Titel:
Schadensersatz, Reparaturkosten, Verkehrsunfall, Rechtsanwaltskosten, Fahrzeug, Unfallzeitpunkt, Berufung, Arbeitsleistung, Anspruch, Verbringungskosten, Haftung, Kostenpauschale, Arbeit, Kostenentscheidung, juristische Person, kein Anspruch, juristische Personen
Schlagworte:
Schadensersatz, Reparaturkosten, Verkehrsunfall, Rechtsanwaltskosten, Fahrzeug, Unfallzeitpunkt, Berufung, Arbeitsleistung, Anspruch, Verbringungskosten, Haftung, Kostenpauschale, Arbeit, Kostenentscheidung, juristische Person, kein Anspruch, juristische Personen
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Verfügung vom 11.06.2021 – 240 C 1328/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58263
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 595,01 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 23.12.2019 in N. zwischen dem Leasingfahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ... und dem bei der Beklagten zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversicherten Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... .
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Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
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Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren und macht Reparaturkosten aus bezahlter Rechnung in Höhe von 4.375,21 € netto, Sachverständigenkosten in Höhe von 723,20 €, eine Wertminderung in Höhe von 650,00 € und eine Kostenpauschale in Höhe von 30,00 €, Gesamtschaden 5.778,41 € mit Schreiben vom 11.02.2020 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte regulierte in der Folgezeit mit Ausnahme der Reparaturkosten vollständig. Auf die Reparaturkosten regulierten die Beklagte vorgerichtlich zuletzt mit Schreiben vom 24.03.2020 gesamt 3.780,20 € netto. Für die vorgerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit macht die Klägerin 480,20 € geltend, auf die vorgerichtlich 413,90 € bezahlt wurden.
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Die Klägerin trägt vor, dass für Haftpflichtfälle kein Großkundenrabatt bestehe. Rabatte hätten nicht in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass die Reparaturrechnung schon aufgrund des sogenannten Werkstattrisikos von der Beklagten vollständig zu übernehmen sei. Das Urteil des BGH vom 19.11.2013, Az. VI ZR 363/12 zur Frage der Schadenshöhe bei eigener Reparatur sei nicht anwendbar, weil die Klägerin nicht selbst repariert habe und es sich bei der reparierenden Werkstatt nicht um ein konzerneigenes Autohaus handele.
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Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 595,01 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 01.04.2020 zu zahlen sowie außergerichtliche restliche Anwaltsgebühren in Höhe von 66,30 €.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe Großkundenrabatte oder Teilerabatte in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus erhalte niemand die Ersatzteile und Reparaturleistungen günstiger als der Hersteller selbst, der – insofern unstreitig – vorliegend faktisch klage. Des Weiteren seien UPE und Verbringungskosten generell nicht geschuldet. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten trägt die Beklagte vor, diese seien von der Klägerin regelmäßig dann nicht geschuldet, wenn kein Dritter sie übernehme.
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Das Gericht hat mit den Parteien mündlich verhandelt am 17.05.2021 und dabei Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Hauptverhandlung verwiesen. Sodann ist das Gericht wieder ins schriftliche Verfahren nach § 495 a ZPO übergegangen.
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Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 23.12.2019 zwischen den Fahrzeugen mit den amtlichen Kennzeichen und aus §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG, § 3 PflVG, §§ 249 ff., 823 BGB zu, weil die Beklagte trotz richterlichen Hinweises nicht substantiiert zu den Kosten der Ersatzteile vorgetragen hat.
I. Haftung dem Grunde nach
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Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
II. Haftung der Höhe nach
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Der Schaden der Höhe nach bestimmt sich nach §§ 249 ff BGB.
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Die Schadenshöhe kann jedoch für den Teil der Reparaturkosten, der nicht vorgerichtlich reguliert wurde, nicht bestimmt werden. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der Klägerin zwar grundsätzlich die Ersatzteilkosten inkl. Gewinn zu erstatten sind. Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des Gewinnanteils, wenn es sich – wie vorliegend – bei der geschädigten Klägerin um ein Konzernmitglied handelt und die Ersatzteile nicht anderweitig gewinnbringend eingesetzt hätten werden können. Dazu hat die Klägerin trotz richterlichen Hinweises und sekundärer Darlegungslast nicht vorgetragen.
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Die in der Rechnung, Anlage K 1, enthaltenen Ersatzteilpreise in Höhe von gesamt 1.968,07 € netto, die einen Unternehmergewinn enthalten, können daher nicht zugrunde gelegt werden. Mangels Schätzgrundlage ist dem Gericht auch eine Schätzung der Herstellungskosten nach § 287 ZPO verwehrt. Der Klageforderung, die aufgrund im Übrigen vorgerichtlicher Erfüllung geringer ist als die Ersatzteilkosten, konnte daher nicht stattgegeben werden. Die Beklagte hat überzahlt.
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Gemäß § 249 Abs. 1, 2 BGB gilt, dass derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Wenn – wie vorliegend – eine Sache beschädigt ist, kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Betrag verlangen. Danach ist der Schadensposten Reparaturkosten offensichtlich erstattungsfähig. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Strittig ist lediglich die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sich die Klägerin einen Großkundenrabatt anrechnen lassen müsse. Es erhalte niemand Ersatzteile und Reparaturen günstiger als der Hersteller, zu dem die Klägerin faktisch gehöre.
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1. Die Höhe des erforderlichen Geldbetrages richtet sich nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (Wirtschaftlichkeitsgebot). Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebot sind die Zumutbarkeit für den Geschädigten und die Berücksichtigung seiner individuellen Lage. Es ist insbesondere Rücksicht zu nehmen auf seine individuellen Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten sowie auf ggfs. gerade für ihn bestehende Besonderheiten (subjektbezogene Schadensbetrachtung). Dies kann sich zugunsten des Geschädigten als auch zugunsten des Schädigers auswirken. Verfügt der Schädiger z.B. über besondere Kenntnisse, erhöhte Einflussmöglichkeiten oder sonstige Vorteile oder Erleichterung, so ist darauf zugunsten des Schädigers Rücksicht zu nehmen. Es kann daher für den Geschädigten wirtschaftlich objektiv unvernünftig sein, im Rahmen der Schadensbehebung eine vorteilhafte Möglichkeit ungenutzt zu lassen, die er im Rahmen seines eigenen Gewerbes typischerweise ohne weiteres nutzen würde. Dies gilt so für die konkrete wie auch die fiktive Schadensabrechnung. Nach den dargelegten Grundsätzen hat der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Werkstatt anfallenden Reparaturkosten. Dieser Betrag ist jedoch dann zu korrigieren, wenn sich die konkrete Situation des Geschädigten in dem Betrag nicht widerspiegelt.
(zu alldem BGH, Urteil vom 29.10.2019, Az. VI ZR 45, 19, juris Rn. 9 ff.)
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2. Vorliegend kann dahinstehen, dass sich die Erforderlichkeit der Reparaturkosten nicht schon aufgrund des Werkstattrisikos bestimmt. Insofern hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt hat und das Fahrzeug in Hände von Fachleuten übergeben hat, sodass die ohne Schuld des Geschädigten unwirtschaftlich oder unsachgemäße Maßnahmen der beauftragten Werkstatt entstandenen Kosten dem Schädiger zur Last fallen (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az: VI ZR 42/73). Darauf beruft sich die Beklagte jedoch vorliegend nicht. Die Beklagte beruft sich vielmehr maßgeblich darauf, dass der Klägerin Rabatte eingeräumt worden sein, die in der Rechnung nicht berücksichtigt worden seien. Solche Rabatte müsste die Klägerin jedoch kennen, sodass sie sich nicht auf ein Werkstattrisiko berufen könnte. Ob solche Rabattmöglichkeiten bestanden, kann vorliegend ebenfalls dahinstehen.
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3. Es kann auch dahinstehen, ob die Bezahlung der Reparaturkostenrechnung durch die Klägerin schon die Erforderlichkeit der Reparaturkosten ausreichend indiziert oder ob Umstände – z.B. bestehende Rabatte – vorlagen, die der Rechnung ihre Indizwirkung nehmen.
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4. Denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin über Konzernstrukturen mit der XX AG verbunden ist und es sich bei dem beschädigten Fahrzeug um ein solches der Marke YY (selber Konzern) handelte. Hinsichtlich der Ersatzteile ist insofern zu berücksichtigen, dass Original-Ersatzteile eingebaut wurden. Die erforderlichen Ersatzteilkosten der Klägerin betragen daher zwar grundsätzlich die Herstellungskosten nebst Gewinn; etwas anderes gilt jedoch vorliegend, weil die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast, ob die Ersatzteile im konkreten Zeitpunkt anderweitig gewinnbringend eingesetzt hätten werden können, nicht nachgekommen ist.
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a) Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass ein Gewerbetreibender, der die Kapazitäten seines Betriebes grundsätzlich gewinnbringend nutzt, grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten einschließlich des Gewinnes hat. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist und deshalb ansonsten ungenutzte Kapazitäten genutzt werden konnten (BGH, Urteil vom 19.11.2013, Az: VI ZR 363/12). Denn einem Geschädigten ist es grundsätzlich nicht zumutbar, für den Schädiger zu arbeiten, mithin den wirtschaftlichen Erfolg der eigenen Arbeit nicht sich selbst, sondern dem Schädiger zukommen zu lassen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte gar nicht in der Lage war, seine Leistung in der Zeit gewinnbringend einzubringen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 – VI ZR 168/68 –, BGHZ 54, 82-89, juris Rn. 11).
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b) Diese für die Arbeitsleistung ergangene Entscheidung muss genauso für die Ersatzteile Anwendung finden. Bei beiden Rechnungsposten – Arbeitsleistung und Ersatzteile – handelt es sich um rechtlich gleich zu behandelnde Bestandteile der Reparaturkosten. Zwischen beiden ist kein Unterschied zu erkennen, der eine verschiedene rechtliche Behandlung erfordert bzw. rechtfertigt. Insofern verkennt die Beklagte auch, dass keine Reduzierung der Kosten der Arbeitsleistungen (AW) erfolgt, weil es sich – insofern unstreitig – bei der Werkstatt nicht um ein Konzernmitglied handelt, sondern die im genannten Urteil des Bundesgerichtshofes aufgestellten Grundsätze auf einen weiteren Bestandteil der Reparaturkosten, nämlich die Ersatzteilpreise, angewendet wird, die ebenfalls Teil der Reparaturkosten sind.
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c) Soweit mithin Ersatzteile gewinnbringend weiterverkauft werden, steht einem Geschädigten grundsätzlich bei Verwendung eigener Ersatzteile ein Zahlungsanspruch inklusive des Gewinnes zu. Etwas anderes gilt aber dann, wenn für die Verwendung der Ersatzteile keine Auslastung im Konzern bestand und die Ersatzteile in der Zeit ansonsten nicht genutzt worden wären. Dafür ist grundsätzlich die Beklagte beweisbelastet, der Klägerin obliegt jedoch eine sekundäre Darlegungslast, weil die Beklagte keinen Einblick in die betriebliche Auslastungssituation hat (BGH, a.a.O.).
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d) Darauf hat das Gericht mit ausführlicher Begründung durch Verfügung vom 11.06.2021 hingewiesen. Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast gleichwohl nicht nachgekommen. Mangels Schätzgrundlage kann das Gericht die Herstellungspreise der Ersatzteile (zzgl. ggf. Unternehmergewinn der nicht zum Konzern gehörenden Werkstatt, wenn diese zusätzlich – neben dem Konzern – einen eigenen Gewinnaufschlag auf Ersatzteile erhebt) auch nicht gem. § 287 ZPO schätzen. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass der Konzern, zu dem die Klägerin gehört, Ersatzteile explizit für die konkrete Reparatur erst herstellt. Denn dagegen spricht schon die Erhebung von UPE-Aufschlägen, die gerade erhoben werden, weil die Ersatzteile vorrätig gehalten werden. Die vorgelegte Rechnung enthält auch UPE-Aufschläge, da die aufgelisteten Ersatzteilpreise gesamt 1.554,82 € netto betragen, die Rechnung aber Materialkosten in Höhe von 1968,07 € netto enthält.
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e) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei ihr und der XX AG rechtlich um getrennte juristische Personen handelt. Insofern ist eine wirtschaftliche Betrachtung notwendig. Andernfalls obläge es einem Geschädigten, sich durch entsprechende Gestaltung seiner Firmenstrukturen der Rechtsprechung zu entziehen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die die Teile verbauende Werkstatt eine getrennte juristische Person ist. Die Teile hätte die Klägerin der Werkstatt zur Verfügung stellen müssen. Auf die Arbeitsleistung (und eine mögliche zusätzliche Gewinnspanne der Werkstatt auf Ersatzteile) wird die genannte Rechtsprechung des BGH deshalb vorliegend auch nicht angewendet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Berufung war zuzulassen.