Inhalt

OLG München, Endurteil v. 25.11.2021 – 24 U 373/21
Titel:

Restschadensersatzanspruch eines geschädigten Neuwagenkäufers nach § 852 BGB (hier: VW Tiguan 2.0 TDI)

Normenketten:
BGB § 195, § 199 Abs. 1, § 826, § 852 S. 1
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Zum Anspruch aus § 852 BGB bei verjährten "Diesel-Fällen" vgl. auch BGH BeckRS 2022, 4174; BeckRS 2022, 4153; BeckRS 2022, 4167; BeckRS 2022, 4175; BeckRS 2022, 18285; BeckRS 2022, 24076; BeckRS 2022, 25604; OLG München BeckRS 2022, 23409; OLG Bamberg BeckRS 2022, 32253; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 23382 sowie OLG Koblenz BeckRS 2022, 25161; BeckRS 2022, 25158; BeckRS 2022, 25067 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Erwirbt ein Käufer bei einem Händler ein Neufahrzeug mit einem noch unverbindlichen künftigen Liefertermin, erlangt die Herstellerin aus diesem Kaufvertrag den um die Händlermarge reduzierten Kaufpreis im Sinn des § 852 S. 1 BGB. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB wird nicht nur durch das von der Herstellerin erlangte Etwas, sondern auch durch den Schaden des Käufers begrenzt, weil dieser nicht besser gestellt werden soll, als er vor Eintritt der Verjährung stand (anders nachfolgend BGH BeckRS 2022, 21673 sowie BeckRS 2022, 6222 Rn. 84). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 189, Neuwagen, Liefertermin, unzulässige Abschalteinrichtung, Verjährung, Restschadensersatzanspruch, Kaufpreis, Händlermarge, Nutzungsentschädigung
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 17.12.2020 – 34 O 1606/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 01.08.2022 – VIa ZR 702/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56614

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 17.12.2020, Az.: 34 O 1606/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw VW Tiguan 2.0 TDI, FIN: …24,an die Klägerin 22.410,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.08.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 27%, die Beklagte 73%.
IV. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin aufgrund des Kaufs eines Pkw VW Tiguan, in dem ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe EA189 verbaut und der somit vom sogenannten „Diesel-Skandal“ betroffen ist.
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Gemäß der als Anlage DB 1 vorgelegten „verbindlichen Volkswagen-Bestellung“ vom 26.05.2015 erwarb die Klägerin beim …zentrum K. einen neuen Pkw VW, Typ Tiguan 2.0 TDI, zum Preis von 33.750,- € brutto. Ein Software-Update zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung wurde im Laufe des Jahres 2016 aufgespielt. Eine Anmeldung der Klägerin zur Musterfeststellungsklage erfolgte nicht. Die vorliegende Klage wurde mit Schriftsatz vom 30.07.2020 zum LG Ravensburg erhoben und später an das LG Memmingen verwiesen. Im Termin vom 01.10.2021 wurde ein aktueller Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 83.996 Kilometern unstreitig gestellt.
3
Durch das angefochtene Endurteil vom 17.12.2020 hat das LG Memmingen die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO auf das Ersturteil Bezug genommen.
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Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich gestellten Schadensersatzansprüche weiter. Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 18.03.2021; Bl. 197/272) sowie auf die Protokolle der Berufungsverhandlungen vom 25.06.2021 (Bl. 349/352 d.A.) und vom 01.10.2021 (Bl. 312/315 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,
das am 17.12.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Memmingen - 34 O 1606/20 - zu ändern und wie folgt neu zu fassen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 20.695,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.07.2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Volkswagen Tiguan 2.0 TDI, …24 zu zahlen;
2. für den Fall, dass der Antrag zu 1) Erfolg hat, beantragen wir festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Pkw in Annahmeverzug befindet;
3. hilfsweise wird beantragt, Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag bezüglich des im Klageantrag 1) genannten Fahrzeugs, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens in Höhe von 6.750,00 EUR (20% des Kaufpreises) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
4. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von Verjährung ausgeht, wird hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 30.375,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs V. AG, Tiguan 2.0 TDI EA189 BJ. 06/2015, bestellt 26.05.2015, …24.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.373,36 EUR freizustellen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
7
Hinsichtlich ihres Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung (Schriftsatz vom 11.05.2021; Bl. 280/335 d.A.), auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 24 U 373/21 - Seite 4 - 23.09.2021 (Bl. 356) sowie auf die Protokolle der Berufungsverhandlungen vom 25.06.2021 und 01.10.2021 Bezug genommen.
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Der Senat hat am 25.06.2021 und am 01.10.2021 jeweils ohne förmliche Beweisaufnahme mündlich verhandelt.
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Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Klägerin steht in der ausgeurteilten Höhe ein sogenannter Restschadensersatzanspruch aus § 852 Satz 1 BGB zu, auf den sich der hilfsweise unter Ziffer 4 gestellte Berufungsantrag der Klägerin bezieht.
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1. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 und vom 30.07.2020 - VI ZR 354/19, 367/19, 397/19, 5/20 - juris), dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen des mit einem Motor des Typs EA189 ausgestatteten streitgegenständlichen Fahrzeugs eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinn des § 826 BGB begangen hat.
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2. Ein zu bejahender deliktischer Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 826 BGB, gerichtet auf Zahlung eines Betrags in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, ist jedoch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist begann im Streitfall mit Ablauf des Jahres 2016. Es ist zuletzt unstreitig, dass das Software-Update am klägerischen Pkw noch im Jahr 2016, nämlich wie klägerseits unbestritten vorgetragen am 23.11.2016, aufgespielt wurde. Dass die Klägerin spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der konkreten Betroffenheit ihres Pkw's vom „Diesel-Skandal“ hatte, ist unzweifelhaft.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil des BGH vom 17.12.2020, Az.: VI ZR 739/20) war der Klägerin mit der Kenntnisnahme von der konkreten Betroffenheit ihres Pkw's vom Diesel-Skandal die Erhebung einer auf Schadensersatz gerichteten Klage zumutbar. An dieser Einschätzung ändert sich insbesondere auch nichts, wenn die Klägerin als rechtsunkundige Käuferin im Hinblick auf das zunächst angekündigte und dann aufgespielte Software-Update am Vorliegen eines Schadens zweifelte (vgl. BGH a.a.O. Rn. 27).
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Die Geltendmachung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar.
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Die Durchführung des Software-Updates ist auch nicht als Anerkenntnis eines deliktischen Schadensersatzanspruchs zu werten, das zu einem Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB führen würde. Abgesehen davon erfolgte das Aufspielen des Software-Updates im Streitfall bereits im Jahr 2016, so dass sich selbst bei der Annahme eines Anerkenntnisses im Sinn des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB an der Verjährung des deliktischen Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB nichts änderte.
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An der gebotenen Feststellung der Verjährung ändert auch der klägerische Vortrag, durch das Software-Update sei eine neue unzulässige Abschalteinrichtung (Thermofenster) installiert worden, nichts. Es fehlt insoweit bereits am Vortrag greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass verantwortliche Mitarbeiter der Beklagten im Hinblick auf das vom KBA genehmigte Software-Update sittenwidrig und mit Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB handelten.
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Im Übrigen wäre ein - unterstellt - sittenwidriges Handeln im Zusammenhang mit dem Software-Update nicht als kausal für den Fahrzeugkauf anzusehen, dessen Rückabwicklung die Klägerin mit ihrer Klage begehrt.
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3. Die Beklagte hat aus dem streitgegenständlichen Fahrzeugkauf der Klägerin im Sinn des § 852 Satz 1 BGB „etwas erlangt“, nämlich den um die Händlermarge reduzierten Kaufpreis.
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a) Wie das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig bindend festgestellt, hat die Klägerin das Fahrzeug als Neufahrzeug mit einem Kilometerstand von 0 km erworben. Die als Anlage DB 1 vorgelegte Bestellung weist als Liefertermin aus: „Monat 06/2015 unverbindlich“ sowie eine Überführungspauschale von 860,- €. Auf dieser Grundlage ist der Senat davon überzeugt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen Neuwagen handelt, dessen erste Erwerberin die Klägerin war, auch wenn zur Abwicklung des Kaufs der Händler, das …zentrum K. zwischen die Beklagte und die Klägerin trat.
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b) In dieser Konstellation hat die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Kaufvertrag den um die Händlermarge reduzierten Kaufpreis im Sinn des § 852 Satz 1 BGB erlangt. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nach Auffassung des Senats nicht die teleologische Reduktion ihres Wortlauts entgegen. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des OLG Bamberg (vgl. Urteil des OLG Bamberg vom 04.08.2021, Az.: 3 U 110/21, abzurufen bei juris), wonach der Anwendungsbereich des §§ 852 BGB für die typische Konstellation eines sogenannten DieselAbgasfalls von vorneherein nicht eröffnet sei.
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Der Senat schließt sich vielmehr der Auffassung des 10. Senats des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 09.03.2021 - 10 U 339/20 - juris Rn. 37 ff.; zugelassene Revision nicht eingelegt) und des 3. Senats des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 27.09.2021 - 3 U 1705/21 - juris Rn. 33 ff., BeckRS 2021, 28126, Az. der zum BGH eingelegten Revision: VI a ZR 429/21) an, auf deren Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
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c) Der Auffassung, wonach nur der Gewinn der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Veräußerungsgeschäft als erlangtes Etwas anzusehen sei (9. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10.02.2021 - 9 U 402/20 - BeckRS 202, 5498 Rn. 45 ff.; OLG Düsseldorf vom 13.04.2021 - 23 U 143/20 - juris Rn. 29 ff., BeckRS 2021, 8516 Rn. 20 ff.; Riehm in NJW 2021, 1625) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar lässt sich grundsätzlich argumentieren, der Abzug der von der Beklagten zur Erlangung des (um die Händlermarge reduzierten) Kaufpreises aufgewendeten Gestehungskosten sei kein Fall einer - aufgrund der Bösgläubigkeit der Beklagten gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292 BGB ausgeschlossenen - Entreicherung im Sinn des § 818 Abs. 3 BGB, weil insoweit eine Bereicherung von vorneherein nicht stattgefunden habe. Diese Betrachtung lässt aus Sicht des Senats jedoch den Umstand außer Acht, dass die Gestehungskosten, also die „Personal- und Materialkosten für die Produktion (und) die anteiligen Gemeinkosten für Verwaltung, Forschung und Entwicklung, Marketing etc.“ (Riehm a.a.O. Rn. 20) im Zeitpunkt ihrer Aufwendung keinen Bezug zu einem konkreten Fahrzeug haben und ohne dessen Existenz erfolgen. Sie wären im Übrigen in gleicher Weise auch angefallen, wenn die Beklagte nach der Herstellung des konkreten Autos, aber vor dessen Inverkehrbringung von ihrem deliktischen Tun (fortgesetzte Täuschung des KBA und des Marktes über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung) Abstand genommen und über die unzulässige Abschalteinrichtung informiert hätte. Für diesen Fall ist anzunehmen, dass sie das Auto - nach Anfall der Gestehungskosten - nicht hätte verkaufen können. Dann aber wäre die Beklagte - im Vergleich zur tatsächlich vorliegenden Fallkonstellation - nicht nur um ihren Gewinn, sondern um den gesamten Kaufpreis (abzüglich der Händlermarge) ärmer, was zeigt, dass dieser das im Sinn des § 852 Satz 1 BGB erlangte Etwas ist.
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4. Der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB wird jedoch nicht nur durch das vom Anspruchsverpflichteten erlangte Etwas, sondern auch durch den Schaden des Anspruchsberechtigten begrenzt, weil dieser nicht besser gestellt werden soll, als er vor Eintritt der Verjährung stand. Es handelt sich also um den ursprünglichen deliktischen Anspruch, der lediglich in der Höhe des vom Schädiger Erlangten nicht verjährt ist (sogenannter Restschadensersatzanspruch, vgl. BGH vom 15.11.2015 - I ZR 148/13 - juris Rn. 29 m.w.N.). Es ist daher erforderlich, die Höhe des verjährten Anspruchs der Klägerin aus § 826 BGB zu bestimmen. Dabei schätzt der Senat die Gesamtlaufleistung des Pkw's mit Dieselmotor hier wie in der Regel gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km. Danach ergibt sich im vorliegenden Fall eine vom Kaufpreis (33.750,- €) abzuziehende Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.339,46 € (83.996 km: 250.000 km; multipliziert mit dem Kaufpreis). Somit verbleibt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 22.410,54 € (33.750,00 € abzüglich 11.339,46 €).
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5. Dass die im Rahmen der Bestimmung des Erlangten vom Kaufpreis abzuziehende Händlermarge im vorliegenden Fall geringer ist als 11.339,46 € (ca. 1/3 des Kaufpreises) liegt aus Sicht des Senats auf der Hand; jedenfalls schätzt der Senat dies auf der Grundlage des §§ 287 ZPO. Damit ergibt sich ein Restschadensersatzanspruch in Höhe von 22.410,54 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
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6. Der zugesprochene Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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7. Ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht in Höhe von 1.242,84 €.
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Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Höhe des der Klägerin zustehenden berechtigten Anspruchs. Grundsätzlich wäre hier auf den Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters abzustellen. Allerdings ist der Kilometerstand zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, so dass hilfsweise auf den (unstreitigen) Stand zur Zeit der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung (78.920 Kilometer; vgl. Seite 2 des 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2020; Bl. 158 d.A.) abzustellen ist. Daraus ergibt sich eine Nutzungsentschädigung zum damaligen Zeitpunkt in Höhe von 10.654,20 € und ein berechtigter Zahlungsanspruch in Höhe von 23.095,80 €.
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Der Senat setzt für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Zwar mag die anwaltliche Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich gewesen sein. Entscheidend ist aber, dass die Kanzlei der Klägervertreter gerichtsbekannt eine Reihe von Geschädigten des Abgas-Skandals vertritt, so dass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate relativiert.
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Damit ergibt sich ein Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € (788,- € x 1,3 = 1.024,40 €; zuzüglich 20,- € Unkostenpauschale zuzüglich 19% Umsatzsteuer).
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8. Die Feststellung des Annahmeverzugs wurde hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von Verjährung ausgeht, nicht beantragt. Die Feststellung des Annahmeverzugs wäre auch nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin auch noch in der Berufungsinstanz die Zahlung eines deutlich höheren Betrages verlangt als sie beanspruchen kann (vgl. Seite 75 der Berufungsbegründung, Bl. 271 d.A.: Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 500.000 Kilometern).
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9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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10. Da, wie oben ausgeführt, die obergerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit auf eine Fallkonstellation wie im Streitfall sowie hinsichtlich der Frage uneins ist, ob das erlangte Etwas im Sinn des §§ 852 Satz 1 BGB der um die Händlermarge reduzierte Kaufpreis oder der Gewinn der Beklagten ist, war die Revision gegen dieses Urteil zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuzulassen (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).