Inhalt

LG Regensburg, Beschluss v. 29.04.2021 – SR StVK 75/19
Titel:

Weiterleitung von Gefangenenpost an die Strafvollstreckungskammer

Normenkette:
BayStVollzG Art. 33 Abs. 2
Leitsatz:
Dem Unverzüglichkeitsgebot des Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG ist genügt, wenn ein nicht fristgebundener oder eilbedürftiger Brief am folgenden Werktag nach Abgabe bei der Anstalt weitergeleitet wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Post, Brief, Weiterleitung, unverzüglich, Unverzüglichkeitsgebot, Justizvollzugsanstalt, Briefkasten, Leerung
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 02.11.2021 – 204 StObWs 279/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56562

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Weiterleitung des Schreibens vom 14.01.2019 erst am 16.01.2019 rechtswidrig war.
2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers trägt die Staatskasse.
3. Der Gegenstandswert wird festgesetzt auf 25,- EUR.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Insasse der Justizvollzugsanstalt … und verbüßt dort eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen zweifachen Mordes. Zugleich wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.
2
Mit Schreiben vom 21.01.2019 beantragte er festzustellen, dass die Weiterleitung eines morgendlich am 14.01.2019 zu internen Leerung des Anstaltsbriefkastens und als Behördenpost gekennzeichneten Briefes an die hiesige Strafvollstreckungskammer nicht unverzüglich erfolgte und dieser Brief das Gericht erst am 16.01.2019 erreichte, wie im Verfahren SR StVK 768/16 bestätigt. Da die Amtspost am folgenden Tag durch den Stadtwagenfahrer mitgenommen und um 08.00 Uhr bei Gericht abgeliefert wird, hätte sein Brief spätestens am 15.01.2019 bei der StVK eintreffen müssen. Wiederholungsgefahr liege vor begründet der Antragsteller diese weiter.
3
Die Justizvollzugsanstalt … hat am 14.02.2019 Stellung genommen und hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet und sieht ein Feststellungsinteresse nicht, wozu weiter vorgetragen wird.
4
Der Antragsteller hat in der Sache keine weitere Stellungnahme abgegeben und wurde durch Beschluss vom 11.03.2019 der Antrag zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 19.08.2019 den Kammerbeschluss vom 11.03.2019 aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen.
5
Die Justizvollzugsanstalt … hat am 06.09.2019 ergänzend Stellung genommen und trägt zu den generellen Gepflogenheiten der Postweiterleitung ausgehender Gerichtspost vor. Diese wird, wenn sie ordnungsgemäß in die Briefkästen der Unterkunftsgebäude eingeworfen wird, nach erfolgter Briefkontrolle an die Poststelle weitergeleitet und von dort unentgeltlich am Morgen des kommenden Werktages bei den örtlichen Justizbehörden abgeliefert. Die Leerung der Briefkästen in den Unterkünften erfolgt zweimal täglich ca. 07.00 Uhr und 13.00 Uhr.
6
Mit Schreiben vom 13.09.2019 lehnte der Antragsteller die gerichtliche Sachbearbeiterin wegen Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 22.01.2020 wurde dem Antrag auf Befangenheit stattgegeben.
7
Bereits zuvor hatte der Antragsteller am 16.09.2019 in der Sache Stellung genommen. Demnach habe er den Brief für Montag, 14.01.2019 abgegeben, ihn also bereits am Sonntag, 13.01.2019 in den hausinternen Briefkasten zeugengesichert eingeworfen. Im Übrigen trägt er zum vorliegenden Rechtsschutzinteresse in Form einer Wiederholungsgefahr weiter vor. Sein gegenständlichen Schreiben hätte spätestens am Dienstag, 15.01.2019 bei der hiesigen StVK eintreffen müssen.
8
Mit weiterem Schreiben, ebenfalls vom 16.09.2019 trägt der Antragsteller in der Sache weiter vor. Er geht davon aus, dass in der Anstaltsstellungnahme eingeräumt wird, dass sein am Montagmorgen eingeworfener StVK-Brief (Behördenpost) bereits am Dienstag die StVK erreichen konnte und musste und somit verspätet dort eintraf.
9
Am 23.01.2020 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass das Verfahren nunmehr vom RiAG … bearbeitet wird. Daraufhin lehnt der Antragsteller den gerichtlichen Sachbearbeiter mit Schreiben vom 28.01.2020 ab. Der Befangenheitsantrag wurde mit Beschluss vom 27.04.2021 zurückgewiesen.
10
Das vom Antragsteller bezeichnete streitgegenständliche Schreiben vom 14.01.2019 im Verfahren SR StVK 768/16 wurde in Augenschein genommen. Dieses befindet sich auf Bl. 214 des genannten Verfahrens und trägt den Einlaufstempel der hiesigen Justizbehörden mit dem Datum 16.09.2019. Das Schreiben selbst wurde mit Straubing, 14.01.2019 vom Antragsteller selbst bezeichnet.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sämtlicher vorgenannter Schriftstücke wird auf den übrigen Akteninhalt vollinhaltlich Bezug genommen.
II.
12
Der Antrag ist zulässig und wie tenoriert, begründet.
13
Das vom Antragsteller vorgetragene Feststellungsinteresse in Form einer Wiederholungsgefahr ist im Hinblick auf die von ihm bezeichneten Verfahren plausibel dargelegt. Mit weiteren Schreiben des Antragstellers an die hiesige Kammer ist zudem konkret zu rechnen.
14
Im Übrigen erweist sich der Antrag in der Sache als begründet.
15
Gemäß Art. 33 Abs. 2 BayStVollzG sind ausgehende Schreiben unverzüglich weiterzuleiten. Übereinstimmend mit dem in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19.08.2019 (204 StObWs 996/19) sowie in Übereinstimmung mit der überwiegenden Kommentarliteratur schließt sich die Kammer der Einschätzung an, dass es nicht zu beanstanden ist, dass ein nicht fristgebundener oder eilbedürftiger Brief am folgenden Werktag nach Abgabe bei der Anstalt weitergeleitet wird. Dabei sind selbstredend die örtlichen Gegebenheiten und Vollzugsabläufe zu berücksichtigen. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die Anstalt die internen Briefkästen zweimal am Tag, ca. 07.00 Uhr und 13.00 Uhr leert. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, dass die gesetzlich zulässige Briefkontrolle durchgeführt und erst danach die Briefe an die Poststelle weitergeleitet werden, von wo aus sie ihren Ausgang finden. Entsprechend ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Leerung der internen Briefkästen und der Weiterleitung der Briefe an die Poststelle mit der Briefkontrolle ein Vorgang anfällt, der einen gewissen zeitlichen und personellen Aufwand erfordert und hinzunehmen ist.
16
Der vom Bayerischen Obersten Landesgericht im Beschluss vom 19.08.2019 genannten weiteren Sachaufklärung hinsichtlich des Systems der Weiterleitung von örtlicher Gerichtspost, wurde durch die zutreffende Stellungnahme der Anstalt vom 06.09.2019 Genüge getan, wäre aber ohnehin in der Sache nicht erforderlich gewesen. Denn das System, welches offensichtlich dem Bayerischen Obersten Landesgericht nicht bekannt war, ist der hiesigen und zur Entscheidung berufenden Kammer seit vielen Jahren gerichtsbekannt. Angesichts dieser Selbstverständlichkeit hat es die anders besetzte Kammer offensichtlich im Rahmen des Erstbeschlusses völlig nachvollziehbar nicht für erforderlich gehalten, hierauf einzugehen, zumal der Sachvortrag des Antragstellers in diesem Punkt gar nicht bestritten wurde. Angesichts des in der hiesigen JVA installierten Postweiterleitungssystems hat sich die Anstalt an dem so von ihr geschaffenen Vertrauenstatbestand festhalten zu lassen (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, a.a.O.).
17
Soweit der Antragsteller nachvollziehbar vorgetragen hat, dass er den gegenständlichen Brief vom 14.01.2019 jedenfalls so in den internen Anstaltsbriefkasten eingeworfen hat, dass dieser mit der morgendlichen Leerung um 07.00 Uhr entnommen worden ist, so hätte dieser bereits am Morgen des Folgetages, nämlich den 15.01.2019 weitergeleitet und durch den Stadtwagenfahrer beim Amtsgericht … gegen 08.00 Uhr abgeliefert werden müssen. Der dortige Posteinlaufstempel trägt jedoch den 16.01.2019, so dass die Weiterleitung später als dem System nach zu erwarten, erfolgt ist. Zwar ist zu erkennen das der Antragsteller hinsichtlich der Ablieferung des Briefes im anstaltsinternen Briefkasten divergierende Angaben macht, andererseits ist der Antragsteller dem Gericht dahingehend bekannt, dass er bei der Absendung und dem Erhalt von Schreiben einen besonderen Wert auf die Datierungen sowie die Rechtzeitigkeit deren Weiterleitung legt. Insofern kommt es nicht darauf an, dass der Antragsteller im Antragsschreiben benennt, dass er den Brief für Montag, 14.01.2019 zur ersten morgendlichen internen Leerung in den Anstaltsbriefkasten gab, im ersten Schreiben vom 16.01.2019 dagegen angibt, dass er den Brief bereits am Sonntag, 13.01.2019 zeugengesichert eingeworfen habe und im weiteren Schreiben vom 16.09.2019 wiederum angibt, dass er den Brief am Montagmorgen eingeworfen habe. Denn die Kammer ist davon überzeugt, dass der Antragsteller den gegenständlichen Brief jedenfalls so in den anstaltsinternen Briefkasten eingeworfen hat, dass er mit der Leerung am 14.01.2019 jedenfalls noch am Dienstag, 15.01.2019 die Strafvollstreckungskammer erreichen sollte.
18
Die Kammer ist sich bewusst, dass die tatsächlichen Umstände hinsichtlich des Sachvortrags des Antragstellers, letztendlich aber auch der JVA … nicht weiter aufklärbar bzw. durch tatsächliche Nachweise belegbar ist. Ersichtlich ist aber auch, dass der Antragsteller durch seine Stellung als Gefangener und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im konkreten Einzelfall nur geringeren Nachweismöglichkeiten seines Tatsachenvortrages unterliegt. Denn es ist nicht ersichtlich, wie der Antragsteller den ihn betreffenden Sachvortrag durch eigenes weiteres Zutun belegen könnte, so dass ihm dies nicht vorgehalten werden kann. Andererseits ist auch zu sehen, dass auch die Justizvollzugsanstalt … mangels Registrierung ausgehender Post einen solchen Nachweis im Ergebnis nicht erbringen kann. Letzten Endes kann diese Patt-Situation aber nicht zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen, zumal die Anstalt selbst nicht vorgetragen hat, dass beispielsweise Verzögerungen bei der Briefkontrolle dazu geführt haben, dass im gegenständlichen Zeitraum einzelne Briefe möglicherweise verspätet an die Poststelle weitergeleitet worden sind und somit auch nicht am nächsten Morgen vom Stadtwagenfahrer ausgeliefert werden konnten. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die verspätete Weiterleitung des Briefes rechtswidrig war und der Antragsteller hierdurch in seinen Rechten verletzt wurde.
19
Der Hinweis des Bayerischen Obersten Landesgerichts in der Entscheidung vom 19.08.2019, dass zu überlegen sei, ob wegen der unentgeltlichen Postbeförderung und der damit erheblichen Entlastung der Gefangenen gegenüber der kostenpflichtigen Beförderung durch übliche Postunternehmen, eine geringfügige Verzögerung (gemeint ist wohl 1 Tag) durch die damit verbundenen Vorteile kompensiert wird, hat die Kammer nicht zu einer anderen Einschätzung gebracht.
III.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Absatz 2 StVollzG und beinhaltet ebenfalls die Kosten der Rechtsbeschwerde.
21
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 GKG.