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LG Ingolstadt, Endurteil v. 03.09.2021 – 31 O 3930/20 Die
Titel:

Keine Haftung des Automobilherstellers wegen Verwendung eines Thermofensters

Normenkette:
BGB § 826
Leitsatz:
Ein in die Motorsteuerung eines Fahrzeugs integriertes Thermofenster vermag keinen Schadensersatzanspruch auszulösen. Dabei kann dahinstehen, ob das Thermofenster objektiv eine unzulässige Abschalteinrichtung ist und welchen genauen Temperaturbereich das Thermofenster umfasst. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer für den Bestand eines Anspruchs nach § 826 BGB erforderlichen sittenwidrigen Handlung des Herstellers. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Motorsteuerung, Rückruf
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 05.09.2022 – 8 U 6927/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 18.06.2025 – VIa ZR 1410/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57494

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss 
Der Streitwert wird auf 38.708,54 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagens durch den Kläger.
2
Am 19.06.2015 erwarb der Kläger von der Auto xxx einen Gebraucht-Pkw xxx) zum Preis von 45.899 € bei einem Kilometerstand von 18.432. Am 07.07.2021 hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 114.626 km. Der Kläger finanzierte den Kaufpreis. Dabei sind ihm Kosten von 1.328,97 € entstanden. Von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) wegen des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist das Fahrzeug nicht betroffen.
3
Der Kläger behauptet, der Motor des Fahrzeugs sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, die bewirke, dass der tatsächliche NOx-Ausstoß des Fahrzeugs wesentlich höher sei, als es der Typgenehmigung des KBA zugrunde liege.
4
Der Kläger meint, ihm stünde daher ein deliktischer Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Beklagte sei zur Rückabwicklung des Kaufvertrags verpflichtet.
5
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 45.899,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 9.848,40 zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von EUR 1328,97 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges xxxx mit der Fahrgestellnummer xxxx zu zahlen
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 04.08.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2-373,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.08.2020 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
7
Die Beklagte trägt vor, das klägerische Fahrzeug sei nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Sie meint daher, es bestünden ihr gegenüber keine klägerischen Ansprüche.
8
Das Gericht hat den Kläger angehört. Wegen des Inhalts der Angaben des Klägers wird auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 07.07.2021 Bezug genommen. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein klägerischer Anspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten besteht nicht.
10
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen. Dies ist insoweit unstreitig. Das Fahrzeug unterlag allerdings einer unter Mitwirkung des KBA veranlassten „freiwilligen Servicemaßnahme Software-Update-Dieselmotoren“ der Beklagten. Dieser Maßnahme und den gerichtsbekannten Erläuterungen der Beklagten hierzu in einem Schreiben vom Oktober 2019 kann entnommen werden, dass die Beklagte als „freiwillige und kostenlose Servicemaßnahme“ die „Reduzierung der Stickoxidemissionen“ des klägerischen Fahrzeugs anbietet. Daraus kann lediglich gefolgert werden, dass der Motor des klägerischen Fahrzeugs über das Potenzial der Reduzierung von Schadstoffemissionen verfügt, nicht aber, dass geltende Normen zur Schadstoffemission des Fahrzeugs vor der oder ohne die Durchführung der „Servicemaßnahme“ unter Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen verletzt worden wären.
11
Ein in die Motorsteuerung des klägerischen Fahrzeugs integriertes Thermofenster vermag ebenfalls keinen klägerischen Anspruch auszulösen. Dabei kann dahinstehen, ob das Thermofenster objektiv eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EGVO 715/2017 ist und welchen genauen Temperaturbereich das Thermofenster umfasst. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer für den Bestand eines Anspruchs nach § 826 BGB erforderlichen sittenwidrigen Handlung der Beklagten. Das Gericht schließt sich dabei der Rechtsauffassung des OLG München in den Beschlüssen vom 23.01.2020 (21 U 5123/19) und 07.01.2020 (21 U 6084/19) an. Wegen „der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO 2007/715-EG kann aus einer möglicherweisen fehlerhaften Gesetzesauslegung und „Anwendung durch die Organe der Beklagten“ kein Rückschluss auf jedenfalls subjektiv vorsätzlich sittenwidriges Handeln der Beklagten gezogen werden.
12
Der weitere klägerische Vortrag zur Nutzung unzulässiger Abschaltvorrichtungen durch die streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers nicht hinreichend konkret um den Beweis zu erbringen, auch dieser Pkw sei von den Manipulationen erfasst oder um eine entsprechende Beweisaufnahme auszulösen.
13
Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des OLG München in dem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss vom 18.01.2021 (Az. 21 U 5065/20) an.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung vor vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.