Titel:
Rentenversicherung, Abtretung, Berufung, Annahmeverzug, Versicherungsschein, Rechtsmittel, Nachweis, Hinweisbeschluss, Beratung, Zinsen, Abgrenzung, Schriftsatz, Sicherung, Bedeutung, Zug um Zug, Die Fortbildung des Rechts, Kosten des Rechtsstreits
Schlagworte:
Rentenversicherung, Abtretung, Berufung, Annahmeverzug, Versicherungsschein, Rechtsmittel, Nachweis, Hinweisbeschluss, Beratung, Zinsen, Abgrenzung, Schriftsatz, Sicherung, Bedeutung, Zug um Zug, Die Fortbildung des Rechts, Kosten des Rechtsstreits
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 31.01.2020 – 22 O 18179/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2022 – XI ZR 346/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57760
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2020, Aktenzeichen 22 O 18179/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 62.200,00 € festgesetzt.
Gründe
1
1. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung geltend macht.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 18.01.2021 (Bl. 121 ff. d.A.) Bezug genommen.
3
Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 27.04.2020 (Bl. 96 ff. d.A.):
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2020 zu dem Az. 22 0 18179/18 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 62.200,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 2% p.a. aus
- EUR 34.000,00 vom 01.04.2013 bis 31.12.2013
- EUR 40.000,00 vom 01.01.2014 bis 31.12.2014
- EUR 47.200,00 vom 01.01.2015 bis 31.12.2015
- EUR 54.400,00 vom 01.01.2016 bis 31.12.2016
- EUR 61.600,00 vom 01.01.2017 bis 31.01.2017
- EUR 62.200,00 vom 01.02.2017 bis 12.02.2018
und Zinsen aus EUR 62.200,00 in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 13.02.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus der fondsgebundenen Rentenversicherung … Versicherungsnummer … des Klägers auf die Beklagte. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Zugum-Zug Abtretung der Rechte aus der oben Rentenversicherung des Klägers auf die Beklagte befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger nicht abziehbare vorgerichtliche Kosten in Höhe von EUR 1.954,46 zu zahlen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist ggf. gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25.06.2020 (Bl. 111 ff. d.A.) die Zurückweisung der Berufung beantragt.
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2. Mit Schriftsatz vom 01.04.2021 (Bl. 138 ff. d.A.) hält die Klagepartei an ihrem Berufungsbegehren fest und führt im Wesentlichen aus:
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Die Verjährung beginne weder für die Aufklärungspflichtverletzung wegen der von der Beklagten vereinnahmten Provisionen noch wegen der Unkündbarkeit nicht im Jahr 2013. In dem Versicherungsschein seien zwar die mit der Rentenversicherung anfallenden Kosten ausgewiesen; dort sei aber nicht erläutert, dass und in welcher Höhe hieraus Rückvergütungen an die Beklagte gezahlt worden seien.
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Aus den Angaben des Klägers persönlich zum Umfang der Kenntnisnahme des Inhalts der Versicherungsunterlagen könne nicht auf eine positive Kenntnis von den anfallenden Kosten wie auch der Unkündbarkeit geschlossen werden. Der Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB stehe die Rechtsprechung des BGH entgegen (BGH, Urteil 08.07.2010, Az.: III ZR 249/09, vom 22.07.2010, Az.: III ZR 99/09 und III ZR 203/09, vom 05.05.2011, Az.: III ZR 84/10, vom 07.07.2011, III ZR 90/10 und vom 22.09.2011, Az.: III ZR 186/10).
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Zur Frage der Beratung zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit sei schließlich maßgeblich, dass der Kläger persönlich sich im Gegensatz zum Zeugen genauer erinnern haben könne, da es ihm auf diese Frage gerade angekommen sei.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2020, Aktenzeichen 22 O 18179/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 18.01.2021 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, und an dem der Senat auch in der nunmehrigen Besetzung festhält. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 01.04.2021 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist insofern auszuführen:
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1. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Einwendungen überzeugt der Angriff auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts zum fehlenden Nachweis einer fehlerhaften Beratung nicht. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 18.01.2021. Die Klagepartei beruft sich letztlich darauf, dass der Kläger persönlich sich besser erinnern könne als der Zeuge, weshalb auf seine Einlassungen abzustellen sei. Damit setzt die Klagepartei indes ihre Würdigung an die Stelle der gerichtlichen Würdigung, ohne dass damit wenigstens Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet würden.
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2. Zu dem Einwand einer Aufklärungspflichtverletzung wegen Rückvergütungen der Versicherung an die Beklagte gab der Zeuge … zwar an, dass weder im Versicherungsantrag noch in der Versicherungsurkunde derartige Rückvergütungen erläutert sind; er auch nicht mündlich gesagt habe, wie viel die Bank bekomme. Er habe nicht gewusst, „wie viel Provision die Bank bekam“ und habe insoweit auch keine Aufklärung des Klägers betrieben. Hierin liegt aber keine i.S.v. § 280 Abs. 1 BGB maßgebliche Aufklärungspflichtverletzung. Nach der Rechtsprechung des BGH war die Beklagte nicht verpflichtet, auf von ihr vereinnahmte Provisionen für die Vermittlung von Versicherungsverträgen hinzuweisen. Ein Provisionsanspruch der Bank als Versicherungsvermittlerin gegen den Versicherer ist offensichtlich. Die Zahlung einer Provision durch die Versicherung an den Vermittler entspricht einem überkommenen, allgemein bekannten Handelsbrauch, der nach überwiegend vertretener Auffassung aufgrund einer vom Willen aller Beteiligten getragenen gleichförmigen Übung sogar als Gewohnheitsrecht anzusehen ist (BGH, Urteil vom 01.07.2014, Az.: XI ZR 247/12, Rdnr. 27 ff., zitiert nach Juris). Die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatenden Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten Rückvergütungen ist nicht auf den Abschluss einer Renten- oder Lebensversicherung übertragbar (BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az.: IV ZR 496/14, Rdnr. 15, OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.02.2017, Az.: 13 U 185/15, Rdnr. 31, zitiert nach Juris). 3.
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Danach kommt es auf die Frage der Verjährung nicht mehr entscheidungserheblich an, weshalb auch eine Abgrenzung zur Rechtsprechung des BGH zur groben Fahrlässigkeit i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB bei Nichtlesen des übergebenen Prospekts (BGH, Urteil 08.07.2010, Az.: III ZR 249/09, Rdnr. 29 ff., vom 22.07.2010, Az.: III ZR 99/09, Rdnr. 17 ff., vom 05.05.2011, Az.: III ZR 84/10, Rdnr. 19, vom 07.07.2011, III ZR 90/10, Rdnr. 18 ff., vom 22.09.2011, Az.: III ZR 186/10, Rdnr. 10) entbehrlich ist. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Einlassung, der Kläger habe von den anfallenden Kosten wie auch der fehlenden Möglichkeit zur vorzeitigen Vertragsbeendigung erst 2015 Kenntnis erlangt, zur Überzeugung des Senats nicht glaubhaft ist. Die entsprechenden Informationen im Versicherungsschein (Anlage K1) sind überaus übersichtlich gestaltet und damit auch bei - dem vom Kläger eingeräumten - oberflächlichen Durchblättern zu erfassen, zumal sich die maßgeblichen Informationen auf den ersten zehn (von insgesamt 19) Seiten des Versicherungsscheins als wichtigstem Versicherungsdokument finden, von denen die ersten zwei Seiten reine Deckblätter sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 40, 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.