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OLG München, Zwischenurteil v. 13.04.2021 – 34 U 1437/16
Titel:

Insolvenzverfahren, Nichtzulassungsbeschwerde, Insolvenzverwalter, Berufung, Kaufvertrag, Kaufpreis, Aktien, Widerspruch, Feststellung, Zwangsvollstreckung, Feststellungsklage, Kostenerstattungsanspruch, Anspruch, Forderung, Zug um Zug, Anspruch auf Feststellung, negative Feststellungsklage

Schlagworte:
Insolvenzverfahren, Nichtzulassungsbeschwerde, Insolvenzverwalter, Berufung, Kaufvertrag, Kaufpreis, Aktien, Widerspruch, Feststellung, Zwangsvollstreckung, Feststellungsklage, Kostenerstattungsanspruch, Anspruch, Forderung, Zug um Zug, Anspruch auf Feststellung, negative Feststellungsklage
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 22.02.2016 – 34 O 9367/12
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2022 – IX ZR 78/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56775

Tenor

I. Das Verfahren ist seit 18.12.2019 unterbrochen.
II. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin, eine Fondsgesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, nimmt W.K. (im Folgenden Schuldner) auf Feststellung in Anspruch, dass er hinsichtlich einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung befriedigt ist.
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1. In einem Vorprozess vor dem Landgericht München I (Az. 34 O 6388/09) hat die Klägerin mit Urteil vom 6.2.2012 einen rechtskräftigen Titel erwirkt, worin der Schuldner zur Zahlung von 21.250.000,00 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen „Übergabe und Übertragung des Eigentums“ an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG verurteilt wurde. In den Gründen ist ausgeführt, die Parteien hätten am 28.05.2008 eine „Abtretungsvereinbarung und Optionsvereinbarung“ (im folgenden: Optionsvereinbarung) zum Erwerb von Aktien der C. AG geschlossen, mit der der Schuldner sämtliche Rechte und Pflichten einer anderen Gesellschaft aus einer Put-Optionsvereinbarung mit der Klägerin übernahm und der Klägerin zugleich unwiderruflich anbot, bis zu 2.500.000 Stück Aktien der C. AG zu einem Preis von 8,50 € pro Aktie zu erwerben. In Abschnitt D. § 4 Abs. 3 der Optionsvereinbarung heißt es unter anderem, dass der Ausübungspreis Zug um Zug gegen Lieferung der verkauften Aktien zu zahlen ist und die Aktien in ein vom Schuldner benanntes Depotkonto zu liefern sind. Dieses Angebot habe die Klägerin spätestens am 31.3.2009 angenommen.
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2. Mit einem an den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Schuldners gerichteten Schreiben vom 23.11.2012 forderte die Klägerin diesen unter Hinweis auf die Optionsvereinbarung auf, Daten eines Depots mitzuteilen, in das die Klägerin die Aktien übertragen bzw. umbuchen könne. Dem kam der Schuldner nicht nach. Er verweigerte die Zahlung des Kaufpreises und die Annahme der ihm angebotenen Gegenleistung mit der Begründung, er sei bei Abgabe des Angebots am 28.5.2008 und bei Zugang der Annahmeerklärung am 30.3.2009 nicht geschäftsfähig gewesen. Mit einem weiteren an den Schuldner persönlich gerichteten Schreiben vom 29.1.2013 drohte die Klägerin den freihändigen Verkauf der Aktien gemäß § 373 Abs. 2 HGB an. Mit notariellem Kaufvertrag vom 12.2.2013 verkaufte die Klägerin die Aktien im Wege des Selbsthilfeverkaufs für 6.250.000 € an die K. Deutschland AG.
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3. Mit Urteil vom 22.2.2016 hat das Landgericht München I (Az. 34 O 9367/12) der Klage auf Feststellung, dass der Schuldner durch den freihändigen Verkauf der Aktien durch die Klägerin am 12.2.2013 hinsichtlich der diesem aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Aktien befriedigt ist, stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des Schuldners hat das Oberlandesgericht München (Az. 32 U 1437/16) mit Urteil vom 12.1.2017 zurückgewiesen. Auf Nichtzulassungsbeschwerde des Schuldners hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 18.9.2018 (Az. XI ZR 74/17) das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
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Vor dem erkennenden Senat wiederholte der Schuldner mit Schriftsatz vom 4.3.2019 die in der Berufungsbegründung vom 11.5.2016 gestellten Anträge und beantragte, die Klage abzuweisen. Die Klägerin stellte den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 9.10.2019 erhob der Schuldner Widerklage auf Feststellung, dass der im Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 (Az. 34 O 6388/09) titulierte Anspruch dadurch erloschen sei, dass die Klägerin die ihr obliegende Leistung, nämlich Übergabe und Übereignung der Aktien, nicht mehr erbringen könne (Antrag Ziff. 1). Des weiteren beantragte er festzustellen, dass der Klägerin aus dem angeblich zwischen ihr und dem Schuldner abgeschlossenen Kaufvertrag über die Aktien keine Rechte mehr zustehen, weil dem Schuldner eine Ausübungserklärung vom März 2009 aufgrund Geschäftsunfähigkeit des Schuldners nicht wirksam zugegangen sei, jedenfalls der Schuldner seine auf Abschluss der Optionsvereinbarung gerichtete Willenserklärung vom 28.5.2008 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten habe (Antrag Ziff. 2).
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Die Klägerin beantragte, die Widerklagen als offensichtlich unzulässig abzuweisen, weil damit das kontradiktorische Gegenteil der Feststellung begehrt werde.
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4. Mit Beschluss vom 18.12.2019 eröffnete das Amtsgericht Köln das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
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a) Mit Schriftsatz vom 8.1.2020 zeigte der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners an, dass er nunmehr den Insolvenzverwalter vertrete, dieser den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage wieder aufnehme und die im Schriftsatz vom 4.3.2019 angekündigten Anträge gestellt würden. Es handle sich bei der Klage um einen Aktivprozess gemäß § 85 InsO. Es werde darüber gestritten, ob die von der Klägerin nach dem Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 zu bewirkende Gegenleistung erbracht sei oder ob der Anspruch auf Abnahme der Aktien erloschen sei, weil die Aktien nicht mehr existierten und daher von niemandem mehr geliefert werden könnten, oder der Kaufvertrag über die Aktien wegen Geschäftsunfähigkeit des früheren Beklagten und Insolvenzschuldners nicht wirksam abgeschlossen worden sei. Es werde also über eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung, nämlich die Forderung des Schuldners auf Lieferung der Aktien gestritten. Die mit dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 titulierte Kaufpreisforderung sei nicht Streitgegenstand und nur mittelbar betroffen, weil das Nichtbestehen bzw. Erlöschen des Anspruchs auf die Gegenleistung auch zum Erlöschen des Kaufpreisanspruchs der Klägerin führe. Ein Rechtsstreit über die Kaufpreisforderung der Klägerin i.S.d. § 180 Abs. 2 InsO sei auch nicht mehr anhängig. Einer vorherige Anmeldung der Kaufpreisforderung zur Tabelle und eines Widerspruchs gegen die Anmeldung bedürfe es daher nicht. Es werde hinsichtlich der Klage auch insoweit nur über das Bestehen der Forderung des Schuldners und nicht über dessen Verbindlichkeit gestritten. Der Beklagte als Insolvenzverwalter habe ein massives eigenes Interesse an der Aufnahme des Verfahrens. Im Falle des Obsiegens erlange er nicht nur einen erheblichen Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin. Auch wenn die Widerklage nicht zeitgleich aufgenommen und entschieden werde, vergrößere sich die Teilungsmasse nicht nur um den Kostenerstattungsanspruch. Die Klägerin sei dann keine Gläubigerin des Insolvenzverfahrens des früheren Beklagten. Ein zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem zugunsten der Klägerin angeordneten Arrest in das Vermögen des Schuldners hinterlegter Betrag i.H.v. 2.500.000,00 € würde dann wieder in die Insolvenzmasse fließen.
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b) Mit Verfügung vom 16.1.2020 wies der Senat darauf hin, dass vorliegend eine Aufnahme des Prozesses nach § 85 InsO nicht möglich sein dürfte. Gegenstand des vorliegend vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Verfahrens sei die Berufung gegen das Feststellungsurteil der Vorinstanz. Mit diesem Feststellungsurteil sei die Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 6.2.2012 (Az.: 34 O 6388/09) geschaffen worden, durch das der Schuldner zur Geldzahlung rechtskräftig verurteilt wurde.
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Dem schloss sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 3.2.2020 an.
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c) Der Beklagte vertrat mit Schriftsatz vom 3.2.2020 die Ansicht, im vorliegenden Verfahren werde nicht über die Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung gestritten, sondern über die Frage, ob der Beklagte hinsichtlich der von der Klägerin nach diesem Urteil Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt sei. Es werde daher nicht erneut über den Zahlungsanspruch der Klägerin, sondern ausschließlich über den Anspruch des Schuldners auf die von der Klägerin zu bewirkende Gegenleistung gestritten. Die Klägerin begehre insoweit die Feststellung, dass ein Anspruch auf die Gegenleistung nicht mehr bestehe. Erwiese sich die vom Beklagten gegen das Feststellungsurteil erhobene Berufung als begründet, könne die Klägerin tatsächlich die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 nicht beginnen. Hierbei handle es sich jedoch lediglich um eine Fernwirkung der im vorliegenden Verfahren zu ergehenden Entscheidung auf die Vollstreckbarkeit des Urteils des Landgerichts München I vom 6.2.2012. Richtig sei zwar auch, dass mit einem die Klage abweisenden Berufungsurteil nicht festgestellt werde, ob der Anspruch des Beklagten auf Übergabe und Übereignung der Aktien noch bestehe. Hierüber würde erst entschieden, wenn auch über die vom Schuldner als Widerklage erhobene negative Feststellungsklage (Widerklageantrag Ziff. 2) entschieden werde. Erweise sich die gegen das Feststellungsurteil erhobene Widerklage als begründet, stehe fest, dass der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin grundsätzlich noch den Anspruch auf die von der Klägerin zu bewirkende Gegenleistung habe, denn dieser Anspruch sei dann nicht durch den freihändigen Verkauf befriedigt worden. Diese von der Klägerin dann noch zu bewirkende Gegenleistung stelle eine Leistung dar, die nun nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Masse zu gelangen habe, so dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um einen Aktivprozess i.S.v. § 85 InsO handle. Insoweit sei der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich auch für die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte noch das Wahlrecht des § 103 InsO ausüben könne und die Erfüllung des von der Klägerin behaupteten, nach Auffassung des Beklagten tatsächlich nicht wirksam abgeschlossenen Aktienkaufvertrages ablehnen könne. Ob also tatsächlich die von der Klägerin geschuldete Gegenleistung noch in die Masse gelange oder nicht, weil die Klägerin die Aktien nicht mehr liefern könne, sei für die Frage, ob es sich um einen Aktivprozess handle und ob der Beklagte diesen Rechtsstreit aufnehmen könne, ohne Relevanz. Hinzu komme, dass dem Beklagten im Falle des Obsiegens ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin zustehe, der ebenfalls zur Masse zu gelangen habe.
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d) Mit Schriftsatz vom 19.2.2020 teilte der Beklagte mit, dass die Klägerin zwischenzeitlich die Forderung zur Tabelle angemeldet habe. Mit Schriftsatz vom 31.3.2020 erklärte er, dass er den gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit gemäß § 180 Abs. 2 InsO aufnehme. Der von der Klägerin angemeldeten Forderung sei sowohl vom Beklagten, als auch vom Insolvenzschuldner und dessen Gläubigern R.K. und J.K. widersprochen worden. Zur Begründung ist ausgeführt, dass für den Fall, dass für eine bestrittene Forderung bereits ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil vorliege, die initiative Verfolgung des Widerspruchs beim Bestreitenden liege. Der Insolvenzverwalter habe daher seinen Widerspruch zu verfolgen.
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e) Mit Schriftsatz vom 22.4.2020 kündigte die Klägerin als Anträge an, dass die Forderungen der Klägerin zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn Dr. W.K. festzustellen seien und die Widerklage abzuweisen sei. Sie führt aus, der Beklagte als Insolvenzverwalter verfolge nun den im Insolvenzverfahren erklärten Widerspruch im Berufungsverfahren weiter. Die Feststellungsklage sei zulässig und begründet, weil die vorgebrachten Einwendungen gegen die Forderung der Klägerin nicht durchgreifen würden. Die vom Beklagten gestellten Anträge seien missverständlich und unklar. Die Anträge seien wohl so zu verstehen, dass der Beklagte den im Insolvenzverfahren erklärten Widerspruch weiter verfolge. Dafür spreche, dass der Beklagte im Schriftsatz vom 31.3.2020 erklärt habe, er nehme das Verfahren nach §§ 180 Abs. 2, 179 Abs. 2 InsO auf. Eine derartige Aufnahme setze aber voraus, dass hinsichtlich der Forderung, über die der Rechtsstreit durch Aufnahme weiter betrieben werden solle, bereits ein Endurteil inmitten sei. Ein Endurteil existiere aber nur hinsichtlich der ursprünglich von der Klägerin begehrten Feststellung, dass der Schuldner hinsichtlich der ihm Zug um Zug zu erbringenden Leistung befriedigt sei. Die Aufnahme des Verfahrens durch den Beklagten sei teilweise zulässig. Das Oberlandesgericht München sei gemäß § 180 Abs. 2 InsO sachlich und örtlich zuständig, da der Klägerin die Früchte des Vorprozesses erhalten bleiben müssten und bereits ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig gewesen sei. Es sei dabei unerheblich, um welche Klageart es sich bei dem Rechtsstreit über die Forderung handle. Keine Rolle spiele, ob der Gläubiger mit Leistungs- oder Feststellungsklage gegen den Schuldner vorgegangen sei. Durch die bisherige Feststellungsklage begehre die Klägerin die Feststellung, dass der Insolvenzschuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu erbringenden Leistung befriedigt sei, um dadurch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 756 Abs. 1, 765 Nr. 1 ZPO zur Durchsetzung der rechtskräftig festgestellten Forderung herbeizuführen. Somit sei zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig gewesen. Dieses Ergebnis gebiete auch der Grundsatz der Prozessökonomie sowie der Telos des § 180 Abs. 2 InsO. Durch die Aufnahme des Rechtsstreits solle gewährleistet werden, dass die bereits vom Gericht geleistete Vorarbeit nicht verloren ist. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Widerspruch des Insolvenzverwalters, welcher die Befriedigung der Klägerin vereitle. Nur durch die begehrte Feststellung zur Tabelle werde der Widerspruch überwunden und somit der Klägerin endgültig die Teilnahme an der Erlösausschüttung verschafft. Dies gelte sogar dann, wenn die Klägerin bereits über einen Titel verfüge und deswegen der Bestreitende aktiv werden müsse.
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f) Auf Hinweis des Senats vom 6.5.2020 formulierte der Beklagte mit Schriftsatz vom 29.6.2020 die Anträge wie folgt:
„1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 22.2.2016 zum Az. 34 O 9367/12 wird die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Widerspruch gegen die Forderung der Klägerin in Höhe des Betrages von 21.250.000,00 EUR (Kaufpreisanspruch gemäß Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012, Az. 34 O 6388/09) zur laufenden Nummer 8 der Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn Dr. W.K. Az: … für begründet erklärt.
2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München vom 22.2.2016 zum Az. 34 O 9367/12 wird die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage wird der Widerspruch gegen die Forderung der Klägerin in Höhe des Betrages von 17.284.263,95 EUR (Zinsanspruch aus Kaufpreisforderung gemäß Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012, Az. 34 O 6388/09) zur laufenden Nummer 9 der Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn Dr. W.K. Az: … für begründet erklärt.“
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Zur Begründung ist ausgeführt, das Verfahren könne durch den Beklagten entweder nach § 180 Abs. 2 InsO oder aber jedenfalls die erhobene Widerklage nach § 85 InsO aufgenommen werden.
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Im übrigen sei zu bedenken, dass die Klägerin die Forderung ohne Berücksichtigung der Gegenleistung in voller Höhe zur Insolvenztabelle angemeldet habe, obwohl sie nach eigenem Sachvortrag anlässlich des freihändigen Verkaufs der Aktien einen Kaufpreis i.H.v. 6.250.000,00 EUR erzielt habe. Im vorliegenden Rechtsstreit werde darüber gestritten, ob in Bezug auf die von der Klägerin zu bewirkende Gegenleistung überhaupt ein wirksamer Kaufvertrag wegen Geschäftsunfähigkeit des Beklagten zum Zeitpunkt der Ausübungserklärung im März 2009 zustande gekommen sei, ob die Klägerin einen freihändigen Verkauf gemäß § 373 HGB durchführen konnte und ob dem früheren Beklagten der freihändige Verkauf überhaupt wirksam angedroht worden sei. Die Klägerin könne weder den Annahmeverzug des Beklagten noch den freihändigen Verkauf der streitgegenständlichen Aktien durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen.
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Eine Zug-um-Zug-Forderung könne nicht zur Tabelle angemeldet werden. Es sei allgemein anerkannt, dass eine derartige Forderungsanmeldung zwar grundsätzlich wirksam, aber unbegründet sei, wenn die Gegenforderung bei der Anmeldung nicht wertmäßig berücksichtigt werde. Gemäß § 45 InsO werde die Werthaltigkeit der sich gegenüberstehenden Zug um Zug zu erfüllenden Forderungen geschätzt. Allein deshalb, weil die Klägerin bei der Forderungsanmeldung den erzielten Kaufpreis nicht abgezogen habe, sei der Widerspruch berechtigt. Allerdings sei im Rahmen der nach § 45 InsO vorzunehmenden Bewertung der Gegenforderung zu berücksichtigen, dass die Klägerin das rechtskräftige Zahlungsurteil nie vollstrecken könne, da ihr Anspruch auf die Gegenleistung jedenfalls gemäß §§ 326, 262 BGB erloschen sei. Die Forderung sei sogar schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen bzw. überhaupt nicht entstanden, was längst festgestellt worden wäre, wenn nicht das Landgericht München I und der 32. Senat des Oberlandesgerichts München entscheidungserheblichen Sachvortrag des früheren Beklagten übergangen hätten. Auch sei das Insolvenzverfahren nur notwendig geworden, weil die Klägerin unberechtigterweise zwei dingliche Arreste in das gesamte Vermögen des Insolvenzschuldners in Höhe eines Teilbetrages von 2.500.000,00 EUR und 10.000.000,00 EUR erwirkt habe. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem ersten Arrest habe der Beklagte die 2.500.000,00 EUR, die er als Darlehen von seiner Ehefrau erhalten hatte, hinterlegt. Da er den zweiten Teilbetrag i.H.v. 10.000.000,00 EUR nicht mehr habe aufbringen können, sei er gezwungen gewesen, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren zu stellen. Das vorliegende Verfahren sei Grundlage der im Prüfungstermin vor dem Amtsgericht Köln gegen die Forderungsanmeldungen der Klägerin erhobenen Widersprüche des Beklagten, des Insolvenzschuldners und seiner Gläubiger. Die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung über die Nichtzlassungsbeschwerde vorgegebene Sach- und Rechtslage sei im Rahmen des § 45 InsO dahingehend zu bewerten, dass die Forderung der Klägerin wertlos sei.
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Auf jeden Fall könne, wenn nicht das ganze Verfahren nach § 180 Abs. 2 InsO, zumindest die Widerklage nach § 85 InsO aufgenommen werden, da sie in direktem Zusammenhang mit den von der Klägerin angemeldeten Forderungen stehe. Bei der Widerklage handle es sich zwar nicht um eine Vollstreckungsabwehrklage, sondern um eine negative Feststellungsklage. Bei beiden Verfahren werde aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NZI 2008, 683) das Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen. Vorliegend verteidige die Klägerin nicht die Vollstreckungsfähigkeit ihres Titels, sondern wolle die Vollstreckungsfähigkeit erst herstellen. Mit der negativen Feststellungsklage erhebe der Beklagte zwar materielle Einwendungen. Diese würden sich aber nicht gegen den titulierten Anspruch richten, sondern es werde die Feststellung begehrt, dass ein wirksamer Kaufvertrag überhaupt nicht zustande gekommen sei, jedenfalls die Forderung der Klägerin bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen und die Klägerin daher keine Gläubigerin des Schuldners sei. Das führe dazu, dass der späteren Teilungsmasse weitere Vermögenswerte zufließen könnten, da die Klägerin den vom Schuldner hinterlegten Betrag i.H.v. 2.500.000,00 € freigeben müsse. Dies rechtfertige es, den Beklagten in der aktiven Rolle zu sehen.
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Sollte eine Aufnahme durch den Beklagten nicht zulässig sein, stelle sich die Frage, ob dann nicht der Rechtsstreit wirksam durch die Klägerin mit deren Schriftsatz vom 22.4.2020 aufgenommen worden sei. Die Anträge der Klägerin seien zwar auf das kontradiktorische Gegenteil der Anträge des Beklagten gerichtet. Wenn dieser allerdings nicht berechtigt sei, das Verfahren aufzunehmen, wären seine Anträge unzulässig, sodass die Anträge der Klägerin nicht entgegenstünden und diese das Verfahren aufnehmen könnte.
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Schließlich könne, wenn weder die Klägerin noch der Beklagte das Verfahren wirksam aufnehmen könnten, dies jedenfalls der Schuldner. Es liege dann kein Massebezug vor, so dass dieser Partei des Rechtsstreits geblieben sei und das Verfahren nicht nach § 240 ZPO unterbrochen sei. Von den Parteien würden nach der Rechtsauffassung des Senats ausschließlich Feststellungsanträge verfolgt, die die Teilungsmasse nur wirtschaftlich berühren, aber nicht zu einer Mehrung der Teilungsmasse führen würden. Der Insolvenzschuldner und frühere Beklagte sei dann nach wie vor Beklagter im vorliegenden Verfahren.
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g) Mit Schriftsatz vom 14.7.2020 kündigte die Klägerin an, kostenpflichtige Abweisung der Widerklage zu beantragen. Sie vertrat die Ansicht, die Klage sei weiterhin unterbrochen, es komme weder eine Aufnahme nach § 85 InsO noch eine solche nach § 180 Abs. 2 InsO in Betracht. Insoweit bestehe auch für die Klägerin keine Möglichkeit, die Klage nach den Vorschriften für die Insolvenz aufzunehmen, da der Insolvenzverwalter seinen Widerspruch verfolge. Ob der Insolvenzverwalter zur Aufnahme berechtigt sei oder nicht, sei nicht maßgeblich.
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Auch eine Aufnahme der Widerklage nach § 85 InsO komme nicht in Betracht, da hier nicht über eine Pflicht zu einer Leistung gestritten werde, die in die Masse zu gelangen habe. Das Argument des Beklagten, dass für den Fall, dass der Widerspruch für begründet erklärt werde, die Klägerin den zu ihren Gunsten hinterlegten Betrag von EUR 2.500.000,00 freigeben müsste, sei unzutreffend, da die Frage, ob dieser Betrag freizugeben sei, nicht Gegenstand der Widerklage sei. Die Hinterlegung sei nicht aufgrund des rechtskräftigen Zahlungstitels erfolgt, sondern aufgrund des erwirkten Arresturteils.
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Hingegen dürfte die isolierte Aufnahme der Widerklage nach § 180 Abs. 2 InsO zwar grundsätzlich möglich sein, da sich die begehrte negative Feststellung gegen den rechtskräftig titulierten Anspruch der Klägerin richte und die Widerklage bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anhängig war. Zwar würden die aufgenommene Widerklage und die weiterhin unterbrochene Feststellungsklage - zumindest nach der Auffassung des Beklagten - von derselben Vorfrage abhängen, nämlich, ob der freihändige Verkauf durch die Klägerin hinsichtlich der zu erbringenden Gegenleistung wirksam war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfe eine Teilentscheidung grundsätzlich nur dann ergehen, wenn sie von der Entscheidung über Klage und Widerklage in der Art unabhängig sei, dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse in der Teil- und Schlussentscheidung nicht bestehe. Dieser Grundsatz gelte aber nicht ausnahmslos. So sei eine Ausnahme im Fall der Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenz eines einfachen Streitgenossen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig gerechtfertigt, weil die Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führe. Da die Dauer der Unterbrechung in der Regel ungewiss sei und sich das Insolvenzverfahren in Einzelfällen viele Jahre lang hinziehen könne, wäre es mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen drohe. Dies würde auch gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - nur die Widerklage aufgenommen werden könne, während die Feststellungsklage unterbrochen bleibe. Denn anderenfalls würde der Rechtsschutz des das Verfahren aufnehmenden Insolvenzverwalters sowie der mit dem Widerspruch konfrontierten Gläubigerin ohne sachliche Rechtfertigung und insbesondere dem Zweck des § 180 Abs. 2 InsO zuwiderlaufend verkürzt.
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Die Widerklage dürfte jedoch unzulässig sein. Voraussetzung jeder Feststellungsklage sei ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Zwar sehe die Zivilprozessordnung grundsätzlich die Vollstreckungsabwehrklage vor, um gegen einen rechtskräftigen Titel vorzugehen; diese und die negative Feststellungsklage würden sich zwar nicht gegenseitig ausschließen, hätten aber unterschiedliche Rechtsschutzziele. Ziel der Vollstreckungsabwehrklage sei die Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels; nicht entschieden werde hingegen über den weiteren Bestand des titulierten Anspruchs. Dieser könne folglich Gegenstand der Feststellungsklage sein. Diese sei aber nur zulässig, wenn ein Feststellungsinteresse bestehe. Ein solches ergebe sich dabei nicht im Hinblick auf die mögliche Zwangsvollstreckung aus dem Titel; denn das Feststellungsurteil sei als Entscheidung i.S.d. § 775 Nr. 1 ZPO ungeeignet und könne den Fortgang der Vollstreckung nicht aufhalten. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die erfolgreiche Vollstreckungsabwehrklage führe gemäß §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO zur Einstellung der Zwangsvollstreckung und zur Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen. Die vollstreckungsrechtlichen Wirkungen des einer negativen Feststellungsklage stattgebenden Urteils würden hinter denjenigen eines Urteils nach § 767 ZPO zurückbleiben. Im Übrigen würde die Rechtskraft des titulierten Anspruchs einer negativen Feststellungsklage zumindest insoweit entgegenstehen, wie auch die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 1 ZPO reiche. Für eine negative Feststellungsklage bliebe damit kein Raum. Sollte der Beklagte erwägen, die Widerklage auf eine Vollstreckungsabwehrklage umzustellen, wäre die Klägerin wohl bereit, in eine entsprechende Klageänderung einzuwilligen.
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Soweit der Beklagte die Auffassung vertrete, eine Zug um Zug zu erfüllende Forderung könne nicht zur Tabelle angemeldet werden, gehe dies fehl. Derartige Forderungen könnten zwar als solche nicht zur Tabelle angemeldet werden; eine Anmeldung ohne die Zug-um-Zug-Einschränkung als reiner Zahlungsanspruch sei jedoch möglich. In diesem Fall sei vielleicht der angemeldete Betrag zu hoch angesetzt, die Anmeldung selbst sei jedoch wirksam, da sie den Anforderungen der InsO (Eignung zur Berechnung der Quote) entspreche. Die angemeldete Forderung sei in voller Höhe begründet. Es sei zwar zutreffend, dass die Klägerin im Rahmen des freihändigen Verkaufs einen Kaufpreis von EUR 6.250.000,00 erzielt habe. Hieraus folge aber weder, dass die Forderungsanmeldung unbegründet, noch dass sie mit dem erzielten Kaufpreis zu saldieren wäre. Zur Ermöglichung einer Feststellung sei der Wert der Zug-um-Zug-Einschränkung zu schätzen und falls messbar von der Forderungshöhe abzuziehen. Die Forderungsanmeldung sei damit allenfalls teilweise unbegründet. Hinsichtlich des Erlöses aus dem freihändigen Verkauf fänden die Vorschriften des Auftragsrechts Anwendung. Damit trete an die Stelle des ursprünglich geschuldeten Gegenstands gemäß § 667 BGB der Anspruch des Beklagten auf Herausgabe des Erlöses. Soweit der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 29.6.2020 so zu verstehen sein sollte, dass er diesen Anspruch nunmehr geltend mache, erhebe die Klägerin die Einrede der Verjährung. Mithin bestehe keine Veranlassung, den Erlös von der angemeldeten Forderung in Abzug zu bringen.
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h) Der Beklagte hat dagegen mit Schriftsatz vom 10.9.2020 vorgebracht, einer Klageänderung bedürfe es nicht. Bei der vom Insolvenzschuldner erhobenen Widerklage habe es sich bereits um eine Vollstreckungsabwehrklage kombiniert mit einer Feststellungsklage gehandelt.
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Der Beklagte sei auch nicht in Bezug auf die nicht in Rechtskraft erwachsende Gegenforderung auf Lieferung der Aktien präkludiert, da das Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.9.2018 insoweit nicht in Rechtskraft erwachse.
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Es könne sein, dass die von der Klägerin im Insolvenzverfahren zu hoch vorgenommene Forderungsanmeldung wirksam sei. Sie sei dennoch falsch und rechtswidrig, da die Forderung der Klägerin nicht mehr bestehe. Die Klägerin verkenne erneut, dass es sich bei dem angeblichen freihändigen Verkauf der Aktien bereits nicht um einen solchen nach § 373 HGB gehandelt habe, weil zum einen ein wirksamer Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei und zum anderen sowohl dem Beklagten als auch der Klägerin die Kaufmannseigenschaft gefehlt habe und der freihändige Verkauf nicht wirksam angedroht worden sei. Selbst wenn der freihändige Verkauf wirksam gewesen wäre, wäre der Beklagte immer noch berechtigt, mit der verjährten Forderung aufzurechnen. Wenn die Klägerin den Rechtsstreit verliere und der Widerklage stattgegeben werde, also festgestellt werde, dass die titulierte Forderung nicht bestehe, habe dies als zwingende Konsequenz zur Folge, dass der zugunsten der Klägerin ergangene Arrest wegen veränderter Umstände aufzuheben sei, was wiederum zur Folge habe, dass die Klägerin den hinterlegten Betrag freizugeben habe.
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Verfehlt sei die Auffassung der Klägerin, der negativen Feststellungsklage fehle das rechtliche Interesse. Gerade an der Feststellung, dass die titulierte Forderung nicht bestehe, habe der Beklagte ein vehementes Interesse, da damit dann geklärt werde, ob die Klägerin Gläubigerin des Insolvenzverwalters sei oder nicht.
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Die von der Klägerin vorgenommenen Forderungsanmeldung sei allein deshalb unbegründet, weil die Klägerin die Forderung so, wie sie sie angemeldet hat, nicht hätte anmelden dürfen und ihr diese auch nicht mehr zustehe.
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Es sei auch keineswegs unstreitig, dass die Klägerin 6.250.000,00 EUR durch den freihändigen Verkauf erzielt habe. Die Voraussetzungen dieses angeblichen freihändigen Verkaufs habe die Klägerin nie substantiiert vorgetragen. Neben der fehlenden Kaufmannseigenschaft der Parteien habe die Klägerin den freihändigen Verkauf nicht wirksam angedroht, weil der Insolvenzschuldner zum maßgeblichen Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen sei und auch keinen gesetzlichen Vertreter gehabt habe. Zudem habe die Klägerin dem Verfahrensbevollmächtigten des ehemaligen Beklagten nie den Verkaufsort und die Verkaufszeit mitgeteilt. Überhaupt habe der Verkauf durch den von der Klägerin beauftragten und daher als deren Vertreter tätigen Notar nicht den Voraussetzungen des § 373 HGB entsprochen.
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Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 1.3.2021 bzw. vom 18.3.2021 haben die Parteien erklärt, dass mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren Einverständnis besteht.
II.
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Nachdem zwischen dem Beklagten - die Klägerin geht nach dem Schriftsatz vom 14.7.2020 ebenfalls davon aus, dass das Verfahren weiterhin unterbrochen ist - und dem Gericht Streit über den Eintritt einer Unterbrechung gemäß § 240 ZPO entstanden ist, hat der Senat gemäß § 303 ZPO ein Zwischenurteil zu erlassen (BGH NJW 2010, 1351). Beide Parteien habe einer Entscheidung des Berufungsgerichts ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Der Senat hat demgemäß unter dem 22.3.2021 beschlossen, nach § 128 Abs. 2 ZPO zu verfahren.
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Eine Entscheidung über die Klage und die Widerklage kommt derzeit nicht in Betracht. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Die Unterbrechung dauert an.
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Nach § 240 ZPO wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.
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1. Unterbrochen werden allerdings nur solche Verfahren, die in aktiver oder passiver Richtung die Sollmasse, das heißt das gesamte der Einzelzwangsvollstreckung unterliegende Vermögen und pfändbare Vermögen des Schuldners betreffen (BeckOK ZPO/Jaspersen 38. Edition § 240 Rn. 7). Der Streitgegenstand muss entweder Bestandteil der Insolvenzmasse oder aus ihr zu leisten sein. Eine Unterbrechung findet deshalb nur statt, wenn und soweit der Gegenstand des anhängigen Verfahrens ein Vermögensgegenstand ist, der rechtlich zur Insolvenzmasse gehören kann (BGH NJW-RR 2015, 433). Eine nur wirtschaftliche Beziehung zur Masse reicht nicht aus. Zur Masse gehört das gesamte Vermögen des Schuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern es der (Einzel-) Zwangsvollstreckung unterliegt und pfändbar ist (BGH MDR 2004, 1251; MüKo ZPO/Stackmann 6. Aufl. § 240 Rn. 19).
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Unterbrochen werden grundsätzlich alle Leistungsklagen, unabhängig davon, ob der Schuldner auf der Aktiv- oder Passivseite des Rechtsstreites steht. Bei Feststellungs- oder Auskunftsklagen ist darauf abzustellen, ob die Klage einen Massebezug hat. Dieses Tatbestandsmerkmal ist in einem weiten Sinn zu verstehen (BeckOK ZPO/Jaspersen § 240 Rn. 7), wobei ein mittelbarer Bezug genügt (BGH NJW 2010, 2213). Es ist dann erfüllt, wenn die fragliche Klage zur Vorbereitung einer Anspruchsverfolgung dient (Waltenberger NZI 2018, 505). Die Betroffenheit der Masse ist bei einer Feststellungsklage gegeben, die zwar nicht unmittelbar eine Insolvenzforderung zum Gegenstand hat, aber Voraussetzungen einer angemeldeten Forderung oder Rechtsverhältnisse, von denen eine die Insolvenzmasse betreffende Forderung abhängt, klären soll (Uhlenbruck/Mock InsO 15. Aufl. § 85 Rn. 25).
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Im vorliegenden Berufungsverfahren wendet sich der Beklagte gegen ein Feststellungsurteil. Die Klägerin, die aus einem Zug-um-Zug-Titel vollstrecken will, hat im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, was in erster Instanz bestätigt wurde. Das vorliegende Berufungsverfahren dient dazu, die Vollstreckung der der Klägerin mit Leistungsurteil vom 6.2.2012 gegen den Schuldner rechtskräftig zugesprochenen Forderung, die in die Insolvenzmasse fällt, zu verhindern. Ein zumindest mittelbarer Massebezug liegt demzufolge vor.
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2. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen ein infolge von Insolvenzeröffnung unterbrochener Rechtsstreit aufgenommen werden kann, nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften.
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a) Die Unterbrechung ist weder durch die mit Schriftsatz des Beklagten vom 8.1.2020 abgegebene Erklärung, nach § 85 Abs. 1 InsO den Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellungsklage aufzunehmen, noch durch die mit Schriftsatz vom 29.6.2020 erklärte Aufnahme der Widerklage beendet. Nach § 85 Abs. 2 InsO können Verfahren, in denen der Schuldner einen Anspruch verfolgt, der zur Insolvenzmasse gehört (Aktivprozesse), vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden.
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aa) Bei der zur Entscheidung des Senats stehenden Berufung gegen das Feststellungsurteil des Landgerichts München I vom 22.2.2016 handelt es sich jedoch nicht um einen Aktivprozess i.S. v. § 85 Abs. 1 InsO.
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Die Frage, ob es sich bei einem durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochenen Rechtsstreit um einen Aktiv- oder Passivprozess handelt, ist nicht danach zu beantworten, ob der Insolvenzschuldner Kläger, Beklagter, Berufungskläger, Berufungsbeklagter, Widerkläger oder Widerbeklagter ist, sondern danach, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über die Pflicht zu einer Leistung gestritten wird, die in die Masse zu gelangen hat (BGH NJW 1962, 589; BGH BeckRS 2012, 9227; MüKo InsO/Schumacher 4. Aufl. § 85 Rdnr. 4; Braun/Kroth InsO 8. Aufl. § 85 Rn. 2). Gegenstand der vorliegend vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Feststellungsklage ist die Berufung gegen das Feststellungsurteil der Vorinstanz. Mit diesem Feststellungsurteil wurde die Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 6.2.2012 (34 O 6388/09) geschaffen, durch das der Schuldner zur Geldzahlung rechtskräftig verurteilt wurde. Die Erbringung der Zug-um-Zug-Leistung durch den Gläubiger der ausgeurteilten Zahlungsverpflichtung stellt gemäß §§ 756, 765 ZPO die Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung dar. Erwiese sich vorliegend die vom Beklagten gegen das Feststellungsurteil erhobene Berufung als begründet, könnte die Zwangsvollstreckung wegen des ausgeurteilten Geldzahlungsanspruchs nicht beginnen. Weitere Wirkungen wären damit nicht verbunden. Insbesondere wäre damit nicht geklärt, ob ein Anspruch auf die Gegenleistung gegeben ist und fortbesteht oder nicht. Wird eine Verurteilung mit einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung verknüpft, ist damit nicht gleichzeitig darüber entschieden, ob ein Anspruch auf die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung tatsächlich besteht; die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nicht hierauf. Durch die Verurteilung Zug um Zug gegen Erbringung einer Leistung wurde dem Beklagten nichts zugesprochen. Die Klägerin wurde nicht zur Erbringung der Gegenleistung verurteilt. Deshalb ist nur die Feststellung der Leistungspflicht des Beklagten in Rechtskraft erwachsen, nicht die Pflicht der Klägerin zur Gegenleistung (vgl. BGH NJW 1992, 1172). Würde vorliegend der Beklagte mit der Berufung durchdringen, so wäre damit kein Massezufluss verbunden, was aber Voraussetzung für die Annahme eines Aktivprozesses
i. S.d. § 85 InsO ist. Soweit der Beklagte einwendet, im vorliegenden Verfahren werde nicht über die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung gestritten, sondern darüber, ob der Beklagte hinsichtlich der zu erbringenden Gegenleistung befriedigt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin die Feststellungsklage im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO erhoben hat, wovon auch der Bundesgerichtshof ausgeht, wie sich aus einer zwischen den Parteien des ursprünglichen Rechtsstreits ergangenen Entscheidung vom 4.7.2018 (Az.: VII ZB 4/17 - juris) ergibt.
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bb) Gleiches gilt auch soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 29.6.2020 meint, die Widerklage nach § 85 Abs. 2 InsO aufnehmen zu können. Auch bei der mit Schriftsatz vom 9.10.2019 erhobenen Widerklage auf Feststellung, dass die Klägerin die ihr obliegende Leistung nicht mehr erbringen kann bzw. der Klägerin keine Rechte mehr aus dem Kaufvertrag zustehen, handelt es sich nicht um einen Aktivprozess, da ein Obsiegen des Beklagten nicht zu einem Massezufluss führen würde. Die Widerklage dürfte auch zumindest insoweit unzulässig sein, als der Beklagte beantragt festzustellen, dass die Klägerin die ihr obliegende Leistung nicht mehr erbringen kann. Denn der Beklagte macht in Umkehrung der von der Klägerin begehrten Rechtsfolge auf Feststellung, dass der Schuldner befriedigt ist, hier das „kontradiktorische Gegenteil“ geltend. Schließlich dürfte einer Aufnahme allein der Widerklage entgegenstehen, dass insoweit sowohl die Entscheidung der Widerklage als auch die Entscheidung der Klage von derselben Vorfrage, nämlich ob der Schuldner befriedigt ist, abhängen, weshalb eine isolierte Entscheidung der Widerklage ausgeschlossen sein dürfte.
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cc) Auch ein dem Beklagten im Falle einer erfolgreichen Berufung zustehender Kostenerstattungsanpruch macht das Verfahren nicht zu einem Aktivprozess. Für die Frage, ob das unterbrochene Verfahren als Aktivprozess anzusehen ist, kommt es auf die Hauptsache an. Kostenerstattungsansprüche bleiben grundsätzlich außer Betracht. So wird ein Passivprozess zur Schuldenmasse nicht dadurch zum Aktivprozess, dass der Schuldner möglicherweise Erstattung seiner Prozesskosten vom Gegner verlangen kann (MüKo InsO/Schumacher § 85 Rn. 7). Gleiches gilt, soweit der Beklagte einwendet, dass im Falle seines Obsiegens der hinterlegte Betrag der Teilungsmasse zufließen würde. Diese nur mittelbare Folge führt nicht dazu, dass das Verfahren zu einem Aktivprozess wird.
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c) Eine Aufnahme des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter gemäß §§ 179, 180 InsO ist vorliegend ebenfalls nicht möglich.
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Die §§ 174 ff. InsO und damit auch §§ 179, 180 InsO gelten für einfache und nachrangige Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO. Danach dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Vermögensanspruch i.S.d. § 38 InsO ist nur der Anspruch, der auf Geld gerichtet ist oder sich gemäß §§ 45, 46 InsO in einen Geldanspruch umwandeln lässt (BeckOK InsO/Jilek/Kirchner § 38 Rn. 8).
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Zwar kann grundsätzlich bei titulierten Forderungen ein Widersprechender, hier also der Beklagte als Insolvenzverwalter, einen anhängigen Rechtsstreit gemäß §§ 179, 180 Abs. 2 InsO aufnehmen (MüKo InsO/Schumacher Vorbemerkung vor §§ 85 - 87 Rnrn. 76 - 78). Rechtsstreit
i. S.d. § 180 Abs. 2 InsO ist jedes Verfahren, auf das § 240 ZPO Anwendung findet. Jedoch ist Voraussetzung einer Aufnahme die Identität der im Insolvenzverfahren angemeldeten und der im Prozess verfolgten Ansprüche (Schmidt/Jungmann InsO 19. Aufl. § 180 Rn. 11). In dem hier in der Berufungsinstanz anhängigen Feststellungsverfahren wird jedoch kein Vermögensanspruch i.S.d. § 38 InsO verfolgt. Ein solcher festzustellender Vermögensanspruch ist vielmehr der von der Klägerin im Februar 2020 zur Tabelle angemeldete Kaufpreisanspruch gemäß dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München I vom 6.2.2012 (Az.: 34 O 6388/09). Im Übrigen ist bei rechtskräftigen Urteilen der Widerspruch im Wege der Restitutionsoder Nichtigkeitsklage, ansonsten mit der Vollstreckungsgegenklage nach Maßgabe des § 767 ZPO zu verfolgen (Uhlenbruck/Sinz § 179 Rn. 33). Eine solche Klage, für die der Senat nicht zuständig wäre (§ 802 ZPO), wurde jedoch - soweit ersichtlich - nicht erhoben.
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d) Dagegen spricht auch nicht, dass somit der Beklagte und Berufungskläger gehindert ist, seine Berufung weiter zu verfolgen. Gegenstand der Berufung ist eine Feststellungsklage die der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dient. Vorliegend ergibt sich bereits aus § 89 InsO ein Vollstreckungsverbot für die als Insolvenzgläubigerin einzustufende Klägerin.
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e) Eine Aufnahme durch die Klägerin ist nicht erfolgt, da diese, wie im Schriftsatz vom 14.7.2020 ausgeführt, ebenfalls davon ausgeht, dass das Verfahren unterbrochen ist.
III.
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Die Revision war zuzulassen (vgl. BGH NJW 2004, 2983).