Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Software, Bescheid, Kaufpreis, Pkw, Zulassung, betrug, Medien, Betriebserlaubnis, Verzug, Zinsen, Klage, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kosten des Rechtsstreits, falsche Angaben
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Software, Bescheid, Kaufpreis, Pkw, Zulassung, betrug, Medien, Betriebserlaubnis, Verzug, Zinsen, Klage, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Kosten des Rechtsstreits, falsche Angaben
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 23.11.2021 – 18 U 1136/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 26.09.2022 – VIa ZR 663/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58426
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.413,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges der Marke VW Tiguan mit Fahrzeug-Indent-Nummer …
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1. in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.335,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.2020 zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klagepartei begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus dem in den Medien so bezeichneten „VW-Abgasskandal“.
2
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts und ist im Handelsregister des Amtsgerichts Braunschweig … eingetragen. Sie ist Entwicklerin und Herstellerin des Dieselmotors EA 189 EU 5.
3
Die Klagepartei erwarb gemäß Empfangsbestätigung vom 17.06.2011 (Anlage K 1) bei der … einen Pkw VW Tiguan als Neufahrzeug. Der Bruttokaufpreis betrug 34.782,27 € € (Anlage K 4). Das Fahrzeug verfügt über eine EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse Eu5. Zur Erlangung dieser Typengenehmigung müssen die Fahrzeuge bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten, die unter Laborbedingungen gemessen werden. Der im klägerischen Fahrzeug verbaute Dieselmotor des Typs EA 189 EU5 war mit einer Software ausgestattet, welche die Abgasrückführung steuert (im Folgenden: AGRS). Das AGRS erkennt, wenn das Fahrzeug den Testlauf für das Typengenehmigungsverfahren, den sogenannten neuen europäischen Fahrzyklus (im Folgenden: NEFZ) durchläuft. Im NEFZ ist das AGRS im Modus 1 aktiv, welcher zu einer höheren Abgasrückführungsrate führt. Im Straßenverkehr ist beim AGRS der Modus 0 aktiv, durch den die Abgasrückführung dauerhaft nur in einem geringeren Maß stattfindet. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat mit Bescheid vom 15.10.2015 die Beklagte verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Aggregat EA 189 EU5 „die unzulässige Abschalteinrichtung“ zu entfernen. In der Folgezeit wurde bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Software-Update installiert. Mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug legte der Kläger bis zum Tag der mündlichen Verhandlung insgesamt 63.318 km zurück (Protokoll vom 20.01.2021, S. 2).
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Mit Schreiben vom 25.07.2020 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 10.08.2020 erfolglos auf, das streitgegenständliche Fahrzeug Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung zurückzunehmen (Anlage K 3).
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Der Kläger trägt vor, er hätte den Kauf bei Kenntnis der Sachlage nicht getätigt. Die von der Beklagten verbaute Software sei nicht gesetzeskonform. Er ist der Ansicht, ihm stünden Schadensersatzansprüche auf der Grundlage von § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Neben dem gezahlten Kaufpreis seien ihm die notwendigen Verwendungen zum Erhalt des Fahrzeuges, insbesondere Kosten für Inspektionsarbeiten, zu ersetzen (Anlagen K 5 - K 7):
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 25.413,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.08.2020 Zug zu Zug gegen Annahme des PKW Tiguan mit Fahrzeug-Indent-Nummer … zu bezahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeuges in Verzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.335,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typengenehmigung und über eine wirksame Betriebserlaubnis. Die Tatsache, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug mit der beschriebenen Software ausgestattet sei, ändere am Bestand der EG-Typengenehmigung nichts. Die Software-Programmierung stelle auch keine gesetzeswidrige Abschaltvorrichtung dar. Durch das Software-Update drohe dem Kläger kein Entzug der Zulassung.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stünden keine Schadensersatzansprüche zu. Ein Anspruch auf der Grundlage von § 826 BGB scheitere bereits daran, dass dem Kläger kein durch ein Verhalten der Beklagten kausal hervorgerufener Schaden entstanden sei. Im übrigen seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt (Klageerwiderung vom 21.12.2020).
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll vom 20.01.2021 Bezug genommen. -
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage erweist sich im tenorierten Umfang als begründet.
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In der Hauptsache steht dem Kläger gegen die Beklagte jedenfalls ein Anspruch auf der Grundlage der §§ 826, 31 BGB zu. Danach ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet.
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1. Die Beklagte hat durch das Inverkehrbringen des von ihr hergestellten Motors mit der manipulierten und nach den Vorgaben der Aufsichtsbehörden zu beseitigenden Software gegen die guten Sitten verstoßen. Die programmierte Software bewirkt bei dem Betrieb der Fahrzeuge einen Schadstoff- (insbesondere Stickoxid-) Ausstoß, der unter Anwendung der geltenden EU-Abgasnormen nicht genehmigungsfähig ist; die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug liegen mithin nicht vor, worüber die Beklagte konkludent getäuscht hat.
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Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Die Verwerflichkeit kann sich insbesondere auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, Rn. 16, zitiert nach juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an.
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Die berechtigen Verkehrserwartungen gehen dahin, dass sich ein Auto- bzw. Motorenhersteller gewissenhaft an die Regeln hält, denen er im Rahmen des Zulassungsverfahrens unterliegt, und sich nicht durch falsche Angaben zu wichtigen zulassungsrelevanten Eigenschaften eine Typgenehmigung erschleicht. Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte in einem erheblichen Maße verstoßen. Die Installation einer Abschalteinrichtung widersprach offensichtlich den Vorgaben der EG-VO 715/2007; die von der Beklagten gemachte Unterscheidung zwischen sog. innermotorischen Maßnahmen und denjenigen der Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem lässt sich der Verordnung nicht entnehmen. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit - wie die Beklagte selbst vorträgt - keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubt, widerspricht dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und erfüllt die Zulassungsvoraussetzungen nicht; dementsprechend hat auch das KBA festgestellt, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Überdies wurde die Beklagte unstreitig durch den Hersteller der Software vor dem gesetzeswidrigen Einsatz der Software gewarnt.
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Bei der Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns ist weiter der hohe Schaden, den die Beklagte verursacht hat, sowie das hohe Risiko für die zahlreichen Fahrzeugkäufer zu berücksichtigen, das die Beklagte in Kauf genommen hat. Der Beklagten war bewusst, dass sie die Anforderungen der Abgasnormen nicht ohne die unzulässige Abschalteinrichtung erfüllen konnte, weshalb sie diese mit erheblichem technischen Aufwand zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern entwickelt hat. Als Automobilherstellerin war ihr weiter bekannt, dass die erteilten EG-Typengenehmigungen nicht rechtsbeständig sind, mithin die Gefahr des Widerrufs der Typgenehmigung und der allgemeinen Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge bestand. Der dadurch drohende Schaden war angesichts der hohen Stückzahl der produzierten Motoren enorm. Durch dieses Handeln hat die Beklagte den eigenen Profit gesteigert, indem sie sich mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern verschafft und sich schließlich die Kosten der Entwicklung einer Technik gespart hat, die den Anforderungen der Vorschriften gerecht geworden wäre. Im Gegenzug hat die Beklagte massive Schäden für Kunden und Umweltplanmäßig in Kauf genommen, was den Vorwurf der Verwerflichkeit rechtfertigt (so auch LG Stuttgart, 19 O 68/17; LG Offenburg, 6 O 119/16; LG Hildesheim, 3 O 139/16; LG Bonn, 19 O 327/17; LG Essen, 4 O 114/17)
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2. Die Beklagte hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen.
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Die deliktische Haftung einer juristischen Person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Hier erscheint es naheliegend, dass zumindest Teile des Vorstands Kenntnis von der manipulierenden Software gehabt haben. Dass ein am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelter Entwickler in eigener Verantwortung eine Motorsteuersoftware entwickelt bzw. einbaut, ohne dass Führungskräfte als verfassungsmäßig berufene Vertreter davon wussten, hält das Gericht für abwegig. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware für eine ganze Motorenreihe stellt eine so wesentliche Entscheidung dar, dass sie auf oberster Führungsebene getroffen werden musste. Abgesehen davon ist es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH für eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB ausreichend, dass eine oder mehrere Personen tätig waren, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB ist mithin auch dann gegeben, wenn Beschäftigte unterhalb der Vorstandsebene entsprechend handelten. Eine konkrete namentliche Benennung der handelnden Personen oblag dem Kläger trotz seiner grundsätzlichen Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht. Denn dem Kläger als beweisbelasteter Partei ist näherer Vortrag hierzu ersichtlich nicht möglich bzw. zumutbar, da er über keinerlei Einsicht in die Organisations- und Kompetenzstrukturen der Beklagten verfügt. Dieses Informationsdefizit des Klägers begründet eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten, die über den erforderlichen Einblick in die internen Strukturen verfügt und der es auch zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH VI ZR 559/14). Die Beklagte ist schon unter Compliance-Gesichtspunkten dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen, die tatsächlich auch schon seit längerer Zeit andauern. Angesichts des erheblichen Zeitablaufs kann sich die Beklagte daher nicht darauf beschränken zu behaupten, dass Erkenntnisse dahingehend, dass Vorstandmitglieder von der Software wussten, nicht vorliegen (vgl. auch Landgericht Köln, Urteil vom 18.07.2017, Az. 22 O 59/2017). Im Gegenteil spricht angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Einführung der manipulierten Motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken handelte, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Entscheidung durch den Vorstand selbst getroffen wurde, jedenfalls aber von Beschäftigten unterhalb der Vorstandsebene mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen, für die die Beklagte ebenso wie für verfassungsmäßige Vertreter haftet (vgl. BGH, III ZR 296/11).
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3. Durch das Inverkehrbringen der Motoren mit der manipulierten Software hat die Beklagte nachteilig auf die Vermögenslage des Klägers eingewirkt bzw. seine rechtlich anerkannten Interessen beeinträchtigt und ihm damit einen Vermögensschaden zugefügt.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist auch subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen umfasst sind, wie - bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit - die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts (vgl. BGH, VI ZR 306/03 und VI ZR 15/14). In Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware hat der Kläger den streitgegenständlichen Pkw erworben und damit einen für ihn - auch wirtschaftlich - nachteiligen Vertrag abgeschlossen. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für den Kläger wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt schon die Überlegung, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit einer Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darauf hingewiesen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb damit rechnen müsste, dass die zuständigen Behörden aufgrund des Einsatzes dieser Software gegen den Betrieb des Fahrzeugs vorgehen. Damit hat der Kläger aber nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug (vgl. Landgericht Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Az. 3 O 139/16 und Landgericht Essen, Az. 4 O 114/17).
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Wegen des subjektbezogenen Schadensbegriffs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entscheidend darauf an, ob der streitgegenständliche Pkw im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung objektiv einen geringeren Marktwert hatte oder seine tatsächliche Nutzbarkeit eingeschränkt war (vgl. OLG München, Az. 18 U 5833/19). Allerdings kann schon im Hinblick auf die vor Aufspielen des Software-Updates zumindest abstrakt bestehende Gefahr eines Entzugs der EG-Typgenehmigung durch das KBA und einer hierauf gestützten Stilllegung des Fahrzeugs keine Rede davon sein, dass der streitgegenständliche Pkw für die Zwecke des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses uneingeschränkt geeignet war.
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4. Die Beklagte hat dem Kläger somit gem. §§ 826, 249 ff. BGB seinen Schaden zu ersetzen, ihn mithin im Rahmen der Naturalrestitution so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Schädigung nicht eingetreten wäre. Dies führt zu einem Ersatz der von ihm aufgewendeten Erwerbskosten i.H.v. insgesamt 34.782,27 € Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums am streitgegenständlichen Pkw.
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Im Rahmen des Vorteilsausgleichs muss sich der Kläger allerdings die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, da es einen anerkannten Grundsatz des Schadensrechts darstellt, dass der Geschädigte nicht besser gestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stünde, dass ihm also neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (vgl. nur BGH, Az. XI ZR 536/14).
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Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte im Falle des Vorteilsausgleichs unbillig entlastet würde, weil objektiv unzumutbare Nutzungen nicht berücksichtigt werden dürften. Durch die tatsächliche Nutzung des streitgegenständlichen Pkw hat der Kläger nämlich gerade zum Ausdruck gebracht, dass er dessen Nutzung nicht für unzumutbar hält.
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Die für die Berechnung der Nutzungsentschädigung maßgebliche zu erwartende Gesamtlaufleistung schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO mit 250.000 km. Der Kläger hat das Fahrzeug als Neufahrzeug für 34.782,27 € erworben (Anlage K 4). Im Zeitpunkt der maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung wies es einen Kilometerstand von 63.318 km auf, was der Kläger durch Vorlage eines entsprechenden Fotos belegt hat. Der Nutzungsersatz berechnet sich daher wie folgt: Der Bruttokaufpreis von 34.782,27 € multipliziert mit den vom Kläger insgesamt gefahrenen 63.318 km, geteilt durch die bei Übernahme zu erwartende Laufleistung von 250.000 km ergibt eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 8.809,38 €, die von den Gesamterwerbskosten von 34.782,27 € in Abzug zu bringen ist, so dass sich ein zuzusprechender Betrag in Höhe von 25.972,26 € errechnet. Wegen der Bindung an die Anträge konnte indessen nur ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 25.413,40 € zugesprochen werden, § 308 ZPO.
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4. Verjährung ist nicht eingetreten. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2021 (Protokoll S. 2) die anfänglich erhobene Einrede der Verjährung fallen gelassen.
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Zinsen kann der Kläger unter dem Gesichtspunkt der §§ 291, 288 BGB verlangen.
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Der Feststellungsantrag zum Annahmeverzug ist zulässig; das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich aus dem schutzwürdigen Interesse in Hinblick auf die §§ 756, 765 ZPO (Saenger, ZPO, 7. Auflage 2017, § 256 Rn. 8). Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug gem. § 293 BGB. Das Schreiben vom 25.07.2020 (K3) enthält ein wörtliches Angebot. Ein tatsächliches war gem. § 295 BGB nicht erforderlich.
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Der erstattungsfähige Schaden des Klägers umfasst auch die Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit seines anwaltlichen Vertreters. Der streitgegenständliche Fall ist nicht so einfach gelagert, dass der Kläger seine Ansprüche ohne weiteres selbst hätte außergerichtlich geltend machen können, zum anderen musste eine außergerichtliche Geltendmachung nicht von vornherein als zwecklos erscheinen. Die Rechtsanwaltskosten waren daher als adäquat verursachte, erforderliche Rechtsverfolgungskosten gem. §§ 249 Abs. 2 Satz 1, 251 Abs. 1 BGB zuzusprechen. Eine Mittelgebühr von 1,3 erscheint angemessen. Der Kläger kann mithin den in der Kostenrechnung (Anlage K 8) errechneten Betrag in Höhe von 1.335,04 € beanspruchen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 II Nr. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.