Titel:
Haftung von Audi für den dort entwickelten und hergestellten 3,0-Liter-Motor (hier: Audi A6 allroad quattro A6 Ava)
Normenketten:
BGB § 31, § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; OLG Koblenz BeckRS 2020, 34715; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 5590; LG Memmingen BeckRS 2022, 26799; BeckRS 2021, 57968; LG Augsburg BeckRS 2022, 26492 sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Aufheizstrategie stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, wenn die applizierten Schaltkriterien so gewählt sind, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich nur im NEFZ wirkt, während diese schon bei geringsten Abweichungen von den Prüfbedingungen des NEFZ, die im realen Verkehr nutzerunabhängig praktisch immer eintreten, abgeschaltet wird. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist unwahrscheinlich, dass die Entwicklung und Inverkehrgabe von Motoren mit einer derartigen inkriminierten Steuerungssoftware einschließlich deren Wirkungsweise auf der unteren Mitarbeiter- oder Ingenieurebene gesteuert worden ist und nicht von einem oder mehreren für diese technischen Prozesse intern zuständigen Vorstandsmitglied. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein durch die Vereinbarung eines verbrieften Rückgaberechts zu einem von vornherein festgelegten Kaufpreis entfällt der Schaden in Form der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit nicht. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, Schadensersatz, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, AdBlue-Dosierung, Aufheizstrategie, untere Mitarbeiter- oder Ingenieurebene, verbrieftes Rückgaberecht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57966
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8929,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.01.2021 sowie weitere 8.420,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.07.2021 zu zahlen und sie von den aktuell noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Audi Bank aus dem Darlehensvertrag vom 08.07.2015 in Höhe von 4.500 € freizustellen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (…) und Übertragung des dem Kläger gegenüber der Audi Bank zustehenden Anwartschaftsrechts auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 29% und die Beklagte 71% zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
5. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
6. Der Streitwert wird auf 36.753,20 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klagepartei macht gegenüber der Beklagten als Fahrzeugherstellerin Ersatzansprüche wegen des sogenannten „Abgasskandals“ geltend.
2
Die Klagepartei erwarb am 08.07.2015 bei der Firma AHG A1. S. GmbH & CO KG in G. ein Fahrzeug des Typs Audi A6 allroad quattro A6 Ava mit der Fahrgestellnummer (…) als Gebrauchtwagen mit einem Anfangskilometerstand von 117.600 km. Die Klagepartei leistete eine Anzahlung in Höhe von 4.430,73 €, der restliche Kaufpreis wurde über ein Darlehen der A2. Bank GmbH mit Vertrag vom 08.07.2015 in Höhe von 42.000 € finanziert, der 84 monatliche Darlehensraten in Höhe von 500 € vorsah. Die Klagepartei schloss weiterhin zur Absicherung des Darlehens eine Restschuldversicherung in Höhe von 4.110.54 € ab.
3
Das Fahrzeug ist von einem verbindlichen Rückrufbescheid des KBA betroffen. Durch das KBA wurde mit Bestätigung vom 15.01.2020 ein Software-Update für Fahrzeuge des Typs Audi A6 3.0 V6 TDI (EU5) freigegeben.
4
Mit Schreiben vom 26.03.2020 forderte die Klagepartei die Beklagte zur Anerkennung von Ansprüchen auf.
5
Das Fahrzeug wies zum 16.11.2021 eine Laufleistung in Höhe von 238.776 Kilometern auf.
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Der Kläger trägt vor, dass das Fahrzeug über einen Motor EA 897 verfüge, in welchem unzulässige Abschalteinrichtungen durch die Beklagte verbaut worden seien. Bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtungen hätte die Klagepartei das Fahrzeug nicht erworben. Für die Klagepartei sei der Kauf eines Fahrzeuges mit unbeschränkter Fahrerlaubnis und Wertstabilität kaufentscheidend gewesen. Die Klagepartei sei davon ausgegangen, dass das Fahrzeug alle gesetzlichen Vorgaben einhalte und diese im Prüfstand unter rechtmäßigen Bedingungen ermittelt wurden.
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In technischer Hinsicht trägt die Klagepartei zu den behaupteten „Manipulationen“ wie folgt vor:
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Die Beklagte habe die softwaregesteuerte Zudosierung von „AdBlue“ derart manipuliert, dass sich der „AdBlue“-Tank nur sehr langsam leerte. Dabei sei es für die Beklagte unerheblich gewesen, dass die Abgasreinigung auf diese Weise nicht in der gesetzlich vor geschriebenen Weise einzuhalten gewesen sei. Zur Vermeidung des Verbrauchs größerer Mengen von „AdBlue“ sei dessen Verbrauch per Manipulationssoftware für den Straßenbetrieb gedrosselt worden. Das Ergebnis sei gewesen, dass eine im Hinblick auf den Schadstoffausstoß angemessene Zudosierung von „AdBlue“ nicht mehr erfolge. Die potentiell mögliche Abgasreinigung sei unterblieben. In der Folge hätten die betroffenen Fahrzeuge die gesetzlichen EURO-Abgasnormen überschritten.
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Weiterhin kämen im Zusammenhang mit dem Temperaturmanagement des Motors - auch des streitgegenständlichen - verschiedene Strategien zum Einsatz, die für ein Einhalten der Stickoxidgrenzwerts auf dem Prüfstand sorgten. Diese Strategien seien ausschließlich auf den Prüfstand ausgerichtet, sodass diese die entsprechenden - den Stickoxidausstoß verringernden Funktionen - nicht im Fahrbetrieb verwendet würden. Wie das KBA festgestellt habe, springe somit die schadstoffmindernde, sog. schnelle Motoraufwärmfunktion bei den betroffenen Fahrzeugen nur im Prüfzyklus NEFZ an. Im realen Verkehr unterbleibe diese NOx-Schadstoffminderung. Dies werde erkennbar an den Parametern, unter denen die Strategien ausgelöst würden.
10
Die Beklagte habe zudem in den Motoren - und damit auch dem streitgegenständlichen Fahrzeug - eine weitere Abschalteinrichtung in Gestalt des sogenannten „Thermofensters“ verbaut. Diese Einrichtung nehme aufgrund der Außentemperatur, die mit Sonden gemessen werde, Einfluss auf die Abgasrückführung und die sonstige Abgasreinigung. Bei einer bestimmten Außentemperatur unter einem Grenzwert bzw. über einem bestimmten Wert werde die Abgasrückführung zurückgefahren.
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Die Beklagte habe auch vorsätzlich gehandelt. Der Vorstand sowie zahlreiche Mitarbeiter der Beklagten hätten Kenntnis von dem Einsatz der illegalen Abschalteinrichtungen gehabt und hätten diese zumindest gebilligt.
12
Die Klagepartei ist der Ansicht, sie habe Anspruch auf Rückabwicklung des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages gegen die Beklagte. Der Anspruch der Klagepartei ergebe sich insbesondere aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 263 StGB; § 826 BGB; § 831 BGB. Die Klagepartei meint insbesondere, die Beklagte sei im Rahmen einer sekundären Darlegungs- und Beweislast verpflichtet, näher zu den konzerninternen Abläufen in Bezug auf die streitgegenständliche Softwareentwicklung und -implementierung vorzutragen, da die Klagepartei bereits alle ihr bekannten und zugänglichen Tatsachen vorgetragen habe.
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Die KLägerin beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Audi Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer: (…)
an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 37.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ‐ Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung ‐ Kilometerstand bei Kauf) sowie EUR 9.430,73 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 31.571,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu erstatten, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ‐ Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung ‐ Kilometerstand bei Kauf) zu zahlen sowie EUR 7.858,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und ihn von den aktuell noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber der A2. Bank aus dem Darlehensvertrag, 08.07.2015, in Höhe von EUR 7.000 freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges Audi mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (…) und Übertragung des dem Kläger gegenüber der A2. Bank zustehenden Anwartschaftsrechte auf Übereignung des vorstehend bezeichneten Fahrzeugs.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.434,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
14
Die Beklagte beantragt,
15
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger eine angebliche sittenwidrige Schädigung durch die A2. AG durch die vorsätzliche Verwendung unzulässiger Abschaltvorrichtungen nicht schlüssig dargelegt habe.
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Ein Minderwert des Fahrzeuges liege nicht vor. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Aufgrund der Darlehensfinanzierung könne er von einem verbrieften Rückgaberecht Gebrauch machen.
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Emissionswerte seien für die Klagepartei nicht entscheidend gewesen. Dieser sei es darauf angekommen, ein leistungsstarkes Fahrzeug zu erhalten.
18
In technischer Hinsicht stelle es sich wie folgt dar:
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Nach Auffassung des KBA sei beim Audi A6 3.0 V6 TDI (EU5) die Bedatung der vom KBA beanstandeten Softwarebestandteile zu ändern bzw. aufzuweiten gewesen, um einen breiteren Anwendungsbereich im Straßenbetrieb zu gewährleisten. Dies werde durch eine entsprechende Anpassung der Motorsteuerungssoftware sichergestellt. Unzutreffend sei hingegen, dass das KBA das Vorliegen von vier oder mehr unzulässigen Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp festgestellt habe. Der Lenkwinkel sei kein bestimmender Parameter für die eingesetzten, vom KBA als unzulässig eingestuften Strategien. Es sei daher nicht zutreffend, dass im Fahrzeug aufgrund einer Lenkwinkelerkennung eine veränderte Abgasrückführung in Gang gesetzt würden. Das Emissionskontrollsystem werde durch die Erkennung des Lenkwinkels nicht abgeschaltet. Ein behördlich angeordneter Rückruf des KBA hinsichtlich einer unzulässigen Lenkwinkelerkennung liege beim streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vor.
20
Das Fahrzeug verfüge auch über keinen SCR-Katalysator, so dass die Behauptung, die AdBlue Einspritzung würde nicht ordnungsgemäß funktionieren nicht zutreffend sei. In dem Fahrzeug komme auch keine unzulässige umgebungslufttemperaturgesteuerte Abgasrückführungsrate (sog. „Thermofenster“) zum Einsatz. Auch das KBA gehe davon aus, dass es sich bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug bedateten Thermofenster nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele.
21
Durch das KBA sei keine unzulässige Getriebeschaltfunktion festgestellt worden. Über das OBD-System habe die Beklagte nicht getäuscht. Ebenso sei kein AECD-Steuergerät und auch kein Nox-Speicher-Katalysator verbaut.
22
Der Feststellungsantrag sei nicht begründet. Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten bestehe nicht. Insoweit werde bereits die Erteilung eines entsprechenden Mandats bestritten.
23
Hinsichtlich des umfangreichen Sach- und Rechtsvortrages der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
24
Das Gericht hat mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden, bei welchem Schriftsätze bis 16.11.2021 eingereicht werden konnten. -
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
26
Die Klage ist zulässig.
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1. Das Landgericht Memmingen ist sachlich nach §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG, örtlich nach § 32 ZPO zuständig.
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2. Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 756 ZPO.
29
Die Klage ist im Hilfsantrag teilweise begründet.
30
Der Klagepartei steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen ersatzfähigen Schaden zugefügt, der zu dem tenorierten Zug um Zug abzuwickelnden Schadensersatzanspruch und Anspruch auf Freistellung führt. Für die deliktische Haftung der Beklagten ist es rechtlich unerheblich, dass sie nicht Vertragspartnerin der Klagepartei gewesen ist und von dem konkreten Vertragsschluss auch nichts mitbekommen hat.
31
1. Die Beklagte hat die zuständige Genehmigungsbehörde durch das Herstellen und Inverkehrbringen des Motors mit einer manipulierten Motorsteuerungssoftware konkludent getäuscht. Mit dem Antrag auf Erteilung einer Typengenehmigung für ein Fahrzeug nebst Motor gibt ein Hersteller gegenüber der Genehmigungsbehörde die Erklärung ab, dass der Einsatz dieses Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist, d. h. insbesondere, dass das Fahrzeug eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis erhalten darf, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter, konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen werden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typengenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für den Erhalt und die Fortdauer der EG-Typengenehmigung einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Trifft dies nicht zu, steht es wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Pkw-Käufers gleich (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2020, 8 U 43/20; BGH, Urteil vom 25.05.2020; VI ZR 252/19, Rn. 25; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019, 13 U 149/18, juris, Rn. 45).
32
Die Beklagte hat nur hinsichtlich des Vorliegens eines Thermofensters, des Ad-Blue-Einsatzes und des Lenkwinkeleinschlages substantiiert das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestritten, nicht dagegen hinsichtlich der vom KBA beanstandeten Aufheizstrategie. Insoweit gibt es einen bestandskräftigen Bescheid des KBA, der Anordnungen betr. für unzulässig gehaltener Abschalteinrichtungen des streitgegenständlichen Motors u. a. wegen der Aufheizstrategie (Strategie A) enthält, die zum Schutz der Motoren (insbesondere vor Versottung) nicht erforderlich sei. Das KBA hat der Beklagten nachträgliche Nebenbestimmungen für die erteilten Typengenehmigungen zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit aller produzierten Fahrzeuge im Rahmen einer Rückrufaktion auferlegt: Nach dem Inhalt des Bescheids hatte das KBA festgestellt, dass die Beklagte im Emissionskontrollsystem des genannten Motortyps eine Strategie verwendet, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 genutzt wird. Die von der Beklagten applizierten Schaltkriterien seien so gewählt, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich nur im NEFZ wirkt. Demgegenüber werde sie schon bei geringsten Abweichungen von den Prüfbedingungen des NEFZ, die im realen Verkehr nutzerunabhängig praktisch immer eintreten, abgeschaltet. Darin liege eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die von der Beklagten vorgebrachten Motorschutzargumente wurden als nicht tragfähig erachtet.
33
Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist eine „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Wenn das KBA durch Bescheid eine unzulässige Abschalteinrichtung in Bezug auf Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motor feststellt und die Beklagte diesen Bescheid bestandskräftig werden lässt, dann spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die ursprünglich erteilte Typengenehmigung auf einer auf dem Prüfstand ausreichenden Programmierung aller Bestandteile des Emmisionskontrollsytems beruhte, welches im Normalbetrieb deaktiviert war. Es wäre an der Beklagten, ergänzend dazu vorzutragen, wie genau und aus welchen Gründen diese unterschiedliche Programmierung erfolgt ist. Ohne diesen Vortrag ist davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Betriebsmodi dazu dienten, das KBA - und dem folgend den Verbraucher und weitere Personen und Stellen - über den tatsächlichen Stickoxidausstoß im normalen Fahrbetrieb zu täuschen.
34
2. Das oben genannte Verhalten der Beklagten stellt eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung dar.
35
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 07.05.2019, VI ZR 512/17). Der Beweggrund für die Verwendung der Software ist in einer von der Beklagten angestrebten Profitmaximierung zu sehen. Ziel für die Handlung der Beklagten war es, - allein formal - die Höchstgrenzen des NOx-Ausstoßes einzuhalten und so die Typengenehmigung für die Fahrzeuge zu erhalten. Auf diese Weise sollte auf kostengünstigem Weg die Einhaltung der festgesetzten gesetzlichen Abgasgrenzwerte vorgetäuscht werden. Einen anderen Grund für die Verwendung der Software hat die Beklagte nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17.03.2021, 5 U 1343/20).
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Das von der Beklagten entwickelte Softwareupdate musste vom KBA freigegeben und dann auf diverse Fahrzeugvarianten angepasst werden. Wenn dies zum Zeitpunkt der Fahrzeugfabrikation schon problemlos und ohne großen Kostenaufwand möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte den Weg der Abschalteinrichtung überhaupt gewählt hat bzw. ihr Vorgehen nicht insgesamt unter Darlegung der Problemlage offenbart hat (vgl. OLG Koblenz a.a.O).
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3. Das schädigende Verhalten ist der Beklagten auch analog § 31 BGB zuzurechnen, denn es ist davon auszugehen, dass die Organe der beklagten AG an der zumindest konkludenten Täuschung des KBA - die einer Täuschung des Klägers gleichsteht - verantwortlich beteiligt waren.
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Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 28.06.2016, VI ZR 536/15, juris Rn. 25).
39
In subjektiver Hinsicht setzt der Schädigungsvorsatz gemäß. § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei jener nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss (BGH, Urteil vom 13.09.2004, II ZR 276/02, juris Rn. 38). Für den Vorsatz genügen das Bewusstsein, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt, sowie die billigende Inkaufnahme des Schädigungsrisikos. Nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die Schädigung eines anderen anstrebt oder als sichere Folge des eigenen Handelns akzeptiert (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 826 Rn. 27). Dieser Vorsatz ist vorliegend gegeben.
40
Die Kammer macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen des OLG Koblenz im Urteil vom 17.03.2021, 5 U 1343/20 zu eigen:
„Die Software wurde bewusst in die Motorsteuerung eingebaut, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und so die Typengenehmigung zu erhalten. Einen anderen Zweck hatte ihre Verwendung nicht. Indiz hierfür ist auch der Umstand, dass der dies feststellende Bescheid des KBA hingenommen wurde. Da die Beklagte wusste, dass sie die Typengenehmigung erhalten hatte, obwohl deren Voraussetzungen nicht erfüllt waren, musste sie ein Entdeckungsrisiko fürchten. Dabei ist nicht erklärlich, warum die Beklagte die Vorgänge überhaupt geheim gehalten hat, wenn sie ihr Vorgehen als rechtmäßig eingeordnet hätte. Im Gegenteil begründet gerade diese Geheimhaltung eine Vermutung für ein vorsätzliches Vorgehen. Die Beklagte hat ersichtlich bewusst in Kauf genommen, dass eine Entdeckung der verwendeten Software und ihrer Wirkungen dazu führen würde, dass die Betriebserlaubnis der betroffenen Fahrzeuge würde erlöschen können. Die Beklagte hat dabei das Risiko der darin liegenden Schädigung der Kunden als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen.
Die Beklagte hat auch die Folgen ihres Handelns jedenfalls billigend in Kauf genommen. Sie wusste, dass die Behörden bei der Erteilung der Typengenehmigung getäuscht worden waren, die Kunden allerdings aufgrund der erteilten Typengenehmigung davon ausgingen und gehen konnten, ein Fahrzeug zu erhalten, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass das KBA im Falle der Entdeckung der Täuschung Maßnahmen ergreifen musste, musste der Beklagten klar sein und war ihr auch klar. Das ergibt sich vorliegend schon aus dem Vorgehen des KBA im Hinblick auf andere Motoren. Das KBA als zuständige Behörde konnte ein gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßendes Verhalten, das noch dazu einen Kernbereich seiner Aufgabe betrifft, nicht einfach hinnehmen. Die Beklagte musste deshalb davon ausgehen, dass das KBA in diesem Falle entweder die Typengenehmigung widerrufen oder aber Maßnahmen anordnen würde, um einen gesetzmäßigen Zustand der betroffenen Fahrzeuge zu erreichen. Damit musste sie zwangsläufig davon ausgehen, dass den betroffenen Fahrzeugen eine Betriebsuntersagung drohte, wenn dem nicht nachgekommen werden würde, so dass auch diese Schädigungsfolgen vom Vorsatz der Beklagten erfasst waren. Die Beklagte hat folglich das Risiko der darin liegenden Schädigung der Kunden als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen.
Die Beklagte muss sich dabei das Handeln ihrer Mitarbeiter gemäß § 31 BGB analog zurechnen lassen. Die Repräsentantenhaftung erstreckt sich für juristische Personen über den Vorstand, die Vorstandsmitglieder und die verfassungsmäßig berufenen besonderen Vertreter hinaus auf alle sonstigen Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (MüKoBGB/Arnold, 8. Auflage 2018, § 31 Rn. 14; BGH, Urteil vom 30.10.1967, VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19). Da es der juristischen Person nicht frei steht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters” in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Zu dem Repräsentanten der juristischen Person nach diesen Grundsätzen gehört auch der Personenkreis der leitenden Angestellten (BGH, Urteil vom 05.03.1998, III ZR 183/96, NJW 1998, 1854).“
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Die Programmierung einer Software setzt denknotwendig eine aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware voraus und schließt die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustands aus (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 17.03.2021, a.a.O; LG Krefeld, Urteil vom 19.07.2017, 7 O 147/16, ZIP 2017, 1671). Es ist auch unwahrscheinlich, dass die Entwicklung und Inverkehrgabe von Motoren mit einer derartigen inkriminierten Steuerungssoftware einschließlich deren Wirkungsweise auf der unteren Mitarbeiter- oder Ingenieurebene der Beklagten gesteuert worden ist und nicht vom Konzernvorstand bzw. einem oder mehreren für diese technischen Prozesse intern zuständigen Vorstandsmitgliedern. Wie auch betreffend den Motor EA 189 gemäß Urteil des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19) trifft vorliegend die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast, dass und warum der Vorstand in die Entwicklung nicht involviert gewesen sei. Insoweit genügt das einfache Bestreiten der Beklagten, der Vorstand habe keine Kenntnis von der Verwendung und Implementierung der Software gehabt, nicht.
42
4. Die Täuschung war vorliegend auch kausal. In tatsächlicher Hinsicht ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Klagepartei den streitgegenständlichen Pkw nicht gekauft hätte, wenn sie um die unzulässige Abgassoftware und die davon ausgehende Gefahr der nicht ordnungsgemäßen Betriebserlaubnis gewusst hätte. Entsprechend der Grundsatzentscheidung des BGH (Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19) ist davon auszugehen, dass bei lebensnaher Betrachtung kein informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Software kaufen würde, welche zumindest erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der Betriebserlaubnis begründet. Im Zeitpunkt des Erwerbs war vorliegend noch nicht einmal absehbar, ob das Problem behoben werden konnte, da die Freigabe des Updates erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Es bestand daher die Gefahr der Stilllegung. Der Umstand, dass die Klagepartei möglicherweise auch ein leistungsstarkes Fahrzeug erwerben wollte, steht der Annahme, dass Käufer in der Regel ein Fahrzeug mit einer nicht gefährdeten Betriebserlaubnis erwerben möchten, nicht entgegen.
43
5. Der Kläger hat auch einen Schaden in Höhe des tenorierten Inhalts erlitten.
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Der Schaden liegt in dem Erwerb eines mit der Steuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs (OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019, I-13 U 149/18, juris, Rn. 49). Der Schaden kann auch in der Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit bestehen, selbst wenn dieser eine Forderung auf eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Dies ist der Fall, wenn die Leistung für die Zwecke des Erwerbers nicht brauchbar ist (BGH, Urteil vom 26. September 1997, V ZR 29/96, juris). Es kann offenbleiben, ob die betroffenen Fahrzeuge einen geringeren Marktwert oder sonstige unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile haben. Auch die enttäuschte Erwartung und die Zweckverfehlung sind als Schaden anzusehen.
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Ausgehend hiervon liegt ein ersatzfähiger Schaden des Klägers vor. Auch wenn das Fahrzeug seinen primären Zweck des betriebs- und verkehrstechnisch sicheren Fahrens erfüllt, verfügt es aber über eine Einrichtung, bei deren Bekanntwerden die Typengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilt worden wäre. Aufgrund der Einrichtung unterliegt es einer Rückrufaktion der Beklagten. Wie sich konkret aus dem Inhalt des Bescheids des KBA ergibt, drohte für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnungen der vollständige oder teilweise Widerruf bzw. die Rücknahme der betroffenen Typengenehmigung gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV und damit ohne die Durchführung des Software-Updates eine Betriebsuntersagung. Zweck des Erwerbs war aber die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 17.03.2021, 5 U 1343/20).
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Der Schaden ist auch nicht entfallen durch die Vereinbarung eines verbrieften Rückgaberechts im Rahmen der Finanzierung des Fahrzeugs.(vgl. OLG Hamm Urteil vom 23.11.2020, 8 U 43/20; OLG Hamm, Urteil vom 10.08.2020, I-8 U 117/19; OLG Koblenz Urteil vom 30.03.2021, 3 U 1438/20), wobei vorliegend das Bestehen eines verbrieften Rückgaberechts ohnehin fraglich ist, nachdem die Klagepartei das Darlehen in gleichbleibenden Raten tilgt und eine abweichende Schlussrate nicht vorgesehen ist. Selbst wenn vorliegend jedoch ein verbrieftes Rückgaberecht bestehen sollte, ist zur Überzeugung der Kammer der Schaden nicht entfallen. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des OLG Hamm im Urteil vom 23.11.2020, 8 U 43/20 an:
„Allein durch die Vereinbarung eines verbrieften Rückgaberechts zu einem von vornherein festgelegten Kaufpreis ist der geltend gemachte Schaden nicht entfallen. Dieser lag darin, dass der Kläger eine ungewollte Verbindlichkeit eingegangen war, weil die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Der darin liegende Nachteil wird nicht kompensiert durch die Möglichkeit, in einigen Jahren das Fahrzeug - nach Zahlung der bis dahin geschuldeten Darlehensraten - zu einem festen Preis zurück verkaufen zu können. In der Zwischenzeit bestand die Gefahr der Betriebseinschränkung oder -untersagung. Auf die objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung stellt auch der BGH ausdrücklich nicht ab. Ein rechnerisches Minus ist für die Bejahung des Schadens nicht erforderlich. Darüber hinaus würde erneut in die Dispositionsfreiheit der Klagepartei eingegriffen, da die Ausübung des verbrieften Rückgaberechts erst nach Zahlung der Schlussrate in Betracht kommt“.
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Im Hinblick auf den vorgelegten Kaufvertrag sowie den Darlehensvertrag hat die Kammer auch keinen Zweifel daran, dass die Klagepartei vorliegen einen Kaufpreis in Höhe von 37.000 € bezahlt hat, zumal die Behauptung der Vorsteuerabzugsberechtigung nur als Mutmaßung der Beklagtenpartei aufgestellt wurde.
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6. a) Der Höhe nach setzt sich der zu ersetzende Schaden gem. den §§ 249 Abs. 2, 251, 257 BGB zum Teil aus Ersatz in Geld und zum Teil aus dem Anspruch auf Freistellung von den Verbindlichkeiten aus dem zur Teilfinanzierung abgeschlossenen Darlehensvertrag zusammen. Die Klagepartei hat eine Anzahlung in Höhe von 4.430,73 € sowie bis zum 16.11.2021 75 Monatsraten á 500 €, d.h. insgesamt 37.500 € bezahlt. Die Freistellungsverpflichtung gegenüber der Finanzierungsbank greift ausgehend von noch weiteren 12 Raten zu je 500 €. Die Laufzeit des Darlehensvertrages betrug vorliegend 84 Monate, beginnend mit der ersten Rate am 01.09.2015. Entgegen dem Vortrag der Beklagtenpartei ist vorliegend von keiner Fälligkeit der Schlussrate auszugehen.
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Von dem an sich in der Hauptsache zu erstattenden Geldschadensersatz ist jedoch ein Anspruch der Beklagten gegen die Klagepartei auf Nutzungsersatz unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung in Abzug zu bringen.
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Die Kammer folgt dabei der Höhe nach der linearen Berechnungsweise entsprechend dem Urteil des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19). Soweit die Beklagte rügt, dass die lineare Berechnung verkenne, dass der Wertverlust eines Pkws zu Beginn direkt nach dem Kauf überproportional hoch sei, mag dies im Ansatz zutreffen, trifft jedoch auf den hier vorliegenden Gebrauchtwagenkauf bereits weniger zu. Die Kammer schätzt dabei die zu erwartende Gesamtlaufleistung auch im Hinblick auf das Alter des Fahrzeuges auf insgesamt 300.000 km. Nach der üblichen linearen Berechnungsformel ergibt dies folgenden Nutzungsersatz:
(238.776 km - 117.600 km) x 37.000 € / (300.000 km-117.600 km) =24.580,65
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Auf den Kaufpreis wurde durch die Klagepartei die Anzahlung in Höhe von 4.430,73 € und im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung 75 Raten á 387,73 € (=29.079,75 €), d.h. insgesamt 33.510,48 € bezahlt. Abzüglich der Nutzungsentschädigung in Höhe von 24.580.65 € ergibt sich daher ein Betrag von 8.929,83 €.
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b) Der Klagepartei steht ferner auch ein Anspruch auf die geltend gemachten Finanzierungskosten in Höhe von insgesamt 9.430,73 € zu (vgl. BGH Urteil vom 13.04.2021, VI ZR 274/20). Ob die Finanzierungskosten auch beim Erwerb eines anderen Fahrzeugs angefallen wären, spielt keine Rolle, weil ein hypothetischer alternativer Fahrzeugerwerb nicht festgestellt ist. Zu den Finanzierungskosten gehören dabei nicht nur die bezahlten Zinsen, sondern auch die Kosten für die Absicherung des Darlehens durch Abschluss einer entsprechenden Versicherung. Bezahlt wurden hiervon 75 Raten á 112,27 €, d.h. insgesamt 8.420,25 € zu. Hinsichtlich des Restbetrages steht der Klagepartei der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung zu.
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Der Feststellungsantrag ist nicht begründet. Das Schreiben der Klagepartei war nicht geeignet, die Beklagtenpartei in Verzug zu setzen. Die eigene Leistung wurde nicht in verzugsbegründender Weise angeboten. Dies geschah auch nicht im Rahmen der Klageerhebung, da die Klagepartei im Rahmen der ursprünglichen Antragstellung beim Bruttokaufpreis einen Abzug in Höhe von 25% vorgenommen hat. Dies stellt ebenfalls kein ausreichendes Angebot dar.
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Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten ist ebenfalls nicht begründet. Unabhängig davon, dass vorliegend sowohl der Gegenstandswert als auch der Gebührenrahmen zu hoch bemessen wurde, ist die Klagepartei den Nachweis, dass ein Mandat zur außergerichtlichen Geltendmachung erteilt wurde, schuldig geblieben. Die Beklagtenpartei hat dies bestritten. Ein Beweisangebot ist insoweit nicht erfolgt. Allein der Vortrag, man sei außergerichtlich tätig geworden, ist hierfür nicht ausreichend.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
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Der Streitwert war vorliegend nach § 3 ZPO auf 30.554,27 € festzusetzen (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung ausgehend von der klägerischen Vorstellung einer Gesamtlaufleistung von 400.000 Kilometer zuzüglich Finanzierungskosten). .