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AG Kaufbeuren, Kostenfestsetzungsbeschluss v. 17.11.2021 – 5 OWi 140 Js 11562/21 jug
Titel:

Notwendige Auslagen – Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwaltes

Normenketten:
StPO § 464a Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 91 Abs. 2
Leitsätze:
1. Gemäß §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO iVm 91 Abs. 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwaltes, der nicht in dem Bezirk des Gerichts niedergelassen ist und am Ort des Gerichts auch nicht wohnt, nur dann in vollem Umfang erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung des auswärtigen Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig wäre. Dies könnte evtl. dann der Fall sein, wenn der auswärtige Anwalt über besondere Fachkenntnisse auf einem Spezialgebiet verfügt und es am Sitz des Gerichts einen Fachanwalt nicht gäbe oder der Angeklagte selbst weit entfernt vom Gerichtsort wohnt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. War die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwaltes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig, sind dessen tatsächlich angefallenen Reisekosten nur insoweit notwendig iSd § 91 Abs. 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn der Angeklagte einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
notwendige Auslagen, Fahrtkosten, Reisekosten, auswärtiger Rechtsanwalt
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58324

Tenor

Die nach dem rechtswirksamen Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 25.08.2021 aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der Betroffenen werden auf 1.086,71 € (in Worten: eintausendsechsundachtzig 71/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 25.08.2021 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Mit Schreiben vom 25.08.2021 beantragte der Verteidiger die Erstattung der notwendigen Auslagen der Betroffenen.
2
Dem Antrag konnte nicht in vollem Umfang stattgegeben werden. Folgende Absetzungen sind erfolgt:
3
Die geltend gemachten Fahrtkosten können nicht wie beantragt festgesetzt werden.
4
Die Betroffene hätte einen Anwalt vor Ort beauftragen können. Gemäß §§ 464a II Nr. 2StPO iVm 91 II ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwaltes, der nicht in dem Bezirk des Gerichts niedergelassen ist und am Ort des Gerichts auch nicht wohnt, nur insoweit erstattungsfähig, als die Hinzuziehung des auswärtigen Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig wäre. Dies könnte evtl. dann der Fall sein, wenn der auswärtige Anwalt über besondere Fachkenntnisse auf einem Spezialgebiet verfügt und es am Sitz des Gerichts einen Fachanwalt nicht gäbe oder der Angeklagte selbst weit entfernt vom Gerichtsort wohnt (OLG Thüringen vom 16.09.2011, 1Ws 417/11, Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 464 a Rdnr. 12). Dies war im vorliegenden Verfahren nicht der Fall. Die tatsächlich angefallenen Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind nur insoweit notwendig iSv § 91 Absatz II 1 Hs. 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die Betroffene einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitesten entfernt gelegenen Ortes innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.
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Der am weitesten entfernt gelegene Ort innerhalb des Gerichtsbezirks Kaufbeuren ist Halblech mit einer Entfernung von 48 km.
6
Entgegen der Auffassung des Rechtsanwalts beträgt die Entfernung von Kaufbeuren nach Seeg nur 28,6 km und nicht, wie angegeben, 58 km.
7
Für den auswärtigen Rechtsanwalt sind somit nur Fahrtkosten für eine Entfernung von insgesamt 96 km (Hin- und Rückfahrt jeweils 48 km) in Höhe von 40,32 € festsetzbar.
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Die sonstigen geltend gemachten Gebühren und Auslagen waren dem Grund und der Höhe nach nicht zu beanstanden.
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Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Kempten (Allgäu) wurde gehört.
10
Die Umsatzsteuer wurde entsprechend den Absetzungen gekürzt.