Titel:
Schadensersatz, Verkehrsunfall, Unfall, Haftpflichtversicherer, Ersatzbeschaffung, Fahrzeug, Frist, Gutachten, Abrechnung, Schadensberechnung, Zahlung, Autovermietung, Erstattung, Haftung, fiktive Abrechnung, gewerbliche Autovermietung
Schlagworte:
Schadensersatz, Verkehrsunfall, Unfall, Haftpflichtversicherer, Ersatzbeschaffung, Fahrzeug, Frist, Gutachten, Abrechnung, Schadensberechnung, Zahlung, Autovermietung, Erstattung, Haftung, fiktive Abrechnung, gewerbliche Autovermietung
Rechtsmittelinstanz:
AG Amberg, Berichtigungsbeschluss vom 08.03.2021 – 2 C 694/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 58198
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.412,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 4.412,82 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall am 15.08.2020.
2
Die Haftung dem Grund nach ist unstrittig.
3
Die Klägerin ist Eigentümerin des Fahrzeugs VW T-Cross und betreibt eine gewerbliche Autovermietung. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des den Unfall verursachenden Fahrzeugs VW Golf Plus.
4
Die Klägerin macht einen Fahrzeugschaden, gutachterlich festgestellt (Anlage K1), in Höhe des Wiederbeschaffungswerts 16.953,78 € abzgl. Restwert 6.068,91 € von 10.884,87 € geltend, worauf die Beklagte vorgerichtlich 7.494,11 € geleistet hat. Ferner regulierte die Beklagte die angefallenen Gutachterkosten in Höhe von 1.608,42 € mit einem Betrag von 1.462,18 €. Die Klägerin begehrt zudem einen Ausfallschaden in Höhe von 875,28 €, ausgehend von einer Auslastung des verunfallten Fahrzeugs von 75 %, einer gutachterlich festgestellten Wiederbeschaffungszeit von 14 Tagen und einer Nettotagesmiete von 104,20 €/Tag. Die Klägerin lässt sich 20 % Eigenkosten anrechnen. Offen sind demnach bei Fahrzeugschaden 3.390,76 €, bei Gutachterkostep 146,24 € und der Ausfallschaden in Gänze.
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Die Klägerin hat vorgerichtlich mit Frist zum 06.03.2020 gemahnt.
6
Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug sei mit 75 % ausgelastet gewesen. Das Sachverständigenhonorar sei nicht überhöht. Das Gutachten sei im Namen der Klägerin durch einen Schadensabwickler beauftragt worden.
7
Die Klägerin meint, dass eine Möglichkeit der Rabattierung bei einem Neuwagenkauf denknotwendig den Wert eines Fahrzeugs im gebrauchten Zustand - wie hier - nicht beeinflussen könne. Sie träfe keine Pflicht innerhalb ihres Fahrzeugpools umzudisponieren.
8
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.412,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2020 zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte meint, die Klägerin, die Sonderkonditionen bei Neuwagenkauf erhalte, müsse sich dies anrechnen lassen. Der Anschaffungspreis sei wohl schon niedriger als der Wiederbeschaffungswert. Die Klagepartei erhalten ferner Sonderkonditionen bei der Gutachterin und müsse die gegenständlichen Gutachterkosten üblicherweise nicht bezahlen, wenn diese nicht von einer Versicherung erstattet werden. Dafür spräche auch, dass ein Schadensabwickler den Auftrag für das Gutachten erteilt habe. Die Bezahlung wurde bestritten.
11
Für das weitere Vorbringen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Auf das Protokoll der Verhandlung vom 19.01.2021 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach für Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis ist unstrittig.
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Die klägerseits geltend gemachten Schadenspositionen sind vollumfänglich ersatzfähig, §§ 249, 252 BGB. Die Klägerin begehrt im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung die Zahlung des restlichen Wiederbeschaffungsaufwands gemäß Gutachten, Erstattung der restlichen Kosten des Gutachtens und Ersatz des Ausfallschadens.
15
1. Die Beklagte wendet hinsichtlich des Fahrzeugsschadens ein, dass die Klägerin für den Erwerb von Neufahrzeugen Sonderkonditionen erhält (Neuwagenrabatt). Die Klägerin hält dem entgegen, dass sie Rabatte zwar bei Neuwagen, allerdings keine Rabatte für den Kauf von Gebrauchtfahrzeugen erhalte. Sie kaufe keine Gebrauchtfahrzeuge. Die Argumentation der Beklagten verkennt, dass die Möglichkeit der Rabattierung eines Neufahrzeugs den Wert eines Fahrzeugs im gebrauchten Zustand, der nach objektiven Kriterien durch den Sachverständigen zu ermitteln ist, nicht beeinflussen kann. Im Rahmen der fiktiven Abrechnung wird gerade darauf abgestellt, was die Wiederbeschaffung des beschädigten Fahrzeugs auf dem freien Markt kosten würde. (Strittige) Rabatte auf Gebrauchtfahrzeuge bleiben dabei außer Betracht. Der Umstand, dass die Klägerin aufgrund ihres Geschäftsmodells unstrittig keine Gebrauchtfahrzeuge erwirbt, spricht zum einen dafür, dass sie tatsächlich keine Rabatte auf den Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen erhält und könnte ihr zum anderen im Rahmen der fiktiven Abrechnung auch nicht angelastet werden. Die fiktive Abrechnung setzt keinen im Grundsatz auf Ersatzbeschaffung gerichteten Willen voraus. Es bleibt der Geschädigten unbenommen, eine Ersatzbeschaffung (Neu- oder Gebrauchtfahrzeug) vorzunehmen und dennoch fiktiv abzurechnen. Dies ist das Wahlrecht der Geschädigten. Ein bei Anschaffung des verunfallten Fahrzeugs gewährter Neuwagenrabatt erhöht für die Klägerin den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeugs, da dieser Rabatt bei einer späteren Veräußerung nicht berücksichtigt wird. Würde ihr nun bei einem Unfall der Neuwagenrabatt einer Ersatzbeschaffung (auch bei der fiktiven Abrechnung) zum Abzug gebracht werden, wäre sie durch das Unfallereignis schlechter gestellt als ohne das Unfallereignis, da sie den vorgenannten wirtschaftlichen Vorteil verliert. Es ist nicht Sinn des Schadensrechts, die Geschädigte besser zu stellen als sie ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Umgekehrt kann sie aber auch nicht schlechter gestellt werden. Vielmehr muss sie so gestellt werden, wie sie ohne das Ereignis stehen würde.
16
Insoweit kann die Beklagte keinen Abzug vornehmen. Der geltend gemachte Schaden ist zu ersetzen.
17
2. Hinsichtlich der Gutachtenskosten wendet die Beklagte ein, dass die Klägerin Sonderkonditionen bei der beauftragten Gutachtensgesellschaft erhalte, wofür auch die Einschaltung eines Schadensabwicklers spreche. Die Zahlung der Rechnung wurde bestritten.
18
Die Zahlung der Rechnung wurde zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen durch Vorlage der entsprechenden Buchungsliste (Zahlungsmitteilung Anlage K5). Die Rechnung weist keinen Rabatt aus und würde bezahlt.
19
Soweit die Beklagten unter Beweis stellt, dass die Klägerin mit der Gutachtensgesellschaft Sonderkonditionen unterhalte und die gegenständlichen Kosten nicht bezahlen müsse, wenn diese von einer Versicherung erstattet werden oder dass die Klägerin den Schaden zu ihren Sonderkonditionen schätzen lassen könne und die gegenständliche Rechnung nicht bezahle, ist unbehelflich. Die Klägerin hat wie dargelegt die - nicht rabattierte - Rechnung bezahlt. Damit liegt gerade nicht die behauptete Beweistatsache vor, dass die Klägerin die nicht rabattierte Rechnung nicht bezahle.
20
Die Klägerin hat sich eines Schadensabwicklers bedient. Dieser ist allerdings im Namen und im Auftrag der Klägerin aufgetreten (Generalvollmacht Anlage K6). Der beklagtenseits gezogene Rückschluss lässt sich damit nicht ziehen.
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Die Kosten sind daher zu erstatten.
22
3. Die Klägerin macht als entgangenen Gewinn, § 252 BGB, einen Ausfallschaden geltend. Die Beklagte bestreitet, dass der Fahrzeugpool der Klägerin voll ausgelastet gewesen sei und dass das verunfallte Fahrzeug eine Auslastung von 75 % habe.
23
Die Berechnung der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Die Wiederbeschaffungsdauer beträgt laut Gutachten unstrittig 14 Tage. Für das verunfallte Fahrzeug ergibt sich unstrittig ein Mietsatz von 104,20 netto/Tag (Preisgruppe K). Hiervon nimmt die Klägerin einen Abzug von 25 % vor. Die Auslastung des Fahrzeugs von 75 % in der Vergangenheit ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar aus der Anlage K3. Demnach war das Fahrzeug am 03.07.2019 erstmals durch die Klägerin zugelassen worden. In den 43 Kalendertagen bis zum Unfalltag am 15.08.2019 war das Fahrzeug an 31 Tagen vermietet. Die Anlage listet detailliert die Zeiten (Tage, Uhrzeit) der Vermietungen und die Mietstationen auf. Die Vermietungszeiten sind eine geeignete Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO, um die Vermietungsquote während der gutachterlich angesetzten Wiederbeschaffungszeit zu schätzen. Von dem so errechneten Wert von 78,15 € netto/Tag zieht die Klägerin ersparte, nicht bestrittene Eigenkosten von pauschal 20 % ab. Es ergibt sich damit ein Tagessatz von 62,52 € netto und ein Schaden von 875,28 €. Die Klägerin ist auch nicht verpflichtet, Fahrzeuge auf Vorrat zu halten, als Betriebsreserve, um einen möglichen Ausfall eines Fahrzeugs zu kompensieren. Sie ist nicht verpflichtet umzudisponieren (OLG Nürnberg, Az. 3 U 1139/05).
24
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.02.2020 mit Frist zum 06.03.2020 zur Zahlung auf. Die Hauptforderung ist daher aus Verzugsgesichtspunkten seit 07.03.2020 wie beantragt zu verzinsen, §§ 286, 288 BGB.
25
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
26
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.