Titel:
Rückwirkende Zahlung der Polizeizulage
Normenketten:
BayBesG Art. 2 Abs. 2 Nr. 3, Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 13, Art. 34 Abs. 2, Art. 82, Art. 83 Abs. 1 S. 1
BGB § 199, § 214, § 242
Leitsätze:
1. Es steht grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn, ob er die Einrede der Verjährung erhebt. Er ist aber zur Erhebung der Einrede regelmäßig aus Gründen der sparsamen Haushaltsführung, die etwa in Art. 7, 58 und 59 der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern zum Ausdruck kommt, verpflichtet. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nur ausnahmsweise steht der Erhebung der Einrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Dies kommt lediglich unter besonderen Umständen in Betracht. Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ist dem Dienstherrn eine Berufung auf Verjährung verwehrt, wenn dies eine unbillige Härte für den Beamten bedeuten und er dadurch in eine ernste finanzielle Notlage geraten würde. Ferner kann die Erhebung der Einrede rechtmissbräuchlich sein, wenn dem Dienstherrn ein qualifiziertes Fehlverhalten zur Last fällt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Polizeizulage, Verjährung, Rechtsmissbräuchliches Berufen (hier verneint), Keine Hinweispflicht auf Höhe der Polizeizulage, rechtsmissbräuchliches Berufen, Hinweispflicht, Polizeibeamter, Beamter, Besoldung, fehlerhafte Eintragung, Lohnartenschlüssel, Sonderzahlung, Bemessungsgrundlage, rechtsmissbräuchlich, Treu und Glauben, Fürsorgepflicht, unbillige Härte, Unterlassen, Massenvorgänge, Belehrungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57327
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die rückwirkende Zahlung der sog. Polizeizulage für den Zeitraum vom ... Juli 2012 bis … Dezember 2017.
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Der Kläger trat zum … Juli 2011 in den Polizeivollzugsdienst des Freistaates Bayern ein. Vom ... Juli 2011 bis zum … Juni 2012 absolvierte der Kläger die polizeifachliche Unterweisung. Seit dem ... Juli 2012 war er Kriminaloberkommissar (Besoldungsgruppe A 11), seit dem ... Januar 2013 Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 12). Auf der Bezügemitteilung für die Rückrechnungs-Periode 07/2012 vom … Juli 2012 ist die „Polizeizulage n.DZ v. 1J“ in Wort und Betrag vermerkt. Sie wurde auch tatsächlich in der angegebenen Höhe ausbezahlt. In der Folgezeit wurde die Polizeizulage jedoch nicht mehr ausbezahlt.
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Nach telefonischer Rückfrage des Klägers am … Juni 2021 überprüfte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - die Bezügeakte des Klägers und die Eintragungen im SAP-System VIVA. Dabei stellte sich heraus, dass die „Polizeizulage n.DZ v. 2J“ zwar seit ... Juli 2013 im Datensatz Infotyp 0008 (Basisbezüge) beim Kläger vermerkt war, jedoch statt des korrekten Lohnartschlüssels 0B02 der Lohnartschlüssel 7B02 eingetragen war, der für die Versorgung anwendbar ist. Dies hatte zur Folge, dass die Polizeizulage nicht in Wort und Betrag auf der Bezügemitteilung ausgewiesen und auch nicht ausbezahlt wurde. Sie wurde auch nicht bei der Bemessung der jährlichen Sonderzahlung berücksichtigt.
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Das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - zahlte daraufhin die Polizeizulage sowie den darauf entfallenden Anteil der jährlichen Sonderzahlung für den Zeitraum ... Januar 2018 bis … Juli 2021 nach und erhob für die Zeiträume vor dem … Januar 2018 die Einrede der Verjährung (Bezügemitteilung August 2021).
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Der Kläger bat das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - mit Schreiben vom … Juli 2021 um Aufklärung dieses Vorgangs. Er wollte insbesondere wissen, wie es zu der fehlerhaften Eintragung gekommen und weshalb der Fehler später nicht aufgefallen sei. Mit Schreiben vom … Juli 2021 teilte das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - dem Kläger im Wesentlichen mit, es sei nicht mehr feststellbar, wie es zu dieser fehlerhaften Eintragung gekommen sei. Dass der falsche Lohnartschlüssel eingetragen gewesen sei, sei in dem betreffenden Datensatz Infotyp 0008 nicht ohne Weiteres ersichtlich. Das System habe auch keine Fehlermeldung ausgeworfen.
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Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom ... August 2021 Widerspruch ein. Er beantragte die Nachzahlung der Polizeizulage für den Zeitraum vom ... Juli 2012 bis zum … Dezember 2017 und führte insbesondere aus, der Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Zum einen sei dem Kläger zwar die Existenz, aber nicht die Höhe der Polizeizulage bekannt gewesen. Der Dienstherr habe ihn darüber nicht belehrt und es sei ihm nur schwer möglich gewesen, sich selbst darüber Kenntnis zu verschaffen. Dass er überhaupt keine Polizeizulage erhalten habe, habe er nicht bemerkt, weil er die in der Bezügemitteilung als „DKZ/KG Polizei“ ausgewiesene Zulage irrtümlich für die Polizeizulage gehalten habe. Zum anderen falle dem Beklagten ein qualifiziertes Fehlverhalten zur Last. Nicht nur sei ein unrichtiger Lohnartschlüssel eingetragen worden, sondern dies sei auch bei weiteren Änderungen der Bezügedaten des Klägers nicht bemerkt worden. Auch die eingesetzte Software führe keine Plausibilitätsprüfung durch. Insgesamt fehle es bei dem Beklagten an einer ausreichenden Qualitätssicherung.
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Mit Leistungswiderspruchsbescheid vom … August 2021, der dem Kläger am … August 2021 zugestellt wurde, wies das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - den Widerspruch des Klägers zurück und erhielt die Einrede der Verjährung aufrecht. Es führt insbesondere aus, die besoldungsrechtliche Verjährung trete kenntnisunabhängig ein. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei nicht rechtsmissbräuchlich, da den Beklagten kein qualifiziertes Fehlverhalten treffe. Es liege ein Fall der bloßen Falschberechnung vor. Auch aus Gründen der Fürsorgepflicht ergebe sich nichts Anderes.
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Mit Schriftsatz vom 22. September 2021, eingegangen bei Gericht am 24. September 2021, hat der Kläger Klage erhoben und sinngemäß beantragt,
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Der Leistungswiderspruchsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom … August 2021 wird aufgehoben.
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Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.989,60 € zu zahlen.
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Der Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Über die bereits in dem Widerspruchsschreiben vom … August 2021 vorgetragene Begründung hinaus führt der Kläger aus, die Verjährungsregeln führten zu einer Ungleichbehandlung zwischen Nachzahlungsansprüchen des Beamten und Rückzahlungsansprüchen des Dienstherrn, da letztere erst nach zehn Jahren verjährten.
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Das Landesamt für Finanzen hat für den Beklagten beantragt,
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Die Verjährung trete im Besoldungsrecht kenntnisunabhängig ein. Falls der Kläger vom Dienstherrn nicht über die Höhe der Polizeizulage informiert worden sei, sei dies unerheblich, da auch aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht keine allgemeine Belehrungspflicht fließe. Ferner könne von einem Beamten erwartet werden, dass er sich um Besoldungsangelegenheiten, die in seinem ureigenen Interesse lägen, selbst bemühe. Die Höhe der Polizeizulage wäre für den Kläger leicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Die Berufung des Klägers auf die Einrede der Verjährung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Ein qualifiziertes Fehlverhalten des Beklagten liege nicht vor. Da der Dienstherr nicht zur Belehrung über die Höhe der Zulage verpflichtet gewesen sei, könne der Kläger aus dem Umstand, dass diese unterblieben sei, nichts herleiten. Die vom Kläger behauptete Ungleichbehandlung bestehe nicht, da auch die Rückforderungsansprüche des Dienstherrn regelmäßig binnen drei Jahren verjährten.
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 9. Oktober 2021 ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, ebenso das Landesamt für Finanzen mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
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2. Das klägerische Begehren war durch Auslegung zu ermitteln (§ 88 VwGO), da die Klageschrift keinen bestimmten Antrag enthält. Aus der „Betreffzeile“ der Klageschrift ergibt sich, dass der Kläger die Aufhebung des Leistungswiderspruchsbescheids des Landesamts für Finanzen vom … August 2021 begehrt. Aus der Angabe des Gegenstandes der Klage sowie der Gerichtsakte und der beigezogenen Bezügeakte - insbesondere dem Schriftverkehr zwischen dem Kläger und dem Landesamt für Finanzen - folgt, dass der Beamte überdies die Nachzahlung der Polizeizulage gemäß Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) für den Zeitraum vom ... Juli 2012 bis zum … Dezember 2017 begehrt. Das Interesse des Klägers geht ersichtlich dahin, sämtliche ihm zustehende Bezügebestandteile zu erhalten, die ihm infolge der fehlerhaften Eintragung des Lohnartenschlüssels entgangen sind, mithin auch den auf die Polizeizulage entfallenden Anteil an der jährlichen Sonderzahlung.
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3. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Leistungswiderspruchsbescheid vom … August 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Polizeizulage und des darauf entfallenden Anteils an der jährlichen Sonderzahlung für den Zeitraum vom ... Juli 2012 bis zum … Dezember 2017.
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Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Polizeizulage für den geltend gemachten Zeitraum ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 und Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG. Er ist gemäß Art. 34 Absatz 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V. m. Anlage 4 zum BayBesG erstmals nach einer Dienstzeit von einem Jahr entstanden. Da der Kläger mit Wirkung zum … Juli 2011 in den Polizeivollzugsdienst beim Freistaat Bayern eingetreten ist, ist der Anspruch auf die Polizeizulage nach einer Dienstzeit von einem Jahr erstmalig zum ... Juli 2012 entstanden und bestand jedenfalls bis einschließlich … Dezember 2017.
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a) In dem vom Kläger angegebenen Zeitraum hätte ihm ein Anspruch auf Zahlung der Polizeizulage in Höhe von insgesamt 8.989,60 € zugestanden.
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Da die Polizeizulage gemäß Art. 83 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 und Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG auch in die Bemessungsgrundlage der jährlichen Sonderzahlung (Art. 82 BayBesG) einzubeziehen gewesen wäre, und zwar gem. Art. 83 Abs. 2 Nr. 1 BayBesG zu 70 vom Hundert, hätte dem Kläger auch eine höhere Sonderzulage zugestanden. Das Landesamt für Finanzen hat hierzu eine Streitwertberechnung (in Form einer Simulation der Bezügemitteilung 12/2021 für den Zeitraum …8.2012 bis …12.2017) vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Polizeizulage insoweit auch für die Berechnung der Sonderzahlung entsprechend zugrunde gelegt wurde. Dazu kommt der Betrag für Juli 2012 in Höhe von 68,68 € (Polizeizulage 64,90 € zuzüglich Anteil an der Sonderzulage von 3,78 €). Das ergibt einen Gesamtbetrag der hier streitgegenständlichen Polizeizulage im Zeitraum vom ... Juli 2012 bis … Dezember 2017 von insgesamt 8.989,60 €.
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b) Der Anspruch auf die Polizeizulage für den Monat Juli 2012 ist durch Erfüllung erloschen. Für den Monat Juli 2012 war erstmals eine Polizeizulage nach einer Dienstzeit von einem Jahr in Höhe von 64,90 € geschuldet. Das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - hat in der Bezügemitteilung vom 12. Juli 2021 die „Polizeizulage n.DZ v. 1J“ in Höhe von 64,90 € ausgewiesen und diesen Betrag ausgezahlt. Die Polizeizulage wurde für diesen Monat erstmalig, aber auch lediglich einmalig ausbezahlt. Der Kläger hat dies nicht bestritten, seine Klage insoweit aber auch nicht zurückgenommen.
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Soweit die Polizeizulage für den Monat Juli 2012 ausbezahlt wurde, wurde sie auch bei der Bemessung der jährlichen Sonderzulage für das Jahr 2012 berücksichtigt. Somit ist auch der Anspruch auf Nachzahlung der Sonderzulage in Höhe von 3,78 € erloschen.
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c) Im Übrigen ist der Anspruch nicht durchsetzbar, da ihm die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (Art. 13 Satz 3 BayBesG i.V. m. § 214 des Bürgerlichen Gesetzbuches/BGB) entgegensteht. Die Berufung des Beklagten auf Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich.
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aa) Die Verjährung von Ansprüchen auf Besoldung, zu der gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. Art. 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBesG auch die Polizeizulage gehört, richtet sich für alle ab dem 1. Januar 2011 entstandenen Besoldungsansprüche nach Art. 13 BayBesG (vgl. Art. 108 Abs. 6 BayBesG). Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt gemäß Art. 13 Satz 1 BayBesG drei Jahre. Sie beginnt gemäß Art. 13 Satz 2 BayBesG mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Im Übrigen sind die §§ 194 bis 218 BGB entsprechend anzuwenden (Art. 13 Satz 3 BayBesG). Diese Verjährungsfristen gelten nach dem eindeutigen Wortlaut auch für den Beklagten. Es trifft nicht zu, dass - wie vom Kläger vorgetragen - insoweit eine Frist von zehn Jahren gelten soll.
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Nach dem Wortlaut des Art. 13 Satz 2 BayBesG beginnt die Verjährung von Ansprüchen auf Besoldung mit Schluss des Jahres der Anspruchsentstehung. Da Art. 13 Satz 3 BayBesG nur „im Übrigen“ auf die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften verweist, kommt es nicht - nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - darauf an, ob der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Diese Auslegung wird gestützt durch den Willen des Gesetzgebers und die Erfordernisse der Praktikabilität und Rechtssicherheit (BayVGH, B.v. 8.4.2019 - 3 ZB 18.710 - juris Rn. 4; VG München, U.v. 20.2.2018 - M 5 K 17.3172 - juris Rn. 17 f.; Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht, Stand: Juli 2021, Art. 13 BayBesG Rn. 16).
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Demnach ist die Verjährungsfrist hinsichtlich der Ansprüche aus dem Jahr 2017 zum 31. Dezember 2020 abgelaufen, hinsichtlich der Ansprüche aus den Vorjahren entsprechend früher. Verjährungsunterbrechende Umstände sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger nicht vorgetragen, mit seinem Dienstherrn bereits vor dem Jahr 2021 in Verhandlungen (vgl. § 203 BGB) getreten zu sein, sondern - ganz im Gegenteil - behauptet, erst im Jahr 2021 überhaupt davon erfahren zu haben, dass ihm die Polizeizulage nicht ausbezahlt worden ist.
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bb) Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung gemäß Art. 13 Satz 3 BayBesG i.V. m. § 214 BGB mit Recht erhoben. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
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Es steht grundsätzlich im Ermessen des Dienstherrn, ob er die Einrede der Verjährung erhebt. Er ist aber zur Erhebung der Einrede regelmäßig aus Gründen der sparsamen Haushaltsführung, die etwa in Art. 7, 58 und 59 der Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung - BayHO) zum Ausdruck kommt, verpflichtet (BayVGH, B.v. 22.3.2016 - 3 ZB 13.804 - juris Rn. 7; VG München, Gerichtsbescheid v. 29.1.2018 - M 21 K 17.2886 - juris Rn. 23; U.v. 20.2.2018 - M 5 K 17.3172 - juris Rn. 20).
31
cc) Nur ausnahmsweise steht der Erhebung der Einrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Dies kommt lediglich unter besonderen Umständen in Betracht. Unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht ist dem Dienstherrn eine Berufung auf Verjährung verwehrt, wenn dies eine unbillige Härte für den Beamten bedeuten und er dadurch in eine ernste finanzielle Notlage geraten würde (BayVGH, B.v. 13.1.2011 - 3 ZB 07.3411 - juris Rn. 3). Ferner kann die Erhebung der Einrede rechtmissbräuchlich sein, wenn dem Dienstherrn ein qualifiziertes Fehlverhalten zur Last fällt (BVerwG, U.v. 25.11.1982 - 2 C 32/81 - BVerwGE 66, 256, juris Rn. 16 m. w. N.; BayVGH, B.v. 13.1.2011 - 3 ZB 07.3411 - juris Rn. 3; vgl. auch Kathke, in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht, Stand: Juli 2021, § 3 BBesG Rn. 61). Ein solches liegt insbesondere vor, wenn der Dienstherr - wenn auch nicht schuldhaft - bei dem Beamten den Eindruck erwecke, er werde leisten, und den Beamten so zur Unterlassung verjährungsunterbrechender Schritte veranlasst hat. Auch ein pflichtwidriges Unterlassen kann ein qualifiziertes Fehlverhalten darstellen. Nicht ausreichend ist aber eine bloß unrichtige Sachbehandlung oder eine schlichte Falschberechnung.
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Weder für ein aktives qualifiziertes Fehlverhalten noch für ein pflichtwidriges Unterlassen gibt es hier hinreichende Anhaltspunkte. Der Beklagte hat den Kläger nicht durch aktives Tun dazu veranlasst, keine verjährungsunterbrechenden Schritte zu unternehmen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beklagte aktiv dazu beigetragen hat, dass dem Kläger sein Anspruch unbekannt geblieben ist, oder den Kläger daran gehindert hat, seinen Anspruch geltend zu machen. Die Eingabe des falschen Lohnartenschlüssels ist vielmehr ein Fall der schlichten unrichtigen Sachbehandlung.
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Auch ein pflichtwidriges Unterlassen seitens des Beklagten ist nicht gegeben. Zum einen nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Beklagte die Korrektur des Lohnartschlüssels unterlassen hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Angabe des falschen Lohnartschlüssels im System im Nachhinein nicht ohne weiteres ersichtlich war und auch auf die telefonische Nachfrage des Klägers erst nach gründlicherer Prüfung auffiel. Im Bereich der Besoldung hat die Verwaltung Massenvorgänge zu bewältigen. Insbesondere eine anlasslose Nachprüfung einzelner Bezügemitteilungen durch die Besoldungsbehörde kann nicht erwartet werden. Ein pflichtwidriges Unterlassen besteht ferner nicht darin, dass der Beklagte den Kläger nicht über die ihm zustehenden Bezüge dem Grunde und der Höhe nach informiert hat. Aus der Fürsorgepflicht (§ 45 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) lässt sich eine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten auch ungefragt über die sich aus dem Dienstverhältnis ergebenden Rechtsfragen zu belehren, nicht herleiten, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann (BVerwG, U.v. 30.1.1997 - 2 C 10/96 - BVerwGE 104, 55, juris Rn. 16). So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hätte seine Bezügemitteilungen selbst sorgfältig nachprüfen und auf mögliche Fehler durchsehen müssen. Das ist jedenfalls einem Beamten der 3. Qualifikationsebene zumutbar. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass er von der Existenz der Polizeizulage wusste, lediglich die Höhe sei ihm nicht bekannt gewesen. Er ging offenbar irrig davon aus, bei dem Posten „DKZ/KG Polizei“ handle es sich um die Polizeizulage. Dieser Irrtum fällt ihm jedoch selbst zur Last. Dies zum einen deshalb, weil die Zulage in der Bezügemitteilung vom … Juli 2012 korrekt angegeben war. Zum anderen hätte er sich ohne Weiteres - z. B. im Internet oder durch Rückfrage beim Landesamt für Finanzen - über die Höhe der Polizeizulage und die Bedeutung des Kürzels „DKZ/KG Polizei“ informieren können.
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Besondere Umstände, die gleichwohl eine Belehrungspflicht hätten auslösen können - z. B. dass eine Belehrung üblicherweise erfolgt (BayVGH, B.v. 13.1.2011 - 3 ZB 07.3411 - juris Rn. 4; BVerwG, U.v. 30.1.1997 - 2 C 10/96 - BVerwGE 104, 55, juris Rn. 16) oder der Beamte sich für den Dienstherrn erkennbar in Irrtum befindet (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 - VI C 105.74 - BVerwGE 52, 70, juris Rn. 30 ff.) - sind hier nicht ersichtlich. Der Kläger hat zwar in seinem Schreiben an das Landesamt für Finanzen - Dienststelle A.. … - vom 5. August 2021 (Bl. 131-132 d. Beiakten) ausgeführt, inzwischen enthielten die Stellenausschreibungen des Polizeipräsidiums München einen Hinweis auf die Polizeizulage. Dafür, dass im Jahr 2011 bereits eine Verwaltungspraxis bestand, in den Stellenausschreibungen über die Stellenzulage zu informieren, hat er indes nichts vorgetragen und ist ansonsten auch nichts ersichtlich. Im Übrigen hat der Kläger selbst eingeräumt, von der Existenz der Polizeizulage gewusst und nur ihre Höhe nicht gekannt zu haben. Insofern wäre als ein bloßer Hinweis auf die Existenz der Zulage ins Leere gelaufen.
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Auch im Übrigen steht die Fürsorgepflicht der Erhebung der Einrede nicht entgegen. Für die Annahme einer unbilligen Härte hat der Kläger nichts vorgetragen. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
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4. Da der Kläger in vollem Umfang unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO.