Inhalt

LG Traunstein, Endurteil v. 30.04.2021 – 2 O 2621/20
Titel:

Entbehrlichkeit einer förmlichen Abnahme der Bauleistung nach erfolgreicher Selbstvornahme 

Normenketten:
BGB § 631 Abs. 1, § 641 Abs. 1 S. 1
VOB/B § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, § 8 Abs. 6
Leitsatz:
Haben die Parteien eines Bauvertrages eine förmliche Abnahme vereinbart, aber nicht durchgeführt, ist der Anspruch auf Zahlung von Werklohn fällig, wenn der Auftragnehmer eine Selbstvornahme erfolgreich durchgeführt hat, selbst wenn er dazu nicht berechtigt war. In diesem Fall besteht nur noch ein reines Abrechnungsverhältnis. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
förmliche Abnahme, Schriftform, Selbstvornahme, Kündigung, Abrechungsverhältnis, Baumangel, Fälligkeit
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 03.02.2022 – 28 U 3344/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 57299

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.801,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die N. Versicherung AG, 9.465,11 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab 21.10.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beklagte führte als Generalunternehmerin den Bau eines Einfamilienhauses in T., K.weg 14, aus. Für dieses Bauvorhaben beauftragte sie mit Bauvertrag vom 5./28.02.2019 (Anlage K1) auf der Grundlage eines Angebots vom 11.09.2018 die Klägerin mit Rohbauarbeiten zum Pauschalpreis von 83.067,00 €. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart. Unter Ziffer 3 wurde eine Sicherheitsleistung von 5% der Nettoabrechnungssumme befristet bis Endabnahme des Projekts vereinbart. Unter Ziffer 6 wurde eine förmliche Abnahme gemäß § 12 Nr. 4 VOB/B vereinbart. Als Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlusszahlung wurde die Abnahme der Ringbalken festgelegt.
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Der Rohbau wurde durch die Klägerin erstellt. Eine förmliche Abnahme erfolgte nicht.
3
Unter dem 15.04.2019 stellte die Klägerin unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlagszahlungen ihre Schlussrechnung in Höhe von 40.067,00 €. (Anlage K4).
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Am 07.06.2019 vereinbarten die Parteien die Gestellung eine Gewährleistungsbürgschaft durch die Klägerin in Höhe von 12.000,00 €. Diese Vereinbarung bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 17.06.2019 gegenüber der Klägerin wie folgt (Anlage K2):
5. Es wurde vereinbart dass die Differenz (8.000.- €) zwischen den noch nicht freigegebenen 20.000.- € und der Bürgschaft von 12.000.- € vorab bezahlt wird. Dies wurde bereits letzte Woche erledigt.
6. Es wurde vereinbart die restlichen 12.000,00 € nach Erhalt der Bürgschaft freizugeben.
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Diese Bürgschaft wurde durch die N. Versicherung AG am 17.06.2019 erteilt und am selben Tag der Beklagten übergeben (Anlage K 6). Der Sicherheitseinbehalt wurde trotzdem durch die Beklagte nicht freigegeben.
6
Auf die Schlussrechnung hat die Beklagte zwei Zahlungen erbracht, nämlich am 07.05.2019 über 19.265,66 € und am 14.06.2019 über 8.000,00 €.
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Mit E-Mail vom 24.06.2019 (Anlage B3) rügte die Beklagte gegenüber der Klägerin Mängel der Abdichtung. Mit Schreiben vom 17.06.2019 (Anlage B1) forderte die Beklagte die Klägerin zur Beseitigung verschiedener Mängel betreffend die mangelhafte Abdichtung des Kellers bis 28.06.2019 auf und kündigte ohne weitere Vorankündigungen eine Ersatzvornahme an. Mit Schriftsatz vom 01.07.2019 (Anlage B2) rügte der Bevollmächtigte der Beklagten erneut Mängel betreffend die Abdichtung des Kellers, setzte Frist zur Mangelbeseitigung bis 11.07.2019 und kündigte die Entziehung des Auftrags an.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.12.2019 (Anlage K6) wegen behaupteter überschießende Gegenforderungen in Höhe von 9.811,50 € und weitere behaupteter Ansprüche in Höhe von 1.123,00 € und 152,58 € (vgl. Anlage K5) die Bürgschaft bei der N. Versicherung AG in Anspruch genommen. Die Bürgin hat hierauf eine Zahlung in Höhe von 9.465,11 € an die Beklagte geleistet, die sie nun im Regresswege bei der Klägerin einfordert (vgl. Anlagen K7 und K8). Die Klägerin hat die Bürgin bisher nicht befriedigt.
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten den restlichen Werklohn (Ziffer 1). Sie habe die übertragenen Arbeiten vertragsgemäß und mangelfrei erledigt. Die Schlusszahlungen seien fällig. Insoweit könne dahinstehen, ob und wann eine Abnahme erfolgt sei, da die Beklagte durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2019 (Anlage K5) nicht mehr Erfüllung, sondern Schadensersatz bzw. Minderung verlange und damit den Bauvertrag in ein Abrechnungsverhältnis umgewandelt habe. Die Klägerin bestreitet, dass die Voraussetzungen für ein Ersatzvornahme nach den Vorschriften der VOB/B geschaffen wurden. Die Beklagte trage insoweit nicht schlüssig vor, wann der Klägerin die notwendigen Erklärungen zugegangen sein sollten. Die Klägerin bestreitet, dass die von der Beklagten aufgeführten Maßnahmen zur Mängelbeseitigung erforderlich gewesen seien. Sie bestreitet auch die Angemessenheit und Ortsüblichkeit der angesetzten Preise.
10
Der Rückerstattungsanspruch des durch die Bürgen geleistete Zahlbetrages in Höhe von 9.165,11 € sei gemäß § 812 Abs. 1 BGB begründet. Der Beklagte stehe kein Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten zu. Die Gestellung einer Bürgschaft als Ausfallsicherheit durch den Auftragnehmer sei dahin auszulegen, dass sie unter der auflösenden Bedingung steht, der Auftraggeber werde seine Verpflichtung zur effektiven Auszahlung eines Bareinbehalts alsbald nachkommen. Wenn sich der Auftraggeber weigere, die Barsicherheit auszubezahlen, so trete die auflösende Bedingung ein, unter der die Bürgschaftsunsicherheit gestellt wurde. Der Rechtsgrund für die Gestellung entfalle damit. Der Auftragnehmer könne die Bürgschaftsurkunde als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangen.
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Die Klägerin bestreitet, dass ein Betrag von 2.400,00 € von der Schlussrechnung abzusetzen sei weil die Klägerin vertraglich vereinbarte Leistungen im Zusammenhang mit dem Schornstein nicht ausgeführt habe. Eine dahingehende Vereinbarung sei zwischen den Parteien nicht getroffen worden.
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Bezüglich der Schadensersatzforderung der Beklagten betreffend die behauptete Zerstörung des iPads des Geschäftsführers der Beklagten bestreitet die Klägerin auch die Abtretung dieser Forderung an die Beklagte.
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Die Klägerin beantragt zu erkennen,
1.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.801,34 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 16.05.2019 zu zahlen.
2.
Die Beklagte zu beurteilen, an die N. Versicherung Amtsgericht 9.465,11 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Werklohn nicht fällig sei, weil die gemäß Ziffer 6. des Vertrags vereinbarte förmliche Abnahme nicht erfolgt sei. Ferner könne die Beklagten mit Gewährleistungsrechten in einer die Klageforderung weit übersteigenden Höhe aufrechnen. Aus dem von der Beklagten erholten Gutachten des N. Verein e.V. vom 22.07.2019 (Anlage B5), das der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.07.2019 (Anlage B4) übersandt wurde, ergeben sich folgende Mängel: In Teilbereichen der West und Nordwand dringe augenscheinlich Feuchte durch die Bauteilfuge Doppelwand Bodenplatte ein. Ein Nachweis inwieweit die ausgeführte Konstruktion eine WU - Konstruktion darstelle, liege nicht vor. Bei der Ausführung der Stahlbetonarbeiten sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und auch nicht sachgerecht vorgegangen wurden. Beispielhaft sei der fehlende Schutz der Fugenbleche und die starke Verschmutzung der Fugen und Bleche. Die Bleche sei nicht fachgerecht in ihrer Lage fixiert worden. Systemzugehörige Fugenelemente seien nicht für die vertikalen Fugen verwendet worden. Die vom Systemhersteller vorgeschlagenen Sanierungsmethode (Einbau eines Verpressungschlauches) für die verschmutzten Fugenbänder seien nicht zur Anwendung gekommen. Das bei der Sanierung der Fugenrisse durch die Klägerin verwendete Material finde sich nicht in den einschlägigen Vorschriften. Es sei keine, wie in den Verarbeitungsrichtlinien gefordert, Kratzspachtelung aufgetragen wurden. Die Kante der Bodenplatte sei nicht gebrochen. Insgesamt sei der Keller nicht dicht ausgeführt worden.
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Die Beklagte habe die erforderliche Ersatzvornahmen durchgeführt, für die sie folgende Beträge ansetzt:
a) Rissinjektionen gemäß Schlussrechnung der Firma L. Bautenschutz vom 24.10.2019 (Anlage B6) in Höhe von 10.595,38 €;
b) Folgende Positionen der Rechnung der Firma P. vom 23.09.2019 (Anlage B7): Pos.2.5: Teilausfall in Höhe von 300,00 € Pos 3.5: 10 mm CT-C 25-F4 Mehr/Minderdicke inklusive Faserbewehrung und Zusatzmittel in Höhe von 152,58 € Pos 4.5: 10 mm CT-C 25-F4 Mehr/Minderdicke inklusive Faserbewehrung und Zusatzmittel in Höhe von 149,42 € Pos 8.5: Pedotherm Septima Plus045 Trocknungsbeschleuniger als Zugabe für Zementestrich liefern und einbauen in Höhe von 404,40 €;
Pos 8.7: Pedotherm Septima Plus075 Trocknungsbeschleuniger als Zugabe für Zementestrich in Höhe von 235,25 € Pos 8.8: Pedotherm Septima Plus065 Trocknungsbeschleuniger als Zugabe für Zementestrich in Höhe von 522,53 €
c) Regiearbeiten, nämlich Aufmauern von Mauerwerk und Stabilisieren lockerer Wände, gemäß Rechnung der Firma D. Bau GbR vom 22.08.2019 (Anlage B9) in Höhe von 1.110,00 €;
d) Elektroinstallationsarbeiten, nämlich Neuinstallation der Wände im Obergeschoss, Überprüfung der Kabel und Austausch eines defekten Kabels, gemäß Rechnung der Firma W. GmbH vom 07.08.2019 (Anlage B11) in Höhe von 337,35 €;
e) Montagemehraufwand für Elektrorohinstallation gemäß Rechnung der Firma W. vom 30.10.2019 (Anlage B 14) in Höhe von 432,00 €;
f) Höhenausgleich eines Ringankers nebst Kranarbeiten und Aufladen eines Baucontainers gemäß Rechnung der Firma G. H. vom 01.10.2019 (Anlage B 16) in Höhe von 145,20 €;
g) Zusätzlicher Materialeinsatz, zusätzliche Trocknungsmaßnahmen und Wiederverlegung der Gefitas gemäß Rechnung der Beklagten vom 16.10.2019 (Anlage B 18) in Höhe von 1.763,94 €;
h) Erforderliche Eigenleistungen der Bauherren für Ausbesserungen und Spachtelarbeiten am Gewerk Trockenbau in Höhe von 400,00 € (Gutschrift als Anlage B 21);
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Die Beklagte macht ferner einen Abzug in Höhe von 2.400,00 € gelten, weil die Klägerin die vereinbarte Leistung Schornstein inklusive Mehrspartenhauseinführung, Einbau der MSP und Abdichtungsarbeiten nicht ausgeführt habe. Ferner macht sie aus abgetretenem Recht des Geschäftsführers Schadensersatz in Höhe von 799,00 € geltend, da Mitarbeiter der Klägerin am 27.08.2019 das iPhone des Geschäftsführers der Beklagten auf der Baustelle zerstört hätten.
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Am 26.03.2021 erfolgte die mündliche Verhandlung. Eine Schriftsatzfrist wurde nicht beantragt und daher auch nicht gewährt. Nach Antragstellung wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt. Mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.03.2021, bei Gericht eingegangen am selben Tage, beantragte die Beklagte die mündliche Verhandlung wieder zu öffnen. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass eine Kündigung des Werkvertrags nicht erfolgt sei, sei falsch. Mit Einschreiben vom 31.08.2019 (Anlage B 26) habe die Beklagte der Klägerin sämtliche Aufträge aus wichtigem Grund entzogen. Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 13.08.2019 (Anl. B 27), vorab per E-Mail übersandt, sei der Auftrag entzogen und die Kündigung aus wichtigem Grund erklärt worden, nachdem die Mängelbeseitigungskosten fruchtlos verstrichen sei. Die Klägerin rügte mit Schriftsatz vom 21.04.2021 den Schriftsatz vom 30.03.2021 als präkludiert. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet, eine Kündigung sei nicht erfolgt, sie habe nur gerügt, dass die Voraussetzungen für ihn eine rechtmäßige Ersatzvornahme nicht schlüssig dargetan worden sei. Die Schreiben gemäß Anlage B 26 und B 27 seien im Hause der Klägerin nicht aufgefunden worden, so dass der Zugang bestritten werde. Im Übrigen betreffe das Schreiben vom 30.08.2019 (richtig: 31.08.2019) ein anderes Bauvorhaben, nämlich das Bauvorhaben Vogl. Nur das E-Mail des Beklagtenvertreters vom 13.08.2019 befindet sich im E-Mail Ordner der Klägerin. Dieses wahre jedoch nicht die Schriftform gemäß § 8 Abs. 8 VOB/B.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
1. Werklohn
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 631 Abs. 1 BGB Anspruch auf den restlichen Werklohn in Höhe von 12.801,34 €.
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Unstreitig war vereinbart, dass die Klägerin für die Beklagte den Rohbau zu einem Pauschalpreis von 83.067,00 € erstellt. Da die Beklagte hierauf unstreitig Beträge von 19.265,66 € und 8.000,00 € bezahlten, ist ein restlicher Werklohn von 12.801,34 € offen.
a) Fälligkeit:
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Dieser Werklohnanspruch ist fällig gemäß § 641 BGB. Zwar haben die Parteien in Ziffer 6 des Bauvertrages eine förmliche Abnahme gemäß § 12 Nummer 4 VOB/B vereinbart. Eine solche förmliche Abnahme erfolgte unstreitig nicht. Eine solche förmliche Abnahme war jedoch entbehrlich. Die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung ist entbehrlich, wenn feststeht, dass keine Nacherfüllung mehr verlangt wird. Dies ist ungeachtet der Frage, ob ein Selbstvornahmerecht bestand, der Fall, wenn die Selbstvornahme mittlerweile erfolgreich durchgeführt worden ist. In diesem Fall besteht ein reines Abrechnungsverhältnis (vgl. Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 4, Rn. 490). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat Ersatzvornahmehandlungen durchgeführt und hierzu umfangreich vorgetragenen und auch Abrechnungen der Unternehmer, die Arbeiten zur Durchführung der Ersatzvornahme ausführten, vorgelegt.
b) Keine Aufrechnung mit Gewährleistungsansprüchen:
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Die Beklagte kann gegen die Werklohnforderung der Klägerin nicht mit den Kosten zur Mängelbeseitigung aufrechnen. Da zwischen den Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart wurde, entsteht das Selbstvornahmerecht, den die Verpflichtung zum Ersatz der Mängelbeseitigungs- bzw. Fertigstellungskosten folgt, grundsätzlich erst, wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer wirksam gekündigt hat, § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 VOB/B.
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Die Beklagte hat bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, ob und wann sie den Vertrag mit der Klägerin gekündigt hat. Sie hat bis dahin lediglich Schreiben vorgelegt, mit denen sie die Klägerin zur Mangelbeseitigung aufgefordert hat. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass entsprechender Sachvortrag entbehrlich ist. Die Klägerin hatte ausdrücklich mit Schriftsatz vom 22.01.2021 darauf hingewiesen, dass bestritten werde, dass die Voraussetzungen für ein Ersatzvornahme nach VOB/B geschaffen wurden, da die Beklagte nicht vorgetragen habe, wann die notwendigen Erklärungen zugegangen sein sollen. Ein hiervon abweichender rechtlicher Hinweis des Gerichts lag bis zur mündlichen Verhandlung nicht vor. Zwar ist der Vortrag im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 30.03.2021 insoweit richtig, dass das Gericht im Termin zunächst irrig davon ausging, dass es einer Kündigung der Beklagten nicht bedurft hätte. Diese Auffassung hat das Gericht nach einem Hinweis des Klägervertreters noch im Termin wieder korrigiert und darauf hingewiesen, dass es einer Kündigung bedürfe.
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Da durch die beklagte Partei eine Schriftsatzfrist nicht beantragt wurde kann der Vortrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.03.2021 nicht berücksichtigt werden und ist als verspätet gemäß § 296a ZPO zurückzuweisen. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag zugelassen werden müsste, wenn der verspätete Sachvortrag unstreitig gestellt würde. Dies ist nicht der Fall. Die Beklagte hat im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.03.2021 eine Kündigung mit Anwaltsschriftsatz vom 13.08.2019 (Anlage B 27) behauptet. Nach dem Vortrag der Klagepartei mit Schriftsatz vom 21.04.2021 ist der entsprechende Schriftsatz in der gemäß § 8 Abs. 6 VOB/B maßgeblichen Schriftform dort nicht zugegangen. Nach dem Vortrag der Klagepartei ist dieser Schriftsatz dort nur als E-Mail eingegangen, was das Schriftformerfordernis (§ 126 BGB) nicht erfüllt. Das ebenfalls vorgelegte Schreiben des Beklagten vom 31.08.2019 (Anlage B 26) betrifft nicht explizit den hier entscheidenden Vertrag. Im Übrigen wird dort zwar ein genereller Entzug aller Aufträge ausgesprochen. Dieses Schreiben wird nicht mit mangelhaften Leistungen der Klägerin begründet. Und stell keine Kündigung im Sinne von § 8 VOB/B dar.
c) Kein Abzug wegen nicht durchgeführter Arbeiten:
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Die Beklagte kann nicht erfolgreich einen Betrag von 2.400,00 € wegen nicht durchgeführter Arbeiten am Kamin geltend machen. Da die Parteien einen Pauschalpreis vereinbart haben, spielt der Wegfall von Einzelleistungen grundsätzlich keine Rolle. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass trotz der Vereinbarung eines Pauschalpreises es eine Vereinbarung gegeben hätte, bei bestimmten Minderungen eine Reduzierung des Werklohns vorzunehmen. Eine Minderung des Preises kann sich allenfalls nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB ergeben. Da die von der Beklagten geltend gemachte Minderung von 2.400,00 € nur knapp 3% des Gesamtauftragsvolumens ausmacht, kann nicht ohne weiteres von einer Änderung der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden.
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d) Keine Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen Soweit die Beklagte mit abgetretenen Schadensersatzforderungen des Geschäftsführers der Beklagten wegen Zerstörung seines iPhones aufrechnen will, hat die Beklagte die Abtretung entsprechender Forderungen des Geschäftsführers der Beklagten an die Beklagte nicht nachgewiesen. Die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 22.01.2021 explizit die Abtretung dieser Ansprüche bestritten. Dieser Schriftsatz wurde der beklagten Partei am 26.01.2021 übermittelt. Bis zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2021 hätte die Beklagte noch 2 Monate Zeit gehabt, die entsprechende Abtretung nachzuweisen. Dies ist nicht geschehen.
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Im Übrigen hat die Beklagte keinerlei Sachvortrag dahingehend vorgetragen, dass die Zerstörung des iPhones des Geschäftsführers der Beklagten durch Mitarbeiter der Klägerin in Ausführung der Verrichtungen der Klägerin erfolgte (§ 831 BGB). Es ist keinerlei Zusammenhang zwischen der Tätigkeit von Bauarbeitern einer Baustelle in Bezug auf das iPhone des Geschäftsführers der auftraggebenden Generalunternehmerin zu erkennen. Nach dem Vortrag der Beklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass eine eventuelle Beschädigung nicht in Erfüllung der Verrichtungen für die Klägerin erfolgte, sondern nur bei Gelegenheit, was keine Haftung nach § 831 BGB begründet.
2) Zahlung an die N. Versicherung:
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen bereicherungsrechtlichen Anspruch dahingehend, dass die Beklagte den Betrag, den sie von der N. Versicherung als Bürgin ausbezahlt hat, an diese zurückzubezahlen hat.
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Da die Parteien die Gestellung einer Bürgschaft durch die Klägerin vereinbart hatten, erfolgte dies konkludent unter der auflösenden Bedingung, dass eine Auszahlung des Sicherheitseinbehalts durch die Beklagte erfolgt. Da die Beklagte den Einbehalten nicht ausbezahlte, hätte sie die Bürgschaft nicht in Anspruch nehmen können, weil nämlich die Bürgschaft unter der auflösen Bedingung gestellt wurde, dass eine Auszahlung erfolgt (vgl. Kniffka/Koeble/Jurgelet/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 9 Rn. 84). Die Klägerin hatte daher ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft. Da die Beklagte die Bürgin bereits in Anspruch genommen hat und eine Auszahlung des Betrages erfolgte, kann die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung von der Beklagten die Rückzahlung an die Bürgin verlangen.
3) Zinsen:
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Der Ausspruch über die Verzinsung beruht auf § 288 Abs. 1,2, BGB, § 16 Abs. 5 Nummer 3 Satz 3 VOB/B. Die Beklagte hat die Werklohnforderung demgemäß 30 Tage nach Zugang der Schlussrechnung zu verzinsen.
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II. Kosten: § 91 ZPO
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Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.