Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 29.10.2021 – W 10 K 20.1316
Titel:

Versagungsgegenklage, Bayerisches Baukindergeld, Plus, Versäumnis der Antragsfrist, ständige Förderpraxis, materielle Ausschlussfrist nach Verwaltungspraxis, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5
BayHO Art. 23, 44
GG Art. 3
Schlagworte:
Versagungsgegenklage, Bayerisches Baukindergeld, Plus, Versäumnis der Antragsfrist, ständige Förderpraxis, materielle Ausschlussfrist nach Verwaltungspraxis, keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56742

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Zuwendung nach dem Förderprogramm „Bayerisches Baukindergeld Plus“.
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Die Klägerin ist ledig und bezog gemeinsam mit ihrem Sohn am 15. Oktober 2019 ein Zweifamilienhaus im Ersterwerb. Sie erhielt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit Auszahlungsbestätigung vom 16. März 2020 am 20. März 2020 die Zusage für den Erhalt des Baukindergeldes des Bundes (Familien und Alleinerziehende pro Kind und Jahr für zehn Jahre je 1.200,00 EUR). Mit dem Programm „Bayerischen Baukindergeld Plus“ schüttet der Beklagte an Berechtigte zusätzliche 300,00 EUR pro Kind jährlich für maximal zehn Jahre aus.
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Die Klägerin stellte am 24. Juni 2020 einen Antrag auf Bewilligung des Bayerischen Baukindergeld Plus.
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Mit Bescheid vom 18. August 2020 lehnte der Beklagte durch die Bayerische Landesbodenkreditanstalt (im Folgenden: BayernLabo) die beantragte Zuwendung ab. Gemäß Punkt 8.2 der Richtlinien für die Gewährung des Baukindergelds Plus zum Bau oder Erwerb von selbstgenutztem Wohnraum für Familien mit Kindern und Alleinerziehende (Baukindergeld-Plus-Richtlinien, im Folgenden: BayBauKGPR) sei eine Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens drei Monate nach dem Datum der Auszahlungsbestätigung der KfW für das Baukindergeld des Bundes zulässig. Das Datum der Antragstellung bei der BayernLabo am 24. Juni 2020 liege mehr als drei Monate nach dem Datum der Auszahlungsbestätigung der KfW für das Baukindergeld des Bundes am 16. März 2020.
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Mit Schriftsatz vom 14. September 2020, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ die Klägerin Klage erheben.
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Die Klägerin habe wegen des Corona-Lockdowns den Antrag nicht rechtzeitig stellen können. Nach den von der BayernLabo herausgegebenen Regularien müsse der Antrag mittels POSTIDENT legitimiert sein. Dies sei aufgrund des „Corona-Lockdowns“ erst am 24. Juni 2020 möglich gewesen, da die D P ..., vorher keinen Parteiverkehr zugelassen habe. Die Klägerin habe vor Ablauf der Dreimonatsfrist bei der BayernLabo telefonisch nachgefragt. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass die Unterlagen keinesfalls ohne POSTIDENT-Legitimation übersandt werden dürften und die Klägerin abwarten solle, bis eine entsprechende Legitimation wieder möglich sei. Hierauf habe sich die Klägerin verlassen dürfen. Der Ablehnungsbescheid verstoße gegen Treu und Glauben. Hilfsweise sei Wiedereinsetzung in den vorherigen Stad zu gewähren. Dem Wortlaut des Nr. 8.2 BayBauKGPR könne kein Ausschluss einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit entnommen werden. Hierzu werde zum Vergleich auf § 16 Abs. 4 EEG verwiesen, wo ausdrücklich eine Ausschlussfrist bestimmt werde. Es gebe keine entsprechende Begründung dafür, dass hier eine Ausschlussfrist vorliege. Auch der mit der Regelung verfolgte Zweck könne nicht die Annahme einer Ausschlussfrist rechtfertigen. Die Wiedereinsetzungsmöglichkeit beruhe mit Art. 32 BayVwVfG auf einer gesetzlichen Rechtsgrundlage und gehe einer Verwaltungsvorschrift vor. Zudem gelte Art. 32 BayVwVfG auch für materiell-gesetzliche Fristen. Es sei ein doppeltes Fehlverhalten des Beklagten zu berücksichtigen, da er zum einen nicht auf das Vorliegen einer materiellen Ausschlussfrist hinwies und zum anderen eine falsche telefonische Auskunft gegeben habe. Im Übrigen sei im Hinblick auf die Coronabedingte Ausnahmesituation die Rechtsprechung zu „höherer Gewalt“ anwendbar. Es gebe in den der Klägerin zur Verfügung gestellten Unterlagen keinen Hinweis darauf, dass das POSTIDENT-Verfahren auch nachgeholt werden könne. Vielmehr habe alles darauf hingedeutet, dass dies nicht möglich sei. Es sei nicht ersichtlich, welche größere Sorgfalt die Klägerin hätte walten lassen müssen. Da es keinen rationalen Zweck gebe, der die Ausschlussfrist rechtfertigen könnte, bestünden dagegen verfassungsrechtliche Bedenken. Zudem leide die Klägerin an einem psychovegetativen Syndrom, Anpassungsstörungen und einer Depression. Dazu werde auf ein ärztliches Attest vom 24. November 2020 verwiesen. Die Klägerin habe darüber hinaus schon am 13. April 2020 einen „Online-Antrag“ gestellt.
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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des zur Antragsnummer … ergangenen Ablehnungsbescheids vom 18. August 2020 zu verpflichten, der Klägerin das beantragte Baukindergeld Plus zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Antrag sei unstreitig nach Ablauf der Frist nach Nr. 8.2 BayBauKGPR gestellt worden. Diese Frist werde nach der Praxis der BayernLabo als materielle Ausschlussfrist gehandhabt, so dass bei Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden kann. Eine Ausschlussfrist im Bereich der nicht rechtsatzmäßig geregelten staatlichen Leistungsgewährung könne auch durch Verwaltungsvorschriften und eine dies umsetzende Verwaltungs- bzw. Förderpraxis begründet werden. Treu und Glauben stünde dem nicht entgegen. Die behauptete telefonische Rücksprache mit einer Mitarbeiterin bei der BayernLabo sei wenig konkret und stünde im Widerspruch zu der vorgetragenen Förderpraxis, wonach eine Legitimation auch nachträglich erfolgen könne. Dies decke sich mit verschiedenen Verlautbarungen des Beklagten (vgl. www.baukindergeld.bayern.de/antragstellung). Es sei zwischen der fristgemäßen Antragstellung und der für die abschließende Bearbeitung erforderlichen Unterlagen zu unterscheiden. Dass eine Mitarbeiterin eine falsche Auskunft gebe, könne nicht nachvollzogen werden. Maßgeblich für die Fristwahrung sei nach der Förderpraxis der Eingang des unterschriebenen Antragsformulars. Dies ergebe sich auch aus dem Merkblatt zur Antragstellung deutlich. Die weiteren Ausführungen des Merkblattes (Unterlagen sammeln, Legitimation, usw.) stellten erkennbar auf die Bearbeitung des Antrags ab. Zudem sei bei den Informationen zu den bei Antragstellung benötigten Unterlagen angegeben gewesen, dass das POSTIDENT-Verfahren nachgeholt werden könne. Des könne den Veröffentlichungen auf www.baukindergeld.bayern.de entnommen werden. Im Falle der Klägerin würden auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht vorliegen, da sie die Fristversäumnis verschuldet habe. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sie wegen ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen.
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Mit Schreiben vom 28. September 2021 und 11. August 2021 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, erweist sich als zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft und auch im Übrigen zulässig (vgl. VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 - W 8 K 20.330 - juris Rn. 13).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 18. August 2020 rechtmäßig ist und die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Förderung hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung ist der Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 6 ZB 20.438 - juris Rn. 15, VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1180 - juris Rn. 23).
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2.2 Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaats Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO).
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Ein Anspruch besteht danach nur ausnahmsweise im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn sich die Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien selbst gebunden hat (Selbstbindung der Verwaltung). Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 - 19 B 96.3964 - juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 - M 15 K 07.5555 - juris Rn. 30).
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO und ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2015 - 10 C 15.14 - BVerwGE 152, 211 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 - 4 ZB 10.1689 - juris Rn. 19; B.v. 27.7.2009 - 4 ZB 07.1132 - juris Rn. 13).
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Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die maßgeblichen Förderrichtlinien und andere Unterlagen auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 27). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 - 3 C 111/79 - BVerwGE 58, 45 - juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 23). Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen von § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. OVG Saarl, B.v. 28.5.2018 - 2 A 480/17 - juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 - 3 LB 5/15 - juris; OVG NW, B.v. 29.5.2017 - 4 A 516/15 - juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 - 10 A 1481/11 - juris).
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2.3 Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Baukindergeld Plus, da sie den Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Auszahlungsbestätigung des Bundes Baukindergeldes gestellt hat.
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Aus Nr. 2 BayBauKGPR ergibt sich, dass das Schaffen von Eigenwohnraum zur Selbstnutzung durch den Erwerb von neuen oder bestehenden Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen gefördert wird, soweit dafür das Baukindergeld des Bundes gewährt wird. Nach Nr. 3.1 BayBauKGPR ist zuwendungsberechtigt, wer das Baukindergeld des Bundes erhält. Der Nachweis ist durch die Auszahlungsbestätigung der KfW für das Baukindergeld des Bundes zu erbringen. Für jedes Kind, für das das Baukindergeld des Bundes gewährt wird, kann diese Zuwendung nur einmalig beantragt werden. Nach Nr. 5 BayBauKGPR erfolgt die Zuwendung mittels eines Zuschusses in Höhe von 300,00 EUR pro Jahr für jedes Kind, für das Baukindergeld des Bundes gezahlt wird, über einen Zeitraum von maximal zehn Jahren. Gemäß Nr. 8.2 BayBauKGPR ist die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums nach Nr. 2 und bis spätestens drei Monate nach dem Datum der Auszahlungsbestätigung der KfW für das Baukindergeld des Bundes zulässig, worauf auch in den Erläuterungen zum Antragsformular (sog. Anlage zum Formblatt BayBauKGPR) unter Nr. 6 hingewiesen wird (siehe VG Ansbach, U.v. 1.12.2020 - AN 3 K 19.02073 - juris Rn. 5 ff.).
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Unter Anwendung dieser Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Gewährung des Bayerischen Baukindergelds Plus, weil sie ausweislich der Behördenakte den Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Datum der Auszahlungsbestätigung der KfW für das Baukindergeld des Bundes schriftlich gestellt hat.
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Die Auszahlungsbestätigung der KfW datiert auf dem 16. März 2020. Damit lief die Antragsfrist mit Ablauf des 16. Juni 2020 ab (vgl. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, §§ 187, 188 Abs. 2 BGB). Da das unterschriebene Antragsformular erst am 24. Juni 2020 und damit außerhalb der Frist beim Beklagten einging, konnte und durfte der Antrag vom Beklagten nicht berücksichtigt werden.
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2.3.1  Der Vortrag der Klägerin, dass sie schon am 13. April 2020 einen „Online-Antrag“ gestellt habe, muss unberücksichtigt bleiben, da nach den Ausführungen auf dem Merkblatt zur Antragstellung (Bl. 19 GA Rückseite) ausgeführt ist, dass ein Antrag nur dann rechtsgültig gestellt ist, wenn ein unterzeichnetes Exemplar eines ausgedruckten Antragsformulars beim Beklagten bzw. bei der BayernLabo eingeht.
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2.3.2  Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist nicht ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen trotz des klaren Wortlauts von Nr. 8.2 BayBauKGPR eine Förderung gewährt wurde, obwohl der unterzeichnete Antrag nach Ablauf der Frist eingereicht wurde. Der von der Klägerseite vorgebrachte Fall (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1180 - juris) kann keinen Präzedenzfall darstellen, da in diesem Fall der Beklagte einen Zuwendungsbescheid, der trotz verfristet gestellten Antrags erging, wieder zurücknahm.
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Die Nichtgewährung der Zuwendung für die Klägerin ist schließlich auch sonst keine unzulässige Ungleichbehandlung, da keine Willkür vorliegt, sondern hierfür sachgerechte, vertretbare Gründe gegeben sind.
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 32). Dies bedeutet, dass der Kreis der von einer Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt sein muss. Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 - 10 C 1/17 - juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 - M 31 K 19.203 - juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 - 2 BVG 1/51 - juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
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Dass die Nichtgewährung von Leistungen nach dem Bayerischen Baukindergeld Plus willkürlich erfolgt wäre, ist jedoch ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich. Ausweislich obiger Ausführungen kann das Bayerische Baukindergeld Plus nur gewährt werden, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wurde. Das entspricht der ständigen Förderpraxis. Dass die nicht rechtzeitig gestellten Anträge zurückgewiesen werden, ist damit nicht nur sachgerecht, sondern auch geboten. Es ist grundsätzlich Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen.
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2.3.3 Des Weiteren liegt keine atypische Fallgestaltung aufgrund Besonderheiten des Einzelfalles vor.
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Ausgangspunkt ist - wie ausgeführt - die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.). Eine solche atypische Fallgestaltung kann nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin - wie sie glaubhaft vorträgt - aufgrund des Corona-Lockdowns und der damit einhergehenden Schließung der Postfiliale für den Kundenverkehr nicht in der Lage war, das POSTIDENT-Verfahren durchzuführen. Eine Legitimation des Antragstellenden durch das POSTIDENT-Verfahren ist nämlich für eine wirksame und fristwahrende Antragstellung nicht erforderlich. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Merkblatt zur Antragstellung (Bl. 19 der GA, Rückseite), das die BayernLabo zur Information der Antragstellenden herausgegeben hat. Dort steht beim Unterpunkt „Antrag unterzeichnen“ folgender Satz: „Damit Ihr Antrag rechtzeitig gestellt ist, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulars.“ Mit dieser Formulierung wird hinreichend deutlich ausgedrückt, dass für die wirksame Antragstellung lediglich der rechtzeitige Eingang eines unterschriebenen Antragsformulars erforderlich ist. Beim Unterpunkt „Unterlagen sammeln“ wird deutlich, dass weitere Unterlagen für die anschließende Bearbeitung des Antrags erforderlich sind, die aber bei Bedarf nachgefordert werden. Auch die Erläuterungen beim Unterpunkt „Unterlagen zur Post bringen“ können nicht so verstanden werden, dass eine Antragstellung fristwahrend nur erfolgen kann, wenn der Antrag schon mittels POSTIDENT-Verfahren legitimiert ist. Ein solches Verständnis würde mit dem Satz „Damit Ihr Antrag rechtzeitig gestellt ist, benötigen wir ein von Ihnen unterzeichnetes Exemplar des ausgedruckten Antragsformulars.“ im Widerspruch stehen. Darüber hinaus hatte der Beklagte auf der Internetseite https://www.baukindergeld.bayern.de bei der Rubrik „Fragen und Antworten“ bei der Frage „Wann kommt ein gültiger Olineantrag zustande?“ (Bl. 51 GA) Folgendes ausgeführt: „Eine Legitimationsprüfung ist optional erforderlich; falls diese bei Antragstellung nicht mit eingeht, wird diese nachgefordert.“ Auch aus dieser Formulierung hätte die Klägerin erkennen können, dass eine Legitimation mittels POSTIDENT-Verfahren für eine fristwahrende Antragstellung nicht erforderlich ist.
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2.3.4 Auch muss der Vortrag der Klägerin, dass sie sich bei einer Mitarbeiterin der BayernLabo telefonisch erkundigt habe und man ihr die Auskunft gegeben habe, dass eine wirksame Antragstellung nur mit Vorlage der Legitimation mittels POSTIDENT-Verfahren möglich sei, unberücksichtigt bleiben. Ein solches Vorbringen kann nicht verifiziert werden. Dem Rechtsgedanken aus Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG kann entnommen werden, dass eine anspruchsbegründende Zusage nur dann angenommen werden kann, wenn die Schriftform eingehalten ist. Bei rein mündlichen Gesprächen ist der wahre Aussagegehalt nicht nachweisbar, zumal das „Ausgesagte“ mit dem „Verstandenen“ oft nicht kompatibel ist.
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2.4 Der Klägerin kann nicht Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden.
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Nach Art. 32 Abs. 1 und 2 BayVwVfG ist einem Verfahrensbeteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
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Im vorliegenden Fall ist diese Vorschrift auf die Drei-Monats-Frist nach Nr. 8.2 BayBauKGPR wegen des eindeutigen Wortlautes des Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG („gesetzliche Frist“) nicht anwendbar (ausdrücklich offen gelassen BayVGH, B.v. 17.12.2009 - 3 CE 09.2494 - juris; VG Ansbach, U.v. 1.12.2020 - AN 3 K 19.02073 - juris Rn. 45 f; VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1180 - juris). Eine analoge Anwendbarkeit wäre allenfalls denkbar, wenn es - anders als hier - eine entsprechende Verwaltungspraxis mit Selbstbindung der Förderbehörde gäbe (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 32 Rn. 7 ff. u. 16). Der Beklagte hat aber in der Klageerwiderung - unwidersprochen - ausgeführt, dass in der Förderpraxis der BayernLabo die Frist in Nr. 8.2 BayBauKGPR stets als materielle Ausschlussfrist gehandhabt wird, mit der Folge, dass auch bei einem unverschuldeten Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. So spricht die Verwaltungspraxis gerade gegen die Annahme einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit nach Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG und für das Vorliegen einer nicht einsetzungsfähigen Frist (Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG). Der Hinweis der Klägerseite auf § 16 Abs. 4 Energieeinsparungsgesetz ist in diesem Zusammenhang nicht zielführend, da es sich hierbei um ein formelles Gesetz und gerade nicht um eine Verwaltungsvorschrift handelt.
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Darüber hinaus würden auch bei Anwendbarkeit des Art. 32 BayVwVfG die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausweislich des vorgebrachten Sachverhaltes nicht vorliegen.
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Die Klägerin hat nicht gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG glaubhaft machen können, dass sie ohne Verschulden gehindert war, die inmitten stehende Frist zur Beantragung des Baukindergelds Plus gemäß Nr. 8.2 der BayBauKGPR einzuhalten. Die Versäumung einer Frist ist in diesem Sinne grundsätzlich dann verschuldet, wenn der Betroffene die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten im Hinblick auf eine Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des Falles zuzumuten war (vgl. VG Ansbach, U.v. 1.12.2020 - AN 3 K 19.02073 - juris Rn. 49 f. mit Verweis auf BayVGH, B.v. 27.6.2011 - 12 ZB 10.1363 - juris und auf BVerwG, B.v. 28.2.2008 - 9 VR 2/08 - juris).
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf die coronabedingte Ausnahmesituation (Lockdown) und die damit verbundene Schließung der Postfiliale nicht abgestellt werden kann, da - wie oben dargestellt - eine Legitimation des Antrags mittels POSTIDENT-Verfahren für die fristgerechte Antragstellung nicht erforderlich war. Dies wäre für die Klägerin bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aufgrund der Veröffentlichungen des Beklagten auch erkennbar gewesen. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin tatsächlich eine falsche telefonische Auskunft erhalten hat. Bei mündlichen Auskünften sind Missverständnisse nie ausschließbar. Es ist nicht nachweisbar, ob etwas beziehungsweise was konkret zugesagt wurde, so dass der diesbezügliche Vortrag unberücksichtigt bleiben muss.
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Für den Beklagten gibt es keine Pflicht, auf das Vorliegen einer materiellen Ausschlussfrist hinzuweisen.
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Auch der Vortrag der Klägerseite, dass die Klägerin an einem psychovegetativen Syndrom, Anpassungsstörungen und an einer Depression leide, vermag keinen Wiedersetzungsgrund zu rechtfertigen. Dieser Hinderungsgrund wurde erstmals mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2020 vorgetragen, also ungefähr zweieinhalb Monate nach Klageerhebung am 14. September 2020 und fast sechs Monate nach Antragstellung bei der Behörde bzw. über drei Monate nach Abschluss des Bewilligungsverfahrens. In der Zwischenzeit hat die Klägerin die Antragstellung nachgeholt und einen Rechtsanwalt bevollmächtigt. Weder aus der Erkrankung selbst noch aus dem vorgelegten Attest vom 24. November 2020 lässt sich entnehmen, dass die Klägerin durch diese Krankheit während des Laufs der Antragsfrist gehindert war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sie die ganze Zeit aufgrund ihrer Erkrankung dermaßen eingeschränkt gewesen wäre, dass sie trotz aller zumutbaren Anstrengungen die Frist nicht wahren konnte. Vielmehr muss sie sich die Fristversäumnis vorwerfen lassen (vgl Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 32 Rn. 21).
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Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.