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LG Ingolstadt, Endurteil v. 05.07.2021 – 61 O 4037/20
Titel:

Fahrzeug, Annahmeverzug, Streitwert, Pkw, Software, Auslegung, Kommission, Kilometerstand, Klage, Sicherheitsleistung, Rechtsverfolgung, Schriftsatz, Zinsen, Gutachten, Kosten des Rechtsstreits, im eigenen Namen, sittenwidriges Handeln

Schlagworte:
Fahrzeug, Annahmeverzug, Streitwert, Pkw, Software, Auslegung, Kommission, Kilometerstand, Klage, Sicherheitsleistung, Rechtsverfolgung, Schriftsatz, Zinsen, Gutachten, Kosten des Rechtsstreits, im eigenen Namen, sittenwidriges Handeln
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 27.10.2021 – 5 U 5022/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.05.2022 – VIa ZR 653/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58515

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses vom 14.06.2021 nunmehr auf 32.340,65 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klagepartei erwarb am 26.11.2014 einen gebrauchten Pkw A5 3.0 TDI, 180 KW, EURO 5 mit Kilometerstand 26.930 km bei einem Autohaus in P. zu einem Preis iHv 42.900,00 € brutto bzw. 36.050,42 € netto. Am 19.04.2021 hatte das Fahrzeug eine Kilometerstand von 125.822 km.
2
In der Software dieses Fahrzeugs ist ein sogenanntes Thermofenster integriert, das bewirkt, dass die Abgasrückführungrate in bestimmten Temperaturbereichen abgeschaltet bzw. reduziert wird und der Ausstoß an Stickoxiden höher ist. Einen durch das KBA angeordneten Rückruf bzgl. des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Hinblick auf dessen Emissionsverhalten hat die Klagepartei bis jetzt nicht erhalten. Die Beklagte bietet für das Fahrzeug ein freiwilliges Softwareupdate an. Dies hat die Klagepartei nicht aufspielen lassen.
3
Die Klagepartei behauptet im Wesentlichen, die Beklagte habe im Fahrzeug diverse unzulässige Abschalteinrichtungen zur Verringerung der Abgasemissionen auf dem Prüfstand implementiert. Das streitgegenständliche Fahrzeug erkenne anhand bestimmter Parameter, ob es sich auf einem technischen Prüfstand oder im Straßenverkehr befinde. Während auf dem Prüfstand so die zulässigen Stickoxid-Grenzwerte eingehalten würden, sei dies im Realbetrieb nicht der Fall. Auch andere 3 Liter Motoren der Beklagten mit Abgasklasse EURO 5 seien bereits zurückgerufen worden. Die Klagepartei sei bei Kauf des Fahrzeugs über dessen Gesetzeskonformität getäuscht worden, was für sie ein entscheidendes Kaufkriterium gewesen sei.
4
In rechtlicher Hinsicht stützt die Klagepartei ihre behaupteten Ansprüche u. a. auf 826 BGB. Die Beklagte habe die Klagepartei vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht. In Kenntnis des „tatsächlichen Zustandes“ des streitgegenständlichen Pkw hätte die Klagepartei vom Kauf abgesehen. Ihr sei ein „erheblicher“ Schaden entstanden, der „bis hin“ zur mangelnden Benutzbarkeit „der Fahrzeuge“ im städtischen Straßenverkehr reiche.
5
Im Termin vom 14.06.2021 hat die Klagepartei die zunächst mit Schriftsatz vom 23.04.21 von 10.559,35 € auf 12.211,62 € erhöhte abzuziehende Nutzungsentschädigung wiederum auf 9.528,28 € reduziert, ohne dazu weitere prozessuale Erklärungen abzugeben. Die Klageforderung (ohne bereits erfolgten Abzug der Nutzungsentschädigung) wurde mit Schriftsatz vom 23.04.21 von 42.900 € auf 36.050,42 € reduziert und insoweit die Klage zurückgenommen.
6
Die Klagepartei beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 36.050,42 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 9.528,28 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A5 Sportback 3.0 TDI Quattro mit der Fahrgestellnummer …77 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 31.07.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.199,36 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2020 zu zahlen.
7
Die Beklagte beantragt
8
Klageabweisung.
9
Die Beklagte führt aus, der Vortrag der Klagepartei sei unsubstantiiert. Bei dem „Thermofenster“ und dem Aufwärmprogramm handle es sich nicht um unzulässige Abschalteinrichtungen. Das Aufwärmprogramm habe keinen Einfluß auf Schadstoffemissionen und Kraftstoffverbrauch. Ein vorsätzliches Handeln mit Schädigungsabsicht sei nicht dargelegt. Es liege kein verpflichtender Rückruf des KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug in Bezug auf das Emissionsverhalten vor. Es habe lediglich ein Anhörungsverfahren durch das KBA gegeben, bei dem eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht festgestellt worden sei.
10
Das Gericht hat den Geschäftsführer der Klägerin informatorisch angehört. Wegen der insoweit getätigten Angaben wird auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 14.06.2021 Bezug genommen. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
11
Mit Schriftsatz vom 23.04.21 hat die Klagepartei einen Parteiwechsel auf Klägerseite erklärt, nachdem zunächst der Geschäftsführer der Eigentümerin des streitgegenständlichen Pkw die Klage im eigenen Namen erhoben hatte. Bei Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen für den gewillkürten Parteiwechsel war dieser vorliegend auch sachdienlich.

Entscheidungsgründe

A.
12
Das Landgericht Ingolstadt ist nach § 17 ZPO für die Klage zuständig.
B.
13
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen in Bezug auf das in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Thermofenster die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Im Hinblick auf die weiteren Behauptungen der Klagepartei zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung war der klägerische Vortrag zu unsubstantiiert und löste daher keine Beweiserhebungspflicht des Gerichts aus.
I. „Thermofenster“
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Da zwischen den Parteien keinerlei vertragliche Beziehungen bestehen, kommt als Anspruchsgrundlage lediglich Deliktsrecht, hier insbesondere ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht. Solche ergeben sich jedoch nicht wegen des in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig verbauten Thermofensters.
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1. Für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ist die Klagepartei vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet. Da das Vorhandenseins des sogenannten Thermofensters vorliegend unstreitig ist, müsste die Klagepartei neben der Tatsache, dass es sich hierbei um eine unzlässige Abschalteinrichtung handelt, weiter ein vorsätzliches oder gar sittenwidriges Handeln der Beklagten beweisen.
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2. Während die Klagepartei - ohne nähere Begründung - von der Eigenschaft des Thermofensters als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 ausgeht, hat die Beklagte dies bestritten und sich auf die Ausnahmeregelungen nach Art. 5 Abs. 2 lit. a) EG VO 715/2007 berufen. Die Abgasrückführung sei bei bestimmten Temperaturen deshalb (signifikant) reduziert worden, weil dies aus Gründen des Motorenschutzes erforderlich sei.
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3. Es ist bereits nicht klar, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Die Gesetzeslage hierzu ist aufgrund der o.g. Ausnahmevorschrift, auf welche sich die Beklagte beruft, keinesfalls eindeutig; der Einsatz von Thermofenstern kann nicht per se als rechtswidrig beurteilt werden, worauf das KBA auch hingewiesen hat (vgl. Auch OLG München, Urteil vom 03.04.2020; Az. 5 U 941/20). Gegen das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung spricht auch bereits die Tatsache, dass das hier in Rede stehende Thermofenster vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand, während zum Beispiel bei der in den EA189-Motoraggregaten verbaute Software auf einer Umschaltlogik basierte, so dass der Schadstoffausstoß nur auf dem Rollenprüfstand vermindert wurde. Das Problem der Versottung von Bauteilen bei Kondensierung von unverbrannten Rückständen in den kalten Rohrleitungen hat nicht nur die Beklagte erkannt und ist dem mittels einer von der Außentemperatur abhängigen Abgasrückführung begegnet. Vielmehr benutzt die Mehrzahl der Autohersteller dieses System, um Bauteile zu schützen. Wenn die Klagepartei hier von „Absprachen im Rahmen des Autokartells“ spricht, mag dies verwerflich klingen, ändert aber an der zugrunde liegenden Problematik und der Frage, ob es sich bei einem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung oder eine zulässige Maßnahme zum Motorenschutz handelt, nichts.
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4. Letztlich kann es jedoch dahin stehen, ob es sich objektiv gesehen bei dem verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Denn das Gericht ist der Überzeugung, dass sich das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs wegen dem verbauten Thermofenster jedenfalls nicht als sittenwidrige Handlung qualifizieren lässt.
19
Es ist höchst umstritten, ob es sich bei der Verwendung des sogenannten Thermofensters um eine zulässige Motorenschutzmaßnahme handelt. Die Gesetzeslage hierzu ist auch keinesfalls eindeutig, was die - auslegungsfähigen - Ausnahmevorschriften (s.o.) belegen. Auch nach Einschätzung der vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) eingesetzten Untersuchungskommission Volkswagen liegt ein Gesetzesverstoß durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor. So heißt es im Bericht der Kommission zur Auslegung der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a) VO (EG) 715/2007 ausdrücklich (BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, Stand April 2016, S. 123):
„Zudem verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Konsequenz dieser Unschärfe der europäischen Regelung könnte sein, dass unter Berufung auf den Motorschutz die Verwendung von Abschalteinrichtungen letztlich stets dann gerechtfertigt werden könnte, wenn von Seiten des Fahrzeugherstellers nachvollziehbar dargestellt wird, dass ohne die Verwendung einer solchen Einrichtung dem Motor Schaden droht, sei dieser auch noch so klein.“
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Schließlich zeigt auch der in der Literatur (vgl. Führ, NVwZ 2017, 265) betriebene erhebliche Begründungsaufwand, um das „Thermofenster“ als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, dass keine klare und eindeutige Rechtslage gegeben ist, gegen welche die Beklagte bewusst verstoßen hätte (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 21.10.2019 - 12 U 246/19, BeckRS 2019, 25135, beckonline, mwN).
21
Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, ist daher jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 30.07.2019, 10 U 134/19, Rn. 90). Denn eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt, ist, wie eben dargelegt, jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden.
II. „Übrige“ unzulässige Abschalteinrichtungen
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Der weitere Vortrag der Klagepartei hinsichtlich der Behauptung weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen, welche in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sein sollen, ist jedenfalls zu unsubstantiiert, um eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen, so dass auch diesbezüglich die Klage abzuweisen war.
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1. Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt kein angeordneter Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes vor. Die Klagepartei selbst hat schließlich in der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 erklärt, dass sie bislang lediglich ein Anschreiben der Beklagten bzgl. eines freiwilligen Service-Rückrufs für ihr Fahrzeug erreicht hat. Es ist unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ein Audi A5 3.0 TDI EURO 5 mit 180 kw ist.
24
Aus anderen Verfahren gerichtsbekannt hat das KBA unter https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/uebersicht2.pdf? blob=publication File& v=4 eine Tabelle mit den angeordneten Rückrufen eingestellt.
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Daraus ergibt sich für das Gericht zweifelsfrei, dass für den Fahrzeugtyp Audi A5 3.0 TDI nur der eine Rückruf, betreffend Fahrzeuge mit 180 kW, EURO 6 mit Feststellungsdatum 01.12.2017 vorliegt und dieser eine unzulässige Abschalteinrichtung betrifft.
26
Das streitgegenständliche Fahrzeug hat jedoch die Abgasnorm EURO 5. Es ist somit nicht von dem Rückruf betroffen.
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2. Zwar ist die Frage, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, grundsätzlich nicht abhängig von einem KBA-Rückruf für den betreffenden Pkw. Ein erfolgter Rückrufbescheid des KBA entfaltet diesbezüglich jedoch Tatbestandswirkung, wenn der Rückruf wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist. Zweifellos kann auch dann eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sein, wenn - wie hier - (noch) kein KBA-Rückruf vorliegt. In diesem Fall kommt es jedoch darauf an, ob der Vortrag der Klagepartei substantiiert genug ist, eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen, dies auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 28.01.2020 (VIII ZR 57/19).
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In Abweichung von der zitierten BGH-Entscheidung kommen vorliegend nur deliktische Ansprüche gegen die Beklagte in Betracht, andere macht die Klagepartei auch nicht geltend. Die zitierte BGH-Entscheidung befasst sich indes lediglich mit einer übermäßigen Überspannung der Substantiierungsanforderungen an die Darlegung des Vorhandenseins eines Sachmangels. Die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag der Klagepartei sind daher vorliegend anders gelagert als in dem vom BGH entschiedenen Fall. So genügt es nicht, Anhaltspunkte für einen evtl. vorhandenen Mangel der (Kauf-)Sache zu liefern (wie in dem vom BGH entschiedenen Fall); vielmehr muss eine rechtswidrige Schädigungshandlung schlüssig dargetan werden, welche von der Beklagten in zurechenbarer Weise mit entsprechendem Schädigungsvorsatz ausgeübt worden sein und beim Kläger zu einem kausalen Schaden geführt haben muss; darüber hinaus muss, da in Fällen wie dem Vorliegenden regelmäßig ein Anspruch nach § 826 bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu überprüfen sein wird - evtl. auch zu einer möglichen Sittenwidrigkeit/besonderen Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten vorgetragen werden. Auch unter Berücksichtigung der vom BGH in dem genannten Urteil aufgestellten Maßstäbe erscheint der Vortrag der Klagepartei vor diesem Hintergrund als nicht hinreichend konkret (vgl. auch OLG München, B. v. 17.03.2020, 21 U 6698/19).
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Die Klagepartei macht Ausführungen zu Manipulationen bei anderen Modellen der Beklagten mit Motoren der Abgasnorm EU 5. Der Vortrag der Klagepartei zu den behaupteten Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Pkw lässt jedoch jeglichen Bezug zum konkreten Fall vermissen. Die Klagepartei folgert aus Rückrufen für andere Fahrzeuge der Beklagten mit 3.0 Liter Aggregaten der Schadstoffklassen EU 5, dass deswegen auch das vorliegende Fahrzeug betroffen sein müsse. Dies ist jedoch reine Vermutung der Klagepartei. Auch Bezugnahme auf ein Gutachten zu einem Audi Q5 180 kW mit EURO 5 ändert daran nichts. Zudem belegt auch dieses aus Sicht des Gerichts nicht das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung (oder legt dies zumindest nahe), sondern nur, dass bei Veränderung der Umgebungstemperatur sich auch die Emissionswert verändern. Dies räumt die Beklagte mit ihren Angaben zum Thermofenster ja gerade selbst ein.
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Die Erholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund dieser letztlich von der Klagepartei geäußerten reinen Vermutungen würde zur Überzeugung des Gerichts eine unzulässige Ausforschung des Sachverhalts darstellen (so auch OLG München, B. v. 22.03.2019, 21 U 533/19; OLG München, B. v. 17.03.2020, 21 U 6698/19).
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Es ist allgemein bekannt, dass es im Volkswagenkonzern in der Vergangenheit zum Einsatz von unerlaubten Abschalteinrichtungen kam. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Klagepartei im einzelnen Fall nicht mehr konkret darlegen muss, weshalb auch gerade in ihrem Fall konkrete Anhaltspunkte für eine solche Abschalteinrichtung im jeweils streitgegenständlichen Fahrzeug vorliegen. Rein spekulative und pauschale Verdachtsäußerungen, die ohne Bezug auf den konkreten Einzelfall zunächst in einer Art Generalverdacht vorgetragen werden und von denen das Gericht sich quasi die passenden heraussuchen soll, können nicht als hinreichend konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienen.
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Zwar ist es der Klagepartei prozessual grundsätzlich nicht verwehrt, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie jedoch für wahrscheinlich hält. Jedoch muss, um eine ausufernde Beweiserhebungspflicht des Gerichts zu vermeiden, zunächst der Vortrag der Klagepartei zu den behaupteten Anspruchsgrundlagen hinreichend konkret sein. Andernfalls sind Darlegungserleichterungen wie die sekundäre Darlegungslast, nicht gerechtfertigt (vgl. Hierzu ausführlich OLG Köln, U. v. 11.04.2019, 3 U 67/18).
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III. Mangels Bestehens eines deliktischen Anspruchs bereits dem Grunde nach gehen auch die übrigen Anträge ins Leere.
34
Den Nachweis einer vorgerichtlichen Tätigkeit für die als Klägerin eintretende N. GmbH blieb die Klagepartei ohnehin schuldig, so dass bereits aus diesem Grund auch die beantragte Freistellung von aussergerichtlichen Anwaltskosten versagt werden musste.
C.
35
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO bzw. § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
D.
36
Der Streitwert war auf 32.340,65 € festzusetzen. Dies ergibt sich aus dem im Lauf des Verfahrens angefallenen höchsten Streitwert. Dies war der mit der Klageschrift vom 16.11.2020 geltend gemachte.