Inhalt

VG München, Urteil v. 08.12.2021 – M 7 K 21.5325
Titel:

Wahlanfechtung, Versäumung der Wahlanfechtungsfrist

Normenketten:
GLKrWG Art. 51 S. 1
GLKrWG Art. 51a
GLKrWO § 92 Abs. 3
Schlagworte:
Wahlanfechtung, Versäumung der Wahlanfechtungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56997

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Zurückweisung seiner Wahlanfechtung.
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Am 15. März 2020 fand in der ...stadt M. die Wahl des Stadtrats statt. Das abschließende Ergebnis der Stadtratswahl wurde vom Wahlausschuss der ...stadt M. in der öffentlichen Sitzung am 2. April 2020 festgestellt und vom Wahlleiter anschließend am selben Tag um 09:35 Uhr verkündet.
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Mit Telefax vom 5. Mai 2020, ergänzt mit Telefax vom 6. Mai 2021, focht der Kläger die Stadtratswahl an. Zur Begründung führte der Kläger im Wesentlichen aus, in der Aufstellungsversammlung von Bündnis 90/Die Grünen am 13. und 14. September 2019 sei das Grundrecht der freien, gleichen und geheimen Wahl verletzt worden. Die Wahl auf die ersten 26 Listenplätze sei elektronisch erfolgt, ohne dass es darüber eine schriftliche geheime Schlussabstimmung gegeben habe, bei der auch die bei der elektronischen Abstimmung „herausgefallenen“ Bewerber hätten aufgeführt sein müssen. Stattdessen habe sich der Vorstand um 22:00 Uhr nach der ganztägigen Versammlung bis 23:30 Uhr zurückgezogen, um die Besetzung der weiteren Listenplätze zu „erarbeiten“. Anschließend sei die so zustande gekommene Liste für die Plätze 1 bis 80 mit der Gelegenheit, Änderungen oder Streichungen zu beantragen, an die Wand projiziert worden. Bedenkzeit sei nicht eingeräumt worden und die betroffenen Kandidaten seien zum Teil nicht mehr anwesend gewesen. Eine Aussprache sei nicht erfolgt, vier Teilnehmer hätten einvernehmlich die Plätze getauscht. Nach dem Ausdruck der Liste hätten die noch anwesenden Teilnehmer ohne Nutzung der aufgestellten Wahlblenden „geheim“ im Ganzen abgestimmt, wobei nur Streichungen zugelassen worden seien. Durch Streichungen einen Einfluss auf die Reihenfolge ausüben zu können, sei nicht vorgesehen gewesen. Die vom Vorstand auf Platz 29 gesetzte ehemalige Vorstandssprecherin sei auf diesem Platz geblieben, obwohl sie von 33 Abstimmenden gestrichen worden sei. Mit der Schlussabstimmung sei nur ermittelt worden, ob die aufgeführten Bewerber überhaupt kandidieren dürften. Die Bewerberin mit der geringsten Stimmenzahl sei auf dem aussichtsreichen Platz 29 geblieben. Die so eingereichte Liste beruhe jedenfalls auf den ersten Blick auf einem extremen Verstoß gegen die demokratischen Grundregeln. Nach § 40 Abs. 2 GLKrWO sei über die Reihenfolge der Bewerber geheim abzustimmen. Da nur Streichungen hätten vorgenommen werden können, sei eine Abstimmung über die Reihenfolge nicht erfolgt; auch hätten alle Delegierten verpflichtet werden müssen, ihre Stimmzettel in einer Wahlkabine unabhängig von etwaigen Veränderungen der Liste zusammenzufalten. Bei nur drei zur Verfügung stehenden Wahlkabinen bei über 200 Stimmberechtigten wäre der Einzelne bei Nutzung ebendieser in Verdacht gekommen, etwas zu ändern und sich so unsolidarisch zu verhalten. Zumindest die elektronische Abstimmung über die ersten 20 Plätze sei fehlerhaft gewesen, da die einzelnen Abstimmungen, soweit bekannt, weder jederzeit abrufbar gewesen seien noch unveränderbar hätten gespeichert werden können. Die einzelnen Steckkarten seien keinen bestimmten Personen zugeordnet worden. Auch hier sei eine geheime Abstimmung faktisch nicht möglich gewesen, da die verwendeten elektronischen Geräte für die Umsitzenden einsehbar gewesen seien. Seine Bemühungen beim Wahlamt seien erfolglos gewesen. Drei Änderungsanträge an die Stadtversammlung seien abgelehnt worden. Weiter verstießen die Vorgaben des Präsidiums für mögliche Fragen an die Kandidaten gegen § 39 Abs. 1 GLKrWO, was näher ausgeführt wurde.
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Mit Bescheid vom 14. Mai 2020, dem Kläger zugestellt am 15. Mai 2020, wies die Regierung von Oberbayern die Wahlanfechtung zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die am 5. Mai 2020 eingegangene Wahlanfechtung sei aufgrund der Versäumung der 14-tägigen Anfechtungsfrist des Art. 51 Satz 1 GLKrWG unzulässig. Das Gesetz stelle für den Lauf der Anfechtungsfrist nach seinem Wortlaut auf die Verkündung des Wahlergebnisses nach Art. 19 Abs. 3 Satz 5 GLKrWG, § 92 Abs. 3 Satz 1 GLKrWO ab und nicht auf dessen spätere Bekanntmachung nach § 92 Abs. 3 Satz 2 GLKrWO. Das abschließende Wahlergebnis sei vom Wahlleiter am 2. April 2020 verkündet worden, die Frist habe daher am 3. April 2020 zu laufen begonnen und am 16. April 2020 geendet (Art. 51 Satz 1 GLKrWG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB). Auch wenn das klägerische Vorbringen daher im Rahmen der Wahlanfechtung nicht habe geprüft werden können, werde es in die Wahlprüfung von Amts wegen einbezogen.
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Zur Begründung seiner am 13. Juni 2020 erhobenen Klage gegen den Bescheid (M 7 K 20.2577) führt der Kläger aus, nach § 92 Abs. 3 Satz 2 GLKrWO sei das Wahlergebnis mit allen Feststellungen bekannt zu machen. Aus dem Bescheid gehe nicht hervor, welche konkreten Feststellungen der Wahlleiter dem Wahlausschuss verkündet habe und wie dafür gesorgt worden sei, dass die Öffentlichkeit alleine aus dieser Verkündung den Fristbeginn für die Wahlanfechtung habe erkennen können. Die Rechtsaufsichtsbehörde habe zwischen den Begriffen „verkünden“ und „bekanntmachen“ unterschieden. § 92 Abs. 3 GLKrWO beinhalte lediglich den Auftrag an den Wahlleiter zur Verkündung des Wahlergebnisses, nicht jedoch, dass die getroffenen Feststellungen gleich in der Sitzung des Wahlausschusses verkündet werden müssten. Eine trotzdem erfolgte Verkündung hätte alle Feststellungen enthalten müssen, um die Anfechtungsfrist in Gang zu setzen. Fristauslösend sei daher der Tag der Veröffentlichung des abschließenden Wahlergebnisses im Amtsblatt. Inhaltlich beziehe er sich auf die Begründung seiner Wahlanfechtung vom 5. Mai 2020. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1993 - 2 BvC 2/91 - dürften für die Aufstellungsversammlung keine geringeren Anforderungen an die geheime Abstimmung gestellt werden als für die Wahl im Wahllokal, für die zwingend Wahlkabinen vorgeschrieben seien, was näher ausgeführt wird. Hieraus folge, dass die Nichteinhaltung wahlrechtlicher Vorschriften bei der Wahl der Vertreterversammlung oder der Wahlkreis- und Listenkandidaten bzw. bei der Kandidatenaufstellung einen Wahlfehler begründe. Er sei aufgrund seiner im Protokoll über die Aufstellungsversammlung dokumentierten Bewerbungen für Platz ... und ab Platz … in seinen Rechten verletzt. Zwar stelle das Gesetz auf den Zeitpunkt der Verkündung des Wahlergebnisses ab, jedoch werde der Begriff der „Verkündung“ verkannt. Eine Verkündung könne nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur eine in der Öffentlichkeit und von den wahlanfechtungsberechtigten Personen unmittelbar wahrnehmbare Handlung sein. Als solche könne erst die Veröffentlichung im Amtsblatt gesehen werden. Vor dem Erscheinen des Amtsblatts habe er im Internet keine Veröffentlichung des endgültigen Wahlergebnisses finden können. Die Veröffentlichung richte sich im Übrigen nur an jene Bürger, die Zugang zum Internet hätten und nur an diejenigen, die diesen Zugang auch nutzten. Die Manipulationen an der Aufstellung der Bewerberliste seien so impertinent, dass sie nicht von einem Einzelrichter behandelt werden könnten.
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Der Kläger beantragt zuletzt unter Bezugnahme auf seine Schreiben an die Regierung von Oberbayern und das schriftsätzlich eingereichte Vorbringen,
die Stadtratswahl für ungültig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
8
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 ausgeführt, die Klage sei als Verpflichtungsklage auszulegen. Sie sei unzulässig, da der Kläger weder die Verletzung eigener Rechte dargelegt habe noch der Klage fünf im Wahlkreis wahlberechtigte Personen beigetreten seien (Art. 51a GLKrWG). Der Kläger sei nicht in eigenen Rechten betroffen, da er nicht Gewählter, Listennachfolger oder unterlegener Bewerber sei. Er habe auch nicht vorgetragen, (erfolglos) bei der Wahl der Bewerber für den Wahlvorschlag Nr. 2 Bündnis 90/Die Grünen angetreten zu sein. Jedenfalls sei die Klage aufgrund der Versäumung der Anfechtungsfrist unbegründet. Das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz stelle für den Lauf der Anfechtungsfrist nach dem völlig eindeutigen Wortlaut auf den Zeitpunkt der Verkündung des Wahlergebnisses ab (Art. 51 Satz 1, 19 Abs. 3 Satz 5 GLKrWG, § 92 Abs. 3 Satz 1 GLKrWO). Auch die Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 7. Mai 2019 enthalte unter Nr. 88.2 den ausdrücklichen Hinweis, dass die Anfechtungsfrist von der mündlichen Verkündung des abschließenden Wahlergebnisses und nicht etwa von der späteren Bekanntmachung an zu rechnen sei. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung in der Literatur, auf die im Anschluss verwiesen wird. Die Bekanntmachung über die Sitzung des Wahlausschusses zur Feststellung des Ergebnisses der Wahl des Stadtrats gemäß §§ 5 Abs. 1 Satz 3, 98 Nr. 1 GLKrWO sei ordnungsgemäß erfolgt.
9
Die ...stadt M. teilte dem Gericht mit E-Mails vom 14. und 15. Januar 2021 mit, der Hinweis auf § 90 Abs. 6 GLKrWO sei Teil der Wahlbekanntmachung (Nr. 6) gewesen, die am 28. Februar 2020 im Internet, im Amtsblatt der ...stadt M. sowie durch Aushang im Rathaus und im Kreisverwaltungsreferat veröffentlicht worden und bis zur Stichwahl präsent gewesen sei, zudem hänge die Wahlbekanntmachung in jedem Wahlraum und bei der Briefwahlauszählung am Wahltag (§ 58 GLKrWO) aus. Außerdem seien alle Beauftragten der Wahlvorschläge per E-Mail mit der Bitte um Weitergabe an die Bewerbenden darüber informiert worden, dass aufgrund einer Gesetzesänderung die Wahl als angenommen gelte, wenn die gewählte Person sie nicht binnen einer Woche nach Verkündung der vorläufigen Ergebnisse ablehne (Art. 47 Abs. 1 GLKrWG) und dass die vorläufigen Ergebnisse im Internet der ...stadt M. veröffentlich würden, wodurch die Wochenfrist zur Ablehnung der Wahl zu laufen beginne. Das vorläufige Ergebnis sei am 19. März 2020 veröffentlicht worden. In der Internetpräsentation sei folgender Satz mitaufgenommen worden: „Hiermit wird das vorläufige Ergebnis der Wahl des Stadtrats des ...stadt M. am 15. März 2020 öffentlich verkündet. … … … …
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Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 wies das Gericht den Kläger u.a. darauf hin, dass die Klage aufgrund der Versäumung der Wahlanfechtungsfrist keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Parteien wurden mit Schreiben vom 15. April 2021 zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Hierauf führte der Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2021 weiter aus, die Begriffe „Verkündung“ und „Bekanntmachung“ in den §§ 90 Abs. 6, 92 Abs. 3 und 51 GLKrWO (gemeint wohl: Art. 51 GLKrWG) seien Synonyme. In den gesetzlichen Regelungen werde nicht sichtbar, auf welche unterschiedliche Art sich Verkündung und Bekanntmachung abspielen sollten. Gericht und Beklagter gingen davon aus, dass sich die Veröffentlichung in zwei Ereignisse „Verkündung im Wahlausschuss“ und „Bekanntmachung in der Öffentlichkeit“ aufteile. Die jeweiligen Sätze 2 regelten jedoch lediglich, wie das vorläufige und das abschließende Ergebnis bekannt gemacht werden solle. Es wäre absurd, wenn die Feststellung des Wahlergebnisses im begrenzten Kreis des Wahlausschusses als Verkündung gekennzeichnet und daraus Rechtswirkungen wie der Fristbeginn abgeleitet würden. Dass Satz 1 dem Wahlleiter freistelle, welche Formen er bei der Veröffentlichung des vorläufigen Wahlergebnisses gegenüber der Öffentlichkeit nutze, zeige, dass der Gesetzgeber die Veröffentlichung nicht in zwei Schritten sehe und die Feststellung des Ergebnisses im Wahlausschuss weder eine Verkündung noch eine Bekanntmachung oder Veröffentlichung sei und keine Fristen in Gang setzen könne. Dies gelte auch für § 92 GLKrWO. Auch die Bayerische Staatsregierung unterscheide nicht zwischen Verkündung und Bekanntmachung, wie sich anhand der Verkündungsplattform Bayern zeige. Vorgelegt wurden die Seiten 13 und 41 des Protokolls über die Aufstellungsversammlung. Hieraus geht hervor, dass der Kläger nicht auf Platz 10 gewählt wurde (S. 13); zudem ist sein Name in einer weiteren Tabelle mit dem Ergebnis „nicht gewählt“ aufgeführt (S. 41).
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Das Gericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 14. Juli 2021 (M 7 K 20.2577), dem Kläger zugestellt am 21. Juli 2021 abgewiesen.
13
Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am Montag, den 23. August 2021, mündliche Verhandlung beantragt. Das Verfahren wurde anschließend unter dem Aktenzeichen M 7 K 21.5325 fortgeführt.
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Mit Schriftsatz vom 30. November 2021 führte der Kläger weiter aus, er habe erfolglos versucht, vom Wahlleiter eine Auskunft über die Art und Weise der Verkündung des in der Sitzung vom 2. April 2020 festgestellten Wahlergebnisses zu erhalten. Da diese Information für die Frage entscheidend sein könne, ob tatsächlich an diesem Tag eine als Fristbeginn zu wertende Verkündung erfolgt sei, beantrage er, den Wahlleiter … … … und seine Mitarbeiterin … … als Zeugen zu laden. Mögliche Fragen seien, mit welchen Worten, Gesten oder schriftlichen Willensäußerungen das Endergebnis festgestellt worden sei, welche Teile des Wahlergebnisses der Wahlleiter verlesen habe und wie lange dies gedauert hätte, ob auszuschließen sei, dass die Verkündung lediglich mit den Worten „ich verkünde hiermit das Wahlergebnis“ erfolgt und die Feststellung und Verkündung zeitlich zusammengefallen seien und welche Personen bei der Verkündung anwesend gewesen seien.
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Das Gericht hat am 8. Dezember 2021 zur Sache mündlich verhandelt. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zur Einvernahme des Wahlleiters und seiner Mitarbeiterin als Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass eine Verkündung des Wahlergebnisses nach den Vorgaben des § 92 Abs. 3 Satz 2 GLKrWO nicht stattgefunden hat, wurde vom Gericht durch Beschluss abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegte Behördenakte, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2021 sowie den Gerichtsbescheid vom 14. Juli 2021 (M 7 K 20.2577) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.
18
Das klägerische Begehren war nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Ungültigerklärung der Stadtratswahl begehrt.
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Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, insbesondere ist der nach den Kriterien der Art. 1, 2 des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz - GLKrWG) wahlberechtigte Kläger nach Art. 51a Nr. 1 GLKrWG klagebefugt, da er in der Aufstellungsversammlung als unterlegener Bewerber jedenfalls für den Listenplatz 10 und nach seinem Vortrag auch für die Plätze ab 26 kandidiert hat und somit geltend machen kann, durch die behaupteten Wahlverstöße in der Aufstellungsversammlung in einem eigenen subjektiv-öffentlichen Recht verletzt zu sein (vgl. Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Stand: 1.2.2020, Art. 51a GLKrWG Anm. 3).
20
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 14. Mai 2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, die Stadtratswahl in der ...stadt M. vom 15. März 2020 für ungültig zu erklären (§ 113 Abs. 5 VwGO).
21
Die Regierung von Oberbayern hat die Wahlanfechtung des Klägers zu Recht zurückgewiesen, da diese nicht innerhalb der maßgeblichen Frist erfolgt ist und damit unzulässig war.
22
Nach Art. 51 Satz 1 GLKrWG kann jede im Wahlkreis wahlberechtigte Person und jede in einem zugelassenen Wahlvorschlag aufgeführte sich bewerbende Person innerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des abschließenden Wahlergebnisses die Wahl durch schriftliche Erklärung wegen der Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften bei der Rechtsaufsichtsbehörde anfechten. Bei der 14-tägigen Frist handelt es sich nach Art. 55 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG um eine Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2003 - 4 ZB 03.135 - juris Rn. 6), d.h. eine Nachholung des behördlichen Anfechtungsverfahrens während des laufenden Gerichtsverfahrens ist nicht zulässig. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung des Wahlausschusses zur Feststellung des abschließenden Ergebnisses der Wahl des Stadtrats am 15. März 2020 hat der Wahlleiter das abschließende Wahlergebnis am Donnerstag, den 2. April 2020 um 09:35 Uhr verkündet (vgl. Art. 19 Abs. 3 Satz 5 GLKrWG, 92 Abs. 3 Satz 1 Wahlordnung für die Gemeinde- und Landkreiswahlen - Gemeinde- und Landkreiswahlordnung - GLKrWO). Damit begann die Wahlanfechtungsfrist gem. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB am Freitag, den 3. April 2020 zu laufen und endete am Donnerstag, den 16. April 2020. Die erst am Dienstag, den 5. Mai 2020 bei der Regierung von Oberbayern per Telefax eingegangene Wahlanfechtung des Klägers war damit verspätet.
23
Für den Beginn der Frist ist entgegen der Auffassung des Klägers nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art. 51 Satz 1 GLKrWG die am 2. April 2020 erfolgte (mündliche) Verkündung des abschließenden Wahlergebnisses durch den Wahlleiter maßgeblich, nicht hingegen die nachfolgende amtliche Bekanntmachung nach § 92 Abs. 3 Satz 2 GLKrWO (vgl. BayVGH, U.v. 15.11.1967 - 16 IV 67, BeckRS 1967, 103893; B.v. 10.2.1956 - 152 IV 33, BeckRS 1956, 102303; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 - AN 4 K 14.01333 - juris Rn. 29; VG Würzburg, U.v. 23.10.2002 - W 2 K 02.751 - juris Rn. 23 ff. m.w.N.; Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Stand: 1.2.2020, Art. 51 GLKrWG Anm. 4). Hierbei stellen die Begriffe „Verkündung“ und „Bekanntmachung“ entgegen dem klägerischen Vorbringen keine Synonyme dar. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 92 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 GLKrWO, in dem ausdrücklich zwischen der Verkündung des Wahlergebnisses und dessen anschließender Bekanntmachung differenziert wird. Zudem sind beide Begriffe inhaltlich unterschiedlich ausgefüllt: Während die Verkündung an keine bestimmte Form gebunden ist (vgl. z.B. zur vorläufigen Bekanntmachung auch Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 7. Mai 2019, BayMBL S. 188, Nr. 78), hat der Wahlleiter für die Bekanntmachung des Wahlergebnisses die verbindlichen Muster in den Anlagen 17 und 18 zur GLKrWO zu verwenden (vgl. Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Stand: 1.2.2020, § 92 GLKrWO Anm. 3).
24
Die u.a. vom Wahlleiter und der Schriftführerin unterzeichnete Niederschrift über die Sitzung des Wahlausschusses zur Feststellung des abschließenden Ergebnisses der Wahl des Stadtrats am 15. März 2020 vom 2. April 2020 enthält unter Nr. IV „Verkündung des Wahlergebnisses“ die Feststellung: „Der Wahlleiter verkündet das vorstehende Wahlergebnis am 2. April 2020 um 09:35 Uhr“. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die in der Niederschrift dokumentierte Verkündung des abschließenden Wahlergebnisses durch den Wahlleiter nicht ordnungsgemäß stattgefunden hat. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zur Einvernahme des Wahlleiters und seiner Mitarbeiterin (der Schriftführerin) gerichtet auf die Tatsache, dass eine Verkündung des vollständigen Wahlergebnisses nach den Vorgaben des § 92 Abs. 3 Satz 2 GLKrWO in der Sitzung vom 2. April 2020 nicht stattgefunden hat, war daher nicht nachzukommen. Denn zum einen handelt es sich bei der Niederschrift um eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO, die den vollen Beweis der darin beurkundeten Tatsachen erbringt. Ein Gegenbeweis, der die Unrichtigkeit der beurkundeten Ereignisse oder Vorgänge zum Gegenstand hat, muss die Beurkundung der abgegebenen Erklärungen bzw. des Vorgangs betreffen; es genügt nicht, die inhaltliche Richtigkeit zu bestreiten (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 VwGO Rn. 82 m.w.N.). Eine hinreichende Substantiierung i.R.d. § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 2 ZPO erfordert, dass aufgrund des Beweisantritts eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen dargelegt werden muss (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 98 Rn. 243 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 13.11.1984 - 9 C 23/84 - NJW 1985, 1179, 1180). Hiernach war die bloße Benennung der Unterzeichner der Niederschrift zur Führung des erforderlichen Gegenbeweises schon nicht geeignet. Darüber hinaus handelt es sich um einen Ausforschungsbeweisantrag, da für den Wahrheitsgehalt der unter Beweis gestellten Behauptung nicht einmal eine gewisse Mindestwahrscheinlichkeit spricht (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 VwGO Rn. 58 m.w.N). Denn außer der alleinigen Vermutung des Klägers liegen keine sonstigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Urkunde vor.
25
Der Kläger hatte schließlich die Möglichkeit, sich rechtzeitig darüber zu informieren, wann und wo die Wahlergebnisse verkündet werden. Ort und Zeit der Sitzung des Wahlausschusses zur Feststellung der Wahlergebnisse wurden mit Bekanntmachung vom 30. März 2020 am selben Tag durch Aushang und im Internet veröffentlicht (vgl. Bl. 33 ff. der Verwaltungsakte), es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Sitzung öffentlich ist und jedermann Zutritt hat. Die Art und Weise der Verkündung der vorläufigen Wahlergebnisse wurden in der Wahlbekanntmachung vom 28. Februar 2020 (Nr. 6) veröffentlicht. Der Öffentlichkeit war es daher möglich, von den Wahlergebnissen Kenntnis zu nehmen. Der Kläger hätte sich zudem jederzeit bei der ...stadt M. erkundigen können, wo er die Wahlergebnisse hätte einsehen können. Es mag für den Kläger unbefriedigend erscheinen, dass ein Wahlberechtigter nach 14 Tagen aus formalen Gründen kein Anfechtungsrecht mehr hat, obwohl ihm unter Umständen der Wahlverstoß noch gar nicht bekannt ist. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist aber aus Rechtssicherheitsgründen hinzunehmen, zumal die Möglichkeit besteht, den Wahlrechtsverstoß über die Rechtsaufsichtsbehörde zu rügen (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.7.2003 - Au 3 K 03.237 - juris Rn. 17). Eine Rechtsverkürzung ist daher nicht ersichtlich, zumal die Rechtsaufsichtsbehörde in dem streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich ausgeführt hat, dass das klägerische Vorbringen zwar nicht im Rahmen der Wahlanfechtung habe geprüft werden können, es jedoch in die von Amts wegen vorzunehmende Wahlprüfung nach Art. 50 GLKrWG einbezogen werde.
26
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
27
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.