Titel:
Versuchte Kündigung eines Beratervertrags für ein Fitness-Studio
Normenkette:
BGB § 307, § 626, § 627
Leitsätze:
1. Ob eine die Laufzeit eines Vertrags betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das besondere Vertrauensverhältnis ist als persönliches Vertrauen zu verstehen, das sich nicht lediglich auf die fachlichen Kenntnisse oder Fertigkeiten, sondern auch auf die Person des Vertragspartners selbst zu erstrecken hat. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kündigung, Beratervertrag, Treu und Glauben, besonderes Vertrauensverhältnis, Verschmelzung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 29.08.2022 – 33 U 4846/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56678
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37.198,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 37.198,21 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Vergütung aus einem Beratungsvertrag sowie einer „Interessenten-Analyse“ für ein Fitnessstudio.
2
Die … schloss mit der Beklagten am 16.06.2016 eine Vertrag über eine „Interessenten-Analyse“ (Anlage K 1). Vertragsbeginn war der 01.07.2016. Die Vergütung beträgt € 299,00 netto/Jahr (= € 355,61 brutto). Die Vertragslaufzeit beträgt 12 Monate, und verlängert sich um jeweils weitere 12 Monate, wenn der Vertrag nicht bis 3 Monate vor Vertragsende schriftlich gekündigt wird.
3
Am 23.04.2018 schlossen die … und die Beklagte einen „Beratungsvertrag - Erfolgspakete“ (Anlage K 2). Vertragsbeginn war der 01.05.2018. Die Vergütung beträgt € 1.535,10 brutto/Monat. Die Laufzeit betrug 36 Monate. In § 1 (Leistungen/Honorar/Laufzeit) war ein Kästchen mit der Regelung „genereller Gebietsschutz ab 300 qm Studiofläche im Umkreis (Luftlinie) von 5 km (ländlich)“ angekreuzt.
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Die Regelung über die Vertragslaufzeit (§ 1 des Vertrages, Vertragslaufzeit, dort Ziff. 5) sieht u.a. vor, dass sämtliche Honorare bis zum Vertragsende „automatisch“ fällig werden, wenn der Vertragspartner mit zwei Monatsbeiträgen schuldhaft in Verzug kommt.
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Die Beklagte kündigte außerordentlich mit Schreiben vom 05.04.2019 (Anlage B 1) und 08.05.2019 (Anlage K 3) und zahlte die monatlichen Beiträge aus dem Beratervertrag sowie die Vergütung aus der Interessenten-Analyse ab dem 01.05.2019 nicht mehr.
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Die Klägerin behauptet, sie sei im Wege der Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der … geworden. Ein Grund für die Kündigung liege nicht vor. Sie habe ihre Leistungen ordnungsgemäß erbracht bzw. angeboten. Die Regelung über den Gebietsschutz sei nicht verletzt.
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Sie ist der Auffassung, der Vertrag über die Beratung sei wirksam, insbesondere verstoße die Regelung über die Laufzeit nicht gegen § 307 BGB. Zum einen sei die Regelung individuell ausgehandelt worden, zum anderen sei benachteilige sie auch die Beklagte - beide Parteien seien Kaufleute - nicht unangemessen. Der Leistungsumfang sei klar gewesen. Eine Kündigung können weder auf die Verschmelzung noch auf die Verletzung des Gebietsschutzes gestützt werden. Die Einhaltung des Gebietsschutzes sei nicht wesentlich gewesen. Soweit die Kündigung der Interessenten-Analyse ordentlich möglich sei, lasse sie Klägerin diese insoweit gegen sich gelten.
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Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 37.198,21 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.336,90 zu zahlen.
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Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie bringt vor, wenn man die Verschmelzung als wirksam erachte, so sei der Gebietsschutz verletzt, weil die … ebenfalls mit der Klägerin verschmolzen sei. Diese betreue aber Konkurrenzunternehmen innerhalb des vereinbarten Gebietes.
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Sie meint, der Beratungsvertrag sei schon deswegen unwirksam, weil nicht erkennbar sei, welche Leistungen geschuldet seien. Die Vertragslaufzeit sei zudem zu lang. Zudem seien die Hauptleistungen nicht erbracht worden. Bei der Erbringung von Beratungsleistung handele es sich um Dienste höherer Art, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Eine Kündigung sei daher nach § 627 BGB möglich. Zudem stelle die Verschmelzung einen Kündigungsgrund dar. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung sei insoweit unwirksam. Schließlich berechtige auch die Verletzung des Gebietsschutzes zur außerordentlichen Kündigung.
12
Das Gericht hat im Termin vom 05.08.2020 Hinweise gegeben. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 05.08.2020 und 26.05.20212 Bezug genommen. Beweise wurden nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht die geltend gemacht Vergütung zu, § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Ziff. 5 des Beratungsvertrages.
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Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Wie sich aus den vorgelegten Handelsregisterauszügen (Anlage K 5 und K 6) der … und der Klägerin ergibt, wurde die … mit Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 mit der … verschmolzen. Die Klägerin - ursprünglich firmierend als … - wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 12.02.2019 in … umbenannt. Auf die Klägerin wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 05.06.2019 die … sowie mit weiterem Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 die … verschmolzen.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Beratungsvertrag vom 23.04.2018 nicht aufgrund der vereinbarten Vertragslaufzeit von 36 Monaten unwirksam.
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1. Dabei kann nach Auffassung des Gerichts dahinstehen, ob die Regelung über die Laufzeit individuell ausgehandelt wurde (vgl. hierzu den Vortrag im Schriftsatz vom 01.10.2020, S. 8/9 = Bl. 64/65 der Akte).
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2. Denn auch als allgemeine Geschäftsbedingung ist die Klausel nicht unwirksam.
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1. Die vereinbarte Vertragslaufzeit ist nicht schon gem. § 309 Nr. 9 lit a BGB unwirksam, denn diese Vorschrift findet gem. § 310 Abs. 1 S. 2 1 BGB keine Anwendung auf Verträge zwischen Unternehmern i.S. des § 14 BGB, zu denen als Formkaufmann auch die Beklagte gehört. § 309 Nr. 9 lit. a BGB enthält auch kein Indiz dafür, dass den dort niedergelegten Klauselverboten widersprechende formularmäßige Vereinbarungen im kaufmännischen Rechtsverkehr unwirksam seien (BGH MDR 2012, 136, Rn. 13 ff).
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2. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stellt aber eine Klausel, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen, eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar (BGH a.a.O. Rn. 14).
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Dafür ist hier nichts ersichtlich.
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1. Ob eine die Laufzeit eines Vertrags betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (OLG München, Urteil vom 11. Februar 2015 - 7 U 3170/14 -, Rn. 54-63, juris).
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2. Nach diesem Maßstab hält die Klausel einer Angemessenheitskontrolle stand.
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Insbesondere ist - auch wenn § 309 Nr. 9 lit. a BGB kein Indiz dafür ist, dass den dortigen Klauselverboten widersprechende formularmäßige Vereinbarungen im kaufmännischen Rechtsverkehr unwirksam seien (s.o. lit a) - festzustellen, dass die hier vereinbarte Laufzeit den in § 309 Nr. 9 lit. a BGB bezeichneten Zeitraum lediglich um 50 %. Unter Anwendung des Rechtsgedankens, dass von einem auffälligen Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB in der Regel dann auszugehen ist, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt (Palandt/Ellenberger, BGB 80. Aufl. 2021, § 138 Rn. 67), begegnet die hier festzustellende Bestimmung der Laufzeit keinen Bedenken.
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Dem steht vorliegend auch das schützenswerte Interesse des Kunden gegenüber, nicht „ohne Not“ übermäßig lange an einen Vertrag gebunden zu werden, nicht entgegen. Wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, hat die Beklagte bereits seit dem Jahr 2009 immer wieder entsprechende Verträge mit der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin geschlossen, und war daher offensichtlich selbst an einer langfristigen Bindung interessiert.
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Der Vertrag ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Vertragsinhalt zu unbestimmt sei. Die Beklagte hatte dies pauschal behauptet. Die Klägerin hat auf Hinweis des Gerichts umfangreich zum Vertragsinhalt vorgetragen. Auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 01.10.2020 (dort S. 1-7 = Bl. 57-63 der Akten) wird Bezug genommen. Dieser Vortrag war von der Beklagte nicht mehr bestritten worden. Danach war zwischen den Parteien ausreichend geregelt, welche Pflichten die Klägerin zu erbringen hatte. Im übrigen erscheint es kaum nachvollziehbar, wenn die Beklagte - wie von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen - seit 2009 mehrfach Beratungsverträge mit der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossen hat, ohne zu wissen, welche Leistungen die Klägerin zu erbringen hat.
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Der Vergütungsanspruch entfällt auch nicht deswegen, weil die Klägerin die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erbracht hätte. Auch hier hat die Beklagte pauschal nicht „Nichterbringung“ behauptet. Die Klägerin hat dazu ebenfalls im o.g. Schriftsatz umfangreich dazu vorgetragen. Beklagtenseits wurde dieser Vortrag nicht mehr bestritten.
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Die Verträge wurden nicht durch die Kündigungen vom 05.04.2019 bzw. 08.05.2019 beendet.
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1. Die Kündigungen beziehen sich ihrem Wortlaut nach nur auf den Beratungsvertrag, nicht aber auf die Interessenten-Analyse. Die Klägerin selbst hat jedoch die Kündigungen so verstanden, dass sie sich gegen beide Verträge richten, und die Kündigung der „Interessenten-Analyse“ als ordentliche Kündigung zum 30.06.2020 anerkannt. Das ist im Hinblick auf die vorgetragenen Kündigungsgründe auch sachgerecht.
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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht vorliegend keine Kündigungsmöglichkeit nach § 627 Abs. 1 BGB. Dabei kann offen bleiben, ob die vertraglichen Regelungen die Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB ausschließen und ob der Ausschluss nach § 307 BGB unwirksam wäre. Denn weder handelt es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um Dienste höherer Art, noch pflegt diese aus besonderem Grund übertragen zu werden.
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1. Dienste höherer Art sind solche, die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftlicher Bildung, eine hohe geistige Phantasie oder Flexibilität (AG Köln, NJW-RR 1993, 1207) voraussetzen und aufgrund dessen eine herausgehobene Stellung verleihen (BGH NZA 2015, 490 Rn. 12; BGH 10.11.2016 - III ZR 193/16, BeckRS 2016, 20739 Rn. 25). Schon aus den Protokollen (Prot. II 302), die als Beispiele die Dienste der Ärzte, Lehrer und Rechtsanwälte aufführen, ist zu schließen, dass der Gesetzgeber vorwiegend solche Tätigkeiten erfassen wollte, die einer akademischen Ausbildung bedürfen und sich durch ein besonders qualifiziertes Berufsbild auszeichnen. Dazu treten qualifizierte Tätigkeiten, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, wie Ehe-, Partner- und Bekanntschaftsvermittlung (Staudinger/Preis (2019) BGB § 627, Rn. 18).
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2. Das besondere Vertrauensverhältnis ist als persönliches Vertrauen zu verstehen, das sich nicht lediglich auf die fachlichen Kenntnisse oder Fertigkeiten, sondern auch auf die Person des Vertragspartners selbst zu erstrecken hat (BGH LM § 627 BGB Nr. 6; BGH NZA 2015, 490 Rn. 13; OLG Celle NJW 1981, 2762). Die Beispiele des Arztes und Anwalts zeigen, dass schon Misstrauen oder persönliche Aversion eine Lösung selbst dann ermöglichen können soll und muss, wenn die fachliche Qualifikation des Verpflichteten weiterhin außer jedem Zweifel steht (BGH LM § 627 BGB Nr. 3 für Verträge zwischen Künstlern und deren Promotern). Damit werden aber auch persönliche Bindungen und eine Verbundenheit zwischen den Parteien vorausgesetzt (Staudinger/Preis (2019) BGB § 627, Rn. 22). Ein Vertrag mit einer juristischen Person fällt darunter jedenfalls dann nicht, sofern es sich nicht um eine Ein M. GmbH handelt (OLG Köln IBR 2004, 628).
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1. Der Beklagte steht auch kein Recht auf außerordentliche Kündigung des Vertrages zu, weil durch die Verschmelzung in die negative Vertragsfreiheit der Beklagten eingegriffen worden wäre.
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Insoweit ist zutreffend, dass die Beklagte die Kündigung auch darauf gestützt hat, dass ihr besonders wichtig gewesen sei, dass der Werbeauftritt, sowie das gesamte Marketing keine Berührungspunkte mit der Firma Inline habe, „da deren Art der Betriebsführung mit unserer nicht kompatibel“ sei.
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Es kann vorliegend offen bleiben, ob diese Gründe bei Vertragsunterzeichnung für die Beklagte bestimmend waren. Auffallend ist allerdings, dass die Verschmelzungsverträge alle nach der (ersten) Kündigungserklärung datieren.
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Vorliegend führt die Verschmelzung der Klägerin (auch) mit der … nicht dazu, dass der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht einzuräumen wäre. Dem steht das Urteil des OLG Karlsruhe vom 28. Juni 2001, Az. 9 U 143/00, nicht entgegen.
36
Das OLG Karlsruhe bejahte nach Fusion zweier Banken die Möglichkeit des Entstehens eines außerordentlichen fristlosen Kündigungsrechts für einen Kreditvertrag aus wichtigen Gründen. Insbesondere bei einem langfristigen Kreditvertrag, entstehe zwischen dem Bankkunden und der Bank ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dies beruhe darauf, dass die Bank im Zusammenhang mit dem Kredit und der Prüfung der Sicherheiten während der ganzen Vertragszeit höchstpersönliche insbesondere auch wirtschaftliche Informationen über den Kreditnehmer erhalte, während der gesamten Vertragszeit sich über die Entwicklung dieser Verhältnisse auf dem Laufenden halten könne und gegebenenfalls nach dem Kreditwesengesetz sogar hierzu verpflichtet sei. Der Bankkunde könne daher zur Wahrung seiner eigenen wirtschaftlichen und sonstigen Interessen Gründe haben, seine Bank- und Kreditgeschäfte auf verschiedene Kreditinstitute in verschiedenen Orten zu verteilen und sei es nur, um einzelnen Banken zu großen Einblick in seine wirtschaftlichen Aktivitäten zu verwehren. Er könne auch im Einzelfall Gründe dafür haben, von einer Zusammenarbeit mit einem speziellen Kreditinstitut Abstand zu nehmen, weil er eine Interessenkollision befürchte oder gerade diesem Kreditinstitut Informationen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vorenthalten wolle. Die Möglichkeit solcher Interessenlagen ist der kreditgewährenden Bank bei Vertragsschluss gegenwärtig. Auch beim späteren Abschluss eines Fusionsvertrages müsse sich die Bank darüber im klaren sein, dass eine derartige Fusion im Einzelfall wesentliche wirtschaftliche Interessen ihrer Kunden beeinträchtigen könne.
37
Diese Situation ist der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Es ist schon nicht ersichtlich, welche höchstpersönlichen Informationen die Klägerin über die Beklagte erlangt haben soll. Auch ist nicht erkennbar, inwieweit das Geschäftsgebaren der früheren Firma Inline sich gegenwärtig - nach der Verschmelzung - überhaupt noch auf die Geschäftsbeziehung der Parteien auswirken könnte.
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2. Schließlich steht der Beklagte auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Gebietsschutzes zu.
39
Das Gericht geht davon aus, dass die Verletzung des Gebietsschutzes grundsätzlich geeignet gewesen wäre, ein Kündigungsrecht nach § 626 Abs. 1 BGB zu begründen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Gebietsschutz für die Vertragsparteien ersichtlich wesentlich gewesen, da dafür eine eigne Rubrik (zum Ankreuzen) auf dem Vertragsformular vorgesehen war.
40
Die Beklagte hat eine Verletzung des Gebietsschutzes jedoch nicht nachgewiesen. Sie hat zwar in den Raum gestellt, dass dadurch, dass die … auf die Klägerin verschmolzen worden sei, auch Fitnessstudios, die von der … betreut wurden, in die Betachtung des Gebietsschutzes einbezogen werden müssten. Die Klägerin hat dazu ausführlich Stellung genommen, und beschrieben, welche Fitnessstudios von ihr nach der Fusion betreut werden. Innerhalb des vereinbarten Gebietes von 5 km im Umkreis der Beklagten befindet sich danach kein weiteres Fitnessstudio, dass von der Klägerin betreut wird. Dieses Vorbringen hat die Beklagte nicht konkret bestritten, so dass es als zugestanden gilt.
41
Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der zur Kündigung berechtigenden Umstände trägt grundsätzlich diejenige Partei, die die Kündigung erklärt hat (Staudinger/Preis (2019) BGB § 626, Rn. 313). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
42
Da die Beklagte zu Unrecht die Zahlung der monatlichen Beratungsvergütung verweigert hat, steht der Klägerin nach der vertraglichen Regelung das restliche Honorar zu. Gegen diese Regelung hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Sie ist auch nicht zu beanstanden (vgl. dazu BGH NJW-RR 2019, 1072).
43
Der Klägerin steht somit aus dem Beratervertrag eine Betrag in Höhe von 36.842,41 € (24 Monate à € 1.535,10) sowie 355,81 € für die „Interessenten-Analyse“ im Zeitraum 01.07.2019 bis 30.06.2020 zu.
44
Entgegen der Auffassung der Klägerin befand sich die Beklagte erst aufgrund der anwaltlichen Mahnung vom 20.11.2019 ab dem 05.12.2019 in Verzug. Zwar ist es zutreffend, dass die Forderungen nach der vertraglichen Regelung fällig war, nachdem die Beklagte ab Juni 2019 mit zwei Monatsraten schuldhaft in Rückstand geraten war. Allerdings befand sich die Beklagte damit noch nicht im Verzug. Eine Mahnung der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt als dem anwaltlichen Schreiben vom 20.11.2019 (Anlage K 4) ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Da somit erst mit der anwaltlichen Tätigkeit der Verzug begründet wurde, scheidet auch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus, das diese bereits vor dem Verzug der Beklagten eingetreten waren.
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Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
47
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
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Für die Streitwertfestsetzung war die klägerische Hauptforderung maßgeblich.