Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 21.12.2021 – B 5 K 20.503
Titel:

Anspruch auf Berücksichtigung von Ausbildungszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten, Zeitpunkt der Tätigkeit als Vollzugsbeamter (bei Ruhestandseintritt), Erfordernis einer vorgezogenen Regelaltersgrenze für den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts

Normenkette:
BeamtVG § 12 Abs. 2
Schlagworte:
Anspruch auf Berücksichtigung von Ausbildungszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten, Zeitpunkt der Tätigkeit als Vollzugsbeamter (bei Ruhestandseintritt), Erfordernis einer vorgezogenen Regelaltersgrenze für den Zeitpunkt des Ruhestandseintritts
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57572

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Der am …1957 geborene Kläger steht als Amtsinspektor im Dienst der Beklagten. Mit seiner Klage wendet er sich gegen einen Bescheid der Beklagten vom 27.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.05.2020, mit dem diese den Antrag des Klägers, seine Ausbildungszeiten zum Rundfunk- und Fernsehtechniker vom 01.03.1976 bis 28.02.1979 als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen, ablehnte.
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1. Mit Schreiben vom 29.08.2016 bat der Kläger gegenüber der Versorgungsstelle seiner derzeitigen Dienststelle, …, um die Erteilung einer Versorgungsauskunft, da er in Betracht ziehe, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.
3
Mit Schreiben vom 21.06.2017 erteilte die Generalzolldirektion Dresden dem Kläger eine Auskunft über Versorgungsanwartschaften gemäß § 49 Abs. 10 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Danach erreiche der Kläger gemäß § 51 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) die gesetzliche Regelaltersgrenze mit Ablauf des 31.03.2023 im Alter von 65 Jahren und 11 Monaten. Eine Berechnung zum Antragsruhestand nach § 52 Abs. 3 BBG sei vom Umfang des Anspruchs nach § 49 Abs. 10 BeamtVG nicht erfasst. Der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge habe man das Grundgehalt entsprechend den Anlagen der Bundesbesoldungsordnung (BBesO) in Verbindung mit § 5 BeamtVG (A9 plus Zulage, Erfahrungsstufe 8) zugrunde gelegt. Der Ruhegehaltssatz ergebe sich nach § 6 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 BeamtVG aus der Summe der geleisteten ruhegehaltfähigen Dienstzeiten, erhöht um einen Steigerungssatz von 1,79375 v.H. Man habe die Zeit ab der erstmaligen Berufung in das Beamtenverhältnis (01.04.1979) bis zum Eintritt in den Ruhestand berücksichtigt. Danach würde sich nach der Berechnung zum Stand 01.02.2017 ein monatliches Ruhegehalt in Höhe von 2.798,26 EUR ergeben. Der Berechnung wurden folgende Dienstzeiten nach § 14 Abs. 1 BeamtVG zugrunde gelegt: Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf vom 01.04.1979 bis 31.07.1982 sowie die Beamtendienstzeit vom 01.08.1982 bis 31.03.2023, woraus sich insgesamt eine Summe von 44 ruhegehaltfähigen Dienstjahren ergibt.
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Mit Schriftsatz vom 11.10.2019 zeigten sich die Bevollmächtigten des Klägers für diesen an und baten um Überprüfung der bei der Berechnung erfassten Dienstzeiten. Nicht erfasst sei bisher die Ausbildungszeit des Klägers zum Rundfunk- und Fernsehtechniker. Diese mit Gesellenprüfung erfolgreich abgeschlossene Ausbildung vom 01.03.1976 bis 28.02.1979 unterfalle nach Auffassung des Klägers der Regelung von § 12 Abs. 2 BeamtVG, wonach für Beamte des Vollzugsdienstes die verbrachten Zeiten einer praktischen Ausbildung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden können, wenn sie für die Wahrnehmung des Amtes förderlich seien. In seiner Beamtendienstzeit bei der Bundeszollverwaltung ab 01.08.1982 sei der Kläger zunächst als Zollassistent, dann als Zollsekretär usw. bei der Grenzaufsichtsstelle … und der Grenzkontrollstelle … im damaligen Grenzdienst an der Grenze zur DDR eingesetzt gewesen. Bei diesem Einsatz als Grenzaufsichtsbeamter/Abfertigungsbeamter handele es sich gemäß § 6 Nr. 2 UZwG um typischen Vollzugsdienst im Sinne des § 12 Abs. 2 BeamtVG, in dessen Verlauf der Kläger aufgrund seiner fachtechnischen Ausbildung wiederholt an die dortige Funkwerkstatt abgeordnet worden sei. Im Ergebnis habe sich die praktische Ausbildung des Klägers im Radio- und Fernsehtechnikerhandwerk für die Wahrnehmung seines Amtes als Zollassistent bzw. Zollsekretär im Bundeszolldienst ausweislich der seiner Ausbildung entsprechenden Verwendungen als förderlich im Sinne von § 12 Abs. 2 BeamtVG erwiesen. Daher werde beantragt, die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten um die Ausbildungszeit zum Rundfunk- und Fernsehtechniker zu erweitern.
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Die Beklagte hielt in ihrem Antwortschreiben vom 27.12.2019 an ihrer Rechtsauffassung fest. Dem Kläger stünden keine ruhegehaltfähigen Vordienstzeiten nach § 49 Abs. 2 BeamtVG zu. Mit dem erfolgreichen Erwerb des Realschulabschlusses am 13.07.1975 habe der Kläger zunächst die für die Einstellung in den Zolldienst notwendige Voraussetzung nach § 4 Abs. 1 der Laufbahn-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren Grenzzolldienst und für den mittleren Binnenzolldienst des Bundes vom 4.11.1974 (LAPO - GZD/BZD) erfüllt. Ein Fall des § 12 Abs. 1 BeamtVG liege nicht vor, weil bei Einstellung des Klägers in den Vorbereitungsdienst des mittleren Grenzzolldienstes keine weitere Ausbildung gefordert worden sei. Ein Fall des § 12 Abs. 2 BeamtVG liege ebenfalls nicht vor, weil im Bereich der Zollverwaltung eine entsprechende „besondere“ Altersgrenze nicht normiert sei - unabhängig vom jeweiligen Einsatzgebiet. Zusätzlich wäre Voraussetzung, dass der betroffene Beamte bei Eintritt in den Ruhestand tatsächlich dem jeweiligen Vollzugsdienst angehört. Dies treffe auf den Kläger nicht zu.
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Mit Schriftsatz vom 30.01.2020 ließ der Kläger über seinen Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid erheben und mit Schreiben vom 19.03.2020 zur Begründung ausführen, dass die Beklagte die Regelung des § 12 Abs. 2 BeamtVG fälschlicherweise auf die „vorgezogene“ Altersgrenze der Bundespolizeilaufbahn beziehe. Die Vorgehensweise entspreche nicht dem Wortlaut der Norm, außerdem habe der Kläger während seiner Tätigkeit - wie ausgeführt - als „Vollzugsbeamter des Bundes“ im Sinne des § 12 Abs. 2 BeamtVG Dienst getan. Dem Kläger könne es nicht zum Nachteil gereichen, dass diese Tätigkeit mit der Wiedervereinigung weggefallen war. Die Förderlichkeit seiner Berufsausbildung für die Vollzugstätigkeit ergebe sich daraus, dass die Ausbildung ihm Fähigkeiten vermittelt habe, die er zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben und fachbezogenen dienstlichen Verwendung im Zolldienst faktisch und konkret habe verwenden können. Dieser Zusammenhang entspreche den Regelungen des BMI-Rundschreibens vom 20.06.1990, D III 4 - 223 123 - 6/96-Nr.
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1. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2020, dem Kläger zugestellt am 06.05.2020, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Weder nach § 12 Abs. 1 noch nach Abs. 2 BeamtVG komme eine Berücksichtigung der Ausbildungszeiten des Klägers in Betracht. Insbesondere bestimme sich die Frage, ob ein Beamter dem Vollzugsdienst zuzurechnen sei, laufbahnentsprechend nach den bei Eintritt in den Ruhestand wahrgenommenen Aufgaben. Der Kläger sei seit dem 01.06.1991 bei der … tätig und habe in diesem Zuge in den mittleren nichttechnischen Dienst in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes gewechselt. Hier sei er bis heute tätig. Dies sei keine Tätigkeit im Vollzugsdienst. Weder für die frühere noch für die aktuelle Tätigkeit des Klägers gelte eine vorgezogene gesetzliche Altersgrenze, sodass die Vorschrift auch deswegen nicht angewandt werden könne.
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2. Mit Schriftsatz vom 05.06.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 08.06.2020, erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten zunächst fristwahrend Klage und führte zur Begründung mit Schriftsatz vom 14.08.2020 aus, bei der bereits erwähnten Tätigkeit des Klägers als Grenzaufsichtsbeamter handle es sich gemäß § 6 Nr. 2 UZwG um typischen Vollzugsdienst i.S.d. § 12 Abs. 2 BeamtVG. Diese Qualifikation werde untermauert durch die UZwVwV-BMF vom 20.04.1983 mit Detailregelungen für die Vollzugsbeamten der Zollverwaltung und durch die „Verordnung über die Übertragung von Grenzschutzaufgaben auf die Zollverwaltung“ vom 25.03.1975, gem. deren § 2 der Zollverwaltung die polizeiliche Überwachung der Grenzen und die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs außerhalb der Grenzübergangsstellen zur dienstlichen Wahrnehmung/Ausübung zugewiesen werden. Im Übrigen wiederholte er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und beantragte,
I. Der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2020 wird aufgehoben.
II. Die Ausbildungszeit des Klägers zum Rundfunk- und Fernsehtechniker ist gem. § 49 Abs. 2, 10 i.V.m. § 12 Abs. 2 BeamtVG als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu berücksichtigen.
III. Die Hinzuziehung eines anwaltschaftlichen Bevollmächtigten zum erfolgten Widerspruchsverfahren des Klägers wird für notwendig erklärt.
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Mit Schriftsatz vom 03.09.2020 beantragte die Beklagte Klageabweisung und wiederholte zur Begründung ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid.
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Der Klägerbevollmächtigte machte mit Schriftsätzen vom 12.10.2020 und 23.11.2020, die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 03.11.2020 weitere vertiefende Ausführungen.
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Auf gerichtliche Anfrage hin erteilten die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 17.09.2021 bzw. 15.11.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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Im Hinblick auf das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) entschieden werden.
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1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Ausbildungszeit zum Rundfunk- und Fernsehtechniker gem. § 12 Abs. 2 BeamtVG als ruhegehaltsfähige Dienstzeit noch einen Anspruch auf erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
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Nach § 4 Abs. 3 BeamtVG wird das Ruhegehalt auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Die ruhegehaltfähige Dienstzeit ist regelmäßig nur die im Beamtenverhältnis verbrachte Dienstzeit; grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Versorgung entsprechend der Dauer des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Unter Durchbrechung dieses Grundsatzes sehen § 10 und § 11 BeamtVG vor, auch Zeiten zu berücksichtigen, die außerhalb eines Beamtenverhältnisses zurückgelegt worden sind. Die Anrechnung solcher Vordienstzeiten hat Ausnahmecharakter. Ihre Berücksichtigung ist sachlich gerechtfertigt, weil sie ein besonders qualifiziertes Verhältnis zum später erreichten Beamtenstatus aufweisen. Während dieser Zeiten haben die Beamten entweder Erfahrungen und Kenntnisse erworben, die förderlich für die Ausübung ihres Amtes waren, oder ihre Tätigkeit außerhalb des Beamtenstatus war derjenigen vergleichbar, die sie später als Beamte ausgeübt haben. Durch die Anrechnung soll dem Beamten annähernd diejenige Versorgung ermöglicht werden, die er erhalten hätte, wenn er sich während der Zeit, in der er die für die Wahrnehmung seines späteren Amtes erforderliche Qualifikation erworben hat, bereits im Beamtenverhältnis befunden hätte. Hierdurch werden unbillige Benachteiligungen gegenüber sog. „Nur“-Beamten ausgeglichen (vgl. BVerwG U. v. 28.10.2004 - 2 C 38/03, BeckRS 2005, 23936, beck-online m.w.N.). § 12 BeamtVG normiert schließlich eine als Ermessensvorschrift ausgestaltete weitere Durchbrechungsmöglichkeit des Grundsatzes aus § 4 und § 6 BeamtVG für die Berücksichtigung von Ausbildungszeiten, sofern diese bestimmten Anforderungen genügen.
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a) Der Kläger, der sein Begehren auf die letztgenannte Vorschrift stützt, hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Ausbildungszeit zum Rundfunk- und Fernsehtechniker als ruhegehaltfähige Dienstzeit nach § 12 Abs. 1 BeamtVG.
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Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG kann die verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) (Nr. 1) oder einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist (Nr. 2) als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Außer der allgemeinen Schulbildung ist eine Ausbildung nach Nr. 12.1.1.19 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG-VwV) vorgeschrieben, wenn das Laufbahnrecht (durch Laufbahn-, Ausbildungs- oder Prüfungsvorschriften) eine bestimmte Art der Ausbildung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorschreibt. Sofern Zeiten einer Ausbildung nicht bereits nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG berücksichtigt worden sind und nach laufbahnrechtlichen Vorschriften auf die vorgeschriebene praktische hauptberufliche Tätigkeit angerechnet worden sind oder die erforderlichen Zeiten herabgesetzt haben, können sie im Umfang dieser Anrechnung nach Nummer 2 berücksichtigt werden (vgl. Nr. 12.1.1.37 BeamtVG-VwV). Eine Berücksichtigung erfolgt nach Nr. 12.1.1.41 BeamtVG-VwV jedoch nur dann, wenn die ausgeübte Tätigkeit Voraussetzung für die erstmalige Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten war. Entscheidend für die Berücksichtigung ist dabei, ob die Tätigkeit den geforderten Einstellungsvoraussetzungen entsprach.
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Diese Voraussetzung ist im streitgegenständlichen Fall nicht erfüllt. Zutreffend führt die Beklagte aus, dass nach § 4 Abs. 1 LAPO - GZD/BZD zur Zeit, als der Kläger in den Beamtenstatus berufen wurde, in den Vorbereitungsdienst des mittleren Grenzzolldienstes eingestellt werden konnte, wer die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis erfüllt (Nr. 1), bei Beginn des Vorbereitungsdienstes das vorgeschriebene Höchstalter nicht überschritten hat (Nr. 2) und eine Realschule mit Erfolg besucht hat oder einen gleichwertig anerkannten Bildungsstand nachweist (Nr. 3). Auch § 19 Nr. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten vom 15.11.1978 (BLV) ließ für die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Dienstes den Nachweis des Abschlusses einer Realschule genügen. Mit dem erfolgreichen Erwerb des Realschulabschlusses am 13.07.1975 hat der Kläger die Voraussetzung nach Nr. 3 und damit die Grundvoraussetzung für die Einstellung in das Beamtenverhältnis bereits erfüllt. Eine weitere Ausbildung zum Rundfunk- und Fernsehtechniker war für die Einstellung daher - auch nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten - nicht erforderlich.
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b) Auch aus § 12 Abs. 2 BeamtVG ergibt sich für den Kläger jedoch weder ein gebundener Anspruch auf Berücksichtigung noch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit der durch den Kläger absolvierten Ausbildungszeit zum Rundfunk- und Fernsehtechniker zwischen dem 01.03.1976 und dem 28.02.1979 als ruhegehaltfähige Dienstzeit. Der Kläger ist bereits kein Vollzugsbeamter im Sinne dieser Vorschrift. Dies gilt unabhängig von der Frage, wie seine frühere Tätigkeit als Grenzaufsichtsbeamter zu werten ist.
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Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG können für Beamte des Vollzugsdienstes und des Einsatzdienstes der Feuerwehr verbrachte Zeiten einer praktischen Ausbildung und einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit an Stelle einer Berücksichtigung nach Absatz 1 bis zu einer Gesamtzeit von fünf Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn sie für die Wahrnehmung des Amtes förderlich sind.
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Gemäß Nr. 12.2.1.1. BeamtVG-VwV rechnet zum Vollzugsdienst der Justiz- und Polizeivollzugsdienst. Zum Einsatzdienst der Feuerwehr rechnen der unmittelbare Brandbekämpfungs- und Hilfsleistungsdienst.
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Es handelt sich dabei um eine Erweiterung gegenüber Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, die berufsspezifisch vorgenommen wurde. Wie weit Beamte dem Vollzugsdienst oder dem Einsatzdienst der Feuerwehr zuzurechnen sind, bestimmt sich laufbahnentsprechend nach den bei Eintritt in den Ruhestand wahrgenommenen Aufgaben (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, 153. Aktualisierung, August 2021, § 12 BeamtVG Rn. 202). Unter den Beamten des Vollzugsdienstes sind nach § 1 Bundespolizeibeamtengesetz die Polizeivollzugsbeamten im kriminalpolizeilichen Vollzugsdienst zu verstehen. Beamte des Einsatzdienstes der Feuerwehr sind die im Feuerwehrdienst der Bundeswehr eingesetzten Beamten (Reich, BeamtVG, 2. Aufl. 2019, BeamtVG § 12 Rn. 16, 17). Durch diese Erweiterung soll bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit der vorgezogenen Altersgrenze Rechnung getragen werden, die diesen Personenkreis zu einem früheren Eintritt in den Ruhestand vor Vollendung des 65. Lebensjahres - bzw. ggf. 67. Lebensjahres - verpflichtet. Es soll also dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es den Beamten des Vollzugsdienstes und des Einsatzdienstes der Feuerwehr infolge der niedrigeren Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand in den meisten Fällen nicht möglich ist, den Höchstruhegehaltssatz zu erreichen (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O. § 12 BeamtVG Rn. 202; vgl. hierzu auch vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.1972 - 6 C 4.70 - BVerwGE 41, 89, 92 f., BVerwG, Beschluss vom 4.6.1980 - 6 B 38.79). Dabei sind nur diejenigen Beamten begünstigt, die zuletzt - mit Rücksicht auf die vorgezogene gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand - der näher bezeichneten Beamtengruppe angehört haben. Welche Beamtengruppen dazu gehören, regeln jeweils die status- und laufbahnrechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder. Dabei reicht lediglich die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Laufbahn nicht aus; vielmehr muss der Beamte bei Eintritt in den Ruhestand entsprechend laufbahnrechtlich verwendet worden sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.6.2000 - 2 C 16.99, ZBR 2001, 102). Erfasst sind somit also konsequenterweise lediglich die Beamten der in § 12 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG aufgeführten Beamtenlaufbahnen mit einer vor dem 67. Lebensjahr liegenden vorgezogenen gesetzlichen Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O. § 12 BeamtVG Rn. 212 f.).
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Diese Auslegung der Vorschrift, die sich nicht zwingend auf den ersten Blick aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, gebietet sich jedoch im Zusammenhang mit ihrem historischen Kontext.
24
§ 12 BeamtVG hatte auf Grund von Art. 1 Nr. 3 des Änderungsgesetzes zum Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVGÄndG) mit Wirkung vom 1.1.1992 einen neuen Absatz 2 erhalten. Die neue Vorschrift beruhte auf dem Vorschlag des BT-Innenausschusses (BT-Drs. 11/5537 S. 6 Sp. 2). Darin wurde empfohlen, die Vorschrift so zu fassen, dass für die in § 4a Abs. 1 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung genannten Beamten sowie für Beamte des Vollzugsdienstes und des Einsatzdienstes der Feuerwehr Zeiten einer praktischen Ausbildung und einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit anstelle einer Berücksichtigung nach Absatz 1 bis zu einer Gesamtzeit von fünf Jahren als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn sie für die Wahrnehmung des Amtes förderlich sind. Absatz 1 Satz 2 sollte entsprechend gelten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für die dort genannten Beamten die (vorgezogene) gesetzliche Altersgrenze des vollendeten 60. Lebensjahres gelte. Da nicht alle Beamten schon mit zwanzig Jahren in den öffentlichen Dienst eintreten würden, könnten sie den Höchstruhegehaltssatz von 75 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (nach einer Dienstzeit von 40 Jahren) nicht erreichen. Der Bundesrat habe empfohlen, diesen Beamten einen Zuschlag von 3,75 v. H. (=1,875 x 2) zu gewähren. Diesem Vorschlag sei man nicht gefolgt. Durch die vom Innenausschuss beschlossene Regelung in § 12 Abs. 2 BeamtVG werde die Möglichkeit geschaffen, Zeiten einer praktischen Ausbildung und praktischen hauptberuflichen Tätigkeit anstelle einer Berücksichtigung nach § 12 Abs. 1 BeamtVG bis zu einer Gesamtzeit von fünf Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen, wenn sie für die Wahrnehmung des Amtes förderlich seien. Dabei werde unterstellt, dass die „Kann“vorschrift als Mussvorschrift ausgelegt werde (BT-Drs. 11/5537 S. 48). Diese Regelung knüpfte im Ergebnis an die Begründung des Bundesrates (BR-Drs. 469/89) an, in der darauf hingewiesen wurde, dass der Dienstherr von den in Betracht kommenden Beamten häufig als Einstellungsvoraussetzung eine abgeschlossene, für die jeweilige Laufbahn erforderliche Berufsausbildung verlange. Mit der gefundenen Lösung des Problems wurde die Einrichtung einer besonderen Ruhegehaltsskala für diese Beamtengruppe und damit ein Präjudiz für andere Beamtengruppen vermieden. (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O. § 12 BeamtVG Rn. 7 f.).
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Gemessen an diesen Grundsätzen erfüllt der Kläger bereits nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 BeamtVG, er ist kein Vollzugsbeamter im Sinne dieser Vorschrift.
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Dies ergibt sich zum einen daraus, dass er nach dem Wegfall seines ursprünglichen Tätigkeitsbereichs an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zur …, in den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst gewechselt ist und dort bis heute Dienst tut. Diese Tätigkeit stellt keine Tätigkeit im Vollzugsdienst dar und führt auch nicht zur Geltung einer vorgezogenen Altersgrenze für den Ruhestandseintritt, vielmehr gilt für ihn nach unbestrittenem Vortrag die reguläre gesetzliche Altersgrenze des § 51 Abs. 1 und Abs. 2 BBG.
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Ob die Tätigkeit als Grenzaufsichtsbeamter an der innerdeutschen Grenze als Vollzugsdiensttätigkeit zu qualifizieren ist, kann aus zwei Gründen dahingestellt bleiben.
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Zum einen übt der Kläger diese Tätigkeit nicht mehr - und damit auch nicht bei Ruhestandseintritt - aus. Zum anderen hätte auch in diesem Bereich nach unbestrittenem Vortrag der Beklagtenseite keine vorgezogene Altersgrenze für den Ruhestandseintritt in der Person des Klägers gegolten. Damit geht auch die Argumentation des Klägers fehl, dass der Wegfall der innerdeutschen Grenze und damit des eigentlichen Tätigkeitsbereichs des Klägers einen von diesem nicht zu vertretenden Umstand darstellt, der sich nicht zu dessen Lasten auswirken dürfe. In keinem Fall wäre der Kläger von einer vorgezogenen Altersgrenze für den Ruhestandseintritt betroffen gewesen, sodass er nicht unter den - „benachteiligten“ - Beamtenkreis zu fassen ist, zu dessen Gunsten die Vorschrift des § 12 Abs. 2 BeamtVG mit Wirkung vom 01.01.1992 in das Gesetz aufgenommen worden ist.
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b) Daraus ergibt sich auch kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Das vorkonstitutionelle Beamtenrecht enthielt keine Bestimmung, dass Ausbildungszeiten oder förderliche Vordienstzeiten zu einer Erhöhung des Ruhegehalts beitragen müssen. Der Gesetzgeber darf auch die für die Bemessung der Versorgungsbezüge maßgebenden Regelungen für die Zukunft zum Nachteil der Beamten ändern, wenn dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint und die Amtsangemessenheit gewahrt bleibt. Der Art. 33 Abs. 5 GG unterfallende Leistungsgrundsatz fordert lediglich, dass die Höhe des Ruhegehalts sowohl die zuletzt bezogenen Dienstbezüge als auch die Zahl der Dienstjahre widerspiegelt (BVerwG, U.v.28.02.2007, Az. 2 C 18.06, NVwZ-RR 2007, 469, beck-online).
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Gegen diese Grundsätze verstößt die von Klägerseite als anspruchsbegründend geltend gemachte Vorschrift des § 12 Abs. 2 BeamtVG erkennbar nicht. Im Gegenteil wird damit vielmehr dem eben dargestellten Grundsatz Rechnung getragen, dass - für die ohne die Regelung benachteiligten Beamten des Vollzugsdienstes - sämtliche Beamtinnen und Beamten, unabhängig von dem für sie geltenden Regelalter für den Ruhestandseintritt ein dem Leistungsgrundsatz entsprechendes Ruhegehalt erdienen können.
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Die Klage war somit abzuweisen.
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2. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
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4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.