Titel:
zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Homosexualität
Normenketten:
AsylG § 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Wer politische Verfolgung wegen seiner Homosexualität geltend macht, muss seine eigene Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen glaubhaft machen; dabei erschöpft sich diese Distanzierung nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung, sondern erfordert - gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld - einen Prozess des „inneren Ringens“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, unglaubhaft, Uganda, Glaubhaftmachung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57324
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1989 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am … Oktober 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … November 2014 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung trug er vor, dass er wegen seiner Homosexualität das Land verlassen habe. Er habe schon in der S. school einen Freund gehabt, mit dem er homosexuelle Handlungen ausgeführt habe. Als er ein Geschäft eröffnet habe, habe er die Tätigkeit auch seinem Freund beigebracht. Sie seien auch später zusammengezogen. Die Leute hätten aber gedacht, dass sie Geschäftspartner wären. Als der Präsident im Februar 2014 ein Gesetz unterschrieben habe, dass homosexuelle Handlungen mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden können, sei sein Freund drei Tage vor dem Kläger aus Uganda ausgereist. Nachdem sein Freund ausgereist sei, hätten Mitglieder der K. bei ihm geklopft. Diese Gruppierung trete immer in zivil auf und forsche unter anderem Homosexuelle aus. Er sei dann sofort geflohen. Er habe seine Schwester getroffen, die ihm gesagt habe, dass die K. wieder zu seinem Haus kommen würden. Da er in ganz Uganda als Homosexueller nicht sicher sei, sei er ausgereist.
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Mit Bescheid vom … Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde der Klagepartei am … Mai 2017 zugestellt.
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Am 26. Mai 2017 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Mai 2017 wird in den Ziffern 1. und 3. bis 6. aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen,
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hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vorliegen,
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hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG hinsichtlich Ugandas vorliegen.
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Der Kläger sei homosexuell und Mitglied bei Sub e.V.. Er habe in Uganda bereits in asylerheblicher Weise Verfolgung erlitten.
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Die Beklagte hat die Akte vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 6. Dezember 2021 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 6. Dezember 2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Der Kläger hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der Vortrag des Klägers, er befürchte eine Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert - gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Die Angabe, dass er homosexuelle Praktiken bei seinem Onkel als Heranwachsender gesehen habe und diese dann ab einem Alter von 18 Jahren praktiziert habe, wirkt konstruiert, oberflächlich und aufgesetzt. Hierzu muss der Kläger von sich aus nähere entsprechende Angaben machen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht ansatzweise vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.). Der Kläger konnte auch wiederholte Nachfragen durch das Gericht keine schlüssige Begründung dafür geben, warum er seine angebliche Homosexualität ausgelebt haben will, obwohl das in Uganda einen Tabubruch bedeutet. Die Angabe, „wenn man das mag, muss man das machen“, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Das gilt auch für den Erklärungsansatz, dass er sich nach dem neuen Verbotsgesetz betreffend Homosexualität im Jahr 2013 „schlecht gefühlt“ habe und er deswegen das Land habe verlassen müssen. Denn nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen schon seit Jahrzehnten sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“; vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an BAMF vom 1.2.2012). Schließlich unterzeichnete der Präsident Ugandas erst am 24. Februar 2014 ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (siehe hierzu insgesamt unten unter b). Auch der Vortrag, dass Homosexualität bis zum Verbot Jahr 2013 in Uganda „normal“ gewesen sei, „das sei kein großes Problem gewesen“, „vor 2013 sei das in der Gesellschaft nicht so hoch gehängt“ gewesen, überzeugt in keinster Weise. Denn die Gesellschaft in Uganda begegnete den seit 1950 strafbewehrten homosexuellen Handlungen ablehnend (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Karlsruhe vom 3. April 2014; Auskunft an BAMF vom 1.2.2012).
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Zudem hat der Kläger bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, mit seinem Freund auf der S. School homosexuelle Handlungen ausgeführt habe, in der mündlichen Verhandlung aber angegeben, diese Schule mit 17 Jahren verlassen zu haben und erst mit 18 Jahren homosexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Die hierfür gegebene Erklärung, dass er etwas durcheinandergebracht habe, überzeugt nicht. Der zu Beginn der mündlichen Verhandlung gab der Kläger ausdrücklich an, vor dem Alter von 18 Jahren homosexuelle Handlungen bei seinem Onkel mitbekommen zu haben, diese selbst aber ausdrücklich erst ab dem 18. Lebensjahr vorgenommen zu haben. Auf Nachfrage gab der Kläger schließlich an, dass er die Schule im Alter von 17 Jahren verlassen habe. Die Angabe vor dem Bundesamt, mit seinem Freund bereits auf der Schule sexuelle Handlungen ausgeführt zu haben, passt zu diesem Vortrag nicht. Denn dann hätte er entsprechende Handlungen vor dem 18. Lebensjahr praktiziert, was er zuvor ausdrücklich anders angegeben hatte. Der Erklärungsversuch, er habe etwas „vergessen“ und „durcheinandergebracht“, wirkt plump und aufgesetzt.
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Die von der Klagepartei vorgetragene Anbindung an eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät (Sub e.V.), kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan.
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In der Gesamtschau wirkt der Vortrag der angeblichen Homosexualität äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt. Entsprechend sind die von der Klagepartei vorgelegten Berichte über die Situation homosexueller Menschen in Uganda für das vorliegende Klageverfahren nicht relevant.
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b) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen in Uganda unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
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Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 - RN 1 K 17.32818 - juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom … Mai 2017 verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
23
d) Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
25
Zur weiteren Begründung wird auf den bereits zitierten Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
26
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.