Inhalt

SG München, Gerichtsbescheid v. 09.02.2021 – S 15 KR 2273/19
Titel:

Kein Anspruch auf Krankengeld bei Familienversicherung und Sperrzeit

Normenketten:
SGB V § 44 Abs. 2 Nr. 1
SGB III § 157, § 158
Leitsätze:
1. Ist der Kläger gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ohne Anspruch auf Krankengeld familienversichert, ist diese verfassungskonforme Norm zwingend zu beachten. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. In allen Ruhensfällen (als Sperrzeiten und Urlaubsabgeltung) besteht keine Pflichtversicherung. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Abfindung hat wie Krankengeld Entgeltersatzfunktion, weshalb es gerechtfertigt ist, die Begründung eines Pflichtversicherungsanspruchs mit der Folge eines Krankengeldanspruchs bei zeitgleichem Aufeinandertreffen einer Sperrzeit mit einem Ruhenstatbestand wegen Abfindung auszuschließen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankengeld, Familienversicherung, Abfindung, Sperrzeit, Ruhenstatbestand, Pflichtversicherung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 5707

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Streitig ist der Bezug von Krankengeld für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 01.03.2019.
2
Der im Jahre 1960 geborene Kläger stand bis zum 31.12.2018 in einem Beschäftigungsverhältnis bei der E-GmbH. Es wurde am 15.11.2018 durch Aufhebungsvertrag beendet. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger freiwilliges Mitglied der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld.
3
Der Kläger erlitt am 12.01.2019 einen Leitersturz. Ab dem 14.01.2019 bis zum 01.03.2019 wurde sodann Arbeitsunfähigkeit vom Hausarzt festgestellt.
4
Der Kläger beantragte nach einer Entscheidung der Beigeladenen vom 07.03.2019, mit der die Auszahlung von Arbeitslosengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum abgelehnt wurde, bei der Beklagten die Auszahlung von Krankengeld.
5
Mit Bescheid vom 05.04.2019 wurde dies seitens der Beklagten verweigert. Würde der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen einer Entlassungsentschädigung nach § 158 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ruhen, so entstehe kein Krankengeldanspruch in Ermangelung einer Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.
6
Mit Widerspruch vom 18.04.2019 führte der Kläger aus, dass für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 28.01.2019 eine Sperrzeit verhängt worden sei. Anschließend habe der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.01.2019 geruht. Für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 01.03.2019 müsse die Zahlung von Arbeitslosengeld seitens der Beklagten geleistet werden (Verweis auf § 146 SGB III). Ab dem 04.03.2019 habe die Arbeitsagentur nach Neuanmeldung das Arbeitslosengeld weitergezahlt. Durch die Abmeldung aufgrund des häuslichen Unfalls (Leitersturz) sei die Erstattungspflicht für den streitigen Zeitraum auf die Krankenkasse übergegangen.
7
Die Beklagte nahm sodann Kontakt mit der Beigeladenen auf. Sie bemängelte konkret, dass der Kläger ab dem 01.02.2019 keine Leistungen der Beigeladenen erhalten habe. Nach dem Ende des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeldes hätte der Anspruch ab dem 01.02.2019 nach Auffassung der Beklagten wiederaufleben müssen. Gegebenenfalls sei ein Krankengeldanspruch ab dem 25.02.2019 zu prüfen. Die Beigeladene entgegnete am 28.06.2019, dass der Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 21.01.2019 wegen Arbeitsaufgabe eine Sperrzeit und ab dem 22.01.2019 bis zum 28.01.2019 eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendenmeldung gehabt habe. Zugleich sei wegen einer Entlassungsentschädigung ein Ruhenszeittatbestand bis zum 31.01.2019 erfüllt gewesen. Der Kläger sei während der Sperrzeit/Ruhenszeit arbeitsunfähig erkrankt, sodass das Arbeitslosengeld aufgrund der Arbeitsunfähigkeitszeiten direkt nach Ende der Ruhenszeit beendet worden sei. Die Beigeladene sehe keine Veranlassung, den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 24.02.2019 zu prüfen, da es sich hierbei um eine Anmeldung nach Ruhen ohne Leistungsbezug handeln würde.
8
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Ein anspruchsbegründendes Mitgliedschaftsverhältnis habe am 14.01.2019 nicht vorgelegen. Der Kläger habe im Januar 2019 wegen Sperrzeiten respektive wegen des Ruhenszeitraums keine Leistungen der Beigeladenen bezogen. Daher sei er im Januar 2019 über die Ehefrau ohne Anspruch auf Krankengeld familienversichert gewesen. Da bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 14.01.2019 eine Familienversicherung vorgelegen habe, sei während der gesamten Zeit der Arbeitsunfähigkeit die Gewährung von Krankengeld ausgeschlossen (Verweis auf § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V).
9
Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 16.09.2019. Während der Sperrzeit ruhe der Anspruch auf Krankengeld. Ist die Sperrzeit wie hier kürzer als sechs Wochen, trete kein Anspruch auf Leistungsfortzahlung ein, weil zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitslosengeld bezogen worden sei. In diesem Fall bestehe vielmehr nach Ablauf der Sperr- bzw. Ruhenszeit ein Anspruch auf Krankengeld.
10
Dem Kläger stehe zudem ein nachwirkender Anspruch auf Krankengeld (§ 19 Abs. 2 SGB V) zur Seite. Es bestehe eine Regelungslücke. Denn trete die Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf der Sperr- bzw. Ruhenszeit ein, bestehe ein Anspruch auf Leistungsfortzahlung von Arbeitslosengeld nach § 146 Abs. 1 SGB III. Der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während der Sperrzeit führe hingegen zu einem vollständigen Anspruchsverlust. Ein sachlicher Grund für diese Schlechterstellung in Form einer Doppelbestrafung sei nicht ersichtlich. Für den Fall des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit während der Sperr- bzw. Ruhenszeit bestehe daher eine planwidrige Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe es versäumt, ein entsprechendes Korrektiv zu schaffen. Die wortlautgetreue Anwendung der Vorschrift von § 19 Abs. 2 S. 2 SGB V begründe eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und daher einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. Auch sei nicht einzusehen, weshalb Unverheiratete, die keinen Anspruch auf Familienversicherung hätten, besser stehen sollten als Verheiratete mit der Option einer Familienversicherung. Die bestehende Regelungslücke könne daher nur im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend geschlossen werden, dass der Ausschlusstatbestand von § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V vorliegend nicht anwendbar sei.
11
Der Kläger beantragt,
1.
Der Bescheid vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2019 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2019 bis zum 01.03.2019 Krankengeld nach gesetzlicher Maßgabe zu gewähren.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
14
Sie verweist darauf, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.01.2019 über die Ehefrau familienversichert gewesen sei und somit im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld vorgelegen habe. Sofern auf einen nachgehenden Leistungsanspruch (§ 19 Abs. 2 SGB V) abgestellt werde, komme dieser nur zum Tragen, wenn die Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen erlöschen würde. Der Kläger sei aber bis zu seinem Ausscheiden freiwillig krankenversichert gewesen.
15
Der Kläger ließ erwidern, dass § 19 SGB V nicht zwischen einer freiwilligen Mitgliedschaft und einer Pflichtversicherung unterscheiden würde. Hierfür bestehe auch kein sachlicher Grund.
16
Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger am 11.02.2019 die Aufnahme in die Familienversicherung beantragt habe, um seine Versicherungslücke zu schließen. Diese sei antragsgemäß am 01.01.2019 durchgeführt worden. Bei Nichtverheirateten, die aus einer freiwilligen Mitgliedschaft ausscheiden, würde eine beitragspflichtige obligatorische Anschlussversicherung durchgeführt werden. Auch in diesem Fall würde der nachgehende Leistungsanspruch nicht zum Tragen kommen.
17
Der Kläger ließ sodann vortragen, dass sich die Eintrittspflicht der Beklagten jedenfalls aus einem Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben würde. Das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft sei in § 191 SGB V geregelt. Die freiwillige Mitgliedschaft ende nicht automatisch mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern bestehe darüber hinaus fort. Die freiwillige Mitgliedschaft sei vorliegend deswegen am 01.01.2019 beendet worden, weil am 11.02.2019 die Familienversicherung beantragt worden sei. Die Beklagte habe es in Kenntnis der Arbeitsunfähigkeit und der Sperr- und Ruhenszeit unterlassen, den Kläger darüber zu belehren, dass ein Krankengeldanspruch nur dann bestehen würde, wenn er die freiwillige Mitgliedschaft trotz der Möglichkeit einer Familienversicherung bis zum Ablauf der Sperrfrist fortsetzen würde. Ferner habe die Beklagte den Kläger nicht darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund der freiwilligen Mitgliedschaft kein nachgehender Versicherungsschutz greifen würde. Dem Kläger sei wegen der Arbeitsunfähigkeit auch keine Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses angeboten worden. Eine Verpflichtung zur Begründung der Familienversicherung habe für den Kläger nicht bestanden.
18
Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger entsprechend zu belehren. Bei richtiger Belehrung hätte der Kläger die freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten bis zum Ablauf der Sperrfrist fortgesetzt und von einem Antrag auf Familienversicherung Abstand genommen. Der Beklagten bleibt es aufgrund ihrer Pflichtverletzung nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Ausschlusstatbestand nach § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V zu berufen. Der Kläger sei so zu stellen, wie wenn er von der Beklagten ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Den ersparten Beitrag für die Fortsetzung der freiwilligen Mitgliedschaft müsse sich der Kläger anrechnen lassen. Die Beklagte wird daher gebeten anzugeben, in welcher Höhe bis zum Ablauf der Sperrfrist Beiträge für eine freiwillige Mitgliedschaft angefallen wären.
19
Die Beklagte verwies darauf, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.2019 bis zum 13.01.2019 weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen erzielt habe, sodass auch bei Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft kein Anspruch auf Krankengeld bestehen würde (Verweis auf Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20.12.2018, Aktenzeichen L8 KR 65/18). Auch liege keine Verletzung einer Aufklärungspflicht vor. Bei der Antragstellung auf Durchführung der Familienversicherung habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt einen etwaigen Krankengeldanspruch geltend gemacht. Vielmehr sei mitgeteilt worden, dass der Arbeitslosengeldanspruch voraussichtlich bis zum 01.04.2019 ruhen würde. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ruhe auch der Krankengeldanspruch während einer Sperrzeit nach SGB III.
20
Nach Richterlichem Hinweis vom 15.09.2020 vertrat der Kläger sodann die Auffassung, dass mit Wirkung vom 01.02.2019 die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V wiederaufgelebt und daher Krankengeld zu gewähren sei.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist möglich, da die Sache keinerlei Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden angehört.
23
Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Bindung des Gerichts bezieht sich auf den erhobenen Anspruch, d.h. auf das Klagebegehren. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, d.h. das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung. Das Gericht muss von Amts wegen (§ 106 Abs. 1 SGG: Aufklärungspflicht des Vorsitzenden) klären, welche Anträge gestellt werden sollen. Es ist an die Fassung der Anträge nicht gebunden, aber an das vom Kläger Gewollte. Auf die entsprechende Anfrage des Gerichts vom 15.09.2019 führte der Klägerbevollmächtigte am 29.01.2021 aus, dass es einer Verweisung an das Zivilgericht nicht bedürfen würde. Die Kammer geht daher davon aus, dass eine Abtrennung und Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht gewünscht ist, mithin der zunächst geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz nicht weiterverfolgt wird.
24
Die (im Hinblick auf das Begehren von Krankengeldzahlung) statthafte und zulässige Klage ist nicht begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 01.03.2019.
25
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den Hausarzt Dr. F. am 14.01.2019 (vgl. Widerspruchsschreiben des Klägers vom 18.04.2019, Bl. 5 der Verwaltungsakte, sowie Verwaltungsakte der Beigeladenen, unpaginiert) gem. § 44 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ohne Anspruch auf Krankengeld familienversichert. Eine Nichtbeachtung von § 44 Abs. 2 SGB V ist nicht möglich. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift contra legem, die im Ergebnis eine Nichtbeachtung des Rechts bedeuten würde, ist wegen der Bindung der Rechtsprechung an das Recht nicht möglich. Eine Interpretation, die als Richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 -, BVerfGE 128, 193-224, Rn. 53, vgl. BVerfGE 118, 212, 243). Nach h.M. bildet der Wortlaut hierbei die äußerste Grenze der Auslegung (BVerfGE 71, 108, 115). Denn was außerhalb seines Wortlautes liegt, lässt sich nicht als Inhalt des Gesetzes begreifen und somit auch nicht durch Auslegung ermitteln (Waltz, Das Ziel der Auslegung und die Rangfolge der Auslegungskriterien, ZJS 4/2010, 482).
26
Die erkennende Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass § 44 Abs. 2 SGB V verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber hat eine weitreichende Einschätzungsprärogative und kann für Familienversicherte typologisch einen Anspruch auf Krankengeld ausschließen, auch wenn hierdurch - wie in dieser Konstellation - keine umfassende Einzelfallgerechtigkeit erwirkt wird.
27
Ein nachgehender Leistungsanspruch ist wie zutreffend von der Beklagten ausgeführt bereits deswegen nicht gegeben, weil der Kläger bis zum 31.12.2018 freiwillig krankenversichert war (vgl. § 19 Abs. 2 SGB V).
28
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld lebte zum 01.02.2019 nicht wieder auf, da der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 146 SGB III an den Leistungsbezug anknüpft und dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt der AU am 14.01.2020 aufgrund der vorliegenden Ruhenstatbestände nicht gegeben war. Das Gericht kann auch keinen Pflichtversicherungstatbestand zum maßgeblichen Zeitpunkt 14.01.2019 erkennen. Denn § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V macht eine Versicherungspflicht davon abhängig, dass Personen Arbeitslosengeld nach SGB III beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 SGB III) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 SGB III) ruht (§ 5 SGB V in der Fassung vom 04.04.2017).
29
Der Kläger erhielt von der Beigeladenen für Januar 2019 kein Arbeitslosengeld. Dies wurde auch bereits von der Beigeladenen mit Bescheiden vom 21.01.2019 (Verwaltungsakte der Beigeladenen, unpaginiert) festgestellt. Zu einer Auszahlung oder einer positiven Entscheidung mittels Verwaltungsakt kam es zu keiner Zeit.
30
Auch die Ausnahmetatbestände von § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sind nicht gegeben. Zwar erhielt der Kläger kein Arbeitslosengeld, weil zum Zeitpunkt des Eintretens der Arbeitsunfähigkeit eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe (Bescheid vom 07.03.2019, § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III) verhängt worden ist. Zugleich ruhte aber auch der Anspruch bei Entlassungsentschädigung, weil der Kläger eine Abfindung erhalten hat (Bescheid vom 21.01.2019, § 158 Abs. 1 S. 1 SGB III), und zwar für den ganzen Monat Januar 2019. Entsprechend bezog der Kläger am 14.01.2019 nicht nur deshalb (Wortlaut von § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) - wegen der Sperrzeit - kein Arbeitslosengeld, sondern auch wegen des Ruhenstatbestandes nach § 158 SGB III. Bereits nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes entfällt daher die Pflichtversicherung: Denn aus dieser Regelung ergibt sich im Umkehrschluss, dass in anderen Ruhensfällen (als Sperrzeiten und Urlaubsabgeltung) keine Versicherungspflicht besteht (vgl. KassKomm/Peters, 111. EL September 2020 Rn. 43, SGB V § 5 Rn. 43). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift: Eine Abfindung hat wie Krankengeld auch Entgeltersatzfunktion (vgl. Schmitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 158 SGB III (Stand: 15.01.2019), Rn. 13), so dass es gerechtfertigt erscheint, die Begründung eines Pflichtversicherungstatbestands, der einen Krankengeldanspruch zur Folge hat, bei zeitgleichem Aufeinandertreffen einer Sperrzeit mit einem Ruhenstatbestand wegen Abfindung auszuschließen. Zwar bleibt die Frage, weshalb der Gesetzgeber den insoweit ebenfalls verschuldensunabhängigen Ruhenstatbestand der Urlaubsabgeltung als Ausnahme, die zur Pflichtversicherung führt, zugelassen hat (die Gesetzesbegründung spricht hier nur von „Vermeidung sozialpolitisch unbefriedigender Ergebnisse“, vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 52). Wie oben dargelegt, hat der Gesetzgeber hierbei aber eine weitreichende Gestaltungs- und Einschätzungsprärogative. Von einer planwidrigen Gesetzeslücke und damit von einer Analogiefähigkeit der Vorschrift ist bereits deshalb nicht auszugehen, da der Gesetzgeber die Urlaubsabgeltung (§ 157 SGB III) und die Sperrzeiten (§ 159 SGB III) ausdrücklich geregelt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass er den Tatbestand von § 158 SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Entlassungsentschädigung) bewusst nicht erfassen wollte.
31
Unbeachtlich sind die Ausführungen der Aktivpartei zu einer Pflichtversicherung ab dem 01.02.2019. Die Versicherteneigenschaft muss, um einen Anspruch auf Krankengeld begründen zu können, zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit vorliegen (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 44 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 69). Maßgebend für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld ist dabei der Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 46 Abs. 1 SGB V. Der tatsächliche Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist nicht entscheidend (BSG, Urteil vom 08. November 2005 - B 1 KR 30/04 R -, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, Rn. 14). Ein Anspruch auf Krankengeld besteht nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt festgestellt wird, an dem das Versicherungsverhältnis die beantragte Leistung mit umfasst (Urt. des BSG vom 13. 7. 2004 - B 1 KR 39/02 R, zitiert aus Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 09/20, § 44 SGB V, Rn. 35). Dies war, wie dargestellt, am 14.01.2019 gerade nicht der Fall, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt familienversichert war.
32
Nach allem sind die Entscheidungen der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klage war abzuweisen.
33
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.