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AG München, Endurteil v. 18.11.2021 – 332 C 10032/21
Titel:

Grundhonorar, Ermessen, Verfahren, Bestellung, Tatrichter, Klage, Nebenkosten, Gesamtbetrachtung, Honorarbefragung, Rechtsprechung, Akteninhalt, Geldbetrag, Verkehrunfall, Beklagte, billigem Ermessen

Schlagworte:
Grundhonorar, Ermessen, Verfahren, Bestellung, Tatrichter, Klage, Nebenkosten, Gesamtbetrachtung, Honorarbefragung, Rechtsprechung, Akteninhalt, Geldbetrag, Verkehrunfall, Beklagte, billigem Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58281

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44,78 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.04.2021 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 52 % und die Beklagte 48 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 92,57 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt. Die zulässige Klage ist begründet.
2
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 44,78 €.
3
Unstreitig haftet die Beklagte für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Verkehrunfall.
4
Streitig war allein, ob noch ausstehende Sachverständigenkosten von 92,57 € erstattungsfähig sind oder nicht, ob also insgesamt Sachverständigenkosten von 736,83 € brutto ersetzt werden müssen.
5
Nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 14.12.2015, 10 U 579/15), sind hier weitere Sachverständigenkosten in Höhe von 44,87 € erstattungsfähig.
6
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH NJW-RR 1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 II BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH VersR 1974, 90). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (vgl. BGH NJW 1995, 446, 447). Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (vgl. BGHZ 54, 82, 85 und 61, 346, 349 f.). Diese Voraussetzungen sind zwar der Schadensminderungspflicht aus § 254 II BGB verwandt. Gleichwohl ergeben sie sich bereits aus § 249 BGB, so dass die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim Geschädigten liegt (vgl. BGHZ 61, 346, 351).
7
Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar über den üblichen (vgl. § 632 II BGB) Preisen, so sind diese nicht geeignet, als erforderlich i.S.d. § 249 BGB zu gelten. Der erforderliche Geldbetrag ist vom Tatrichter anhand tragfähiger Anknüpfungstatsachen gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (vgl. BGH NJW 2014, 3151).
8
Die Sachverständigenkosten liegen nur teilweise im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung unter Heranziehung der BVSK Befragung 2020 als zeitnahe Erhebung im Rahmen des Üblichen und sind der Höhe nach nicht zu beanstanden.
9
Der Sachverständige rechnet nur teilweise branchenüblich ab. Hierbei ist nach Ansicht des OLG München eine Gesamtbetrachtung der Honorarrechnung vorzunehmen, um zu vermeiden dass der Sachverständige benachteiligt wird, der ein niedrigeres Grundhonorar, dafür aber höhere Nebenkosten verlangt (oder umgekehrt), wenn das Gesamthonorar andere Gesamthonorare von Sachverständigen in vergleichbaren Fällen nicht übersteigt.
10
Dabei ergeben sich folgende Werte:
11
Das Grundhonorar beträgt bei dieser Schadenshöhe entsprechend der BVSK Honorarbefragung 2020 485,00 € (unterer Betrag des HB-V-Korridors). Eine öffentliche Bestellung und allgemeine Vereidigung geht aus der Akte nicht hervor, so dass kein Aufschlag vorzunehmen ist.
12
Hinsichtlich der Nebenkosten gilt folgendes:

EUR Gesamt

Grundhonorar max

485

Anzahl

Fahrtkosten 0,70 EUR/km

69

48,3

Fotokosten 2,00 EUR

10

20

2. Fotosatz (0,50 EUR)

10

5

Schreibkosten (1,80 EUR/S.)

9

16,2

Kopien (0,50 EUR/Kopie)

9

4,5

Porto/Telefon

15

Gesamtsumme Nebenkosten

109

Gesamtsumme incl. Grundhonorar netto

594

MwSt 16 %

95,04

Gesamtsumme incl. Grundhonorar brutto

689,04

13
Weitere Nebenkosten sind nicht erstattungsfähig, da sie entsprechend der Umfrage nicht üblich sind, letztlich als Teil des Grundhonorars und nicht als gesondert zu vergüten anzusehen sind.
14
Mithin kann der Kläger, unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung in Höhe von 644,26 € noch 44,78 € ersetzt verlangen.
15
Verzug bestand, ab der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung der Beklagten am 12.04.2021, §§ 280, 286, 288 BGB.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
17
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.