Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.12.2021 – M 5 E 21.4564
Titel:

Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs nur bei Beförderungsdienstposten, hier: verneint

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
GG Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 9
Leitsätze:
1. Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist nicht verletzt, wenn es sich bei dem Dienstposten nicht um einen "Beförderungsdienstposten" handelt (hier: sowohl der bisherige Dienstposten der ausgewählten Bewerberin als auch der streitgegenständliche ist den Besoldungsgruppen A16/B3 zugeordnet). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Dienstposten hat auch keine "Trittsteinfunktion", wenn für eine Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A16 der Einsatz eines Beamten auf dem Dienstposten nicht erforderlich ist (hier: die ausgewählte Bewerberin konnte auch auf ihrer bisherigen Stelle nach A16/B3 befördert werden). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Stellenbesetzung, Beförderungsbewerber (Antragstellerin), Umsetzungsbewerber (Beigeladene), Anordnungsgrund (verneint), Dienstpostenkonkurrenz, einstweilige Anordnung, Beförderungsbewerber, Umsetzungsbewerber, Anordnungsgrund, Trittsteinfunktion, Bewerbungsverfahrensanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57313

Tenor

I. Regierungsdirektorin … … …, … straße … … …, wird beigeladen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert wird auf 26.316,39 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin (geboren 1968) steht als Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) in Diensten des Antragsgegners. Die konkrete Dienstverrichtung erfolgt im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (im folgenden „Ministerium“).
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Per E-Mail an alle Bediensteten des Ministeriums informierte das Ministerium über den Ministerialerlass vom 17. August 2021 Geschäftszeichen ..., in welchem der Staatsminister unter anderem verfügte:
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„Die Geschäftsverteilung wird wie folgt geändert:
1. Änderung im Bereich des Leitungsstabs:
1.4 Referat LS.2 …
Die Leitung des Referats LS.2 wird (der Beigeladenen) übertragen (1.9.2021)“
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Die Entscheidung über die Besetzung der Leitung des Referats LS.2 ist ohne Ausschreibung erfolgt.
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Die Beigeladene steht als Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15) in Diensten des Antragsgegners. Die konkrete Dienstverrichtung erfolgt im Ministerium auf einem Dienstposten, der mit einer Beförderungsmöglichkeit nach A 16 / B 3 verbunden ist.
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Mit Schreiben der Antragstellerpartei vom 25. August 2021 wurde der Antragsgegner aufgefordert, von der Beauftragung eines Bewerbers mit der Wahrnehmung der Leitung des Referats LS.2 für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens Abstand zu nehmen.
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Mit Schriftsatz vom 26. August 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,
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Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, die Stelle der Leitung des Referats LS.2 im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst mit einem anderen Bewerber zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden worden ist.
9
Die Leitung des Referats LS.2 stelle sowohl für die ausgewählte Bewerberin wie auch für die Antragstellerin einen Beförderungsdienstposten dar. Die Antragstellerin habe ein Interesse an der Übernahme einer Referatsleitung und habe dies in der Vergangenheit ausdrücklich gegenüber dem Ministerium bekundet. Auch wenn der Antragsgegner die verfahrensgegenständliche Stelle nicht ausgeschrieben habe, entbinde ihn dies nicht von der Verpflichtung dafür Sorge zu tragen, dass bei der Stellenbesetzung dem Leistungsprinzip Rechnung getragen werde. Ein Anordnungsgrund würde vorliegen, da mit der förmlichen Übertragung des Dienstpostens an die Mitbewerberin die Übertragung nach den Grundsätzen der Ämterstabilität nicht rückgängig gemacht werden könne.
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Mit Schriftsatz vom 14. September 2021 hat der Antragsgegner beantragt,
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den Eilantrag abzulehnen.
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Bei der Übertragung der Referatsleitung an die Beigeladene habe es sich nicht um die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens gehandelt, da die vormalige Funktion der ausgewählten Bewerberin ebenfalls mit der Beförderungsmöglichkeit nach A 16 / B 3 verbunden gewesen sei. Zudem bestünde keine allgemeine Ausschreibungspflicht. Die Auswahlentscheidung sei rechtmäßig. Der Leistungsgrundsatz sei beachtet worden. Selbst wenn die Leitung des Referats LS.2 ausgeschrieben worden wäre, wäre die Antragstellerin nicht zum Zuge gekommen, da die ausgewählte Bewerberin im Gesamturteil der aktuellen periodischen Beurteilung im gleichen Statusamt 15 Punkte erzielte habe. Die Antragstellerin habe in ihrer aktuellen periodischen Beurteilung im Gesamturteil nur 14 Punkte erzielt.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Die Beiladung der erfolgreichen Bewerberin um den streitgegenständlichen Dienstposten zum Verfahren war gemäß § 65 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geboten, weil durch die Entscheidung des Gerichts ihre rechtlichen Interessen berührt werden.
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2. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
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a) Der Antrag ist zulässig, da die im Streit stehende Stelle nicht endgültig besetzt wurde. Eine Ernennung der ausgewählten Bewerberin erfolgte - da die streitgegenständliche Stelle für diese keinen Beförderungsdienstposten darstellt - nicht. Die Stelle wurde durch Umsetzung besetzt, sodass es dem Dienstherrn möglich ist, die Besetzungsentscheidung durch abermalige Umsetzung rückgängig zu machen. In diesem Falle führt eine Besetzung des ausgeschriebenen Dienstpostens nicht zur Erledigung des Konkurrentenrechtsstreits und lässt das Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entfallen. Das im Mittelpunkt des Konkurrentenstreits stehende Interesse, den ausgeschriebenen Dienstposten frei zu halten, ist auch dann noch gegeben, wenn der Dienstposten im Wege einer Umsetzung besetzt worden ist, die notfalls rückgängig gemacht werden kann (BVerwG, B.v. 11.5.2009 - 2 VR 1/09 - ZBR 2009, 411, juris Rn. 4).
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b) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung - vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen - notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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c) Dies vorausgesetzt, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, der es rechtfertigen würde, schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes und zur Sicherung eines vermeintlichen Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin eine vorläufige Eilentscheidung zu erlassen. Es handelt sich vorliegend um eine Dienstpostenkonkurrenz, bei der die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle jederzeit mittels Um- bzw. Versetzung ohne nennenswerte Nachteile für die Antragstellerin rückgängig gemacht werden kann.
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aa) Hat der Dienstherr ein Amt im konkret-funktionellen Sinn (also einen „Dienstposten“) zu besetzen, der für alle angesprochenen Bewerber eine Beförderung (also die Übertragung eines Amtes im statusrechtlichen Sinn mit höherem Endgrundgehalt) mit sich bringt („Beförderungsbewerber“), und hat er unter mehreren Bewerbern eine Auswahl zu treffen, so ist diese Entscheidung gem. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 - 2 BvR 2435/10 - BayVBl 2011, 268, juris; B.v. 2.10.2007 - 2 BvR 2457/04 - ZBR 2008, 164, juris). Kommen mehrere Bewerber für einen höherwertigen Dienstposten in Betracht, muss der am besten Geeignete ausfindig gemacht werden. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl, sog. Bewerbungsverfahrensanspruch (BVerwG, U.v. 25.8.1988 - 2 C 28/85 - juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 - 3 CE 11.605 - BayVBl 2011, 565, juris; VG München, B.v. 24.10.2012 - M 5 E 12.2637 - juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 - 2 BvR 2435/10 - NVwZ 2011, 746, juris).
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Dieser Anspruch lässt sich jedoch aufgrund des Grundsatzes der Ämterstabilität grundsätzlich allein mittels einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sichern. Der abgelehnte Bewerber muss vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen mit dem Ziel, die Stelle bis zu einer abschließenden Entscheidung über seinen Bewerbungsverfahrensanspruch freizuhalten, um zu verhindern, dass durch die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten vollendete Tatsachen geschaffen werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.7.2002 - 2 BvQ 25/02 - NVwZ 2002, 1367; B.v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ 2003, 200; BVerwG, U.v. 25.8.1988 - 2 C 51.86 - ZBR 1989, 172; BayVGH, BayVGH, B.v. 17.6.2008 - 3 CE 08.884 - juris; B.v. 20.5.2008 - 3 CE 08.702 - juris).
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bb) Ist mit der Übertragung des Dienstpostens jedoch keine Statusveränderung verbunden, weil der Dienstherr den Kreis der Kandidaten für die zu besetzende Stelle auf Beamte beschränkt hat, die sich bereits in einem der Wertigkeit der freien Stelle entsprechenden Statusamt befinden („Versetzungsbewerber“ bzw. „Umsetzungsbewerber“ im Gegensatz zum „Beförderungsbewerber“), muss er diese Maßnahme nicht an den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG ausrichten. Ein Bewerbungsverfahrensanspruch kommt dann grundsätzlich nicht in Betracht (BayVGH, B.v. 17.6.2008 - 3 CE 08.884 - juris Rn. 37; vgl. BVerfG, B.v. 28.11.2007 - 2 BvR 1431/07 - NJW 2008, 909).
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Bei einer reinen Dienstpostenkonkurrenz muss die Auswahlentscheidung nur den Anforderungen an die Ausübung des - sehr weiten, allerdings pflichtgemäßen - Ermessens genügen und darf sich nicht als willkürlich darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 17.6.2008 - 3 CE 08.884 - juris Rn. 51 m.w.N.).
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Aus der Organisationsfreiheit des Dienstherrn folgt grundsätzlich ein Wahlrecht, ob und in welcher Form er eine freie Stelle (wieder) besetzen will. Insbesondere steht es in seinem allein personalwirtschaftlich bestimmten Ermessen, ob er eine freie Stelle im Wege der Einstellung, Anstellung, Beförderung, Versetzung, Abordnung oder Umsetzung besetzen will (BVerfG, B.v. 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 - BayVBl 2008, 20, juris Rn. 6; BVerwG, U.v. 25.11.2004 - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237, juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 9.7.2012 - 3 CE 12.872 - juris Rn. 16; OVG Münster, B.v. 3.7.2001 - 1 B 670/01 - NVwZ-RR 2002, 362, juris Rn. 7; OVG Weimar, B.v. 16.12.2008 - 2 EO 228/08 - juris Rn. 49).
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Im Fall einer bloßen Versetzungs- bzw. Umsetzungskonkurrenz besteht ein Bewerbungsverfahrensanspruch im vorgenannten Sinn allerdings dann, wenn der streitgegenständliche Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ (auch als „Bewährungsdienstposten“ bezeichnet) zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Umbesetzung zur Erprobung übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später - ohne weiteres Auswahlverfahren - befördert werden soll (vgl. zu dieser Gestaltung Art. 16, 17 Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen - Leistungslaufbahngesetz - LlbG). Der Grund für das Bestehen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch in diesem Fall (Beförderungsdienstposten) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung über eine Beförderung bereits an die Vergabe des Dienstpostens gekoppelt ist. Denn die Übertragung des höherwertigen Dienstpostens soll nur unter der Bedingung erfolgen, dass eine vorherige praktische Tätigkeit die Prognose bestätigt, dass der Inhaber des Dienstpostens den Anforderungen des Beförderungsamtes genügen wird. Damit wird die Auswahl für Beförderungsämter vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um den Beförderungsdienstposten.
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Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist daher, dass mit der Stellenbesetzung die Vergabe eines höherwertigen Dienstpostens (Ernennung in ein höheres Statusamt) oder jedenfalls die Vergabe eines Beförderungsdienstpostens (mit späterer Ernennung in ein höherwertiges Statusamt ohne erneute Auswahlentscheidung) verbunden ist (BayVGH, B.v. 9.7.2012 - 3 CE 12.872 - juris Rn. 14; ff.; B.v. 17.6.2008 - 3 CE 08.884 - juris Rn. 37; VG München, B.v. 23.5.2017 - M 5 E 17.1304 - juris; B.v. 6.2.2017 - M 5 E 16.5340 - juris).
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cc) Daran fehlt es bei der streitgegenständlichen Stellenbesetzung.
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Bei dem streitgegenständlichen Dienstposten handelt es sich um einen Dienstposten der Besoldungsgruppen A16 / B 3, der für die ausgewählte Bewerberin keinen Beförderungsdienstposten darstellt, da ihr bisheriger Dienstposten ebenfalls den Besoldungsgruppen A16 / B 3 zugeordnet ist.
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Eine sog. reine Dienstpostenkonkurrenz liegt nicht nur in den Fällen vor, in denen der erstrebte Dienstposten für beide Bewerber (d.h. die Antragstellerin und den bei der Besetzungsentscheidung ausgewählten Mitbewerber) keinen Beförderungsdienstposten darstellt, sondern auch die Fälle, in denen ein Versetzungs- oder Umsetzungsbewerber nur auf einer Seite steht, also mit ihm entweder (wie hier) der Dienstposten besetzt werden soll - in einem solchen Fall liegt regelmäßig kein Anordnungsgrund für den konkurrierenden Beförderungsbewerber vor. Allen diesen Fällen ist gemein, dass es zu der verfassungsrechtlich gebotenen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes i.S.d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG grundsätzlich nicht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bedarf, weil keine „vollendeten Tatsachen“ drohen, wie sie typischerweise nur durch eine zeitnah bevorstehende Änderung des beamtenrechtlichen Status (z.B. durch Beförderung) herbeigeführt werden können, oder regelmäßig keine irreparablen, nicht zumutbaren Nachteile drohen, wenn auf den Rechtsschutz in der Hauptsache verwiesen wird (zum Ganzen OVG NW, B.v. 9.3.2010 - 1 B 1472/09 - juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 18.12.2019 - 1 B 851/19 - juris Ls. 1; BayVGH, B.v. 11.11.2008 - 3 CE 08.2643 - juris Rn. 27 ff.; B.v. 20.3.2009 - 3 CE 08.3278 - juris Rn. 32; B.v. 8.1.2014 - 3 CE 13.2202 - juris Rn. 21, VG Bayreuth, B.v. 2.4.2020 - B 5 E 20.130 - juris Rn. 22).
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Eine andere Bewertung der vorliegenden Konkurrenzsituation ist auch nicht mit Blick auf die teilweise vertretene Charakterisierung bestimmter Dienstposten als Dienstposten mit sog. „Trittsteinfunktion“ angezeigt (siehe dazu OVG NW, B.v. 8.3.2005 - 6 B 2695/04 - juris Rn. 9; aufgegriffen von BayVGH, B.v. 17.6.2008 - 3 CE 08.884 - juris Rn. 47 f.). Denn für eine Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 ist der Einsatz eines Beamten auf dem streitgegenständlichen Dienstposten bzw. als Leitung des Referats LS.2 nach dem Vortrag des Antragsgegners nicht erforderlich. Die ausgewählte Bewerberin konnte auch auf ihrer bisherigen Stelle nach A 16 / B 3 befördert werden. Eine „Trittsteinfunktion“ kommt der streitgegenständlichen Stelle mithin nicht zu.
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Auch aus dem Gesichtspunkt, dass die ausgewählte Bewerberin auf dem streitbefangenen Dienstposten einen Bewährungsvorsprung erlangen könnte, ergibt sich vorliegend kein Anordnungsgrund, da diese Erwägung primär im Anwendungsbereich des Leistungsgrundsatzes bzw. der Bestenauslese Bedeutung erlangen kann. Vorliegend hat die ausgewählte Bewerberin bereits vor ihrer Umsetzung einen Dienstposten inne, der mit A 16 / B 3 bewertet ist und daher eine Beförderung bis B 3 zulässt, also demselben Statusamt, mit dem auch der verfahrensgegenständliche Dienstposten bewertet ist. Mit der Übertragung des Dienstpostens ist somit weder ein beruflicher Aufstieg noch eine Statusänderung verbunden noch kann die Beigeladene einen Bewährungsvorsprung erlangen, den sie auf ihrem alten Dienstposten nicht hätte erlangen können (VG München, B.v. 24.10.2014 - M 5 E 14.3405 - juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 10.8.2012 - 3 CE 12.1392 - juris Rn. 27).
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Ein Anordnungsgrund scheidet daher mangels Schaffung vollendeter Tatsachen aus, welche typischerweise dann drohen, wenn die Besetzungsentscheidung mit einer zeitnah bevorstehenden Änderung des beamtenrechtlichen Status der ausgewählten Bewerberin, etwa durch Beförderung, verbunden ist. Denn sollte sich die Entscheidung, die ausgewählte Bewerberin und nicht die Antragstellerin auf den in Rede stehenden Dienstposten umzusetzen, im Hauptsacheverfahren als rechtwidrig erweisen, kann sie ohne weiteres - selbst wenn die Beigeladene mittlerweile nach A 16 befördert wurde - wieder rückgängig gemacht werden. Eine Besetzung dieses Dienstpostens mit der Antragstellerin ist somit weiterhin möglich. Der Grundsatz der Ämterstabilität steht hier nicht im Raum (BayVGH, B.v. 20.10.2017 - 3 CE 17.1991 - BeckRS 2017, 131772 Rn. 7 f.; B.v. 19.2.2015 - 3 CE 14.2693 - juris Rn. 14; VG München, B.v. 6.2.2017 - M 5 E 16.5340 - BeckRS 2017, 102546 Rn. 14), da die ausgewählte Bewerberin selbst keinen Anspruch auf Verbleib in einem bestimmten Amt im konkret-funktionalen Sinn hat.
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Nach alledem ist eine Eilbedürftigkeit im Hinblick auf die streitgegenständliche Stellenbesetzung nicht ersichtlich. Die Beigeladene könnte vielmehr im Falle des Erfolges der Antragstellerin in der Hauptsache auf eine andere Stelle umgesetzt werden und so der streitbefangene Dienstposten wieder freigemacht werden. Mithin geht es der Antragstellerin nicht um die Verhinderung einer nach dem Grundsatz der Ämterstabilität irreversiblen Ernennung.
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c) Im Übrigen ist wohl auch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Selbst wenn man die Besetzungsentscheidung am Leistungsprinzip messen würde, stellt sich die Beigeladene, welche im Gesamtprädikat ihrer dienstlichen Beurteilung gegenüber dem Gesamtprädikat der Antragstellerin in deren dienstlichen Beurteilung ein um einen Punkt besseres Gesamtprädikat erzielte, als leistungsstärker dar.
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d) Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren wesentlich gefördert hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 162 Rn. 41).
35
e) Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) - ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, da der streitgegenständliche Dienstposten für die Antragstellerin ein Beförderungsdienstposten darstellen würde. Die Jahresbezüge für die Antragstellerin in dem mit der Stelle verbundenen Amt A 16 würden sich (laut Mitteilung des Antragsgegners) auf 105.265,56 EUR belaufen, hiervon ein Viertel (BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 3 CE 19.1896 - juris Rn. 32; B.v. 3.7.2019 - 3 CE 19.1118 - juris Rn. 26).
Hinsichtlich Ziffer I. ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO).