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AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 19.03.2021 – 1 C 709/20
Titel:

Abrechnung, Netzbetreiber, Duldung, Forderung, Einstellung, Unrichtigkeit, Verfahren, Zahlung, Rechnung, Haushaltskunde, Strom, Zahlungsverweigerung, Abschlag, Klage, offensichtlicher Fehler

Schlagworte:
Abrechnung, Netzbetreiber, Duldung, Forderung, Einstellung, Unrichtigkeit, Verfahren, Zahlung, Rechnung, Haushaltskunde, Strom, Zahlungsverweigerung, Abschlag, Klage, offensichtlicher Fehler
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58337

Tenor

1. Der Beklagter wird verurteilt, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers, der …, Zutritt zu den Räumen im Anwesen … zu gewähren, in denen sich die Mess- und Zähleinrichtungen befinden, und die Einstellung der Stromversorgung durch Trennung der Abnahmeanlage mit der Zählernummer … (Endziffern) vom Versorgungsnetz zu dulden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.174,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zutritt und Duldung der Energieunterbrechung.
2
Die Klägerin betreibt ein regionales Energieversorgungsunternehmen und versorgt Anschlussnehmer als Grundversorger im Rahmen des § 36 Energiewirtschaftsgesetz mit elektrischer Energie.
3
Der Beklagte ist Stromabnehmer und Haushaltskunde unter der Vertragsnummer … der Klägerin in dem im Antrag genannten Anwesen und wird aktuell über den Stromzähler mit der im Antrag genannten Nummer von der Klägerin mit Strom versorgt.
4
Der errechnete Anfangszählerstand vom 03.10.2019 betrug 148.902,0, der Endzählerstand vom 29.02.2020 betrug 156.365,0.
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Die Abrechnung des Stromverbrauchs 2019/2020 erfolgte mit der Stromrechnung vom 31.03.2020. Diese ermittelte für den Zeitraum 03.10.2019 bis 29.02.2020 einen Verbrauch von 7.463 kWh. Hierfür wurde ein Betrag in Höhe von 2.315,54 € errechnet.
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Aufgrund dessen wurde ein neuer Abschlag ermittelt mit 529,00 €.
7
Der Rechnungsbetrag und der erste Abschlag waren lt. Rechnung fällig am 16.04.2020. Die weiteren Abschläge waren sodann am 18.05., 16.06., 16.07., 17.08., 16.09., 16.10., 16.11., 16.12.2020 und 18.01.2021 fällig.
8
Laut Abrechnung ergab sich ein Jahresverbrauch gerechnet von 17.057 kWh pro Jahr.
9
Die Klägerin hatte den Beklagten mehrfach, so auch mit Schreiben vom 24.07.2020 aufgefordert, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen.
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Im Weiteren hatte die Klägerin dem Beklagten die Trennung der Energieversorgung angekündigt.
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Der daran anschließende Sperrversuch seitens des zuständigen Netzbetreibers beim Beklagten verlief erfolglos. Der erfolglose Sperrversuch wurde durch den zuständigen Netzbetreiber an die Klägerin am 09.09.2020 gemeldet.
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Zahlungen durch den Beklagten, auch laufende Abschlagszahlungen durch den Beklagten wurden nicht geleistet.
13
Am 28.10.2020 erfolgte die Ablesung durch den Beklagten mit einem Zählerstand von 158.193,6. Dieser Zählerstand wurde im Verfahren mitgeteilt.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr das Recht zur Versorgungseinstellung gem. § 19 Abs. 2 StromGVV zustehe. Insoweit würde sich der Beklagte mit einem Betrag weit über der in § 19 Abs. 2 S. 4 Strom GVV zur Versorgungseinstellung geregelten Unverhältnismäßigkeitsgrenze von 100,00 € in Zahlungsverzug befinden. Grundsätzlich sei die Beklagtenpartei zur Selbstablesung der Messeinrichtung nach der Strom GVV verpflichtet. Soweit wie hier keine Mitteilung des Zählerstandes erfolgt, könne dieser maschinell entsprechend den gesetzlichen Vorgaben berechnet und geschätzt werden. Die Beklagtenseite habe im Abrechnungszeitraum keinen Zählerstand mitgeteilt. Die Klägerin könne berechtigt die Ablesedaten, die ihm vom Netzbetreiber bzw. Messstellenbetreiber mitgeteilt würden, zur Abrechnung verwenden. Persönliche Umstände müssten nur dann in die Schätzung des Verbrauchs einfließen, wenn diese persönlichen Umstände dem Grundversorger ohne Weiteres bekannt seien. Die vollständige Zahlungsverweigerung würde insoweit der gesetzlichen Stromversorgung widersprechen. Zumindest hätte der Beklagte den Stromverbrauch, der sich aus der von der Beklagtenpartei festgestellten Differenz zwischen dem alten und den neu festgestellten Zählerstand ergebe und die laufenden Abschläge bezahlen müssen. Der Vortrag der Beklagtenseite sei unsubstantiiert.
15
Die Klägerin beantragt zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers, der …, Zutritt zu den Räumen im Anwesen … zu gewähren, in denen sich die Mess- und Zähleinrichtungen befinden, und die Einstellung der Stromversorgung durch Trennung der Abnahmeanlage mit Zähler-Nr. … (Endziffern) vom Versorgungsnetz zu dulden.
16
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung
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Der Beklagte trägt vor, dass der von der Klägerin festgestellte Stromverbrauch und die sich daraus ergebende Forderung falsch seien, da der Beklagte im Rahmen eines 2 Personenhaushalts der hobbymäßig alte Traktoren restauriert ein derartig hoher Stromverbrauch nicht denkbar sei. Es liege eine grobe Unrichtigkeit der Stromrechnung vor. Trotz der Forderung zur Zählerüberprüfung habe ein solcher nicht stattgefunden. Bei der Vornahme der Schätzung seien der Vergleichszeitraum und Vergleichswerte nicht angegeben worden. Es würde ein offensichtlicher Ablesefehler oder eine falsche Übermittlung vorliegen, da für 5 Monate ein Verbrauch von 7.463 kWh ermittelt worden sei, dies jedoch mit dem Zählerstand vom 28.10.2020 nicht vergleichbar sei. Hierbei sei bei einem Zeitraum von 7 Monaten ein Verbrauch von 1.828,6 kWh ermittelt worden. Es würde die ernsthafte Möglichkeit einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Stromrechnung vorliegen, die zum Zurückbehaltungsrecht berechtige. Entsprechende Entscheidung OLG Köln vom 28.10.2011, Az.: 11 U 174/11 bzw. OLG Celle, Entscheidung vom 12.11.2015, Az.: 13 U 9/15.
18
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf deren dortigen Vortrag sowie auf die mit den Schriftsätzen übersandten Anlagen als auch auf das Protokoll vom 03.03.2021 vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage war begründet.
20
Danach stand der Klägerin ein Anspruch zur Versorgungsunterbrechung gem. 19 Abs. 2 Strom GVV zu. Entgegen der Auffassung der Beklagenseite lag kein offensichtlicher Fehler der Rechnung vom 31.03.2020 vor.
21
Nach § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 hat der Kunde ein Recht zur Zahlungsverweigerung, wenn die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers der Rechnung besteht.
22
Eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn die Rechnung auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt (BGH NJW-RR 1990, 689). Eine solche Offensichtlichkeit ist i.d.R. zu verneinen, wenn die Klärung der Fehlerhaftigkeit umfangreiche Tatsachenfeststellungen erfordert, etwa die Feststellung der ordnungsgemäßen Funktionsweise eines Stromzählers. Solches gilt entsprechend der Entscheidung des OLG Köln vom 28.10.2011, Az.: 11 U 174/11 jedoch nicht ausnahmslos. So sei „ein offensichtlicher Fehler … auch aus einer enorm und nicht plausibel erklärbaren Abrechnung der Verbrauchswerte der vorangegangenen oder nachfolgenden Abrechnungsperioden“ anzunehmen.
23
Dies erfordert entgegen der Auffassung der Beklagtenseite jedoch, dass von Beklagtenseite auch ein entsprechender Vortrag hierzu erfolgt. Die Beklagtenseite müsste dementsprechend vorangegangene oder nachfolgende Abrechnungsperiode und deren Abrechnung dar und vorlegen, mindestens aber hierzu etwas vortragen.
24
Die Beklagtenseite hatte sich jedoch darauf beschränkt, lediglich Behauptungen aufzustellen. So wurde von Beklagtenseite vorgebracht, dass lediglich ein 2 Personenhaushalt vorliege, bei dem hobbymäßig noch alte Traktoren restauriert würden.
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Derartige Umstände haben auf die Abrechnung und hier gegenständlich auf die Schätzung nur dann Einfluss, wenn diese Umstände nachvollziehbar und offenkundig sind.
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Da der Individualverbrauch von Strom eine derartig große Bandbreite umfasst, kann allein aufgrund des Vortrags der Beklagtenseite, es würde sich um einen 2 Personenhaushalt handeln nicht geschlossen werden, dass der Individualverbrauch des Beklagten auch der einem anderen 2 Personenhaushalt vergleichbare ist.
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Insoweit hat die Beklagtenseite zu berücksichtigen, dass entsprechend der Entscheidung des OLG Celle vom 12.11.2015, Az.: 13 U 9/15 gegenständlich auch dann eine Einstellung der Stromversorgung möglich ist, „wenn ein offensichtlicher Fehler ernsthaft möglich ist, (jedoch) … der von den nach § 17 Abs. 1 S. 2 Strom GVV berücksichtigungsfähigen Einwendungen nicht erfasste Sockelbetrag der Abrechnung zur Zahlung fällig“ ist. Dementsprechend hätte der Beklagte jedenfalls nicht einfach überhaut gar keine Zahlungen, auch keine Abschlagszahlungen leisten dürfen, gleichzeitig aber umgekehrt Strom verbraucht dürfen. Vielmehr hätte die Beklagtenseite wenigstens einen Mindestverbrauch ihrerseits ermitteln und entsprechende Zahlungen an die Klägerin leisten müssen.
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Gegenständlich wurde von Beklagtenseite aber Strom verbraucht, Zahlungen, nicht einmal Abschlagszahlungen, jedoch nicht geleistet, so dass aufgrund dessen dass Synallagma aufgrund des bestehenden Kontrahierungszwangs der Klägerin zwischen Stromverbrauch und Stromzahlung jedenfalls von Seiten des Beklagten eklatant gestört wurde.
29
Dementsprechend war die Klagepartei, da von Beklagtenseite überhaupt keine Zahlungen erfolgt war, unabhängig von einem offenkundigen Fehler zur Einstellung der Stromversorgung berechtigt.
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Die Klage war daher vollumfänglich begründet.
31
Der Beklagte war wie tenoriert zu verurteilen.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 709 ZPO: