Titel:
Bestandskräftige Steuerfestsetzung eines Grunderwerbsteuerbescheides
Normenketten:
GrEStG § 1 Abs. 2a, § 3 Nr. 6, § 17 Abs. 3 Nr. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 3a
FGO § 46 Abs. 1, § 105 Abs. 3 S. 2, § 135 Abs. 1
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Durch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann der Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erreicht werden (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2001 II R 57/98, BStBl II 2001, 587, BeckRS 2001, 24000686). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grunderwerbsteuer, Einhalten der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 19.03.2024 – II R 33/22
Fundstellen:
EFG 2022, 1774
ErbStB 2023, 75
StEd 2022, 695
BeckRS 2021, 58094
LSK 2021, 58094
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Beteiligten streiten u.a. darüber, ob dem Erlass des streitgegenständlichen Grunderwerbsteuerbescheides eine bestandskräftige Steuerfestsetzung entgegenstand.
2
KG1 war Eigentümerin eines 527 qm großen, mit einem Büro- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks in XStadt.
3
Jedenfalls seit 2006 waren an der KG1 als Kommanditisten A i.H.v. 58,9%, B i.H.v. 36,1%, die KG2 i.H.v. 5% sowie als Komplementärin die GmbH beteiligt.
4
Mit Einbringungsvertrag vom 30. September 2011 brachten A und B ihre Anteile an der KG1 mit rechtlicher Wirkung zum 1. Oktober 2011 in die KG3 ein. An der KG3 waren als Kommanditisten A i.H.v. 62%, B i.H.v. 38%, sowie als Komplementärin die GmbH2 beteiligt. Am Stammkapital der GmbH2 waren A i.H.v. 62%, B i.H.v. 38% beteiligt. Nunmehr waren an der KG1 die KG2 i.H.v. 5%, sowie die KG3 i.H.v. 95% beteiligt.
5
Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 10. Mai 2012 übertrugen A und B ihre Anteile an der KG3 und an der GmbH2 an ihre Kinder. Der Abtretungsvertrag wurde dem beklagten Finanzamt (FA) am 11. Juni 2012 von einem anderen Finanzamte übersandt. Mit Bescheid vom 25. Juli 2012 stellte das FA für den gem. § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerbaren Erwerb vom 10. Mai 2012 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gesondert fest und gewährte die Steuervergünstigung gem. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG i.H.v. 100%.
6
Am 28. August 2012 veräußerte die KG2 ihre 5% Anteile an der KG1 an die KG3.
7
Am 29. August 2012 wurde die KG1 formwechselnd in die Klägerin, die Klägerin, eine GmbH, umgewandelt. Der Formwechsel erfolgte im Innenverhältnis mit handelsrechtlichem Übertragungsstichtag zum 1. Januar 2012, 00.00 Uhr, steuerrechtlicher Übertragungsstichtag war der 31. Dezember 2011, 24.00 Uhr.
8
Am 24. September 2012 wurde die KG1 im Handelsregister gelöscht.
9
Nachdem das FA durch eine Kontrollmitteilung im Jahr 2014 von der Einbringung der Anteile der A und des B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 erfahren hatte, bat das FA die KG1 unter Hinweis auf § 1 Abs. 2a GrEStG sowie die Anzeigepflicht des § 19 GrEStG um die Übersendung diverser Unterlagen, u.a. des Einbringungsvertrages. Mit Schreiben vom 14. November 2014 übersandte die Klägerin dem FA u.a. den Einbringungsvertrag vom 30. September 2011.
10
Mit an die KG1 gerichtetem Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 stellte das FA fest, dass die Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 zu einem gem. § 1 Abs. 2a GrEStG steuerpflichtigen Wechsel im Gesellschafterbestand der KG1 geführt hatte, stellte diesen Erwerb jedoch gem. § 6 Abs. 3 GrEStG von der Steuer frei.
11
Mit an die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der KG1 gerichtetem „Erstbescheid“ vom 2. Februar 2018 setzte das FA aus einer geschätzten Bemessungsgrundlage i.H.v. …€ Grunderwerbsteuer i.H.v. … € fest. Wegen der Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 zum 1. Oktober 2011 in die KG3 sah das FA die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG als erfüllt an. Wegen der zwischenzeitlich erfolgten formwechselnden Umwandlung der KG1 in die Klägerin, eine GmbH, gewährte es die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht.
12
Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 legte die Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 2. Februar 2018 Einspruch ein. Der Bescheid sei nichtig. Zum einen sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, zum anderen läge bereits ein bestandskräftiger Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 vor. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG im Streitfall nicht erfüllt.
13
Mit Bescheid vom 25. Mai 2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 1. Oktober 2011 stellte das Finanzamt …den Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit in X-Stadt i.H.v. … € fest.
14
Mit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid vom 22. August 2018 setzte das FA die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin auf … € herab. Aus Billigkeitsgründen bezog es in die Bemessungsgrundlage nur einen „Grundbesitzwert nach altem Recht“ i.H.v. … € mit ein.
15
Am 2. April 2019 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage, zu deren Begründung sie u.a. Folgendes vorträgt: Die Untätigkeitsklage sei zulässig, da über den Einspruch der Klägerin vom 14. Februar 2018 ohne Mitteilung eines sachlichen Grundes nicht in angemessener Frist entschieden worden sei. Die Klage sei auch begründet. So habe dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides vom 2. Februar 2018 die Festsetzungsverjährung entgegengestanden. Die Einbringung der Anteile an der KG1 in die KG3 am 1. Oktober 2011 sei dem FA bereits im Jahr 2012 dadurch angezeigt worden, dass dem FA, im Zusammenhang mit der Geschäftsanteilsübertragung von A und B an ihre Kinder am 10. Mai 2012, sowohl der Gesellschaftsvertrag der KG1 vom April 2011, als auch der Schenkungsvertrag vom 10. Mai 2012 übersandt worden seien. Unter Berücksichtigung der vom FA mit der Klägerin in diesem Zusammenhang geführten Telefonate bzw. der diesbezüglichen Korrespondenz habe das FA bei verständiger Würdigung des Sachverhalts bereits im Jahr 2012 erkennen müssen, dass A und B ihre Anteile an der Klägerin am 1. Oktober 2011 in die KG3 eingebracht hätten. Die Festsetzungsfrist sei daher bereits am 31. Dezember 2016 abgelaufen. Auch stelle der Formwechsel der KG1 ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar, welches nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO ebenfalls dazu führe, dass die Festsetzungsfrist im Streitfall bereits mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen habe. Darüber hinaus stünde dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides vom 2. Februar 2018 die Rechtskraft des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheides vom 8. April 2015 entgegen. Werde ein Verwaltungsakt an eine GmbH & Co.KG adressiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits in eine GmbH umgewandelt worden sei, liege keine zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 125 Abs. 1 AO führende Unbestimmtheit vor. Bei einer formwechselnden Umwandlung bleibe die Rechtsperson identisch, so dass der Bescheid den zutreffenden Adressaten bezeichne, wenn auch unter einer nicht mehr aktuellen Rechtsform. Schließlich liege kein Verstoß gegen die fünfjährige Behaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG vor, da sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert habe. A und B würden nach wie vor 100% der Anteile an der erwerbenden Gesamthand, der KG3 halten. Auch liege keine missbräuchliche Gestaltung - die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sei auf solche Fälle zu reduzieren - vor. Hätten die Beteiligten die KG1 zunächst formwechselnd in eine GmbH umgewandelt und erst anschließend die GmbH in die KG3 eingebracht, so wäre dieser Vorgang grunderwerbsteuerfrei geblieben.
16
Die Klägerin beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 2. Februar 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. August 2018 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
18
Zur Begründung verweist das FA auf seine in der Grunderwerbsteuerakte dokumentierte Rechtsauffassung.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte, sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 15. September 2021 Bezug genommen.
20
Die zulässige Klage ist unbegründet.
21
1. Die als Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO erhobene Klage ist zulässig.
22
Die Klage ist nach Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben worden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Das FA hat der Klägerin vor Klagerhebung keinen zureichenden Grund für die Zurückstellung der Entscheidung über den Einspruch mitgeteilt (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO).
23
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zutreffend angenommen, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG durch die am 1. Oktober 2011 erfolgte Einbringung der Anteile der A und des B an der KG1 in die KG3 verwirklicht worden ist und die ursprünglich erfüllten Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG für eine Nichterhebung der Steuer aufgrund der Umwandlung der KG1 in eine GmbH, die Klägerin, nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nachträglich entfallen sind.
24
a) Die am 1. Oktober 2011 erfolgte Einbringung der Anteile der A und des B i.H.v. 58,9% bzw. 36,1% an der KG1 in die KG3 erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG. Mit der Einbringung hat sich der Gesellschafterbestand der KG1 - wie von § 1 Abs. 2a GrEStG gefordert - unmittelbar dergestalt geändert, dass (mindestens) 95% der Anteile an der KG1 auf die neue Gesellschafterin KG3 übergegangen sind. Die zuvor nicht am Vermögen der KG1 beteiligte KG3 hat dadurch eine Beteiligung von 95% am Vermögen der KG1 erlangt. Der Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass A und B nach der Einbringung ihrer Anteile an der KG1 in die KG3 als Gesellschafter dieser KG weiterhin, nunmehr allerdings mittelbar, zunächst an der KG1 beteiligt blieben.
25
b) Die Grunderwerbsteuer für diesen Erwerbsvorgang war zunächst gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben.
26
aa) Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach diesen Vorschriften die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. § 6 GrEStG ist auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar, auch auf den fiktiven Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Steuer wird in den Fällen des fiktiven Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht erhoben, soweit die Gesellschafter der - fiktiv - übertragenden Personengesellschaft an der - fiktiv - aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt bleiben. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen beteiligt ist, ist dabei nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFHvom 27. April 2005 II R 61/03, BStBl II 2005, 649 und vom 29. Februar 2012 II R 57/09, BStBl II 2012, 917).
27
bb) Die Steuer war demgemäß im Streitfall zunächst gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben, weil A und B nach Einbringung ihrer Anteile an der KG1 in die KG3 am Vermögen der KG3 im selben Verhältnis wie am Vermögen der KG1 beteiligt waren und im Hinblick auf die Anwendung dieser Vorschriften nicht auf die KG3 als Zurechnungssubjekt abzustellen ist, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der KG3 beteiligten Gesellschafter A und B geboten ist. Die Altgesellschafterin KG2 blieb weiterhin i.H.v. 5% unmittelbar, die Altgesellschafter A und B weiterhin i.H.v. insgesamt 95% mittelbar an der KG1 beteiligt.
28
c) Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG sind im Streitfall nicht bereits durch die Übertragung der Anteile der A und des B an der KG3 mit Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 10. Mai 2012 auf ihre Kinder entfallen.
29
Vermindert sich die Höhe des Anteils einer im Zeitpunkt des (fiktiven) Grundstücksübergangs an der (fiktiv) grundstückserwerbenden Gesamthand beteiligten Person innerhalb von fünf Jahren nach diesem Zeitpunkt dadurch, dass diese, wie im Streitfall, über ihren Anteil zugunsten eines Verwandten in gerader Linie verfügt, wirkt sich dies im Hinblick auf § 3 Nr. 6 GrEStG auf die Nichterhebung der Steuer nicht aus, soweit die begünstigten Personen ihrerseits die Beteiligung an der Gesamthand i.S. von § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG unvermindert über den Zeitraum von fünf Jahren nach dem (fiktiven) Grundstücksübergang aufrechterhalten (BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 202/01, BStBl II 2003, 528; BFH-Urteil vom 25. September 2013 II R 17/12, BStBl II 2014, 268). Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer sind somit nicht allein deshalb weggefallen, weil A und B ihre Beteiligung an der KG3 auf ihre Kinder, Verwandte in gerader Linie, übertragen haben. Vielmehr sind die Kinder hinsichtlich der in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG bestimmten Frist an die Stelle der A und des B getreten.
30
d) Die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind im Streitfall aber dadurch in Höhe von 100% rückwirkend i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 AO entfallen, dass die KG1 innerhalb von fünf Jahren nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs gemäß § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist. Damit ist die zunächst durch die KG3 vermittelte gesamthänderische Mitberechtigung der A und des B bzw. der Kinder der A und des B an dem der Klägerin gehörenden Grundstück entfallen.
31
aa) Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist § 6 Abs. 1 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert. Kommt es innerhalb dieses Zeitraums zu einer Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand, so ist danach die Grunderwerbsteuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang abweichend von§ 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu erheben. Die Verminderung des Anteils des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (vgl. z.B. Viskorf in Boruttau, GrEStG, 19. Auflage, § 6 Rdnr. 62).
32
bb) Der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand vermindert sich auch dann i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG, wenn die erwerbende Gesamthand -im Streitfall die „fiktiv“ aufnehmende A KGinnerhalb der in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG bestimmten Frist in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird. Die die Gesamthand kennzeichnende unmittelbare dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen, die für die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG entscheidend ist, geht dadurch verloren (BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 II R 57/09, BStBl II 2012, 917). Die bloße mittelbare Teilhabe der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft an Wertveränderungen der Gesellschaftsgrundstücke über ihre allgemeine Beteiligung an den Erträgen der Gesellschaft reicht dazu nicht aus. Eine Beteiligung der früheren Gesamthänder -ob mittelbar, oder unmittelbaran einer grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft, genügt nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 3 GrEStG. Durch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann der Zweck des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht erreicht werden (BFH-Urteil vom 4. April 2001 II R 57/98, BStBl II 2001, 587).
33
cc) Das Fehlen eines Rechtsträgerwechsels bei der bloßen formwechselnden Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Es geht nicht um die Besteuerung eines durch die Umwandlung verwirklichten Erwerbs, sondern um die Besteuerung des der Umwandlung vorangegangenen Erwerbs, für den die Steuer zunächst nicht zu erheben war. Entscheidend ist, dass durch den Formwechsel die Personengesellschaft zur Kapitalgesellschaft und damit aus dem Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft Vermögen der Kapitalgesellschaft wird (BFH-Urteil vom 25. September 2013 II R 17/12, BStBl II 2014, 268).
34
e) Der streitigen Grunderwerbsteuerfestsetzung stand die Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheids vom 2. Februar 2018 war die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen.
35
aa) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Ist eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG haben Steuerschuldner Anzeige zu erstatten über unmittelbare und mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die innerhalb von fünf Jahren zum Übergang von 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter geführt haben, wenn zum Vermögen der Personengesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Abs. 2a GrEStG). Die Anzeigepflichtigen haben den anzeigepflichtigen Vorgang innerhalb von zwei Wochen, nachdem sie von ihm Kenntnis erhalten haben, anzuzeigen (§ 19 Abs. 3 GrEStG). Eine Anzeige nach § 19 Abs. 1 Nr. 3a GrEStG ist gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG eine Steuererklärung i.S. der AO.
36
bb) Nach diesen Grundsätzen war die am 1. Oktober 2011 erfolgte Einbringung der Anteile der A und des B i.H.v. gesamt 95% an der KG1 in die KG3 anzeigepflichtig. Gem.§ 19 Abs. Abs. 3 Satz 1 GrEStG hätte der Vorgang innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss des Einbringungsvertrages angezeigt werden müssen. Angezeigt worden ist der Erwerbsvorgang jedoch erstmals im November 2014 durch die Übersendung des Einbringungsvertrages vom 30. September 2011 an das FA. Die Übersendung des Gesellschaftsvertrages der KG1 vom April 2011 und des Geschäftsanteilsabtretungsvertrages vom 10. Mai 2012 im Zusammenhang mit einem weiteren Erwerbsvorgang im Jahr 2012 -der Geschäftsanteilsübertragung von A und B an ihre Kinderersetzt nicht, -wie die Klägerin meintdie Anzeige des Erwerbsvorgangs vom 30. September 2011. Eine Verletzung der dem FA obliegenden Ermittlungspflicht kann das FG in diesem Zusammenhang nicht erkennen. Darüber hinaus kann es aufgrund der o.g. Pflichtverletzung der KG1 auf sich beruhen, ob das FA nicht ausreichend ermittelt hat. Ein etwaiger Verstoß gegen die Ermittlungspflichten wäre auf die fehlende Anzeige des Erwerbsvorgangs zurückzuführen und daher nicht geeignet, die Pflichtverstöße der KG1 dergestalt zu überdecken, dass diese sich gegenüber dem FA in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen könnte.
37
cc) Daher war bei Erlass des Steuerbescheids vom 2. Februar 2018 eine Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten. Die Grunderwerbsteuer für den streitigen Erwerbsvorgang ist am 1. Oktober 2011 entstanden. Die vierjährige Festsetzungsfrist begann - wegen der verspäteten Anzeige des Erwerbsvorgangs vom 1. Oktober 2011 - aufgrund der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3a und Abs. 5 GrEStG mit Ablauf des Jahres 2014 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2018.
38
dd) Ob der Formwechsel der KG1 im Jahr 2012 in eine GmbH ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstellt, welches nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO dazu führen würde, dass die Festsetzungsfrist im Streitfall bereits mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen und mit Ablauf des Jahres 2016 geendet hätte, ist für den Streitfall ohne Belang. Grund hierfür ist, dass die Anlaufhemmungen für die Festsetzungsfristen nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO nebeneinander stehen. Deshalb ist im Streitfall auf die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO abzustellen, die zu einem späteren Anlauf der Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2014 führt (BFH-Urteil vom 15. Januar 2019 II R 39/16, BStBl II 2019, 627).
39
f) Dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides vom 2. Februar 2018 als Erstbescheid stand nicht, wie von der Klägerin angenommen, der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 als bestandskräftige Steuerfestsetzung entgegen.
40
Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 8. April 2015 nicht nur rechtwidrig, sondern unwirksam war, weil er sich gegen eine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existente Firma -die KG1 ist bereits am 24. September 2012 aus dem Handelsregister gelöscht wordenrichtete. Es handelte sich nicht nur um eine unrichtige Adressierung des Bescheides, vielmehr war der Bescheid gegen ein nicht mehr existentes Steuersubjekt gerichtet.
41
aa) Gemäß § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt (VA) nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leider und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. § 122 Abs. 1 AO schreibt vor, dass ein VA demjenigen bekanntzugeben ist, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Ein VA ist deshalb nur dann inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO), wenn er klar erkennen lässt, an wen er sich als Adressaten richtet. Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners führen deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Nichtigkeit des fraglichen Bescheids (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 2007 IV R 91/05, BFH/NV 2008, 1289 und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606). Nach Umwandlung einer KG in eine GmbH sind die die KG betreffenden Feststellungsbescheide an die GmbH als Rechtsnachfolgerin der KG zu adressieren (BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279). Werden Verwaltungsakte an den nicht mehr existenten Rechtsvorgänger (hier: KG nach Umwandlung auf GmbH) gerichtet, so sind diese auch dann rechtsunwirksam, wenn sich der Rechtsnachfolger als Adressat angesehen hat (BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279).
42
bb) Im Streitfall war der Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 an die „Firma KG1” als Inhaltsadressat (Steuerschuldner) gerichtet. Die KG1 war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits nicht mehr existent, sie wurde bereits am 24. September 2012 im Handelsregister gelöscht. Der Bescheid wäre deshalb zum streitigen Zeitpunkt, dem 8. April 2015, an die „Klägerin (GmbH)“ als Rechtsnachfolgerin der KG1 ” zu richten gewesen.
43
cc) Im Streitfall lässt sich der richtige Inhaltsadressat dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen.
44
Ist die Bezeichnung des Inhaltsadressaten nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig, kann durch Auslegung versucht werden zu klären, wer Inhaltsadressat des VA ist (z.B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 IV R 91/05, BFH/NV 2008, 1289); Im Streitfall ist die Bezeichnung des Inhaltsadressaten eindeutig falsch. Im Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. April 2015 ist die nicht mehr existente KG1 ohne jeden Hinweis auf die eingetretene Rechtsnachfolge der Klägerin als Steuerschuldnerin bezeichnet. Anhaltspunkte, dass damit die Rechtsnachfolgerin gemeint sein könnte, liegen nicht vor.
45
g) Schließlich war das FA auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht gehindert am 2. Februar 2018 einen - gegenüber dem nichtigen Bescheid vom 8. April 2015 „verbösernden“ - Erstbescheid zu erlassen. Zwar kann es rechtsmissbräuchlich sein und damit gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sich das FA nach jahrelangem Rechtfrieden auf die von ihm selbst verursachte Nichtigkeit eines Steuerbescheides beruft, um nunmehr - ohne Vorliegen der Voraussetzungen von Änderungsvorschriften - einen „verbösernden“ Erstbescheid zu erlassen. Im Streitfall kann jedoch nach Ansicht des Senats ein Vertrauenstatbestand bereits deshalb nicht angenommen werden, weil der Zeitraum von weniger als drei Jahren zwischen dem Erlass des nichtigen Bescheides am 8. April 2015 und dem Erlass des „verbösernden“ Erstbescheides am 2. Februar 2018 zu kurz ist, um ein Vertrauen der Klägerin in den Rechtsfrieden zu rechtfertigen. Auch war die Klägerin nach Ansicht des Senats nicht schutzwürdig. Sie wusste, dass der Bescheid vom 8. April 2015 an einen nicht existenten Steuerpflichtigen gerichtet war. Die Klägerin konnte deshalb nicht darauf vertrauen, dass das FA an dem nichtigen Steuerbescheid festhält und innerhalb der noch laufenden Festsetzungsfrist keinen neuen Steuerbescheid erlässt.
46
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
47
4. Die Revision an den BFH wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.V. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.