Inhalt

LG München II, Endurteil v. 26.03.2021 – 10 O 1813/20 Ver
Titel:

Kein Versicherungsschutz für Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie

Normenketten:
IfSG § 6, § 7
BGB § 307 Abs. 1
AVB-BSV Abs. III Ziff. 1
Leitsätze:
1. Bedingungen, die den Versicherungsfall auslösende, im IfSG namentlich benannte meldepflichtige Krankheiten gesondert aufzählen, ohne das SArs-Cov-2-Virus zu erwähnen, gewähren bei coronabedingter Betriebsschließung keine Deckung. (Rn. 25 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bedingungen, die den Versicherungsfall Betriebsschließung an namentlich im IfSG genannte und im Vertrag aufgezählte meldepflichtige Krankheiten knüpfen, sind weder intransparent noch enthalten sie eine unangemessene Benachteiligung. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gastronomie, Betriebsschließungsversicherung, Betriebsschließung, Corona, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Auslegung, Unangemessene Benachteiligung, Pandemie
Fundstelle:
BeckRS 2021, 5854

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 250.950,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer bei dieser abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
2
Die Klägerin betreibt in … eine Gaststätte.
3
Sie unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer … eine dynamische Betriebsschließungsversicherung gegen Schäden infolge Seuchengefahr. Gemäß dem Versicherungsschein vom 10.04.2019 (Anlage K 1) beträgt die Jahresprämien 435,94 €, die versicherte Tagesentschädigung 8.330,00 € und die Warenversicherungssumme 80.000,00 €.
4
Dem Vertragsverhältnis der Parteien liegen die von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Betriebsschließungsversicherung infolge von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregem-AVB-dyn.BS 311/05, Stand: 04/2009 (Anlage K 2; im Folgenden: „AVB“), zugrunde.
5
Gemäß A. § 2 I. 1. AVB ersetzt die Beklagte im Fall einer Schließung nach A. § 1 I. 1. AVB den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen.
Die Klausel A. § 1 AVB hat folgenden Wortlaut:
㤠1 Was ist Gegenstand der Versicherung?
I. Welchen Versicherungsschutz bietet Ihnen die Betriebsschließungsversichrung?
Die Betriebsschließungsversicherung bietet Ihnen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz-IfSG) beim Auftreten meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger
1. den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt; als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten;
(…)
II. Wann ist der Versicherungsfall gegeben?
Ein Versicherungsfall ist
1. Im Fall des Abs. 1 Nr. 1: die behördliche Anordnung der Schließung;
(…)
III. Welche Krankheiten und Krankheitserreger sind meldepflichtig?
Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.
1. Krankheiten
(…).
(Es folgt eine Aufzählung bestimmter Krankheiten. In dieser Aufzählung enthalten ist nicht die Corona-Virus-Krankheit-2019 „COVID-19“.)
2. Krankheitserreger
(…)“
(Es folgt eine Aufzählung bestimmter Krankheitserreger. In dieser Aufzählung enthalten ist nicht das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 „SARS-CoV-2“.)
Die Klausel § 4 AVB hat folgenden Wortlaut:
„Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen? (Ausschlüsse)
(…)
4. Krankheiten Krankheitserreger
Wir haften nicht bei Prionenerkrankungen oder den Verdacht hierauf.
(…)“.
6
Im Zeitraum ab dem 16.03.2020 bis 05.05.2020 kam es in Bayern zum Erlass diverser Allgemeinverfügungen bzw. Rechtsverordnungen betreffend den Betrieb von Gastronomiebetrieben. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Regelungen:
••
Gemäß Nr. 3 der Allgemeinverfügung der Bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020, Az.: 51-G8000-2020/122-67, wurde, gestützt auf § 28 I 2 IfSG, wurde mit Wirkung vom 18.03.2020 bis zum 30.03.2020 Folgendes bestimmt:
„Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen hiervon sind in der Zeit von 6.00 bis 15.00 Uhr Betriebskantinen sowie Speiselokale und Betriebe, in denen überwiegend Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden. Ausgenommen ist zudem die Abgabe von Speisen zum Mitnehmen bzw. die Auslieferung; dies ist jederzeit zulässig. Es muss sichergestellt sein, dass der Abstand zwischen den Gästen mindestens 1,5 Meter beträgt und dass sich in den Räumen nicht mehr als 30 Personen aufhalten. Weiter ausgenommen sind Hotels, soweit ausschließlich Übemachtungsgäste bewirtet werden.“
•••
Gemäß Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 17.03.2020 zur Änderung der Allgemeinverfügung über Veranstaltungsverbote und Betriebsuntersagungen anlässlich der Corona-Pandemie vom 16. März 2020, Az. 51-G8000-2020/122-67, wurde mit Wirkung ab 18.03.2020 u.a. Folgendes bestimmt:
„e) In Nr. 3 wird nach dem ersten Satz folgender neuer Satz eingefügt: „Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen).
f) In Nr. 3 wird der letzte Satz durch folgende zwei Sätze ersetzt: „Untersagt ist der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken. Hiervon ausgenommen sind Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen.“
••
Gemäß Nr. 2 der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020, Az.: Z6a-G8000-2020/122-98, wurde, gestützt auf § 28 I 2 IfSG, wurde mit Wirkung vom 21.03.2020 bis zum 03.04.2020 Folgendes bestimmt:
„Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.“
•••
Gemäß § 2 der Bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BayIfSMV) vom 27.03.2020 wurde mit Wirkung vom 31.03.2020 bis zum 19.04.2020 u.a. Folgendes bestimmt:
„(2) Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art. Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen). Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.
(3) Untersagt ist der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken. Hiervon ausgenommen sind Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen.“
•••
Gemäß § 2 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16.04.2020 wurde mit Wirkung vom 20.04.2020 bis zum 03.05.2020 Folgendes bestimmt:
„(2) Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art. Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen). Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.
(3) Untersagt ist der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken. Hiervon ausgenommen sind Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen.“
•••
Gemäß § 4 der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) vom 01.05.2020 wurde mit Wirkung vom 04.05.2020 bis zum 10.05.2020 Folgendes bestimmt:
„(2) Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art. Dies gilt auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen). Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.
(3) Untersagt ist der Betrieb von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken. Hiervon ausgenommen sind Hotels, Beherbergungsbetriebe und Unterkünfte jeglicher Art, die ausschließlich Geschäftsreisende und Gäste für nicht private touristische Zwecke aufnehmen.“
••••••••••••••
Gemäß der Vierten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV) vom 05.05.2020 wurde mit Wirkung vom 11.05.2020 bis zum 17.05.2020 u.a. Folgendes bestimmt:
㤠13
Gastronomie
Gastronomiebetriebe jeder Art sind untersagt. Ausgenommen sind:
1. Die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken,
2. nicht öffentlich zugängliche Betriebs- und Schulkantinen, wenn gewährleistet ist, dass der Abstand zwischen den Gästen mindestens 1,5 m beträgt.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 hat der Betreiber ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. § 12 Abs. 4 gilt entsprechend.
§ 14
Hotellerie
(1) Der Betrieb von Hotels, Beherbergungsbetrieben, Schullandheimen, Jugendherbergen und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte ist vorbehaltlich der Regelungen des Abs. 2 untersagt. Insbesondere darf für private touristische Zwecke keine Übernachtungsmöglichkeit angeboten werden.
(2) Zulässig ist die Beherbergung
1. von Geschäftsreisenden,
2. in Seminar- und Bildungshäusem, Wohnheimen und vergleichbaren Einrichtungen zu Zwecken der beruflichen Aus- oder Fortbildung, und
3. von privat Reisenden, soweit der Aufenthalt nicht touristisch begründet ist.“
7
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 20.03.2020 (Anlage K 3) hinsichtlich ihres Gastronomiebetriebs bei der Beklagten einen Schaden wegen einer Betriebsschließung an und machte sprechende Ansprüche geltend.
8
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 15.04.2020 (Anlage K 4) unter ausführlicher Darlegung ihrer Gründe eine Einstandspflicht ab, bot der Klägerin aber zugleich eine vergleichsweise Zahlung in Höhe von 15 % der vereinbarten Tagsentschädigung für die Dauer der versicherten Schließungszeit - konkret einen Betrag in Höhe von 37.642,50 €, an. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten zunächst mit der außergerichtlichen Verfolgung ihre Ansprüche und ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 23.04.2020 (Anlage K 5) das Vergleichsangebot der Beklagten ablehnen.
9
Die Klägerin trägt vor, ihr Betrieb sei aufgrund der o.g. Allgemeinverfügungen bzw. Verordnungen seit dem 20.03.2020 komplett über einen Zeitraum von 30 Tagen geschlossen gewesen.
10
Sie ist der Ansicht, die dem Versicherungsvertragsverhältnis zugrunde liegenden AVB könnten von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung nur so zu verstehen sein, dass generell Betriebsschließungen aufgrund von meldepflichtigen Krankheiten nach dem IfSG vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen. Der in A. § 1 AVB enthaltene Krankheiten-Katalog sei nicht abschließend. Auch die Aufzählung im IfSG sei nur beispielhaft. Die Klägerin habe daher ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der vereinbarten Tagesentschädigung in Höhe von 8.330,00 € für 30 Tage.
11
Die Klägerin beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 52.059,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils Basiszinssatz seit 15.04.2020 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.178,34 € zu bezahlen.
12
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
13
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege bereits deswegen kein Versicherungsfall vor, weil die in A. § 1 AVB aufgeführten Krankheiten- und Krankheitserreger-Kataloge jeweils, und zwar auch für einen verständigen Versicherungsnehmer leicht erkennbar, jeweils abschließende Regelungen darstellten. Weder das neuartige Corona-Virus („SARS-CoV-2“) noch die durch es ausgelöste Krankheit „COVID-19“ seien daher vorliegend vom Versicherungsschutz umfasst. Darüber hinaus erhebt die Beklagte weitere rechtliche Einwände, wie insbesondere, dass in dem streitgegenständlichen Betrieb der Klägerin das neuartige Corona-Virus oder die durch es ausgelöste Krankheit überhaupt nicht aufgetreten seien.
14
In tatsächlicher Hinsicht bestreitet die Beklagte zudem, dass der Betrieb der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt vollständig geschlossen gewesen sein soll. Eine vollständige Schließung des versicherten Betriebes durch eine behördliche Maßnahme liege nicht vor, sondern allenfalls eine Betriebseinschränkung, die aber nicht versichert sei. Im Übrigen bestreitet die Beklagte auch, dass eine rechtlich wirksame behördliche Maßnahme vorliegt, zumal hier schon nicht die zuständige Behörde gehandelt habe.
15
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss der Kammer vom 25.08.2020 gemäß § 348a Abs. 1 ZPO auf den Einzelrichter übertragen worden (Bl. 55/56 d.A.).
16
Das Gericht hat mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 01.03.2021 (Bl. 124/126 d.A.).
17
Beweis wurde nicht erhoben.
18
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

I.
19
Die zulässige Klage ist unbegründet. Sie war daher abzuweisen.
20
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Versicherungsleistung in Höhe von 250.950,00 € aus der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung.
21
1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die begehrte Versicherungsleistung aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag besteht nicht, weil die hier in A. § 1 AVB enthaltene Krankheiten- und Krankheitserreger-Kataloge, welche weder das Corona-Virus (SARS-CoV-2) noch die Krankheit COVID-19 nennen, abschließende Regelungen darstellen und die Allgemeinverfügungen bzw. Rechtsverordnungen, auf welche die Klägerin die von ihr behauptete Schließung ihres Betriebes argumentativ stützt, jeweils ausschließlich aufgrund der Corona-Pandemie erlassen worden sind.
22
Dabei folgt das erkennende Gericht der nach dem gegenwärtigen Stand ganz vorherrschenden Meinung in der Rechtsprechung. Neben den bereits zahlreich veröffentlichten erstinstanzlichen Entscheidungen ist hierbei insbesondere auf die beiden aktuellen und überzeugenden Urteile des OLG Stuttgart, jeweils vom 15.02.2021, Az. 7 U 335/20 und Az. 7 U 351/20, Bezug zu nehmen.
23
1.1 Rechtlicher Maßstab für die Frage, ob vorliegend der von der Klägerin begehrte Versicherungsschutz besteht, ist der von den Parteien vertraglich vereinbarte Inhalt des Versicherungsvertrages. Dieser ist dem Versicherungsschein sowie insbesondere den dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden und das Versicherungsverhältnis konkret ausgestaltenden Versicherungsbedingungen (AVB) zu entnehmen. Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sowie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges versteht. Es kommt dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In Bezug auf die hier streitgegenständliche Betriebsschließungsversicherung ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass der typische Adressat und Versicherte einer solchen Versicherung in der Regel nicht ein Verbraucher ist. Vielmehr wird er regelmäßig geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut sein, nachdem diese Art von Versicherung ihrem Zweck und Inhalt nach gerade auf Gewerbebetriebe abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19; Urteil vom 21.04.2020, Az. IV ZR 308/07). Im Rahmen der Auslegung ist zunächst vom Bedingungswortlaut auszugehen. Darüber hinaus sind der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck sowie der Sinnzusammenhang der Klauseln zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.
24
In Bezug auf die hier streitgegenständliche Betriebsschließungsversicherung ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass der typische Adressat und Versicherte einer solchen Versicherung in der Regel nicht ein Verbraucher ist. Vielmehr wird er regelmäßig geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut sein, nachdem diese Art von Versicherung ihrem Zweck und Inhalt nach gerade auf Gewerbebetriebe abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.2020, Az. IV ZR 217/19; Urteil vom 21.04.2020, Az. IV ZR 308/07).
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1.2 Gemessen an diesen Maßstäben, wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall nicht annehmen können, dass auch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 und die von ihm ausgelöste Krankheit COVID-19 dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Falle einer Betriebsschließung unterfallen. Unstreitig sind weder dieser Krankheitserreger noch diese Krankheit in den Krankheiten- und Kranheitserreger-Katalogen in A. § 1 III. 1 und 2 AVB genannt.
26
1.2.1 Dabei kann freilich nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes von vornherein kennt. Jedoch kann von einem um Verständnis bemühten, nicht geschäftsunerfahrenen Versicherungsnehmer erwartet werden, dass er sich beim Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung Kenntnis von den maßgeblichen Regelungen verschafft. Dies liegt umso näher, als dass in den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen der Beklagten mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz und auch auf einzelne seiner Bestimmungen verwiesen wird. Insbesondere die Bestimmung in A. § 1 III. AVB nimmt ausdrücklich auf die „im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten Krankheitserreger“ Bezug.
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Ein verständiger Versicherungsnehmer aus dem genannten, hier maßgeblichen Verkehrskreis wird dabei erkennen, dass die Vertragsbedingungen einen Stand vom April 2009 aufweisen, während der Vertrag der Klägerin im April 2019 (Versicherungsbeginn laut Versicherungsschein Anlage K 1: 17.04.2019), geschlossen worden ist. Ein solcher Versicherungsnehmer wird daher bereits von vornherein damit zu rechnen haben, nicht zwingend ein Versicherungsvertrag abzuschließen, der in jedem Fall den aktuellen Stand der §§ 6 und 7 IfSG berücksichtigt. Dies gilt auch insoweit, als dass bei einem Vertragsschluss bereits im April 2019 und der Verwendung von AVB aus dem Jahr 2009, wie hier, die damals noch unbekannte Krankheit COVID-19 ebenso wie der ebenfalls noch unbekannte Krankheitserreger SARS-CoV-2 gar nicht Eingang in die AVB finden konnten. Erst seit der jeweiligen Fassung vom 19.05.2020 wird im Übrigen in § 6 IfSG (dort Abs. 1 Nr. 1 lit. t) die Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) und in § 7 IfSG (dort Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a) das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) aufgelistet. Hätte vorliegend aber tatsächlich keine statische, sondern eine dynamische Klausel vereinbart werden sollen - wie klägerseits vertreten -, so wäre es naheliegend gewesen, dies durch eine Bezugnahme auf die zum Zeitpunkt der Betriebsschließung jeweils gültige Fassung des IfSG auszudrücken. Darüber hinaus hätte ohne weiteres auch eine Bezugnahme auf das IfSG insofern erfolgen können, als dort unter § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bzw. § 7 Abs. 2 Satz 1 Auffangtatbestände für nicht aufgezählte, aber bedrohlich übertragbare Krankheiten und gefährliche Krankheitserreger geregelt sind.
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1.2.2 Des Weiteren ist festzustellen, dass in dem Krankheiten-Katalog in A. § 1 III. 1. AVB diverse Abweichungen im Vergleich zu den im April 2019 geltenden gesetzlichen Regelungen der §§ 6, 7 IfSG bestanden. Es fehlt also bei dem Krankheiten-Katalog in A. § 1 III. 1. AVB nicht nur COVID-19. Vielmehr werden dort auch nicht die bereits lange vor Vertragsschluss und darüber hinaus auch schon vor dem Zeitpunkt der Fassung der hiesigen AVB (April 2009) in § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG enthaltene Krankheit humane spongiforme Enzephalopathie (Creutzfeldt-Jakob-Krankheit). Zudem fehlen auch noch die jeweils seit der Fassung vom 21.03.2013 in § 6 Abs. 1 IfSG enthaltenen Krankheiten Keuchhusten, Mumps, Röteln und Windpocken. Auch stellt sich die Frage, wozu überhaupt - zumal recht umständlich - solche Aufzählungen von Krankheiten und Krankheitserregern in den AVB stehen, wenn dies nach dem Verständnis der Klägerin letztlich überflüssig wäre. Viel näher liegt der Schluss, dass die Beklagte hier ganz bewusst enumerativ bestimmte Krankheiten Krankheitserreger aufgelistet hat, um das für sie bestehende Versicherungsrisiko zu begrenzen. Dieses Interesse an einer solchen Risikobegrenzung spiegelt sich regelmäßig auch in entsprechend moderaten Versicherungsprämien - wie hier in einer Jahresprämie von lediglich 435,94 €, also 36,32 € pro Monat - wider.
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1.2.3 Vor diesem Hintergrund konnte ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer und verständiger Durchsicht der Vertragsbestimmungen nicht annehmen, sämtliche Krankheiten und Krankheitserreger nach §§ 6 f. IfSG seien vom Versicherungsschutz umfasst. Dies gilt erst recht für eine künftige Erweiterung des Katalogs in den §§ 6 f. IfSG, zumal vorliegend in den AVB der Beklagten eine öffnende Regelung, wie sie in § 6 IfSG enthalten ist und die andere bedrohliche Krankheiten umfasst (s.o.), gerade nicht enthalten ist. Folglich kann insofern aus der Motivation des Gesetzgebers des Infektionsschutzgesetzes auch nichts für das Verständnis der hier zur Anwendung kommenden AVB abgeleitet werden. Die Vertragsbedingungen der Beklagten sind daher hier, was ohne weiteres auch erkennbar ist, nicht als offener, sondern vielmehr als geschlossener Katalog ausgestaltet. Dies gilt umso mehr, als dass der auf der Hand liegende Sinn und Zweck einer derart umfassenden Aufzählung letztlich lediglich darin liegen kann, genau nur diese Krankheiten Krankheitserreger als Versicherungsschutz umfasst anzusehen.
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1.2.4 Darüber hinaus weist der Wortlaut des den Krankheiten- und Krankheitserreger-Katalogen vorangestellte Absatz in A. § 1 III. AVB ausdrücklich und unmissverständlich darauf hin, dass der in Anspruch genommene Versicherer nur für Fälle ganz bestimmter, nämlich „die folgenden“ „namentlich genannten“ Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz gewähren will. Die Formulierung „namentlich“, die überdies schon allein angesichts ihrer Stellung im Satz nicht etwa als „beispielhaft“, „insbesondere“, „hauptsächlich“ o.ä. verstanden werden kann, wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer im Regelungszusammenhang zwanglos als „mit Namen benannte“ verstehen, ohne aber insofern auch einen Zusammenhang mit der namentlichen Meldung im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes herzustellen. Damit sind aber nur diejenigen Krankheiten und Krankheitserreger gemeint, die der Versicherer in den Versicherungsbedingungen „benannt“, also im Einzelnen aufgeführt hat. Dies bedeutet, dass nicht „namentlich benannte“, insbesondere also auch noch nicht bekannte Krankheiten und Krankheitserreger - wie hier COVID-19 und Sars-CoV-2 - daher nicht ohne weiteres vom Versicherungsschutz erfasst sind. Dieses Verständnis wird darüber hinaus zusätzlich durch das Adjektiv „folgende“ verstärkt. Damit ist ein klarer und unmissverständlicher Bezug auf die nachfolgend zu findende Aufzählung bestimmter Krankheiten und Krankheitserreger, welche weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 nennt, hergestellt.
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1.2.5 Etwas anderes ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch nicht aus dem für ihn erkennbaren Zweck des Leistungsversprechens des Versicherers.
32
Zwar verspricht die Beklagte im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung für zahlreiche Fälle von Krankheiten und Krankheitserregern, die dem Versicherungsnehmer mehrheitlich nicht bekannt sein werden, eine Leistung. Dies begründet jedoch nicht zwangsläufig die Annahme, es werde damit ein allgemeines Risiko für jegliche Betriebsschließung aufgrund einer Krankheit oder eines Krankheitserregers im Sinne der §§ 6 f. IfSG übernommen. Vielmehr wird der Versicherungsnehmer erwarten können, dass der Versicherer Risiken für bekannte Krankheiten übernimmt, die in ihren möglichen Auswirkungen abschätzbar sind. Dagegen ist eine berechtigte Erwartung des Versicherungsnehmers dahingehend, dass der Versicherer ohne Unterschied und ohne die Möglichkeit, eine Gefahrträchtigkeit einer Krankheit und/oder eines Krankheitserregers abschätzen zu können, Versicherungsschutz gewähren wolle, nach dem Wortlaut der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen nicht begründbar. Auch ansonsten fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass ein verständiger Versicherungsnehmer trotz des Zweckes des Versicherungsvertrages, ihn vor den Folgen von Betriebsschließungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes zu schützen, annehmen könnte, sein Vertragspartner wolle ein unkalkulierbares Risiko eingehen. Denn während „namentlich“ in den AVB genannte Bedrohungen durch bestimmte Krankheiten Krankheitserreger bekannt sind und in ihren Folgen grundsätzlich überschaubar und damit versicherungsmathematisch für den Versicherer kalkulierbar, gilt dies für alle vergleichbar hochriskanten Viren, die nicht in den AVB genannt sind, gerade nicht und würde eine Analogie insoweit die wirtschaftliche Kalkulierbarkeit für den Versicherer aus den Angeln heben. Als ebenfalls am Geschäftsleben Teilnehmender wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung auch wissen, dass der Versicherer bestrebt ist, seine Haftung auf bekannte und daher vorhersehbare Fälle zu begrenzen, um sein Risiko entsprechend kalkulieren zu können.
33
1.2.6 An dieser Auslegung ändert auch der Umstand nichts, dass die von der Beklagten vorliegend verwendeten Vertragsbedingungen in A. § 4 4. AVB ausdrücklich einen Haftungsausschluss bei Prionenerkrankungen nennen. Insofern könnte man zwar mit Blick auf eine systematische Auslegung des Bedingungswerks argumentieren, dass ein solcher explizit geregelter Haftungsausschluss sinnlos wäre, wenn es sich hier tatsächlich um eine statische Klausel in A. § 1 III AVB handelte. Tatsächlich findet sich nämlich in dem in A. § 1 III. 1. AVB enthaltenen Krankheiten-Katalog keine Prionenerkrankung. Wie bereits oben ausgeführt, wurde etwa die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, bei der sich um eine Prionenerkrankung handelt, in den Katalog gerade nicht aufgenommen. Es stellt sich also insoweit durchaus die Frage, weshalb die Versicherung eine Krankheit aus dem Versicherungsschutz explizit herausnehmen möchte, wenn sie Betriebsschließungen aufgrund dieser Krankheit ohnehin bereits im Rahmen der Risikobegrenzung nach A. § 1 III 1. AVB nicht versichert. Gleichwohl wird jedoch auch durch diesen Haftungsausschluss in A. § 4 4. AVB bei einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nicht der Eindruck erweckt werden, der Versicherer verstehe deshalb den Krankheiten-Katalog in A. § 1 III. 1. AVB nicht als abschließend. Vielmehr wird die Klausel zum Haftungsausschluss als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass eine Mitursächlichkeit einer anderen Erkrankung ebenso wie die Mitursächlichkeit anderer, äußerer Faktoren den Versicherungsschutz entfallen lässt. Einen Rückschluss von dieser Ausnahme auf den Umfang der Leistungspflicht wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer hingegen nicht ziehen, da ein solcher gerade nicht nahe liegt. Erst recht nicht kann hieraus bei verständiger Würdigung durch einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Schluss gezogen werden, der in A. § 1 III. 1. AVB erkennbar abschließend formulierte Krankheiten-Katalog solle durch diese Ausschlussklausel wieder geöffnet werden.
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2. Dieses Verständnis der hier maßgeblichen Vertragsbedingungen zugrunde gelegt, können auch keine objektive Mehrdeutigkeit oder das Bestehen für den Versicherungsnehmer nicht behebbarer Zweifel angenommen werden. Für die Anwendung der Mehrdeutigkeitsbestimmung des § 305 c Abs. 2 BGB bleibt daher kein Raum. Insbesondere bedarf es zur Kenntlichmachung des Umstandes, dass die Beklagte nur die ausdrücklich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst ansehen will, keiner zusätzlichen Einfügung des Wortes „nur“ o.ä.
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3. Auch führt bei dem oben dargelegten Verständnis der hier maßgeblichen Vertragsbestimmungen in A. § 1 III. AVB nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. BGB.
36
Eine solche unangemessene Benachteiligung wäre dann anzunehmen, wenn ein die Krankheit COVID-19 bzw. den Krankheitserreger SARS-CoV-2 nicht umfassender Versicherungsschutz mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren wäre. Das Leistungsversprechen des Versicherers in der Betriebsschließungsversicherung aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes hat jedoch keine gesetzlichen Regelungen zu Grundlage. Der Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes liegt nicht darin, ein Unternehmer vor Schäden durch eine Unterbrechung des Betriebes aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzes zu bewahren. Die Zielrichtung ist vielmehr eine ganz andere. Deshalb läuft ein Verständnis dahingehend, dass nur die aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollten, von vornherein nicht dem Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes zuwider.
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Ebenso wenig ist vorliegend eine Gefährdung des Vertragszwecks der Betriebsschließungsversicherung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzunehmen. Denn das hier zugrunde gelegte Verständnis der AVB begrenzt lediglich den Leistungsumfang des Versicherers auf diejenigen Fälle, die dort benannt sind. Der von der Beklagten versprochene Versicherungsschutz wird dadurch aber keinesfalls ausgehöhlt, denn es werden weiterhin Einwirkungen auf den Geschäftsbetrieb infolge einer großen Anzahl von Krankheiten und Krankheitserregern versichert. Anders ausgedrückt: Der Versicherungsschutz ist und bleibt derselbe, wie er z.B. auch noch Ende des Jahres 2019 gewesen ist, als es noch keine gesetzgeberischen bzw. behördlichen Maßnahmen aufgrund von COVID-19 oder SARS-CoV-2 gegeben hat.
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4. Die Klausel A. § 1 III. AVB ist auch nicht intransparent und somit auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als unwirksam anzusehen.
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Das Transparenzgebot verlangt von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist, sondern auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.
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An diesem Grundsätzen gemessen, verdeutlicht die hier in Rede stehende Vertragsbestimmung, die nach dem oben dargelegten Verständnis eine statische Verweisung auf einen früheren Rechtszustand beinhaltet, ausreichend, dass der Versicherungsschutz vor dem Hintergrund etwaiger Erweiterungen der Kataloge des Infektionsschutzgesetzes teilweise lückenhaft ist. Dies ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch ausreichend deutlich und unmissverständlich aus der Klausel A. § 1 AVB selbst heraus. Denn dort sagt die Beklagte mit ihrem Hauptleistungsversprechen in § 1 I. und II. AVB zunächst die Leistung einer Entschädigung zu, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz; IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger eine Schließungsanordnung o.ä. trifft. Mit der weiteren Vertragsbestimmung in A. § 1 III. AVB knüpft die Beklagte sodann an dieses allgemeine Leistungsversprechen an, verbindet dieses aber mit einem bestimmten Katalog von Krankheiten oder Krankheitserregern. Durch die Benennung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger wird zugleich das Leistungsversprechen auf bestimmte Fälle beschränkt, nachdem - wie bereits oben ausgeführt - die Kataloge in A. III. 1. und 2. AVB hinter jenem der §§ 6 f. IfSG zurückbleibt und vor allem nicht und noch nicht benannte Krankheiten und Krankheitserreger, anders als etwa § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG ausschließt.
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Die von der Beklagten dergestalt getroffene Bedingungsstruktur bedarf keiner aufwändigen Analyse für ihr Verständnis im oben genannten Sinne. Vielmehr ist diese Bewertung von einem geschäftserfahrenen Inhaber eines gastronomischen Betriebes als Versicherungsnehmer bei einer tatsächlichen Befassung mit den Bestimmungen der §§ 6 f. IfSG unschwer und letztlich mit wenigen Blicken vorzunehmen.
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Im Übrigen bleibt auch nicht unklar, was die Beklagte vorliegend tatsächlich versichern will. Dies ergibt sich - wie bereits mehrfach oben ausgeführt - vielmehr aus den Krankheiten- und Krankheitserreger-Katalogen in A. § 1 III. AVB hinreichend klar und deutlich. Die so verstandene Vertragsbestimmung lässt also den Umfang des von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutzes sowie seiner möglichen Lücken im Vergleich zu dem vom Infektionsschutzgesetz umfassten Krankheit und Krankheitserreger für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, bei dem es sich hier zumal um einen Gewerbetreibenden handelt, gerade nicht im Dunkeln oder verschleiert diese in irgendeiner anderen Form.
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5. Nach alledem scheidet somit ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf die begehrte Versicherungsleistung aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertragsverhältnis bereits dem Grunde nach aus. Ausführungen und Feststellungen zur Höhe der geltend gemachten Forderung waren daher mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu treffen.
II.
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Mangels Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf die geltend gemachte Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die Nebenforderungen (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsbegehren) abzuweisen.
III.
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1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit bezieht sich auf die Kostenentscheidung und stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
IV.
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Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.