Inhalt

LG Ansbach, Beschluss v. 11.10.2021 – 4 T 830/21
Titel:

Kein Aufwendungsersatz für einen Berufsbetreuer bei Grundstücksverkauf

Normenkette:
BGB § 1835 Abs. 3, § 1908i Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 1835 Abs. 3 BGB ist als Ausnahmefall restriktiv zu handhaben und daher nur gegeben, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die üblicherweise einem darauf spezialisierten Dritten übertragen wird und die nur zufällig der Betreuer aufgrund seiner speziellen Qualifikation selbst erledigen kann, d.h. wenn eine durchschnittliche, nicht betreute Person oder ein nicht spezialisierter Betreuer einen Fachmann beauftragt hätte. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Grundstückskaufverträge werden in der Regel auch von juristischen Laien ohne Beauftragung eines Rechtsanwalts abgeschlossen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsbetreuer, Rechtsanwalt, Aufwendungsersatz, Vergütung, Grundstückskaufvertrag
Vorinstanz:
AG Weißenburg, Beschluss vom 29.06.2021 – 407 XVII 285/19
Rechtsmittelinstanzen:
LG Ansbach, Beschluss vom 07.12.2021 – 4 T 830/21
VerfGH München, Entscheidung vom 20.09.2022 – Vf. 1-VI-22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57520

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Verfahrenspflegers wird der Beschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 29.06.2021, Az. 407 XVII 285/19, wonach dem Betreuer aus dem Vermögen der Betreuten eine Vergütung von 13.443,82 € bewilligt und festgesetzt wird, aufgehoben.
2. Die Beschwerde des Betreuers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 29.06.2021, Az. 407 XVII 285/19, wonach der über einen Betrag von 13.443,82 € hinausgehende Festsetzungsantrag zurückgewiesen wird, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
3. Der Antrag des Betreuers vom 26.5.2021 auf Festsetzung von-Aufwendungsersatz in Höhe von 29.548,56 € wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Die Betroffene steht seit 2010 unter Betreuung. Rechtsanwalt … ist als Betreuer mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Organisation der ambulanten Versorgung, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrages, Entgegennahme und Öffnen der Post sowie Vertretung in Ausbildungs- und Berufsangelegenheiten bestellt. Die Betroffene wurde durch den Tod ihrer Eltern in den Jahren 2001 bzw. 2015 Eigentümerin eines Grundstücks in …. Der Betreuer veranlasste die Teilung des Gesamtgrundstücks, holte ein Wertgutachten der DEKRA ein und verkaufte ein Teilgrundstück zum Preis von 1.993.200 €; das Wertgutachten war demgegenüber zu einem Wert von 1.330.000 € gekommen.
2
Der Betreuer beantragt, für seine Tätigkeit eine Vergütung i.H.v. 29.548,56 € festzusetzen. Wegen der Berechnung wird auf das Schreiben des Betreuers vom 28.12.2020 (Bl. 97 des Vergütungsheftes) Bezug genommen. Er führt hierzu aus, das ererbte Grundstück sei mit einem Doppelhaus bebaut; bei einem Verkauf des Hauses vor Ablauf der Wartefrist wäre es zu einer Nachbesteuerung gekommen, weshalb zunächst die Grundstücksteilung vorgenommen und nur der nicht mit dem Haus bebaute Teil verkauft wurde. Von den Mietern und Pächtern des zu verkaufenden Grundstücksteils sei eine Kaufinteressentin benannt worden, die den Erhalt des Gebäudebestandes angekündigt habe. Der Kaufpreis sei durch Angebote eines Bauträgers „hochgeschraubt“ worden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 26.5.2021, 19.7.2021 und 23.7.2021 Bezug genommen.
3
Das Amtsgericht hat der Betroffenen einen Verfahrenspfleger bestellt. Dieser tritt der beantragten Vergütung schon dem Grunde nach entgegen, da es sich bei den Tätigkeiten des Betreuers nicht um anwaltsspezifische Tätigkeiten gehandelt habe. Weiterhin erhebt er Einwendungen gegen die Vergütungshöhe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 11.5.2021, 9.6.2021 und 24.9.2021 Bezug genommen.
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Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. hat unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags durch Beschluss vom 29.6.2021 dem Betreuer Aufwendungsersatz in Höhe von 13.443,82 € bewilligt und festgesetzt.
5
Gegen diesen Beschluss haben der Verfahrenspfleger mit Schriftsatz vom 13.7.2021 und der Betreuer mit Schriftsatz vom 19.7.2021 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat beiden Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt.
II.
6
Die Beschwerden sind zulässig. Die Beschwerde des Betreuers ist jedoch unbegründet, diejenige des Verfahrenspflegers ist begründet.
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1. Obwohl der Betreuer vorliegend die Vermögenssorge innehat und damit den ihm zustehenden Betrag direkt dem Vermögen der Betroffenen entnehmen könnte, ist auch ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung zulässig (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Aufl., Rn. 1 zu § 1835). Ein solcher wurde hier im Schriftsatz vom 26.5.2021 gestellt.
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2. Nach §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1835 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Betreuer, wenn er zum Zwecke der Führung der Betreuung Aufwendungen macht, nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 von dem Betreuten Vorschuss oder Ersatz verlangen; dabei gelten nach § 1835 Abs. 3 BGB als Aufwendungen auch solche Dienste des Betreuers, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören.
9
Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 1835 Abs. 3 BGB ist als Ausnahmefall restriktiv zu handhaben. Denn seine ratio ist allein, dass der Betreute nicht davon profitieren soll, dass sein Betreuer aufgrund seiner Spezialkenntnisse etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise fremde Hilfe in Anspruch genommen hätte. Ein Anspruch ist daher nur gegeben, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die üblicherweise einem darauf spezialisierten Dritten übertragen wird und die nur zufällig der Betreuer aufgrund seiner speziellen Qualifikation selbst erledigen kann, d.h. wenn eine durchschnittliche, nicht betreute Person oder ein nicht spezialisierter Betreuer einen Fachmann beauftragt hätte. Sie muss sich von der übrigen Führung der Betreuung klar abgrenzen lassen. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass das Gericht bereits bei der Bestellung des Betreuers gem. § 1897 Abs. 1 BGB die Qualifikation des Betreuers berücksichtigt und diese sich gem. § 4 VBVG auf die Höhe der pauschalen Vergütung auswirkt. Ein zusätzlicher Anspruch aus § 1835 Abs. 3 BGB besteht daher nur, wenn es sich um Leistungen im Kernbereich der jeweiligen speziellen Dienste handelt. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Anwalt ein Mahnschreiben verfasst, einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellt, den Unterhalt des Betreuten regelt oder einen (einfachen) Vertrag zur Erbauseinandersetzung verfasst (Jurgeleit, Betreuungsrecht, 4. Aufl., Rn. 22 zu § 1835 BGB). Zusammengefasst wird eine Vergütung des anwaltlichen Vormunds (Betreuers, Pflegers, Verfahrenspflegers) nach § 1835 Abs. 3 i.V.m. dem RVG stets, aber auch nur geschuldet, wenn ein nicht-anwaltlicher Vormund (Betreuer, Pfleger, Verfahrenspfleger) bei sachgerechter Arbeitsweise seinerseits einen Rechtsanwalt beauftragt hätte (Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Rn. 48 zu § 1835; Staudinger, BGB, Neubearb. 2020, Rn. 59 zu § 1835).
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Bei der Prüfung, ob einem (hier als Betreuer tätigen) Anwalt eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 RVG i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB zusteht, sind (nach LG Mainz NJW-RR 2006, 1444; in der Sache ging es um ein Mietkündigungsverfahren) strenge Maßstäbe anzulegen. Dabei ist zu beachten, dassjede Betreuung (…) ihrer Natur nach Rechtshandlungen erforderlich macht, die auch von Personen ohne juristische Kenntnisse und Ausbildung übernommen werden. So müssen Nichtjuristen grundsätzlich in der Lage sein, entsprechende Aufgaben, die keine, besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen, ohne Einschaltung eines Anwalts zu bewältigen (LG Mainz NJW-RR 2006, 1444). Der zum Verfahrenspfleger in einer Unterbringungssache bestellte Rechtsanwalt kann seine Tätigkeit nur dann als berufsspezifische Dienstleistung nach dem RVG abrechnen, wenn ein Laie als Verfahrenspfleger anwaltlichen Rat gesucht hätte (Staudinger, a.a.O., Rn. 63).
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Im vorliegenden Fall hätte nach Auffassung der Kammer auch ein juristischer Laie die mit dem Grundstücksverkauf zusammenhängenden Aufgaben bewältigt, ohne einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
12
Grundstückskaufverträge werden in der Regel auch von juristischen Laien ohne Beauftragung eines Rechtsanwalts abgeschlossen. Eine Betrachtung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles führt nicht zu dem Ergebnis, dass dies vorliegend anders gewesen wäre. Der den Anlass des Verkaufs bildende kontinuierliche Geldbedarf der Betroffenen war dem Betreuer aus seiner Tätigkeit bekannt. Mangels anderer Vermögenswerte lag es auf der Hand, diesen durch Verkauf des Grundstücks zu befriedigen. Die erbschaftssteuerliche, Problematik ergibt sich aus dem Bescheid des Finanzamtes Kaufbeuren v. 24.11.2017 (Bl. 809 d.A.), welcher dem Betreuer aus seiner Tätigkeit ebenfalls bekannt war. Dieser Problematik durch eine Teilung des Grundstücks zu begegnen, liegt nahe. Die Käuferin wurde durch die Mieter/Pächter des verkauften Grundstücks benannt. I. Ü. wäre die Suche nach einem Käufer auch eher eine Makler- als eine Anwaltstätigkeit. Die Einholung eines Wertgutachtens geht auf entsprechende Aufforderungen des Amtsgerichts zurück. Die Beauftragung eines Gutachters stellt zudem ebenfalls keine anwaltsspezifische Tätigkeit dar, sondern wird auch von juristischen Laien - etwa nach Verkehrsunfällen - täglich durchgeführt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass der Kaufvertrag durch den beurkundenden Notar gefertigt wurde. Der Vertragsinhalt entspricht im Wesentlichen demjenigen, was den Mitgliedern der Kammer aus anderen Grundstückskaufverträgen bekannt ist, und lässt besondere rechtliche Schwierigkeiten nicht erkennen. Bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände gelangt die Kammer daher zu dem Ergebnis, dass ein Nicht-Jurist für den vorliegenden Vertragsabschluss keinen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte; sie schließt sich damit der Beurteilung des OLG München (Beschluss vom 22.4.2009 - 33 Wx 85/09) an, wonach der Abschluss eines Immobilienkaufvertrags, der im Wesentlichen die in solchen Fällen üblichen Regelungen enthält und keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, keine Vergütung gem. § 1835 Abs. 3 BGB rechtfertigt. Allein der Umfang der Tätigkeit, welche nach Vorbringen des Betreuers einen Ordner füllt und sich über ein Jahr hinzog, ändert hieran nichts.
13
Die Beschwerde des Betreuers war daher zurückzuweisen, während auf die Beschwerde des Verfahrenspflegers hin der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. aufzuheben war.
14
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
15
4. Ein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.