Inhalt

AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 21.05.2021 – 1 C 820/20
Titel:

Bescheid, Zwangsgeld, Mieter, Nutzungsuntersagung, Genehmigung, Ausbau, Mietsache, Mangel, Auflagen, Verschulden, Frist, Wirksamkeit, Landratsamt, Miete, Gebrauch der Mietsache

Schlagworte:
Bescheid, Zwangsgeld, Mieter, Nutzungsuntersagung, Genehmigung, Ausbau, Mietsache, Mangel, Auflagen, Verschulden, Frist, Wirksamkeit, Landratsamt, Miete, Gebrauch der Mietsache
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58262

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.225,00 € nebst Zinsen aus 1.075,00 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.10.2020 sowie weitere 461,68 € zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/4 und die Beklagten als Gesamtschuldner 3/4 zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.703,51 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über restliche Mieten aus einem bereits beendeten Wohnraummietverhältnis.
2
Die Parteien hatten am 01.09.2019 einen unbefristeten Mietvertrag über eine Dachgeschoss-Wohnung in der … geschlossen. Der Kläger war der Vermieter des Wohnraums und wohnte zugleich im selben Gebäude. Die Miete betrug monatlich 1.075,00 € inkl. Nebenkostenvorauszahlungen.
3
Am 08.06.2020 erhielten der Kläger, wie auch die Beklagten einen Bescheid des Landratsamts …, in welchem unter anderem auch den Beklagten als Mietern die Nutzung des angemieteten Objekts gemäß Art. 76 S. 2 BayBO wegen des Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften untersagt und im Falle einer Nichtbeachtung ein Zwangsgeld jeweils in Höhe von 2.000 € angedroht wurde.
4
Der vom Kläger vorgenommene Ausbau der Wohnung im Obergeschoss war nicht genehmigt gewesen.
5
Die Parteien befanden sich im Gespräch hinsichtlich des weiteren Vorgehens.
6
Das Mietverhältnis wurde einseitig und fristlos durch die Beklagtenseite mit Schreiben vom 24.09.2020 zum 30.09.2020 gekündigt.
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Ab Oktober 2020 wurde durch die Beklagten keine Miete an den Kläger mehr gezahlt.
8
Am 30.09.2020 übergab die Beklagtenseite dem Kläger die Wohnräume.
9
Am 09.11.2020 wurde der Ausbau des Dachgeschosses und der Kellerräume nachträglich unter der Erteilung von Auflagen genehmigt.
10
Aufgrund der ausstehenden Mietzahlungen mahnte der Kläger die Beklagten am 10.11.2020 zur Zahlung der ausstehenden Mieten.
11
Der Kläger nahm die Klage bezüglich der Klageforderung in Höhe vom 1.075,00 € seit 06.08.2020 teilweise zurück. Gleichzeitig erweiterte er die Klage auf die fehlende Dezembermiete.
12
Der Kläger behauptet, dass die am 24.09.2020 erklärte fristlose Kündigung unwirksam sei. Es bestünde kein außerordentlicher Kündigungsgrund, da die Wirkungen der Nutzungsuntersagung erst weit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eingetreten wären.
13
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagtenseite zu verurteilen, an den Kläger 3.225,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.075,00 € seit 06.10.2020, aus 1.075,00 € seit 05.11.2020 und aus 1.075,00 € seit 04.12.2020 sowie 461,68 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
14
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.
15
Die Beklagtenseite sind der Auffassung, dass die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom 24.09.2020 wirksam sei. Dies sei der Fall, da die Beklagten durch den Bescheid des Landratsamts vom 08.06.2020 berechtigte Zweifel an einer nachträglichen Genehmigung durch das Landratsamt hätten haben dürfen und zudem das Vertrauen zum Kläger durch dessen erheblichen Wissensvorsprung erschüttert sei.
16
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf deren dortigen Vortrag sowie auf die mit den Schriftsätzen übersandten Anlagen und auf das Protokoll vom 21.04.2021 vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Der Kläger hatte gegen die Beklagten einen Mietzahlungsanspruch in Höhe von 3.225,00 € für die Monate Oktober, November und Dezember 2020.
18
Das Mietverhältnis dauerte zu diesem Zeitpunkt fort, so dass auch insoweit der Anspruch auf Mietzahlung bestanden hatte, § 535 BGB.
19
Der Wohnraummietvertrag war durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 24.09.2020 nicht mit Ablauf des 30.09.2020 erloschen.
20
Es lag kein außerordentlicher Kündigungsgrund vor.
21
Nach § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen.
22
Ein wichtiger Grund liegt gem. § 543 I BGB grundsätzlich vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Zudem sieht das Gesetz unter anderem in § 543 II BGB (bei Wohnraummietverträgen i.V.m. § 569 BGB) wichtige Gründe vor.
23
(1) Es lag schon kein Fall nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB vor, wonach dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wurde.
24
Letzteres kommt auch bei einem Mangel in Betracht, der dem vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache entgegensteht.
25
Der zunächst gewährte Gebrauch des Wohnraums wurde den Beklagten entgegen der Auffassung der Beklagtenseite eben noch nicht am 08.06.2020 entzogen.
26
Das Landratsamt hatte zwar eine ordnungsgemäße Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 S. 2 BayBO bezüglich der Wohnung im Dachgeschoss erlassen, die Zwangswirkung sollte allerdings erst nach Ablauf von 6 Monate nach Bestandskraft des Bescheids eintreten. In der Verpflichtung, die Nutzung der Wohneinheit bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Bestandskraft des Bescheids aufzugeben, war insoweit als eine faktische Duldung durch das Landratsamt bis zu diesem Zeitpunkt zu sehen. Die Bauaufsichtsbehörde drohte die Anwendung von Zwangsmitteln erst nach Ablauf dieser Frist an, um den Mietern gerade hierdurch Zeit zu geben, sich nach einer Ersatzwohnung umzusehen. Diese Frist war am 30.09.2020 noch nicht abgelaufen. Die Nutzung war daher noch als Wohnraum möglich.
27
(2) Aber auch sonst bestand kein außerordentlicher Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB.
28
Gegenständlich war den Beklagten ein Festhalten am Mietvertrag und das Abwarten einer ordentlichen Kündigungsfrist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls noch zumutbar.
29
Hierbei hat eine umfassende Würdigung aller maßgeblichen Tatsachen stattzufinden. Diesbezüglich sind dann auch das bisherige Verhalten des Kündigungsempfängers (Kläger) und dessen Verschulden zu berücksichtigen.
30
Bei der fehlenden Baugenehmigung handelte es sich um einen anfänglichen Mangel. Bei behördlichen Verfügungen richtet sich die Frage, ob sie als anfänglicher oder nachträglicher Mangel i.S.v. § 536 a Abs. 1, 2. Alt. BGB gelten, nicht nach dem Zeitpunkt des behördlichen Einschreitens, sondern danach, ob schon im Zeitpunkt der Gebrauchsüberlassung mit einem späteren behörlichen Einschreiten zu rechnen war (vgl. Günter NZM 2016, S 574). Bei der Überlassung war ein Einschreiten bereits vorbestimmt, da der Kläger die erforderliche Baugenehmigung nicht erholt hatte. Zudem hatte der Kläger nach Zustellung des Bescheids der Beklagtenseite gegenüber behauptet, dass eine Genehmigung lediglich Formsache sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings bereits Kenntnis davon, dass das Landratsamt nicht beabsichtigte, eine nachträgliche Genehmigung zu erlassen. Der Kläger hatte in Kenntnis davon, dass eine Genehmigung des Dachgeschosses als Wohnraum nach dessen Ausbau nicht genehmigt worden war, das Dachgeschoss dennoch an die Beklagten zum 01.09.2019 vermietet. Trotz mehrerer Baukontrollen und trotz der Aufforderungen des Landratsamts an den Kläger, hier für Abhilfe zu sorgen, hatte der Kläger nicht zielgerichtet agiert. Den Kläger traf damit ein Verschulden gemäß § 276 BGB an der Nutzungsuntersagung, weil er das Dachgeschoss ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung ausbaute und zu Wohnzwecken vermietete. Das Landratsamt hatte auf Nachfrage der Beklagten deutlich gemacht, dass zu diesem Zeitpunkt eine nachträgliche Genehmigung keine Aussicht auf Erfolg hat. Demgemäß lag hier ein anfänglicher Mangel vor, der aus dem Herrschaftsbereich des Klägers als Vermieter stammte.
31
Auf der anderen Seite konnten die Beklagten die Wohnung noch nutzen. Die Zwangswirkungen waren zwar angedroht, diese konnten aber noch nicht durchgesetzt werden. Das Landratsamt hatte vor dem Hintergrund des bestehenden Mietverhältnisses eine lange Frist bis zur Wirksamkeit der Nutzungsuntersagung und dem Eintritt der Zwangswirkungen festgesetzt. Die Beklagten konnten sich als Mieter innerhalb einer ordentlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten vom Vertrag rechtmäßig lösen. Ein Grund, sich sofort ohne weiteres Zuwarten vom Vertrag lösen zu müssen, da ansonsten Nachteile unmittelbar zu befürchten waren, bestand für die Beklagten nicht. Der Mangel der fehlenden behördlichen Genehmigung hatte sich gegenwärtig gegenüber den Beklagten noch nicht unmittelbar ausgewirkt. Auch die Zwangswirkungen waren noch nicht in Kraft. Zwar schwebte der Makel der fehlenden Wohnraumnutzung über den Beklagten, hatte sich ihnen gegenüber aber noch nicht als Mangel manifestiert. Das Wohnen war den Beklagten noch möglich ohne Nachteile in ihrer Person oder ihren Sachen zu erleiden.
32
(3) Damit ergab die Abwägung insoweit, dass ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht bestand.
33
Die fristlose Kündigung ging damit ins Leere.
34
Das Mietverhältnis war noch nicht beendet, sondern bestand fort, so dass die Beklagten zur Mietzahlung vertraglich verpflichtet waren, § 535 BGB.
35
Die Klage war daher begründet.
36
Daneben hatten die Beklagten auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Verzugszinsen zu tragen.
37
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.