durch den Gebäudemesstruppleiter auf dem Zweitausdruck des Vermessungsantrags eingetragenen Baukosten mit Tippex unkenntlich gemacht hat.
41
- Zwischen 8. Dezember 2015 und 11. Februar 2016 hat er die von der Stadt … auf Anforderung des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung nochmals übersandte Baufallanzeige erneut aus den Messungsunterlagen entfernt.
42
- Am … … 2016 änderte er unter Verwendung seiner dienstlichen Benutzerken nung im Datenverarbeitungssystem die Baufallkategorie erneut von der Stufe 500.000 € - 1.000.000 € auf die Stufe 125.000 € - 300.000 € und entfernte in der Bemerkungsspalte die Angabe der Baukosten in Höhe von 511.000 €. Dieser Sachverhalt wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts … vom *. Oktober 2016, rechtskräftig seit 20. Dezember 2016, mit einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 60 € geahndet.
43
- Außerdem hat er durch die vorgenannten Handlungen die Sachbearbeitung in sei nem eigenen Vermessungsverfahren vorgenommen.
44
Die mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom *. Oktober 2016 geahndete Tathandlung steht nach Art. 25 Abs. 2, Art. 55 Halbs. 2 BayDG fest aufgrund der Indizwirkung des Strafbefehls, der der Beklagte nicht entgegentritt. Im Übrigen hat er auch die weiteren Tathandlungen sowohl im Straf- als auch im Disziplinarverfahren zugestanden.
45
Durch die vorgenannten 6 Einzeltaten hat der Beklagte versucht, sich eine Gebührenermäßigung in Höhe von 921,60 € für seinen Vermessungsantrag zu verschaffen. Insoweit ist ihm versuchter Betrug zum Nachteil seines Dienstherrn anzulasten (§ 263 Abs. 1, Abs. 2 StGB). Außerdem hat er durch seine Taten den Straftatbestand die Urkundenunterdrückung in 4 Fällen verwirklicht (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB). Die Taten hat er zwischen September 2015 und 11. Februar 2016 und damit in einem Zeitraum von circa 5 Monaten begangen. Da bei 5 der 6 Taten der genaue Tatzeitpunkt nicht feststeht und jeweils nur ein Zeitfenster benannt werden kann, in dem die jeweilige Tat begangen wurde, ist bei diesen Taten bei der Ermittlung des Tatzeitraums nach dem Grundsatz in dubio pro reo jeweils die spätestmögliche Tatbegehung zugrunde zu legen.
46
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegten Taten hat er innerdienstlich ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
47
Durch sein Verhalten hat er gegen die Pflicht zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verstoßen, weil er versucht hat, sich eine ihm nicht zustehende Gebührenermäßigung und damit einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Außerdem liegt in seinem Verhalten ein Verstoß gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten (33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG); er hat gegen die Strafvorschriften der §§ 263 Abs. 1, Abs. 2 und 274 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB sowie gegen die Verwaltungsvorschrift des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG verstoßen, nach der Beteiligte in ihrem eigenen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden dürfen. Sein Verhalten begründet zudem einen Verstoß gegen die Pflicht zu Beratung und Unterstützung seiner Vorgesetzten (§ 35 Satz 1 BeamtStG), weil seine Vorarbeit zu dem von einem Vorgesetzten zu prüfenden Vermessungsantrag unrichtig war. Daneben liegt ein Verstoß gegen die allgemeine Beamtenpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) vor.
48
Ein Verstoß gegen § 35 Satz 2 BeamtStG, nach dem der Beklagte als Beamter verpflichtet ist, die dienstlichen Weisungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen, ist nicht ersichtlich. Eine dienstliche Weisung, gegen die er verstoßen hat, liegt nicht vor. Dass ihm die Verfügung der ehemaligen Bezirksfinanzdirektion München vom 6. Dezember 1983 als allgemeine Richtlinie bekannt war, nach der er als ausgeschlossene Person im eigenen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden durfte, hat der Kläger im Disziplinarverfahren nicht nachgewiesen.
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Im vorliegenden Fall liegt ein innerdienstliches Fehlverhalten vor. Ein solches ist zu bejahen, weil das pflichtwidrige Verhalten formell in das Amt und materiell in die damit verbundenen dienstlichen Pflichten des Beamten eingebunden war (vgl. nur BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 14).
50
Dem Beklagten ist bei seinen Taten Vorsatz anzulasten. Er hat sie jeweils mit Wissen und Wollen begangen. Selbst wenn er davon ausging, dass bei ihm als Mitarbeiter des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung die Möglichkeit einer Rabattgewährung bestand, hätte er dies vorab mit seinen Vorgesetzten klären müssen und hätte vor einem solchen Gespräch keinesfalls eigenmächtig die Bearbeitungsgrundlagen manipulieren dürfen. Zudem musste ihm spätestens nach dem ersten Scheitern seiner Manipulationsversuche infolge der nochmaligen Anforderung der Baufallanzeige, der Anfertigung eines Zweitausdrucks des Vermessungsantrags und der Rückänderung der Baufallkategorie klar sein, dass sein Vorgehen nicht rechtmäßig sein kann. Weiter musste er als langjähriger Mitarbeiter des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung wissen, dass bereits die Bearbeitung seines eigenen Vermessungsantrags nicht zulässig war, geschweige denn eine Manipulation der vorliegenden Unterlagen.
51
4. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer. Das Gericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht vollständig verloren hat und die Kürzung der Dienstbezüge im gesetzlich möglichen Umfang (vgl. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG) die angemessene Disziplinarmaßnahme darstellt.
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4.1. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 - 16a D 14.2285 - juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 36).
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Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 - 16b D 14.2351 - juris Rn. 73).
54
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
55
4.2. Fallen einem Beamten - wie hier - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in der Regel in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540 - juris Rn. 66). Eine schwerste Verfehlung ist hier jedoch nicht erkennbar, weil die Einzeltaten des Beklagten allesamt auf das Ziel der Ermäßigung der von ihm zu entrichtenden Vermessungsgebühr gerichtet sind und sich als mehrere Teilakte derselben Tathandlung darstellen. In der Folge werden diese auch bei der Disziplinarmaßnahmezumessung einheitlich betrachtet.
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4.3. Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung ist auch bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Ls. und Rn. 15). Für die disziplinarrechtliche Ahndung einer innerdienstlichen Straftat mit einem Strafrahmen von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus den Beamtenverhältnis (BVerwG U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20, BayVGH, U.v. 5.10.2016 - 16a D 14.2285 - juris Rn. 59). Damit ist hier im Hinblick auf den für die Urkundenunterdrückung eröffneten Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB) und den für den versuchten Betrug eröffneten Strafrahmen von bis zu 3 Jahren und 9 Monaten (§§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB) der Orientierungsrahmen bis zu Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet.
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Bei dem vorliegenden innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem abgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15). Unerheblich ist daher, dass das Amtsgericht … dem Beklagten lediglich eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen auferlegt hat.
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Ausgangspunkt im vorliegenden Fall ist damit zunächst die Höchstmaßnahme, also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG.
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4.4. Eine Betrachtung des konkreten Dienstvergehens ergibt, dass dieses allenfalls mit der Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung geahndet werden kann. Die Zahl der Tathandlungen von immerhin 6 Manipulationen wirkt belastend, während die Dauer des nach dem Grundsatz in dubio pro reo angenommenen Tatzeitraums von 5 Monaten weder als be- noch entlastend anzusehen ist. Der mögliche Schaden von 921,60 € bewegt sich eher im unteren Bereich und wirkt für den Beklagten daher noch entlastend (zu den Maßstäben vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 50.13 - juris Rn. 43). Auch wenn die versuchte Tat einen Beamten ebenso belastet wie eine vollendete (vgl. BayVGH, U.v. 23.10.2019 - 16b D 18.1673 - juris Rn. 22), ist zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass letztlich kein Schaden nicht entstanden ist. Maßgeblich entlastend ist zu werten, dass die Manipulationshandlungen des Beklagten nach den Organisationsstrukturen des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … nicht ohne Weiteres zum angestrebten Ziel der Gebührenreduzierung führen konnten. Insoweit haben der Beklagte, Herr W. im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (vgl. die Strafakte S. 29 und 44) und der Leiter des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung … in der mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2021 übereinstimmend angegeben, dass vor Abschluss der Bearbeitung eines Vermessungsantrags in einem letzten Schritt die Plausibilität aller Angaben durch einen Mitarbeiter des Bereichs KVQ geprüft wird. Gerade im Hinblick darauf, dass dieser Prüfbeamte erkennen konnte, dass es sich bei dem geprüften Antrag um den eines Kollegen handelte und nach den Manipulationen eine für Gebäude sehr niedrige Baufallkategorie vorlag, konnte der Beklagte es als gesichert ansehen, dass der Vorgang vor seinem Abschluss nochmals einer eingehenden Kontrolle unterzogen würde und seine Tathandlungen für sich genommen nicht zu einer Gebührenermäßigung führen konnten.
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4.5. Aufgrund der vielen für den Beklagten sprechenden Umstände sieht das Gericht hier jedoch nicht eine Zurückstufung, sondern lediglich eine Kürzung der Dienstbezüge in vollem Umfang als die angemessene, aber auch erforderliche Disziplinarmaßnahme an. Die disziplinarrechtliche Rechtsprechung hat umfangreiche Milderungsgründe zu den Zugriffsdelikten entwickelt. Diese anerkannten Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Zur Prognosebasis gehören vielmehr alle für die Entscheidung bedeutsamen be- und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben (BayVGH, U.v. 29.6.2016 - 16b D 13.993 - juris Rn. 44 f.).
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Hier sprechen folgende Umstände zugunsten des Beklagten:
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4.5.1. Er ist straf- und disziplinarrechtliche nicht vorbelastet. Auch nach Begehung der hier streitgegenständlichen Taten kam es zu keinem weiteren Fehlverhalten mehr.
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4.5.2. Er zeigte sich zudem im Straf- und im Disziplinarverfahrens vollumfänglich geständig.
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4.5.3. Ferner zeigte der Beklagte jedenfalls ordentliche dienstliche Leistungen. In der Beurteilung 2012 erhielt er 10 Punkte, in der Beurteilung 2015 11 Punkte. Im Persönlichkeitsbild vom 5. Mai 2021 werden ihm zudem ausreichende fachliche Leistungen und ein freundliches und korrektes Auftreten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen bescheinigt.
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4.5.4. Zugunsten des Beklagten wirkt weiter, dass eine Beförderung in die Besoldungsgruppe … nach der Erklärung des Klägers mit Schreiben vom 12. Mai 2021 bereits seit 1. Juli 2017 und damit vor nahezu 4 Jahren möglich gewesen wäre, aufgrund des vorliegenden Disziplinarverfahrens aber nicht ausgesprochen wurde. Die Verhinderung dieser konkret anstehenden Beförderung durch das Disziplinarverfahren ist maßnahmemildernd zu berücksichtigen (BayVGH, U.v. 12.2.2020 - 16a D 18.1038 - juris Rn. 43 m.w.N.).
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4.5.5. Zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen ist auch seine schwierige Lebensphase um den Jahreswechsel 2015/2016. Ende 2015 war das neu errichtete Wohnhaus fertiggestellt und der Umzug mit seiner Ehefrau dorthin zu bewerkstelligen. Anfang 2016 zerbrach seine Ehe und zog seine Ehefrau aus dem soeben gemeinsam bezogenen Wohnhaus aus. Im Zeitraum der Tatbegehung von September 2015 bis 11. Februar 2016, der hier nach dem Grundsatz in dubio pro reo zugrunde gelegt wurde, war er also hohen persönlichen und finanziellen Belastungen ausgesetzt. Diese schwierige Lebensphase ist inzwischen überwunden, weil die Ehe geschieden ist und er das 2015 fertig gestellte Wohnhaus mit seiner neuen Lebensgefährtin bewohnt.
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4.5.6. Weiter ist zugunsten des Beklagten dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Disziplinarverfahren vom Zeitpunkt der Einleitung am 22. November 2016 bis heute mit rund viereinhalb Jahren sehr lange gedauert hat (BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 50.13 - juris Rn. 44). Diese lange Verfahrensdauer beruhte nicht auf einem verfahrensverzögernden Verhalten des Beklagten, sondern auf der zögerlichen Behandlung des Verfahrens durch die Disziplinarbehörde. Insbesondere ist kein Grund dafür ersichtlich, dass vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Strafbefehls am 20. Dezember 2016 bis zur Erhebung der Disziplinarklage am 22. Dezember 2020 rund 4 Jahre verstrichen sind, ohne dass weitere Ermittlungen erforderlich waren.
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5. Wegen der erheblichen Milderungsgründe und des Fehlens belastender Umstände hält das Gericht hier die Kürzung der Dienstbezüge in voller Höhe für ausreichend, aber auch für erforderlich, um den Beklagten zukünftig zur Pflichterfüllung anzuhalten. Eine Zurückstufung um eine Stufe würde wegen der bereits seit 1. Juli 2017 bestehenden Beförderungsmöglichkeit einer Zurückstufung um 2 Stufen gleichkommen und die vorzuwerfende Dienstpflichtverletzung über die Maßen sanktionieren.
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Der Kürzungsbruchteil in Höhe von 1/20 ergibt sich für den Beklagten als Beamten der 2. Qualifikationsebene aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2001 (1 D 29.00 - juris Ls. Und Rn. 20).
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6. Das Maßnahmeverbot des Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG steht der Kürzung der Dienstbezüge nicht entgegen. Eine solche darf nach dieser Vorschrift neben einer Geldstrafe nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Eine Kürzung der Dienstbezüge ist hier erforderlich, um das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren, das erheblichen Schaden leiden würde, wenn ein Beamter seine berufliche Stellung ohne disziplinarrechtliche Sanktion ausnutzen könnte, um sich bei der Bearbeitung eines von ihm gestellten Antrags ihm nicht zuzustehende Vorteile zu verschaffen.
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7. Der Zeitraum der Beförderungssperre war auf die Dauer von 18 Monaten zu verkürzen. Nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 BayDG darf der Beamte für die Dauer der Kürzung der Dienstbezüge nicht befördert werden; dieser Zeitraum kann nach Art. 9 Abs. 4 Satz 2 BayDG abgekürzt werden, sofern dies im Hinblick auf die Dauer des Disziplinarverfahrens angezeigt ist. Dies ist hier wegen der viereinhalbjährigen Dauer des Disziplinarverfahrens, für die kein rechtfertigender Grund ersichtlich ist, der Fall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen wurde, trägt er die Kosten des Verfahrens.