Inhalt

VG München, Urteil v. 29.09.2021 – M 9 K 20.1677
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Erweiterung einer Doppelhaushälfte

Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 22 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Im Falle der Festsetzung eines Doppelhauses im Bebauungsplan ist diese Festsetzung regelmäßig nachbarschützend. Im unbeplanten Innenbereich ist anerkannt, dass aufgrund der ähnlichen Interessenlage grundsätzlich das Entfallen eines Doppelhauses zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme führt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus und damit der Wegfall eines Doppelhauscharakters kann nicht nur entstehen, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, sondern auch, wenn ein nicht grenzständiger Anbau wegen seiner Abmessungen die bisherige Doppelhaushälfte so massiv verändert, dass die beiden Gebäude nicht mehr als bauliche Einheit erscheinen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausnahmsweise rücksichtlose Beeinträchtigungen durch eine Doppelhaushälfte sind eine Frage des eigenständigen Gebots der Rücksichtnahme und führen dazu, dass sich das Vorhaben nicht einfügt, aber nicht zwingend dazu, dass kein Doppelhaus mehr vorliegt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Etwaige Möglichkeiten der Einsichtnahme in ein Grundstück sind grundsätzlich hinzunehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme bietet in der bebauten Ortslage und auch außerhalb von noch dichter bebauten städtischen Innenlagen in der Regel keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten. Ein Nachbar hat keinen generellen Anspruch darauf, dass sein Grundstück von unerwünschten Einblicken freigehalten wird. Maßnahmen der Nachverdichtung, auch in ländlich geprägten Bereichen, sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der ungeschmälerte Fortbestand einer „schönen Aussicht“ stellt grundsätzlich nur eine Chance dar, die nicht dem Schutz durch das Gebot der Rücksichtnahme unterliegt. Anderes kann nur unter sehr engen Voraussetzungen gelten, wenn ein Grundstück durch eine besondere Aussichtslage in einer Weise geprägt ist, dass es hierdurch als „situationsberechtigt“ anzusehen ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einfügen nach der Bauweise, Nachbarschutz nach der Doppelhausrechtsprechung, Gebot der Rücksichtnahme, wechselseitige Grenzbebauung, Gesamtwürdigung, Einsichtsmöglichkeit, Aussicht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.07.2022 – 2 ZB 21.2956
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56739

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine den Beigeladenen zu 1und 2 erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung einer bestehenden Doppelhaushälfte.
2
Vorhabensgrundstück ist die Fl.Nr. 2096/4 (...). Dieses ist im nördlichen Teil mit der Doppelhaushälfte grenzständig an der östlichen Grundstücksgrenze bebaut. Der Kläger ist Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte auf dem direkt östlich vom Vorhabensgrundstück gelegenen Grundstück Fl.Nr. 2096/3 (...). Beide Grundstücke sind stark hängig und nach Süden abfallend. In ca. 250 m Entfernung befindet sich unterhalb der …see. Die beiden Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung ist durch eine offene Bebauung geprägt.
3
Am 27. August 2019 stellten die beigeladenen Bauherren einen Bauantrag zur Erweiterung ihrer bestehenden Doppelhaushälfte. Die Beigeladene zu 3 erteilte am 28. Januar 2020 das gemeindliche Einvernehmen.
4
Mit Bescheid vom 19. März 2020 wurde die streitgegenständliche Baugenehmigung erteilt. Nach den genehmigten Plänen reicht die Erweiterung ca. 9,77 m weiter hangabwärts nach Süden als die bestehende Doppelhaushälfte. Sie ist nicht grenzständig genehmigt, sondern hält die Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück ein. Zunächst schließt sich ein Anbau mit senkrecht zum Bestand verlaufender Firstrichtung und einer Länge von ca. 5,65 m an. Die Firsthöhe beträgt hier gemessen ab dem bestehenden Gelände auf der Ostseite maximal ca. 6,80 m. Der weitere eingeschossige Anbau mit einer Länge von 4,12 m sieht eine Dachterrasse vor und hat mit Brüstung eine Wandhöhe zum bestehenden Gelände nach Osten von maximal 4,68 m. Die Brüstung hat ca. eine Höhe von 1 m. Von Süden aus betrachtet, hat das Gebäude aufgrund des hängigen Geländes eine Firsthöhe von ca. 10 m und ist dreigeschossig. Das in den Plänen als 2. UG bezeichnet unterste Geschoss misst 9,77 m x 7,89 m. Die weiteren Geschosse (bezeichnet als 1. UG und EG) messen 5,65 m x 6,05 m. Über der Dachterrasse der Erweiterung ist ein Balkon und nach Osten hat der genehmigte Anbau fünf bodentiefe Fenster. In absoluter Höhe über n.N. ist die Erweiterung niedriger als das bestehende Doppelhaus. Die bestehenden Doppelhaushälften sind an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf einer Breite von 12,70 m deckungsgleich aneinandergebaut. Am Bestand selbst wurden keine Änderungen genehmigt. Wegen der genauen Gestaltung des Bestandes und der Erweiterung wird im Übrigen auf die genehmigten Bauvorlagen und insbesondere auf die Schnitte und Ansichten Bezug genommen.
5
Mit Schriftsatz vom … April 2020 hat der Kläger Klage gegen die Baugenehmigung erhoben.
Der Kläger beantragt,
Der Baugenehmigungsbescheid des Beklagten vom 19. März 2020 - Landratsamt …, - Az.: … … -wird aufgehoben.
6
Der Anbau rage ca. 10 m in den Garten hinein und habe zu allen Seiten bodentiefe Fenster. Aus den Fenstern, den zwei Terrassen und dem Balkon seien jederzeit Einblicke auf das klägerische Grundstück möglich. Außerdem verhindere das Vorhaben mit einer Höhe von über 10 m über dem klägerischen Grundstück dessen Sichtbeziehung zum See und verschatte das klägerische Grundstück. Die Nachmittags- und Abendsonne erreiche das klägerische Grundstück nicht mehr wie bisher. Der Neubauanteil mit 150 m2 Wohnfläche vergrößere die bisherige Wohnfläche auf ca. 320 m2. Die klägerische Doppelhaushälfte habe nur 150 m2 Wohnfläche. Das Vorhaben halte die Vorgaben der Doppelhausrechtsprechung nicht ein, verstoße deswegen gegen das Gebot des Einfügens aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und sei gegenüber dem Kläger rücksichtslos. Die wechselseitige verträgliche Abstimmung der beiden Haushälften gehe verloren. Auch ein nicht grenzständiger Anbau an eine Doppelhaushälfte könne dazu führen, dass der Gesamtbaukörper kein Doppelhaus mehr bilde. Hierbei sei auf quantitative und qualitative Gesichtspunkte abzustellen. Quantitativ sei auf die Geschosszahl, die Höhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das Brutto-Raumvolumen abzustellen. Qualitativ seinen maßgeblich die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur. Die turmartige talseitige Auskragung des Vorhabens führe dazu, dass kein Doppelhaus mehr vorliege. Das Vorhaben sei nach dem Anbau dreigeschossig und entspreche nicht mehr der klägerischen Hälfte. Die Hanglage verstärke diesen Effekt. Die Fassadengestaltung mit bodentiefen Verglasungen finde keine Entsprechung. Das Vorhaben stelle einen solitären Fremdkörper dar. Auch in qualitativer Hinsicht werde dieser Unterschied dadurch verstärkt, dass das neue Gebäude höher als breit sei. Das Haus des Klägers werde degradiert zu einem bloßen Anhängsel. Der bisherige 180°- Blick beider Doppelhaushälften werde einseitig aufgehoben. Es verbleibe für den Kläger ein scheuklappenartiger Tunnelblick. Bei einer derartig einseitigunterschiedlichen Ausnutzung der Grundstücksflächen könne nicht mehr von einem abgestimmten Doppelhaus die Rede sein. Außerdem seien allein schon die durch das Vorhaben eröffneten Einsichtsmöglichkeiten auf das klägerische Grundstück ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es entstehe eine neue Qualität von Einblicken in die kaskadenartig angelegten Ruhezonen des Klägers. Der Kläger und seine Familie befänden sich wie auf einem Präsentierteller. Da es sich nicht um einen innerstädtischen Bereich handele und der Hang gerade vor Einblicken schütze, seien diese neuen Einsichtsmöglichkeiten nicht zumutbar. Eine architektonische Selbsthilfe des Klägers würde zu einem zusätzlichen Verlust der Nachmittags- und Abendsonne führen. Der Anbau selbst habe schon eine kolossale Verschattungswirkung. In der zweiten Tageshälfte sei der Kläger praktisch ganzheitlich im Schatten und die fehlende Sonneneinstrahlung führe zu erheblichen Temperaturunterschieden. Unabhängig von den Grundsätzen der Doppelhausrechtsprechung löse das Vorhaben auch bodenrechtliche Spannungen und ein Planungsbedürfnis aus. Die vorliegende unverwechselbare Hanglage sei mit dem Elbufer vergleichbar. Dem Einfügen hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche käme deswegen entsprechend eines Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgericht vom 25.6.2019 nachbarschützende Wirkung zu.
7
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
9
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins. Zu den Feststellungen wird auf die Niederschrift vom 29. September 2021 Bezug genommen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Behördenakte, die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
1. Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der Kläger wird durch die Baugenehmigung vom 19. März 2020 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Kläger als Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris).
13
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
14
Dem Gebot der Rücksichtnahme, das vorliegend über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 ff. = juris Rn. 21 m.w.N.). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 3.6.2016 - 1 CS 16.747 - juris Rn. 4 m.w.N.).
15
a) Auch nach der genehmigten Erweiterung der Doppelhaushälfte der Beigeladenen zu 1 und 2 liegt ein Doppelhaus vor. Es fügt sich deswegen nach der Bauweise in die nähere Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten aus dem Gebot der Rücksichtnahme.
16
Im Falle der Festsetzung eines Doppelhauses im Bebauungsplan ist diese Festsetzung regelmäßig nachbarschützend. Im unbeplanten Innenbereich ist nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass aufgrund der ähnlichen Interessenlage grundsätzlich das Entfallen eines Doppelhauses zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme führt. Der Nachbarschutz kommt insoweit aus dem im Einfügen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme. Ist ein unbeplanter Innenbereich - wie hier - in offener Bauweise bebaut -, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 4 C 12/14 - juris Rn. 11).
17
Ein Doppelhaus im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO setzt voraus, dass zwei Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden und dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Beide Voraussetzungen müssen vorliegen, damit ein Doppelhaus vorliegen kann (BVerwG, B.v. 10.4.2012 - 4 B 42/11 - juris Rn. 9).
18
Dabei ist geklärt, dass auch ein nichtgrenzständiger Anbau an eine Doppelhaushälfte zum Entfallen eines Doppelhauses führen kann. Der Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus und damit der Wegfall eines Doppelhauscharakter kann nicht nur entstehen, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, sondern auch, wenn ein nicht grenzständiger Anbau wegen seiner Abmessungen die bisherige Doppelhaushälfte so massiv verändert, dass die beiden Gebäude nicht mehr als bauliche Einheit erscheinen. Ein solcher Fall kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der im Verhältnis zur bisherigen Kubatur massive Anbau grenznah errichtet wird und - in seiner Wirkung einem grenzständigen Anbau vergleichbar - die Freiflächen auf dem Grundstück der anderen Doppelhaushälfte abriegelt. Ob ein nicht grenzständiger Anbau die bisherige bauliche Einheit zweier Doppelhaushälften aufhebt, hängt maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, B.v. 10.4.2012 - 4 B 42/11 - juris Rn. 9). Die Beurteilung bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 4 C 12.14 - BauR 2015, 1309; B.v. 14.9.2015 - 4 B 16.15 - BRS 83 Nr. 116). Die einzelnen Gebäude müssen quantitativ zu einem wesentlichen Teil und qualitativ in wechselseitig verträglicher und „harmonischer“ Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 335). Quantitativ sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bautiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2014 - 2 BV 13.789 - juris; B.v. 15.9.2015 - 2 CS 15.1793 - juris). Qualitativ kommt es unter anderem auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur an (BayVGH, B.v. 20.8.2018 - 2 ZB 16.912 - juris Rn. 6). Qualitative und quantitative Kriterien dürfen dabei nicht nur isoliert betrachtet werden: Denn es ist denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemildert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 4 C 12/14 -, Rn. 21, juris). Es ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und dabei jeweils die Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Gesamtbaukörpers zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2019 - 1 CS 19.821 - juris Rn. 13).
19
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt der vorliegende nicht grenzständige Anbau nicht zum Entfallen der Doppelhauseigenschaft. Eine quantitativ und qualitativ zu massive Wirkung des Anbaus wird nach dem Ergebnis des Augenscheins und den genehmigten Plänen durch den Bau in den Steilhang verhindert. Es werden weder die Freiflächen des Klägers abgeriegelt noch die Kubatur des Doppelhauses so stark verändert, dass kein Doppelhaus mehr vorliegt. Die Auswirkungen der grundsätzlich großen genehmigten Erweiterung auf das äußerliche Erscheinungsbild des Doppelhauses sind im vorliegenden Einzelfall gering.
20
Die quantitativen Maße haben aufgrund der Topographie eine geringe Auswirkung auf die Kubatur des Doppelhauses. Die Erweiterung ist zwar dreigeschossig. Das in den Bauvorlagen als 2. UG bezeichnete Geschoss liegt aber zu großen Teilen unterhalb der bestehenden Geländeoberkante. Nach der maßgeblichen Genehmigung wird das bestehende Gelände zur Ost- und Westseite der Erweiterung nicht dauerhaft abgegraben. Das. 2. UG tritt deswegen nur von Süden aus betrachtet in voller Höhe in Erscheinung. Ab einer Entfernung von ca. 5,65 m ausgehend von der bestehenden Südwand der Doppelhaushälfte, erreicht die Erweiterung von Osten aus betrachtet nur noch einer Höhe von ca. 1,50 m bis 3,68 m am südlichen Ende. Die Brüstung der Dachterrasse kann bei der Höhenermittlung außer Betracht gelassen werden. Die Brüstung hat keine prägende Wirkung auf den Eindruck der Kubatur des Hauses insgesamt. Der Giebel der Erweiterung ist in absoluter Höhe über n.N. ca. 1,87 m unterhalb des bestehenden Giebels des Doppelhauses. Damit ähnelt die Erweiterung einem Zwerchhaus. Die insoweit immanente andere Firstrichtung des Satteldachs der Erweiterung ändert die qualitative Dachgestaltung optisch weniger stark als ein gleichhoher Giebel. Da die Dachterrasse und das so genannte 2. UG im Rahmen der maßgeblichen von der Straße ausgemessenen Bautiefe seitlich nur zu einem kleinen Teil oberhalb der Geländeoberfläche in Erscheinung tritt, ist beim Verhältnis der Bautiefe von Erweiterung und Bestand nur eine zusätzlich Tiefe von ca. 5,65 m wirklich für die Kubatur des Hauses relevant (zur Berücksichtigung der Sichtbarkeit bei der Bestimmung der Maße vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 4 C 12/14 - juris Rn. 17). Zur bestehenden Bautiefe des Doppelhauses von 12,70 m, beträgt die Erweiterung der Tiefe deswegen weniger als die Hälfte des Bestandes. Des Weiteren wird der Einfluss der streitgegenständlichen Erweiterung auf die Kubatur dadurch reduziert, dass sie nicht mit der bereits bestehenden westlichen Außenwand bündig abschließt. Die westlich vor und zurück versetzten Außenwände vermindern zusätzlich den Eindruck der Massivität. Bezüglich der Höhenentwicklung der Erweiterung ist festzustellen, dass diese nur von Süden aus betrachtet turmartig wirken könnte. Dies ist aber der Topographie des Steilhangs geschuldet und gegen diese Wirkung spricht, dass das bestehende deutlich breiterer Doppelhaus, von Süden aus betrachtet, um die bereits erwähnten ca. 1,87 m höher liegt. Die Erweiterung, die von Süden aus isoliert betrachtet höher als breit ist, wird deswegen als Teil des Doppelhauses und nicht als Turm wahrgenommen. Das bestehende Doppelhaus hat eine maximale Breite von ca. 19 m (gemessen im genehmigten Abstandsflächenplan unter Berücksichtigung des Anbaus des Klägers) und ist damit deutlich breiter als die Erweiterung von Süden aus betrachtet hoch. Von Westen und Osten wirkt die Erweiterung keinesfalls turmartig und von der nördlichen Straßenseite ist sie aufgrund des höheren Bestands gar nicht sichtbar. Dabei ist die Straßenansicht natürlich nicht allein entscheidend, kann aber im Rahmen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls stärker gewichtet werden (vgl. OVG NW, B.v. 23.6.2017 - 7 A 398/17, BeckRS 2017, 114894 Rn. 4, beckonline).
21
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Bautiefe der klägerischen Doppelhaushälfte auch durch seinen ebenfalls nicht grenzständigen Anbau um ca. 4 m vergrößert wurde. Dieser Anbau hat zwar eine geringere Höhe als die angefochtene Erweiterung, hat aber dennoch optisch eine nicht ganz unerhebliche Höhe und Tiefe. Eine genaue Vermessung im Rahmen des Augenscheins ist allerdings unterblieben.
22
Auf das Verhältnis der Wohnfläche kommt es für die Beurteilung der Doppelhauseigenschaft nicht an, da die Größe der Wohnfläche von außen nicht zwingend erkennbar ist. Auch bei der Würdigung der Grundfläche und ihrer Außenwirkungen auf die Kubatur des Doppelhauses muss berücksichtigt werden, dass das 2. UG teilweise unterhalb der Geländeoberkante liegt. Insoweit wirkt sich lediglich die durch das 1. UG und EG beanspruchte Grundfläche von 76,63 m2 auf die Kubatur und das oberirdische in Erscheinung tretende Brutto-Raumvolumen voll aus. Eine genaue Berechnung des Bruttoraumvolumens kann dabei unterbleiben, da es keine feste Grenze gibt und diese nicht abstrakt und mathematischprozentual festgelegt werden kann (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 4 C 12/14 - juris Rn. 16 - 17).
23
Im Rahmen der qualitativen Aspekte für das Vorliegen eines Doppelhauses, kann nicht auf die Art der Fenster abgestellt werden. Das Vorliegen von bodentiefen Fenstern nur bei einer Doppelhaushälfte lässt die Doppelhauseigenschaft nicht entfallen. Die Fenster haben keine städtebaulich relevante prägende Wirkung für ein Doppelhaus. Gleiches gilt für die ursprünglich beim Bau des Doppelhauses nach dem Vortrag des Klägers bezweckte 180°-Sicht für beide Hälften. Maßgeblich ist das städtebauliche Erscheinungsbild des Doppelhauses, nicht die Sicht aus dem Doppelhaus heraus. Eine Einschränkung der Sicht wird ausreichend über die Wertung der Bautiefe berücksichtigt. Zudem ist es wegen der Lage am Steilhang problemlos möglich den See zu sehen.
24
Unter Gesamtwürdigung aller prägenden quantitativen und qualitativen Kriterien wird vorliegend die Doppelhauseigenschaft durch die Erweiterung nicht aufgehoben. Beide Hälften bilden weiterhin ein Gesamtgebäude und die Hälften sind weiterhin in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut.
25
b) Das Vorhaben verletzt den Kläger nicht dadurch in seinen Rechten, dass es trotz Einhaltung der offenen Bauweise rücksichtslos gegenüber dem Kläger ist.
26
Ein Vorhaben kann trotz Einhaltung des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn es sich nicht „rücksichtsvoll“ einfügt (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 12; eigenständiger Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme).
27
Ausnahmsweise rücksichtlose Beeinträchtigungen durch eine Doppelhaushälfte sind eine Frage des eigenständigen Gebots der Rücksichtnahme und führen dazu, dass sich das Vorhaben nicht einfügt, aber nicht zwingend dazu, dass kein Doppelhaus mehr vorliegt (vgl. zur diesbezüglichen Unterscheidung HessVGH, B.v. 9.10.2015 - 4 B 1353/15 - juris Rn. 9 - 10). Bei der Prüfung der wechselseitig verträglichen und abgestimmten Anbauweise als Voraussetzung für ein Doppelhaus, sind die von außen erkennbaren prägenden Merkmale maßgeblich. Die Bestimmung der maßgeblichen Umgebungsbauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre ansonsten kaum möglich. Ohne Kenntnis der genauen Nutzung einzelner Räume eines potentiellen Doppelhauses kann nicht bestimmt werden, ob z.B. die Einsichtsmöglichkeiten ausnahmsweise unzumutbar sind. Eine zuverlässige Bestimmung des für die Bauweise prägenden Rahmens (offene Bebauung durch ein Doppelhaus oder geschlossene Bauweise durch zwei grenzständig errichtete Gebäude) wäre nicht mehr gegeben. Die erkennbaren qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Bauausführung, die sich aus dem planungsrechtlichen Begriff des Doppelhauses ergeben, stellen auch regelmäßig sicher, dass sich die Einschränkung der Möglichkeiten, auch einen gewissen nachbarlichen Abstand zu wahren, in einem für beide Seiten rücksichtsvollen Rahmen hält. Insoweit besteht in beide Richtungen nur eine Wechselwirkung zwischen den baurechtlichen Anforderungen und keine Verschleifung der Voraussetzungen (zur Möglichkeit des (bloßen) Rückschlusses aus Feststellungen zum Schattenwurf und einer erdrückenden Wirkung auf eine verträgliche Bautiefe und den Charakter eines Doppelhauses vgl. BVerwG, U.v.19.3.2015 - 4 C 12/14 - juris Rn. 18). Letztlich kann diese vorliegend als bloße Frage des Prüfungsstandortes aber sogar offen bleiben und ist nicht entscheidungserheblich, da auch soweit die Beeinträchtigungen als Teil der qualitativen Voraussetzungen für ein Doppelhaus geprüft werden, nur unzumutbare Beeinträchtigungen zum Entfallen des Doppelhauscharakters führen (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2000 - 26 CS 99.2102 - juris Rn. 19) und damit kein anderer Maßstab gilt als beim eigenständigen Gebot der Rücksichtnahme, welches vorliegend aber nicht verletzt ist.
28
Die durch die Erweiterung entstehenden neuen Einsichtnahmemöglichkeiten sind zu mutbar. Etwaige Möglichkeiten der Einsichtnahme in ein Grundstück sind grundsätzlich hinzunehmen. Das Gebot der Rücksichtnahme bietet in der bebauten Ortslage und auch außerhalb von noch dichter bebauten städtischen Innenlagen in der Regel keinen Schutz vor Einsichtsmöglichkeiten (z.B. BayVGH, B.v. 5.9.2012 - 15 CS 12.23 - juris). Ein Nachbar hat keinen generellen Anspruch darauf, dass sein Grundstück von unerwünschten Einblicken freigehalten wird. Maßnahmen der Nachverdichtung, auch in ländlich geprägten Bereichen, sind hinzunehmen, solange sie baurechtlich zulässig sind. (VG München, B.v. 26.10.2017 - M 9 S 17.3585 - juris Rn. 33). Der Eigentümer oder Nutzer eines Grundstücks kann nicht beanspruchen, dass ihm auf den Freiflächen seines Grundstücks ein den Blicken Dritter entzogener Bereich verbleibt. Eine auf fehlende Rückzugsmöglichkeiten auf dem betroffenen Grundstück bezogene Bewertung von Einsichtsmöglichkeiten als rücksichtslos ließe sich in dieser Allgemeinheit nicht praktikabel handhaben. Wäre jeder Bauherr unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Öffnungen, Balkone und Freisitze des geplanten Gebäudes keine Blicke auf die umliegenden bebauten Grundstücke eröffnen, die die dort möglicherweise gegebenen „Rückzugsmöglichkeiten“ zunichtemachen, würde dies die Bautätigkeit in nicht wenigen Fällen erheblich erschweren, wenn nicht gar zum Erliegen bringen. Ein im Bauplanungsrecht wurzelnder Anspruch, zumindest auf einem Teil der Freiflächen des eigenen Grundstücks vor fremden Blicken geschützt zu sein, lässt sich auch nicht aus einem Recht auf Privatsphäre herleiten. Dass derjenige, der die eigenen vier Wände verlässt, dabei gesehen und sogar beobachtet werden kann, liegt vielmehr in der Natur der Sache (OVG NW, B.v. 7.12.2020 - 10 A 179/20 - juris Rn. 16 - 18).
29
Das Vorliegen eines Doppelhauses mit einem besonderen Nähe- und Austauschver hältnis ist dabei als Umstand des Einzelfalls im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu berücksichtigen und zu werten. Gegenseitige Einsichtsmöglichkeiten, welche zwischen den Doppelhaushälften typischerweise bestehen führen dabei grundsätzlich aber zu keiner Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Denn der Gewinn an nutzbarer Grundstücksfläche bei einem Doppelhaus wird eben dadurch erkauft, dass die Nutzungsbereiche der jeweiligen Grundstücke näher aneinander rücken und von daher notwendig ein gewissermaßen erhöhtes Störpotenzial auftritt (HessVGH, B.v. 9.10.2015 - 4 B 1353/15 - juris Rn. 10). Anhaltspunkte für einen situationsbedingten Ausnahmefall (z.B. konkrete Betroffenheit besonders schutzbedürftiger Räume mit über die herkömmlichen Einsichtnahmemöglichkeiten in Innenlagen hinausgehenden Belastungen oder einer neuen besonderen Qualität der Einsicht) sind nach den Feststellungen des Augenscheins nicht ersichtlich. Der rückwärtige Garten des Klägers mit Terrassenbereich wird zwar stärker einsehbar sein, aber unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeiten in schutzbedürftige Räume des Klägers werden nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht entstehen. Die bereits vorhandene grenzständige Trennwand wird nach der Erweiterung etwas weniger Sichtschutz gewähren. Die Terrassen und der Balkon der streitgegenständlichen Erweiterung sind allerdings nach Süden orientiert und mit Blick auf den …see. Blicke zurück auf die nordöstlich liegende Terrasse des Klägers werden somit selten sein und zumindest kaum beiläufig erfolgen können. Soweit der Kläger einen Sichtschutz für seine Terrasse vor dem Blicken aus dem neuen Balkon und den bodentiefen Fenstern haben will, kann er diesen in zumutbarer Weise durch eine Markise, Sonnenschirme o.Ä. erreichen. Die zeitweiligen Einbußen im Hinblick auf die Besonnung durch diese (architektonische) Selbsthilfe sind zumutbar. Die Blicke von den neuen Terrassen sind typisch für eine Doppelhaushälfte und deswegen hinzunehmen. Die obere neue Terrasse befindet sich auf dem Niveau der vorhandenen Terrasse des Klägers. Einsichtnahmemöglichkeiten von einem ebenerdigen Garten bzw. Terrasse sind bei einem Doppelhaus üblich. Die Einschränkungen der Baufreiheit durch das Vorliegen einer Doppelhaushälfte gehen nicht so weit, dass eine Ausnutzung des eigenen Außenwohnbereichs in Form von Terrassen unmöglich ist. Die Außenwohnbereiche von denen Einsichtnahmemöglichkeiten gegeben sind, sind nicht rücksichtslos. Ein geteilter Hausgarten, der ggf. durch eine Einfriedung getrennt wird, ist eine übliche Folge eines Doppelhauses. Die „kaskadenartigen“ Ruhezonen im Hang des Klägers begründen keinen Ausnahmefall, da sowohl Vorhabensgrundstück als auch klägerisches Grundstück hängig sind. Die stärkere bauliche Ausnutzung eines von zwei hängigen Grundstücken ist insoweit nicht anders zu bewerten als die stärkere bauliche Ausnutzung von einem von zwei flachen Grundstücken. Eine Doppelhausgrundstücksbebauung trägt immer das Risiko in sich, dass spätere Nachbarbebauung auf dem anderen Grundstück den bauplanungsrechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft (vgl. BVerwG, U.v. 24.02.2000 - 4 C 12/98 - juris Rn. 25) und damit zusätzliche Einsichtnahmemöglichkeiten entstehen.
30
c) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung scheidet in aller Regel aus, wenn - wie hier nach den Angaben des genehmigten Plans die Erweiterung zum Kläger - die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2017 - 1 CS 16.2396 - juris Rn. 10; B.v. 11.2.2019 - 1 ZB 16.1046 - juris Rn. 7). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Besonnung verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 7.2.2020 - 1 CS 19.2392 - juris Rn. 15). Die Ausführungen zu extremen Temperaturunterschieden durch die entstehende Verschattung sind abwegig. Nach dem Ergebnis des Augenscheins wird das gesamte klägerischen Grundstück auch unter Berücksichtigung des genehmigten Vorhabens, insbesondere von Osten und Süden eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung erhalten.
31
d) Der Kläger ist nicht durch einen Verlust seines Ausblicks in seinen Rechten aus dem Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
32
Der ungeschmälerte Fortbestand einer „schönen Aussicht“ stellt grundsätzlich nur eine Chance dar, die nicht dem Schutz durch das Gebot der Rücksichtnahme unterliegt. Anderes kann nur unter sehr engen Voraussetzungen gelten, wenn ein Grundstück durch eine besondere Aussichtslage in einer Weise geprägt ist, dass es hierdurch als „situationsberechtigt“ anzusehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2006 - 1 CS 06.227 - juris mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine solche „Situationsberechtigung“ liegt beim Grundstück des Klägers schon deshalb nicht vor, da es sich im unbeplanten Innenbereich, also einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil befindet. Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils kann ein Grundstückseigentümer nicht erwarten, dass die Nachbargrundstücke nur so bebaut werden, dass sein Ausblick in die freie Natur, die umliegenden Berge und/oder Seen gewahrt wird (vgl. VG München, U.v. 16.9.2020 - M 9 K 19.4456 - juris Rn. 38). Des Weiteren wird durch das Vorhaben der Beigeladenen nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht der gesamte Ausblick auf den …see und die gegenüberliegenden Berge entfallen, sondern nur ein kleiner Teil des …see und ein noch kleinerer Teil der Berge wird verdeckt werden.
33
e) Das Einfügen hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nach § 34 Abs. 1 Satz 1 ist nach ständiger Rechtsprechung nicht drittschützend (vgl. für die faktische Baugrenze BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 23). Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zum Elbufer (OVG Hamburg, B.v. 25.6.2019 - 2 Bs 100/19 - juris) betraf ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit Festsetzung zur überbaubaren Grundstücksfläche. Die Rechtsprechung kann nicht auf § 34 Abs. 1 BauGB übertragen werden. Im unbeplanten Innenbereich scheidet eine nachbarschützende Festsetzung nach dem Willen des Plangebers bzw. dem planerischen Konzept offensichtlich aus. Es gibt im unbeplanten Innenbereich keinen Willen des Plangebers oder planerisches Konzept. Auf das Vorliegen einer faktischen Baugrenze oder Bebauungstiefe kommt es deswegen in der vorliegenden Nachbarklage schon nicht an.
34
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Alle Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht nicht der Billigkeit ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
35
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.