Titel:
Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Festsetzung des Ruhens von Versorgungsbezügen und gegen Rückforderungsbescheid
Normenketten:
VwVfG § 51
BeamtVG 1987 § 56
BeamtVG 1989 § 56
BeamtVG § 52 Abs. 2
BGB § 812, § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 820
Leitsätze:
1. Rechtsprechungsänderungen sind keine Änderung der Rechtslage iSv § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Entscheidung über ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 iVm § 48 VwVfG handelt die Behörde grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung wegen eines Anspruchs ablehnt, dessen Bestehen gerichtlich bestätigt worden ist. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu der Frage, ob das Ruhegehalt ruht, wenn ein Ruhestandsbeamter aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung eine Versorgung erhält. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ruhen der Versorgungsbezüge (NAMMA), Wiederaufgreifen des Verfahrens, Rechtmäßigkeit der Rückforderung überbezahlter Versorgungsbezüge, Verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung, Zahlung unter Vorbehalt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.03.2022 – 14 ZB 22.148
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56733
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt das Wiederaufgreifen eines Verfahrens zur Festsetzung des Ruhens von Versorgungsbezügen und die Aufhebung eines Rückforderungsbescheides in Bezug auf Versorgungsbezüge.
2
Der 1942 geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monats April 2007 Baudirektor (Besoldungsgruppe A 15 BBesG) bei der Beklagten.
3
Er war aufgrund Verfügung vom 18. Dezember 1985 mit Wirkung vom 1. Januar 1986 bis letztendlich 30. Dezember 1992 im Wege der Gewährung von Sonderurlaub unter Wegfall der Dienstbezüge zur Dienstleistung bei der N. M. D. and Pr. M. Ag. (N.) beurlaubt worden.
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Mit Ablauf dieser zwischen- bzw. überstaatlichen Verwendung hatte der Kläger eine Rückzahlung der aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil bestehenden Beiträge für das Pensionssystem der NATO in Höhe von umgerechnet EUR 89.818,40 erhalten. Eine Abführung an den Dienstherrn erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom 20. April 2007 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Mai 2007 fest, wobei sie einen Ruhegehaltssatz von 75 v.H. zugrunde legte. Mit weiterem Bescheid vom 23. April 2007 verfügte die Beklagte im Hinblick auf den von der NAMMA erhaltenen Kapitalbetrag das Ruhen der Versorgungsbezüge ab dem 1. Mai 2007 in Höhe von monatlich EUR 683,43.
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Ein gegen den Ruhensbescheid vom 23. April 2007 geführtes Klage- (VG München, U.v. 20.3.2009 - M 21 K 07.5964 - juris), Eil- und Berufungsverfahren (BayVGH, B.v. 1.9.2014 - 14 AS 13.899 - juris; U.v. 27.8.2018 - 14 B 18.478 - juris) blieb erfolglos. Eine gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, B.v. 29.8.2019 - 2 B 73.18 - juris) zurück.
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Bereits anlässlich der ursprünglichen Widerspruchseinlegung gegen den Ruhensbescheid vom 23. April 2007 hatte die Beklagte den Ruhensbescheid mit Schreiben vom 12. Juli 2007 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt, wogegen der Kläger einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit Schriftsatz vom 23. April 2013 stellen ließ, und zwar beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, wo zu diesem Zeitpunkt in der Hauptsache das Berufungsverfahren unter dem damaligen Aktenzeichen 14 B 13.702 anhängig war. Dieses Eilverfahren, das beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 14 AS 13.899 geführt wurde, wurde nicht mit einem Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO abgeschlossen, sondern mit einem Prozessvergleich, wobei ein vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. September 2014 formulierter Vorschlag seitens der Beklagten mit Schreiben vom 4. September 2014 und seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 11. September 2014 angenommen wurde, was der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. September 2014 feststellte und dabei über die Kosten des Eilverfahrens Az. 14 AS 13.899 entschied. Im besagten Prozessvergleich wurde Folgendes vereinbart:
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1. Die Antragsgegnerin stellt ab dem 1. November 2014 von den Versorgungsbezügen des Antragstellers im Hinblick auf den dem Antragsteller von der NATO ausbezahlten Kapitalbetrag in Höhe von EUR 89.818,40 einstweilen nur noch einen Betrag von monatlich EUR 500,00 ruhend. Sie stellt die Kürzung der Versorgungsbezüge nach Satz 1 einstweilen ein, sobald die Summe der wegen dieses Kapitalbetrags insgesamt einbehaltenen Kürzungsbeträge den Betrag von EUR 89.818,40 erreicht hat (voraussichtlich Juli 2018).
2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Regelung in Nr. 1 nur so lange Gültigkeit hat, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist.
3. Die Antragsgegnerin verzichtet hinsichtlich etwaiger Rückforderungsansprüche des Antragstellers auf die Einrede der Verjährung.
4. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens entscheidet.
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Der Kläger wurde mit Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 26. September 2014 darauf hingewiesen, dass der Ruhensbetrag der Versorgungsbezüge ab dem 1. November 2014 vorläufig auf EUR 500,00 vermindert werde. Ab dem 1. November 2014 zahlte die Beklagte die Versorgungsbezüge bis zum Abschluss des Klageverfahrens gegen den Ruhensbescheid entsprechend dem besagten Prozessvergleich aus.
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Nachdem das Bundesverwaltungsgericht seine gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde zurückgewiesen hat, beantragte der Kläger unter dem 24. September 2019 die Aufhebung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge ab dem 1. Juli 2018. Zur Begründung verwies er auf ein Urteil des VG Stade vom 28. September 2017 - 3 A 2197/14 - und einen Beschluss des OVG Lüneburg vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - (juris).
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Mit Bescheid vom 30. September 2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, eine Aufhebung oder Änderung eines bestandskräftigen Bescheides sei nur vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorlägen. Solche Wiederaufgreifensgründe seien vorliegend nicht ersichtlich, da das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 und 2 BvL 28/14 - (juris) entschieden habe, dass die Regelungen des § 56 BeamtVG, einschließlich der (auch im Falle des Erhalts eines Kapitalbetrages) zeitlich unbegrenzten Ruhensregelung mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe sich in dem gegenüber dem Kläger ergangenen Beschluss vom 29. August 2019 dieser Rechtsprechung angeschlossen. Schließlich sei auch eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG nicht möglich, da der Kläger seine Gründe nicht bereits in den vorherigen Verfahren geltend gemacht habe.
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Hiergegen ließ der Kläger unter dem 24. Oktober 2019 Widerspruch erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG bestehe, da sich die Rechtslage aufgrund der beiden bereits genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Stade und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zu seinen Gunsten geändert habe. Bei Erhalt des Kapitalbetrags seien die Hinweise auf § 56 BeamtVG für den Kläger nicht verständlich und die gravierenden Spätfolgen nicht absehbar gewesen. Er habe auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn vertraut.
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Mit Bescheid vom 11. November 2019 forderte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis 31. Oktober 2019 ausbezahlte Versorgungsbezüge in Höhe von EUR 29.696,82 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. September 2014 sei eine teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der damaligen Klage dahingehend erfolgt, dass ab dem genannten Zeitraum vorläufig nur noch ein Betrag in Höhe von EUR 500,00 ruhe und die Kürzung einstweilen einzustellen sei, sobald die Summe der einbehaltenen Kürzungsbeträge den Betrag des ausbezahlten Kapitalbetrags (im Juli 2018) erreiche. Diese Entscheidung habe mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision ihre Gültigkeit verloren, da der ursprüngliche Ruhensbetrag vom 23. April 2007 somit seit dem 29. August 2019 bestandskräftig geworden sei. Die jetzige Rückforderung ergebe sich aus § 52 Abs. 2 BeamtVG, wonach Versorgungsbezüge, die infolge der Anwendung der Ruhensvorschriften zu viel gezahlt worden seien, zurückzuzahlen seien. Aus Billigkeitsgründen werde die Rückforderung in monatlichen Raten in Höhe von EUR 750,00 erfolgen.
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Mit Schreiben vom 12. November 2019 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Aufrechnung gegenüber den Versorgungsbezügen in monatlichen Raten von EUR 750,00 ab dem 1. Dezember 2019.
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Aus einer Simulation der Bezügeabrechnung des Klägers für den Monat Dezember 2019 bei Aufrechnung mit dem zurückgeforderten Betrag in Höhe von monatlich EUR 750,00 (Blatt 141 der Behördenakte) und (zusätzlichem) Abzug des aktuellen Ruhensbetrags wegen Verwendung in der zwischen- bzw. überstaatlichen Einrichtung in Höhe von EUR 932,23 ergibt sich bei einem Ruhegehalt in Höhe von EUR 5.051,92 ein zu überweisender Auszahlungsbetrag in Höhe von EUR 3.021,41.
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Am 11. Dezember 2019 ließ der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. November 2019 erheben und verwies zur Begründung auf seine Ausführungen zum Widerspruch vom 24. Oktober 2019.
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Am 17. Dezember 2019 beantragte der Kläger eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO und legte zeitgleich Klage ein und beantragte die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Dezember 2019 seine Versorgungsbezüge in voller Höhe, d.h. ohne Abzug von monatlichen Raten in Höhe von jeweils EUR 750,00 im Wege der Aufrechnung, auszuzahlen. Das Verwaltungsgericht München lehnte den Antrag mit Beschluss vom 7. April 2020 (M 21b E 19.6245) ab, die dagegen eingelegte Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 16. Juni 2020 zurückgewiesen (BayVGH, B.v. 16.6.2020 - 14 CE 20.1131 - juris). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies hierbei unter anderem darauf hin, dass im Rahmen des allein auf Zahlung gerichteten Verfahrens weder das Verwaltungsgericht noch der Verwaltungsgerichtshof befugt sei, die Bestandskraft des Ruhensbescheides vom 23. April 2007 oder die Rechtskraft der diesbezüglichen klageabweisenden Gerichtsentscheidungen zu durchbrechen. Die am 17. Dezember 2019 erhobene Klage (M 21b K 19.6244) nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2021 zurück.
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Mit Bescheid vom 31. August 2020 wies die Beklagte den Widerspruch vom 24. Oktober 2019 gegen den Bescheid vom 30. September 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht in Betracht komme, da eine bloße Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstelle. Auch bestehe kein Anspruch auf Aufhebung des Ruhensbescheides vom 23. April 2007 gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG, da der Bescheid vom 23. April 2007 nicht rechtswidrig sei. Ergebe aber die gebotene Überprüfung bereits, dass schon die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rücknahme des im Verwaltungsverfahren ergangenen Verwaltungsaktes nicht vorliegen, weil dieser nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig sei, komme auch ein Ermessensanspruch nicht in Betracht.
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Mit Bescheid vom 31. August 2020 wies die Beklagte den Widerspruch vom 11. Dezember 2019 gegen den Bescheid vom 11. November 2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich ein Anspruch auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Versorgungsbezüge gemäß § 52 Abs. 2 BeamtVG in Verbindung mit § 812 BGB nach den Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung ergebe. Der Kläger habe in der Zeit vom 1. November 2014 bis 31. Oktober 2019 Versorgungsbezüge in Höhe von EUR 29.696,82 rechtsgrundlos erhalten. Dies stehe aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2019 verbindlich fest. Der Kläger unterliege der verschärften Haftung gemäß § 52 Abs. 2 BeamtVG in Verbindung mit § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil er von Anfang an damit rechnen habe müssen, dass er die überbezahlten Beträge bei entsprechendem Verfahrensausgang würde zurückzahlen müssen. Daher könne er sich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Im Übrigen sei er mit Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 26. September 2014 unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass die Versorgungsbezüge bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur unter Rückforderungsvorbehalt gewährt würden. Zudem sei die gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG vorgesehene Ermessensentscheidung in Form der Ratenzahlung in Höhe von EUR 750,00 in rechtmäßiger Weise durchgeführt worden.
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Der Kläger hat daraufhin am 1. Oktober 2020 Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2020 zu verpflichten, das Verfahren betreffend die Anfechtung des Bescheides vom 23. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2007 wieder aufzugreifen und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Ruhensregelung der Versorgungsbezüge des Klägers zu entscheiden, sowie den Bescheid vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2020 aufzuheben.
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Die Klage wird damit begründet, dass der Bescheid der G., Service Center St., vom 30. September 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2020 rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG sei zulässig und begründet. Ersteres ergebe sich daraus, dass der Kläger die diesbezügliche Dreimonatsfrist gewahrt habe, da er weniger als drei Monate vor seiner Antragstellung mit Schreiben vom 24. September 2019 Kenntnis von dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg erhalten habe. Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Urteil des VG Stade vom 28. September 2017 - 3 A 2197/14 - und im Beschluss des OVG Lüneburg vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - (juris) begründet. Durch die zitierte Rechtsprechung habe sich die Rechtslage nachträglich geändert. So habe bereits das Verwaltungsgericht Stade in seiner Entscheidung vom 28. September 2017 - 3 A 2197/14 - entschieden, dass die weitere Aufrechterhaltung des Ruhensbescheides ab dem Zeitpunkt, in dem der vom Kläger enthaltene Abfindungskapitalbetrag durch das Ruhen der Versorgungsbezüge vollständig aufgezehrt sei, gegen die guten Sitten und das Gebot von Treu und Glauben verstoße, da der Kläger ab diesem Zeitpunkt eine in vollem Umfang rechtswidrige Kürzung seiner Versorgungsbezüge hinnehmen müsse, womit der Dienstherr gleichzeitig in eklatanter Weise gegen die nach Art. 33 Abs. 5 GG verbürgte Alimentationspflicht gegenüber dem Beamten verstoße. Daher erweise sich die Aufrechterhaltung der Ruhensregelung über diesen Zeitpunkt hinaus als schlechthin unerträglich. Die durch das Ruhen der Bezüge für den Betroffenen in den Rücknahmefällen rechtswidrig ausgelöste Belastung summiere sich in der Regel über eine Vielzahl von Jahren, häufig sogar über Jahrzehnte. Gerade daraus könne sich im Ergebnis die objektive Unerträglichkeit und Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung eines solchermaßen belastenden rechtswidrigen Zustandes in Abwägung mit der Bestandskraft zugrundeliegender Bescheide ergeben. Wie in den genannten Entscheidungen des VG Stade und des OVG Lüneburg sei die Aufrechterhaltung der Ruhensregelung für den Kläger unerträglich und nicht mehr zumutbar, da der von ihm erhaltene Abfindungskapitalbetrag durch das Ruhen der Versorgungsbeträge zwischenzeitlich ebenfalls vollständig aufgezehrt sei. Der Hinweis des Dienstherren auf die Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 56 BeamtVG vom 2. Oktober 1992 und die darin enthaltenen komplizierten juristischen Regelungen seien für den Kläger als Nicht-Juristen nicht transparent und somit unverständlich gewesen. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und der Fürsorgepflicht seines Dienstherrn habe der Kläger Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Bescheides und diesbezüglicher Korrektur der Ruhensregelung. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juni 2020 - 14 CE 20.1131 - (juris) stehe dem nicht entgegen. In dem damaligen Verfahren waren Antrag und Streitgegenstand gerade nicht auf das Wiederaufgreifen selbst gerichtet, sondern auf „bloße Zahlung“. Im Übrigen sei das seinerzeitige Vertragsangebot des Dienstherren mit einer späteren Ruhegehaltskürzung sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB gewesen. Es sei für den Kläger in keiner Weise nachvollziehbar, dass das Bundesverfassungsgericht die im BGB verankerten Paragrafen zur Einhaltung der guten Sitten anscheinend vorsätzlich unbeachtet lasse. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht frei von Zweifeln. Der Prozessvergleich beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 1. September 2014 habe den Hintergrund gehabt, dass die Pensionszahlung bis zum Abschmelzen des erhaltenen Kapitalertrages (Anteil des Dienstherrn plus Zinsen) bis längstens zum Erreichen des 82. Lebensjahres einbehalten werden sollten. Mit der Pensionszahlung vom 1. Juli 2018 sei der gesamte erhaltene Kapitalbetrag abgeschmolzen gewesen und ab diesem Zeitpunkt wäre die Pension in voller Höhe auszuzahlen gewesen. Die darüber hinausgehende Einbehaltung sei sittenwidrig. Vor diesem Hintergrund sei auch der Bescheid der Beklagten vom 11. November 2019 rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, so dass dieser Anspruch auf Aufhebung auch dieses Bescheides habe. Bei der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen seien die rechtlichen Rahmenbedingungen des § 49 Abs. 2 SVG zu berücksichtigen. Dies sei unterblieben. Vorliegend fehle es zum einen an einem offensichtlichen Mangel des rechtlichen Grundes für die erhaltenen Versorgungsbezüge. Mehrere Prozesse des Klägers hätten zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt, so dass der Mangel des rechtlichen Grundes keinesfalls offensichtlich gewesen sein könne. Zum anderen hätte die Beklagte der Frage vertiefter nachgehen müssen, ob von der Rückforderung mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung aus Billigkeit ganz oder zum Teil abgesehen hätte werden können.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung nahm sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2020 Bezug. Weiter trug sie im Wesentlichen vor, die Entscheidung des OVG Lüneburg vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Der Ruhensbescheid vom 23. April 2007 sei weiterhin rechtmäßig, sodass die Entscheidung vom 30. September 2019, den Antrag auf Aufhebung der Ruhensregelung abzulehnen, rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG lägen mangels Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Ausgangsbescheides nicht vor. Der Ruhegehaltssatz des Klägers sei nach § 85 Abs. 1 BeamtVG errechnet worden. Hinsichtlich der Ruhensregelung sei daher § 69c Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 85 Abs. 6 Satz 1 und 2 BeamtVG anzuwenden. Daher gelte § 56 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 bzw. ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung. Somit bestimme sich die Höhe des Ruhensbetrages ausschließlich nach der Dauer der bei der internationalen Einrichtung verbrachten Dienstzeit (reine Zeitkürzung). Auf die Höhe des Kapitalbetrages komme es daher nicht an. Eine Verrentungsproblematik ergebe sich nicht. Auch eine Günstigkeitsprüfung fände nicht statt. Der vorliegende Fall unterscheide sich maßgeblich von dem vom Klägervertreter angeführten Fall, der dem Beschluss des OVG Lüneburg vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - (juris) zugrunde gelegen hätte. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Laufzeit der Ruhensbeträge von vornherein im Wege der Bestimmung eines Endzeitpunktes zu begrenzen, ergäbe sich vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2020 - 2 C 18.19 - (juris Rn. 29ff.) nicht.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2021 führte der Kläger ergänzend aus, dass der von der NATO erhaltene Geldbetrag mit einem Darlehen vergleichbar und diesem gleichzusetzen sei, das er sich von der Bundesrepublik Deutschland geliehen habe. Nachdem der gesamte Geldbetrag mittlerweile vollständig zurückbezahlt worden sei bzw. schon Rückzahlungen über diesen Betrag hinaus erfolgt seien, wäre die Verpflichtung zu einer weiteren Rückzahlung Wucher i.S.d. § 138 BGB. Auf Nachfrage des Gerichts gab der Kläger an, dass er den von der NATO erhaltenen Geldbetrag dazu verwendet habe, ein Immobiliendarlehen i.H.v. DM 500.000,00 für ein im Jahr 1986 erworbenes Hausgrundstück zu tilgen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsund die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens erneut über seinen Antrag vom 24. September 2019 auf Änderung der Ruhensregelung vom 24. April 2007 entschieden wird. Der diesen Antrag ablehnende Bescheid vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der vom 31. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1.1 Die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für das Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne sind nicht erfüllt. Gemäß dem hier allein in Betracht kommenden § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung (VG Stade, U.v. 28.9.2017 - 3 A 2197/14; OVG Lüneburg, B.v. 21.5.2019 - 5 LA 236/17 - juris) stellt keine Änderung der Rechtslage dar. Hierbei kommt es auf die Frage, ob die dortige Fallkonstellation überhaupt mit der vorliegenden vergleichbar ist, an dieser Stelle nicht an. Eine „Änderung der Rechtslage“ i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG setzt die Änderung materiellen Rechts mit allgemeinverbindlicher Außenwirkung voraus (BVerwG, U.v. 27.1.1994 - 2 C 12/92 - juris Rn. 22). Gefordert ist die Änderung der für den Verwaltungsakt maßgeblichen Rechtsnorm(en), d. h. die für den Verwaltungsakt entscheidungserhebliche rechtliche Grundlage muss nachträglich geändert worden sein. Eine Änderung der Rechtsprechung ist dagegen keine Änderung der Rechtslage (BVerwG, B.v. 25.5.1981 - 8 B 89/80 - juris Rn. 1). Rechtsprechungsänderungen sind keine Änderung der Rechtslage i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, weil die gerichtliche Entscheidungsfindung stets rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung bleibt (BVerwG, U.v. 7.10.2020 - 2 C 18/19 - juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 28.3.2018 - 14 ZB 16.2354 - juris Rn. 9). Erst recht kann in einem bundesrechtlich geregelten, revisionsgerichtlich überprüfbaren Sachbereich eine Änderung der Rechtsprechung bloß erst- und zweitinstanzlicher Gerichte einer Änderung der Rechtslage nicht gleichgeachtet werden (BayVHG, B.v. 28.3.2018 - 14 ZB 16.2354 - juris Rn. 9). Hinzu kommt der Umstand, dass mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. August 2019 über die Nichtzulassung der Revision im konkreten Fall eine aktuelle, letztinstanzliche Entscheidung vorliegt, so dass es auf die vom Kläger benannte, ältere, bloß erst- und zweitinstanzliche Rechtsprechung (VG Stade, U.v. 28.9.2017 - 3 A 2197/14; OVG Lüneburg, B.v. 21.5.2019 - 5 LA 236/17 - juris) in einem ganz anderen Fall nicht ankommt.
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1.2 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinn hinsichtlich des Ruhensbescheides vom 24. April 2007 nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG.
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Das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Dies belegt, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist (BVerwG, U.v. 7.10.2020 - 2 C 18.19 - juris Rn. 42). Ob ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab (BVerwG, U.v. 7.10.2020 - 2 C 18.19 - juris Rn. 42).
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Vorliegend lässt die Ermessensentscheidung der Behörde bei Erlass des Bescheides vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der vom 31. August 2020 keine Fehler erkennen.
32
Grundsätzlich handelt die Behörde nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung wegen eines Anspruchs ablehnt, dessen Bestehen gerichtlich bestätigt worden ist (BVerwG, U.v. 27.1.1994 - 2 C 12/92 - juris Rn. 29). Insoweit bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die eine erneute Entscheidung im Einzelfall gebieten, müssen von einer den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht sein. Derartige Umstände, nach denen die Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich wäre, etwa die offensichtliche Fehlerhaftigkeit des rechtskräftigen Urteils oder ein Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben, sind hier nicht ersichtlich.
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Vielmehr ist der Bescheid zur Festsetzung des Ruhens von Versorgungsbezügen der Beklagten vom 23. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2007 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Welche Fassung der relevanten Vorschriften jeweils Anwendung findet, ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung eines Soldaten oder Beamten geltenden Übergangsregelungen des SVG und des BeamtVG (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 8). Gemäß § 69c Abs. 5 Satz 3, § 85 Abs. 6 Satz 2 und 4 BeamtVG in der mit dem Versorgungsgesetz vom 20. Dezember 2001 geänderten und zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers (Mai 2007) geltenden Fassung - BeamtVG 2001 - ist vorliegend § 56 BeamtVG in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987 - BeamtVG 1987 - bzw. (mit der Maßgabe des § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BeamtVG 2001) in der bis 30. September 1994 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 - BeamtVG 1989 - anzuwenden. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1987/1989 ruht das deutsche Ruhegehalt in bestimmter Höhe, wenn ein Ruhestandsbeamter aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung eine Versorgung erhält; dies gilt auch, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst einer zwischenoder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfonds erhält. Bei Zeiten, die bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegt sind, ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des Hundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1987 i.V.m. § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BeamtVG 2001). Bei Zeiten ab dem 1. Januar 1992 ruht das deutsche Ruhegehalt in Höhe des Betrags, der einer Minderung des Vomhundertsatzes von 1,0 für jedes im zwischen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1989 i.V.m. § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BeamtVG 2001). Bei dieser Berechnung des Ruhensbetrags wird auch die Dienstzeit bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung berücksichtigt, die über volle Jahre hinausgeht (§ 85 Abs. 6 Satz 4 BeamtVG 2001). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung (VG Stade, U.v. 28.9.2017 - 3 A 2197/14; OVG Lüneburg, B.v. 21.5.2019 - 5 LA 236/17 - juris) weiter der Auffassung ist, dass ein Endzeitpunkt für das Ruhen zu bestimmen und daher der streitgegenständliche Ausgangs- bzw. Widerspruchsbescheid rechtswidrig sei, ist diese Auffassung nach Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 - (juris) überholt. In diesem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht § 55b Abs. 3 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Mai 1987 - SVG 1987 - sowie in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 - SVG 1989 - als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Die dortigen Ausführungen sind auf § 56 BeamtVG in den hier maßgeblichen Fassungen von 1987 und 1989 übertragbar, da dieser im Grundsatz inhaltsgleich mit der vom Bundesverfassungsgericht als grundrechtskonform eingestuften Vorschrift (in den Fassungen von 1987 und 1989) ist. Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, dass auch die möglicherweise nachteiligen Konsequenzen einer ohne zeitliche Begrenzung („Deckelung“) ausgesprochenen Ruhensanordnung nicht zu einem Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG führe. Denn der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass eine am Ende der Auslandsdienstzeit ausgezahlte Kapitalabfindung im Hinblick auf die damit verbundenen vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten für ihren Empfänger einen wirtschaftlichen Wert aufweisen oder erreichen könne, der bei typischem Verlauf auch durch eine zeitlich nicht eingeschränkte Addition von Ruhensbeträgen nicht überschritten werde (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 85). Der wirtschaftliche Wert eines Kapitalbetrages werde nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlagebeziehungsweise Nutzungspotenzial bestimmt; dieses Potenzial sei umso gewichtiger, je länger der Kapitalbetrag ohne Eingriff in seine Substanz genutzt werden könne (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 86). Während die herkömmliche verzinsliche Anlage in einer Niedrigzinsphase auch bei einem längeren Anlagezeitraum über den Nennwert nur in eingeschränktem Maß hinausgehen werde, könne die Entschuldung einer auch der Altersvorsorge dienenden und in einer Hochzinsphase finanzierten Immobilie durch die Erhöhung von Tilgungsleistungen und die dadurch sich ergebende Einsparung von Zinsleistungen und die entsprechende Verkürzung der Darlehensrestlaufzeit nachhaltige Effekte mit hoher Rendite erzielen und die finanzielle Belastung im Ruhestand so erheblich senken, dass auch ein dauerhaftes teilweises Ruhen der Versorgungsbezüge dahinter zurückbleibe (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 87). Dieser Effekt ist im vorliegenden Fall auch dem Kläger zugutegekommen. Dieser hat den von der Nato erhaltenen Geldbetrag seinerzeit zur Tilgung eines Immobiliendarlehns für ein im Jahr 1986 gekauftes Hausgrundstück genutzt. Das Bundesverfassungsgericht weist in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2017 auch darauf hin, dass Betroffene die Wahl gehabt hätten, die Abfindung an ihren Dienstherrn auszukehren und sich auf diese Weise einen ungekürzten Versorgungsanspruch zu sichern (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 88).
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesetzgeber durch Art. 33 Abs. 5 GG nicht verpflichtet sei, die für eine zwischen- oder überstaatliche Einrichtung geleistete Dienstzeit überhaupt als ruhgehaltfähig einzustufen, werde damit die amtsangemessene Alimentation des Versorgungsempfängers insgesamt nicht gefährdet; auch der Gesichtspunkt der Systemkonformität führe zu keinem anderen Ergebnis (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - juris Rn. 90). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu Empfängern laufender Versorgungsleistungen sei durch Sachgründe gerechtfertigt. Letztere hätten keine Möglichkeit, vor dem Eintritt in den Ruhestand mit Hilfe des Abfindungsbetrags wirtschaftliche Erträge zu erzielen und das Nutzungspotential der Abfindung auszuschöpfen. Das Fehlen einer Begrenzung der Ruhensanordnung im Falle der Kapitalabfindung stelle eine pauschalierte Kompensation des Nutzungsvorteils dar, während die Gefahr einer Unteralimentierung durch die Ablieferung der Abfindung zuverlässig vermieden und durch eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwendung der Abfindung minimiert werden könne; die sofortige Erweiterung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit werde durch eine erweiterte Ruhensregelung kompensiert, aber nicht überkompensiert (BVerfG, B.v. 23.5.2017 - 2 BvL 10/11 - Rn. 101). Aufgrund dieser Rechtsprechung sind die generellen Bedenken, die gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung erhoben wurden (vgl. insb. BVerwG, U.v. 27.1.2011 - 2 C 25.09 - juris), überholt. Insbesondere stellt sich eine solche Ruhensregelung nicht als sittenwirdrig i.S.d. § 138 BGB dar. Insofern sind Umstände, die auf eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23. April 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2007 schließen lassen, weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen.
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2. Auch die Anfechtungsklage in Bezug auf den Rückforderungsbescheid vom 11. No vember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2020 ist zulässig, aber unbegründet. Der Rückforderungsbescheid vom 11. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die im angefochtenen Bescheid festgesetzte Rückforderung der Bezüge ist § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dabei steht es gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
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Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Herausgabe von zu viel gezahlten Versorgungsbezüge gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Dem Kläger sind im Zeitraum vom 1. November 2014 bis 31. Oktober 2019 Versorgungsbezüge ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Dem Kläger wurden ab dem 1. November 2014 mehr Versorgungsbezüge ausgezahlt, als ihm nach dem Ruhensbescheid vom 23. April 2007, den die Beklagte mit Schreiben vom 12. Juli 2007 nachträglich für sofort vollziehbar erklärt hatte, auszuzahlen gewesen wären. Der Ruhensbescheid ist - wie der Versorgungsfestsetzungbescheid vom 20. April 2007 - bestandskräftig. Der Grund für diese zugunsten des Klägers höheren Bezügezahlungen war der Prozessvergleich, den die Beteiligten im Eilverfahren Az. 14 AS 13.899 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geschlossen hatten. Dieser Prozessvergleich hat zwischenzeitlich gemäß Nr. 2 des Prozessvergleiches seine Wirksamkeit als Rechtsgrund dadurch verloren, dass die Hauptsache mit dem letztinstanzlichen Nichtzulassungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2019 rechtskräftig abgeschlossen worden ist (vgl. § 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO) (BVerwG, B.v. 29.8.2019 - 2 B 73.18 - juris). Zeitlich ist die Wirksamkeit des Prozessvergleichs dabei rückwirkend (ex tunc) auf den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses - also jedenfalls auch ab dem in Nr. 1 des Prozessvergleichs als Stichtag (für die einstweilen verringerten Ruhensbeträge) genannten 1. November 2014 - entfallen (vgl. zum Ganzen: (BayVGH, B.v. 16.6.2020 - 14 CE 20.1131 - juris Rn. 33 ff.). Insoweit ergibt die Auslegung des Prozessvergleichs, dass dieser nicht anders zu behandeln ist, als wenn im früheren Eilverfahren (Az. 14 AS 13.899) ein Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangen wäre, an dessen Stelle der Prozessvergleich vorliegend getreten ist. Aus § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO geht hervor, dass die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen spätestens mit der Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts endet. Weil die aufschiebende Wirkung nur die Vollziehbarkeit, nicht aber die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts hemmt und nur für die „Dauer des Rechtsstreits“ vorgesehen ist, entfällt sie mit dem rechtskräftigen Abschluss eines Anfechtungsklageverfahrens (in der Hauptsache) und macht deshalb rückwirkend der durch das rechtskräftige Urteil klargestellten R. Platz (BVerwG, U.v.12.5.1966 - II C 197.62 - juris Rn. 46). Das gilt auch, soweit die aufschiebende Wirkung (nach Anordnung des Sofortvollzugs) durch einen gerichtlichen Aussetzungsbeschluss wiederhergestellt worden ist (BVerwG, U.v.12.5.1966 - II C 197.62 - juris Rn. 46 f.). Der vorliegend im Verfahren Az. 14 AS 13.899 geschlossene Prozessvergleich ist an die Stelle der an sich in einem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorgesehenen gerichtlichen Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung getreten; er ist nicht dahin auszulegen, dass ihm eine über einen Beschluss nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO hinausgehende Wirkung zukommen könnte. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Nr. 1 des Prozessvergleichs, wo sowohl für die Reduzierung des Ruhensbetrags (Nr. 1 Satz 1) als auch für die Einstellung der Kürzung (Nr. 1 Satz 2) explizit festgehalten wird, dass dies jeweils „einstweilen“ erfolgt. Gleichzeitig ist in Nr. 2 des Prozessvergleichs festgehalten, dass der Vergleich über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hinaus keine Gültigkeit hat. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der in einem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO geschlossene Prozessvergleich - ebenso wie ein Beschluss nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO - mit Rückwirkung derjenigen R. Platz macht, wie sie das rechtskräftige, die Anfechtungsklage vollumfänglich ablehnende Urteil in der Hauptsache klargestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 12.5.1966 - II C 197.62 - juris Rn. 46). Insgesamt ist der besagte Prozessvergleich, der im Kontext des damaligen Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO - 14 AS 13.899 - zu sehen ist, wegen seiner im Wortlaut des Vergleichstexts festgehaltenen Vorläufigkeit und der nach rechtskräftiger Hauptsacheentscheidung entfallenen Gültigkeit dahin auszulegen, dass er mit rechtskräftiger Entscheidung der Hauptsache seine Wirksamkeit ebenso rückwirkend (ex tunc) verlieren sollte, wie es bei einem gerichtlichen Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO der Fall gewesen wäre. Mit dem durch den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegen den Ruhensbescheid eingetretenen und - wie gezeigt - rückwirkenden Unwirksamwerden des Prozessvergleichs ist der einzig mögliche Rechtsgrund für die dem Kläger über den Ruhensbescheid hinaus gezahlten Bezüge (rückwirkend) entfallen.
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2.2 Der Kläger haftet verschärft aus § 52 Abs. 2 BeamtVG in Verbindung mit § 820 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 4 BGB. Nach diesen Vorschriften greift die verschärfte Haftung ein, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund sodann tatsächlich wegfällt. Diese Regelung ist ihrem Sinngehalt nach auch auf Leistungen unter Vorbehalt anzuwenden, wenn beide Vertragsteile die Möglichkeit einer Rückforderung unterstellt haben, weil z.B. noch das Bestehen der Schuld geprüft werden muss, es sich mithin um eine vorläufige Leistung handelt. Vorliegend musste dem Kläger nach Ziffer 2. des Prozessvergleiches bewusst sein, dass die auf EUR 500,00 geminderte Ruhendstellung der Versorgungsbezüge nach Ziffer 1 nur so lange Gültigkeit hat, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist. Damit einhergehend musste ihm auch bewusst sein, dass er im Falle eines Unterliegens in der Hauptsache verpflichtet ist, die ihm aufgrund des Prozessvergleiches zu viel gezahlten Versorgungsbezüge zurückzuzahlen. Zudem wurde der Kläger durch Schreiben der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 26. September 2014 darauf hingewiesen, dass die Versorgungsbezüge aufgrund des Prozessvergleiches vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf monatlich EUR 500,00 vermindert würden. Aufgrund des Vorläufigkeitsvorbehaltes musste dem Kläger also ebenfalls bewusst sein, dass er die zu viel gezahlten Versorgungsbezüge bei einem Unterliegen in der Hauptsache nicht behalten darf, sondern zurückzahlen muss.
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2.3 Auf die Frage, ob der Kläger gem. § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB entreichert ist, kommt es vorliegend nicht mehr an. Dieser Einwand ist ausgeschlossen, weil der Kläger nach § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. §§ 820 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 4 BGB verschärft haftet. Im Übrigen hat der Kläger dahingehend nichts vorgebracht.
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2.4 Der Rückforderungsanspruch in Höhe von EUR 29.696,82 unterliegt nach § 52 Abs. 2 BeamtVG der 3-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Die Verjährung beginnt nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem erstens der Anspruch entstanden ist und zweitens der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. Der am 11. November 2019 erlassene Rückforderungsbescheid wurde jedenfalls noch innerhalb der Verjährungsfrist des im Jahre 2019 durch bestandskräftigen Abschluss des Klageverfahrens entstandenen Anspruchs erlassen.
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2.5 Die nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG vorgeschriebene Billigkeitsentscheidung wurde in Form in Form der Einräumung monatlicher Ratenzahlungen i.H.v. EUR 750,00 getroffen. Eine Fehlerhaftigkeit der Billigkeitsentscheidung ist nicht ersichtlich und wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Vorliegend sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich oder dargelegt, die eine Ermäßigung des Rückforderungsbetrages angezeigt erscheinen ließen, wie dies zum Beispiel bei Darlegung besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten der Fall sein kann.
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3. Die Klagen waren nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.